Herr Kretschmann ist ein katholischer, bodenständiger, schwäbischer Biedermann, eine zweibeinige Inkarnation der landestypischen Sittlichkeit, die seine Landsleute mit ihrem ebenso landestypischen Humor in brüderlicher Verachtung „Schwoba-Seggl“ nennen. Weil Herr Kretschmann aber auch der Herr Ministerpräsident ist, ist bei ihm alles, was ihn zu einem typisch schwäbischen Ekel macht, etwas ganz Besonderes.
Aus lauter öffentlicher Vorfreude darauf, demnächst von anderen Christdemokraten regiert zu werden, geht hierzulande etwas verloren, was die Nation an Merkel hatte. Den zahlreichen Rückblicken, die im Lichte ihres Abgangs die Größe ihrer politischen Persönlichkeit in Erfolg und Scheitern würdigen, stellt der GegenStandpunkt seinen garantiert unnostalgischen Rückblick auf eine mustergültige Charaktermaske der deutschen Staatsräson und ihres imperialistischen Aufstiegs gegenüber.
Merkels Innenminister repräsentiert einen Abstieg eigener Art. Seiner stolzen Regionalpartei ist der große kommunistische Feind dies- und jenseits der Mauer und damit die Rolle des konservativen Vorreiters und imperialistischen Scharfmachers in der Republik unwiderruflich abhanden gekommen.
Das Jubiläum der bolschewistischen Machtergreifung lassen die klugen Köpfe der bürgerlichen Öffentlichkeit nicht unkommentiert verstreichen. Sie warten mit den Einsichten auf, zu denen sie im Zuge ihrer Befassung mit dem Kommunismus schon seit langem gelangt sind.
Auch demokratisch gereifte Völker können viel falsch machen, wenn man sie machen lässt. Die Deutschen machen seit dem verlorenen Krieg zwar mehrheitlich alles richtig und folgen, wenn man sie zur freien Wahl bittet, dem Wahlspruch ‚Keine Experimente!‘ oder ‚wagen‘ äußerstenfalls ein bisschen ‚mehr Demokratie‘; aber alle paar Jahre folgt dann doch eine ganze Menge von ihnen rechtsradikalen ‚Rattenfängern‘; eine Minderheit ausländerfeindlicher ‚Wutbürger‘ macht mit einem Votum für die ‚Alternative für Deutschland‘ den C-Parteien den Monopolanspruch auf rechtsnationale Gesinnung streitig.
Der Bundespräsident kandidiert nicht für eine zweite Amtszeit. Devot bemüht sich die professionelle Öffentlichkeit, dieser Entscheidung des Staatsoberhauptes die gebührende Bedeutung zukommen zu lassen, und fragt besorgt, ob man anlässlich von Flüchtlingskrise und Wahlerfolgen der rechtspopulistischen AfD nicht befürchten müsse, dass sein Rückzug die politische Stabilität in Deutschland gefährden könne (welt.de, 6.6.16).
Über Politik lässt sich streiten. Aber heucheln, so SPD-Chef Gabriel, geht gar nicht:
„Man kann sich nicht morgens dafür feiern lassen, dass man eine Million Flüchtlinge nach Deutschland holt, und abends im Koalitionsausschuss jedes Mal einen neuen Vorschlag machen, wie man die schlechter behandeln könnte.“
Doch, das kann man. Die Kanzlerin kann das sogar nicht nur morgens hier und abends dort, sondern innerhalb einer einzigen Rede auf ihrem Parteitag.
Nelson Mandela, das Idealbild des Menschen (Die Welt), stirbt, und namens der Menschheit trauert die deutsche Presse um den friedlichsten Menschen der Welt(BILD). Anlässlich seines Todes lassen die Nekrologe noch einmal die einzigartige Mischung aus Weisheit, Güte und visionärer Kraft hochleben, mit denen er im diesbezüglichen Ranking nach fast einhelliger öffentlicher Auffassung sogar Mahatma Gandhi mindestens ein-, vielleicht auch überholt hat.
Gut, der Minister ist weg, die Aufregung vorbei. Aber nicht einmal die kritischsten Kritiker, die ihn während seiner Amtszeit für rechtlich und politisch fragwürdige Entscheidungen und für seine unseriösen Inszenierungen gescholten haben, wollen sich so richtig darüber freuen, dass der gegelte Windbeutel endlich das Feld geräumt hat.
Es war einmal vor einem halben Jahrhundert, zur Zeit der rebellischen Jugend, da gab es einen left labour man, der die Monarchie als nutzlose Verschwendung abschaffen wollte. Die musikalisch und modemäßig aufmüpfige Jugend hat sich aber schon bald mit frisch gewaschenen und gekämmten Pilzköpfen bei der Queen ganz artig den Orden des britischen Empire abgeholt und campiert heute im Park, um das königliche Spektakel der jüngsten Prinzenhochzeit keinesfalls zu versäumen.