Trump bleibt auch im Jahr 4 seiner Amtszeit dabei: Fairness beim Handel ist der einseitige Nutzen Amerikas, Partnerschaft ist Unterwerfung unter seine Ansagen, und Frieden gibt es nur als bedingungslose Kapitulation vor seiner Stärke. Dass Trumps Update für Amerikas Imperialismus so gut funktioniert, dass er von den betroffenen Konkurrenten inzwischen öfter auch so genannt wird, beweist, dass er über alle Waffen verfügt, die es dafür braucht: Geld und Gewaltmittel made in USA.
Was sich in Sachen kapitalistischer Fortschritt technisch und ökonomisch tut – großenteils gar nicht von allein, sondern von ihnen auf den Weg gebracht –, ist für die Staaten, die mächtigen insbesondere und vor allen anderen, in mehrfacher Hinsicht von größter Bedeutung, dringlichst betreuungs-, kontroll-, lenkungsbedürftig, weil essenziell für ihre Konkurrenz untereinander: die ökonomische, die weltmarktstrategische, die militärische – kurz: für ihre „Zukunft“.
Der GegenStandpunkt analysiert in fünf Kapiteln die Fortschritte und Widersprüche der globalen Krisenkonkurrenz, also die ökonomischen und politischen Gegensätze der Staaten, die mit Macht um ihren nationalen kapitalistischen Erfolg ringen:
Die Frage, worum es im Ukraine-Krieg geht, was dort auf dem Spiel steht, wird in der demokratischen Öffentlichkeit des Westens, vorbildlich in der deutschen, nicht gestellt, sondern durch die politmoralische Antwort überrundet: Dem Kreml geht es um Eroberung, Unterdrückung der Demokratie in der Ukraine und überhaupt, den Einstieg in einen neuen russischen Imperialismus, dem Oberbefehlshaber um seine persönliche Macht. Der Ukraine geht es um Verteidigung gegen illegale Aggression und den Schutz der demokratischen Werte.
Der Krieg in Osteuropa wird nicht nur um die Errichtung und Behauptung einer autonomen, von allem Russischen gereinigten ukrainischen Nation bzw. um die Durchsetzung eines russischen Rechts auf ein nicht bedrohliches, kooperationswilliges „nahes Ausland“ geführt, sondern um die Geltung der bisherigen von den USA dominierten Weltordnung bzw. deren Ersetzung durch eine andere, ihren Verfechtern zufolge, multipolare.
Was das Datenleck von geheimen US-Dokumenten rund um den Ukraine-Krieg in sozialen Netzwerken zutage bringt, überrascht niemanden: Die USA kontrollieren nicht nur sämtliche Informationen, die die Ukraine für eine erfolgreiche Kriegführung braucht; damit die Regierung in Kiew aus diesen Informationen die richtigen Schlüsse zieht, spähen sie sowohl jede Regung des Feinds als auch den ukrainischen Stellvertreter selbst aus.
Am 3. Mai kursiert ein Video, das Rauchwolken über dem Kreml zeigt. Das russische Militär berichtet, dass es zwei Drohnen kurz vor dem Einschlag abgeschossen hat. Eine Aktion des ukrainischen Militärs, wie die Russen behaupten? Oder waren russische Kriegsgegner am Werk? Ukrainische Freiwilligenverbände mit selbst erteiltem Auftrag? Oder – „false flag“ – die russischen Kriegsherren selbst? Die allgegenwärtigen Russland-Experten wissen es auch nicht. Aber im Wettbewerb um die gehässigste Interpretation des Vorfalls, der sofort anhebt, lässt sich jeder Variante etwas abgewinnen.
Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine sieht das Land entsprechend aus.
Zu Beginn des letzten Quartals sind zum bisherigen Zerstörungswerk der beiden Seiten flächendeckende russische Raketen- und Drohnenangriffe auf die ukrainische Infrastruktur dazugekommen. Sie zielen auf die Kampf- und Widerstandsfähigkeit der Ukraine und treffen oft genug, um die Bewohnbarkeit etlicher Teile des Landes, die Funktionsfähigkeit seiner Ökonomie wie seiner Herrschaft infrage zu stellen.
Amerikas Geld beherrscht die Weltmärkte für Waren und Kapital. Amerikas Cyber-Industrien dominieren die globale Kommunikation. Amerikas Kriegsflotten kontrollieren die Weltmeere. Amerikas strategische Waffen zerlegen bei Bedarf jedes feindliche strategische Potenzial. An der weltweiten Ächtung und praktischen Zerstörung der russischen Macht wird gearbeitet. Chinas Bemühungen um eine Revision der herrschenden Weltordnung kontert Amerika mit einer kalten Kriegserklärung der Demokratien – der Guten – gegen die Autokraten – die Bösen.
Russland führt eine „militärische Spezialoperation“ mit Ziel Kiew und im Osten der Ukraine durch mit dem erklärten Ziel, die dem Westen – der EU und der NATO – willfährige Regierung zu entmachten und durch eine russlandfreundliche zu ersetzen; die Okkupation von Gebieten, die an die Moskau treuen Volksrepubliken im Osten des Landes angrenzen, soll die gegen permanente Über- und Angriffe ukrainischer Kräfte schützen und die Annexion der Krim militärisch absichern.