Anfang August ruft die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nach einem entsprechend eindeutigen Ergebnis einer Urabstimmung zum Streik auf. Der erwartbare Aufschrei öffentlicher Empörung lässt nicht auf sich warten: „Dieser Bahnstreik ist eine Frechheit“, „Das ist eine Attacke auf das ganze Land“.
Verdi fühlt sich stark wie lange nicht mehr. Die Gewerkschaft stellt selbstbewusst Forderungen in den Raum, mit denen sie ihre materiellen Ansprüche als die naturwüchsige Verlängerung des allseits ausgesprochenen Respekts gegenüber den Angestellten im öffentlichen Dienst behandelt. Was hilft, ist ein Tarifvertrag für eine Lohnerhöhung von 4,8 %, mindestens aber 150 Euro, bezogen auf 12 Monate. Damit beißt Verdi auf Granit. Und die Abfuhr ist lehrreich ...
Während die „mächtigen“ deutschen Industriegewerkschaften sich zur absoluten Konformität mit der Kapitalseite vorgearbeitet, den Konkurrenzerfolg der Arbeitgeber sowie die Verwaltung der sozialen Nöte, die deren Geschäft den Beschäftigten beschert, ganz zu ihrer Sache gemacht haben, sieht die Welt bei der Edelfirma der deutschen Luftfahrt anders aus. Die Geschäftsstrategie der Lufthansa, näher die Veränderungen der Arbeitsbedingungen, die sie verlangt, erzeugen ein neues, von unten artikuliertes Interesse an gewerkschaftlicher Interessenvertretung.
Beim irischen Billigflieger Ryanair finden Ende 2017 zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte Ausstände der Piloten an deutschen Standorten statt. Ein Jahr später weiten sie sich zu koordinierten gewerkschaftlichen Streiks von Piloten und Kabinenpersonal in mehreren europäischen Ländern aus. Das Ziel des internationalen Kampfes: Tarifverträge nach dem Recht des Landes, in dem sich die jeweilige Heimatbasis der fliegenden Belegschaft befindet.
Nach einem Jahr Verhandlungen und neun Arbeitskämpfen ist die härteste Tarifauseinandersetzung in der Geschichte der Deutschen Bahn beendet worden. Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) hat sich dabei mit zunehmender Dauer des Arbeitskampfes beim Rest der Republik zunehmend unbeliebt gemacht und die Person ihres Vorsitzenden ist zum moralischen Staatsfeind Nummer 1 avanciert.
Die Streiks der Lokführer-Gewerkschaft lösen eine öffentliche Welle der Empörung aus, weil, so die Auskunft, nicht bloß ein Unternehmen, sondern „ganz Deutschland“ durch einen „unsinnigen Machtkampf“ geschädigt werde. Gewerkschaftlicher Kampf für Lohninteressen und schon gleich nicht der Kampf für ein wirksames Vertretungsrecht rechtfertigt eben in den Augen der Öffentlichkeit keine Streiks, und schon gleich keine, die auf Wirkung berechnet sind.
Um überleben zu können, mussten die Lohnarbeiter rebellisch werden. Zu arbeiten, wie es von ihnen verlangt wird, und sich mit dem gezahlten Lohn zu bescheiden – das langt nicht; mit Dienst nach dem Geschmack der Eigentümerklasse und Fügsamkeit nach Vorschrift der politischen Ordnungsmacht liefern sie sich bloß dem Zerstörungswerk aus, das ihre Arbeitgeber gemäß den Sachgesetzen ihres Metiers und ihrer Konkurrenz an ihrer Arbeitskraft vollziehen.