Anfang August macht die Lufthansa-Tochtergesellschaft Discover mit Tarifabschlüssen von sich reden – es sind „die ersten für die 2020 gegründete und bislang ohne Tarifvertrag fliegende Airline“. Für Aufregung sorgen dabei nicht die eigentlichen Tarifbestimmungen, sondern Verdi als Tarifpartner eines Tarifwerks.
Die Deutsche Bahn AG hat es gut. Nicht eine, sondern gleich zwei der bei ihr engagierten Gewerkschaften schlagen sich in der ersten Jahreshälfte ganz unabhängig voneinander mit den verschiedenen Problemen herum, vor die der große Konzern sie stellt. Und auch bei Amazon geht es für die Gewerkschaft um nicht weniger als ihre Daseinsberechtigung.
Während die „mächtigen“ deutschen Industriegewerkschaften sich zur absoluten Konformität mit der Kapitalseite vorgearbeitet, den Konkurrenzerfolg der Arbeitgeber sowie die Verwaltung der sozialen Nöte, die deren Geschäft den Beschäftigten beschert, ganz zu ihrer Sache gemacht haben, sieht die Welt bei der Edelfirma der deutschen Luftfahrt anders aus. Die Geschäftsstrategie der Lufthansa, näher die Veränderungen der Arbeitsbedingungen, die sie verlangt, erzeugen ein neues, von unten artikuliertes Interesse an gewerkschaftlicher Interessenvertretung.
Beim irischen Billigflieger Ryanair finden Ende 2017 zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte Ausstände der Piloten an deutschen Standorten statt. Ein Jahr später weiten sie sich zu koordinierten gewerkschaftlichen Streiks von Piloten und Kabinenpersonal in mehreren europäischen Ländern aus. Das Ziel des internationalen Kampfes: Tarifverträge nach dem Recht des Landes, in dem sich die jeweilige Heimatbasis der fliegenden Belegschaft befindet.
Seit gut zweieinhalb Jahren kämpft die Gewerkschaft Verdi um einen Tarifvertrag mit dem amerikanischen Onlinehändler Amazon. Ihre periodischen Streiks an den diversen deutschen Standorten des Konzerns sorgen während der Weihnachtszeit für etwas mehr öffentliche Resonanz, allerdings ohne dabei mehr praktische Wirkung zu entfalten.
Nach einem Jahr Verhandlungen und neun Arbeitskämpfen ist die härteste Tarifauseinandersetzung in der Geschichte der Deutschen Bahn beendet worden. Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) hat sich dabei mit zunehmender Dauer des Arbeitskampfes beim Rest der Republik zunehmend unbeliebt gemacht und die Person ihres Vorsitzenden ist zum moralischen Staatsfeind Nummer 1 avanciert.
Nach vier Wochen Ausstand geht der Streik der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gegen die Deutsche Post AG – der längste und teuerste Arbeitskampf in der Geschichte der Post – zu Ende.
Die Streiks der Lokführer-Gewerkschaft lösen eine öffentliche Welle der Empörung aus, weil, so die Auskunft, nicht bloß ein Unternehmen, sondern „ganz Deutschland“ durch einen „unsinnigen Machtkampf“ geschädigt werde. Gewerkschaftlicher Kampf für Lohninteressen und schon gleich nicht der Kampf für ein wirksames Vertretungsrecht rechtfertigt eben in den Augen der Öffentlichkeit keine Streiks, und schon gleich keine, die auf Wirkung berechnet sind.
Die Gewerkschaften sehen ihre Mitzuständigkeit für das Wohl der Nation untergraben. Dagegen mobilisieren sie ihre Basis und alle nationalistischen Unzufriedenheiten an der Regierung Berlusconi.
Die sozialistische Regierung stellt die streikenden Fernfahrer ohne große Zugeständnisse ruhig. Weil der Streik das Geschäft aller EU-Staaten schädigt, bestehen diese auf dem europäischen Recht auf „freien Warenverkehr“ und stellen klar, dass so ein Streik nicht allein in die Zuständigkeit der französischen Hoheit fällt.