Winfried Kretschmann
„Der anständigste Mensch, der je in Deutschland Regierungschef wurde“
Herr Kretschmann ist ein katholischer, bodenständiger, schwäbischer Biedermann, eine zweibeinige Inkarnation der landestypischen Sittlichkeit, die seine Landsleute mit ihrem ebenso landestypischen Humor in brüderlicher Verachtung „Schwoba-Seggl“ nennen. Weil Herr Kretschmann aber auch der Herr Ministerpräsident ist, ist bei ihm alles, was ihn zu einem typisch schwäbischen Ekel macht, etwas ganz Besonderes.
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Länder & Abkommen
Winfried Kretschmann
„Der anständigste Mensch, der je in
Deutschland Regierungschef wurde“
Herr Kretschmann ist ein katholischer, bodenständiger, schwäbischer Biedermann, eine zweibeinige Inkarnation der landestypischen Sittlichkeit, die seine Landsleute mit ihrem ebenso landestypischen Humor in brüderlicher Verachtung „Schwoba-Seggl“ nennen. Weil Herr Kretschmann aber auch der Herr Ministerpräsident ist, ist bei ihm alles, was ihn zu einem typisch schwäbischen Ekel macht, etwas ganz Besonderes.
Kretschmann kommt aus kleinen
Verhältnissen, und das erzählt er einem im
Unterschied zu den Leuten, die aus solchen Verhältnissen
nie so recht herauskommen, ausgesprochen gerne. Meine
Eltern haben hier bei Null angefangen. Sie sind aus
Ostpreußen geflohen und haben am Fuße der Schwäbischen
Alb ihre zweite Heimat gefunden: in Spaichingen, wo ich
am 17. Mai 1948 geboren wurde. Unser Leben war damals
nicht einfach.
(winfried-kretschmann.de) Der regierende
Chef des Landes winkt mit seiner bescheidenen Herkunft,
um so die vielen anderen, die sein Schicksal teilen,
davon in Kenntnis zu setzen, dass sie es bei ihm mit
einem von ihnen zu tun haben. Da ist einer, der
wie sie bei Null angefangen hat, jetzt das politische
Kommando über die Geschicke im Land, also über sie führt,
aber nie vergessen hat, dass es nicht einfach
ist,
dieses Anfangsstadium hinter sich zu bringen. Die Nöte
und Sorgen derer, die sich Zeit ihres Lebens daran
versuchen, kennt er also nicht nur, sie sind bei ihm auch
in den besten Händen, weil er sie so gut kennt.
Er ist der geborene Anwalt all dieser Sorgen –
geboren, weil er aus demselben Milieu wie die
vielen Nullnummern kommt, die mehr oder weniger solche
geblieben sind, und ihr Anwalt, weil er an den
Schalthebeln der Macht sitzt und sich auch dort gut daran
erinnert, wie beschwerlich der Weg nach oben in seinem
Fall war, also für alle anderen, über die er regiert,
immer ist: So einfach geht die Metamorphose vom
Regierungschef zum Landesvater, vom
Machthaber zur guten Herrschaft, mit der das
Volk in seiner Gestalt beschenkt wird.
Um sein gutes Werk zu tun, hat Kretschmann hart
gearbeitet, zuallererst an sich. Mit Hannah
Arendt und der von ihr gepredigten Pluralität des
Menschen
, die ihm geholfen
hat, sich aus
diesem engen Denken zu lösen
(ebd.), verabschiedet sich der junge
Winfried vom KBW und dessen Kritik am Kapitalismus:
„Ich war in einer linksradikalen Sekte gelandet, etwas anderes war das nicht. Nachdem ich mich davon befreit hatte, hat sich mein Kompass neu eingestellt und wackelt auch nicht mehr.“ (Die Zeit, 20.3.15) „Diese Zeit der linksradikalen Verirrungen sei für ihn sehr wichtig gewesen, weil er danach den Wert der Demokratie erst richtig zu schätzen gelernt habe.“ (stuttgarter-zeitung.de, 24.6.12)
Was kümmern ihn die Argumente, die er damals vertreten
hat – warum sie grundfalsch waren, steht heute
für ihn jedenfalls fest: Erstens linksradikal, zweitens
Sekte, drittens Verirrung. Einen unschätzbaren
Verdienst haben sie für ihn gleichwohl erbracht:
Durch sie hat er zu der Wahrheit gefunden, dass
Demokratie ein Wert ist, den zu schätzen
außer jeder Frage steht. Gelernt
hat er
diese Wahrheit aber eben nicht so, wie dies sonst so
üblich ist: Er hat sie sich erarbeitet.
Das zeichnet ihn aus, macht in seinem Fall die
besondere Glaubwürdigkeit seiner
demokratischen Gesinnungsfestigkeit aus,
denn die wird durch nichts besser untermauert als durch
die Überzeugungskraft des Renegaten, der von sich
vermeldet, sich über die Überwindung der
falschen zur richtigen Gesinnung durchgekämpft
zu haben. Der von sich berichtet, sich erst –
rückblickend betrachtet – in rational nicht
nachvollziehbaren Wahrnehmungsstörungen verloren zu haben
– diese gigantische Abgehobenheit, dieser Tunnelblick,
diese Realitätsverweigerung
(Spiegel Online, 20.8.16) –, sich dann
aber doch der Mühsal der Verstandesarbeit unterzogen zu
haben, um endlich die einzig senkrechte Stellung zu
begreifen, die sich zur Welt einzunehmen gehört:
Ich musste lernen, die Welt so zu akzeptieren, wie sie
ist.
(Die Zeit, 20.3.15) Er
musste erst lernen, was sich gehört und allen
anderen so selbstverständlich ist, als hätten sie es mit
der Muttermilch aufgesogen, und das garantiert die
Unanfechtbarkeit seines Bekenntnisses zur
Demokratie, an der sich jede Kritik verbietet, weil sie
ein Wert ist.
Mit diesen zum affirmativen Grundgefühl
geronnenen
Einsichten geht der geläuterte Kretschmann auf die Welt
los. Denn: Realismus heißt ja nicht, nicht länger
engagiert zu sein, aber zu akzeptieren: Der Mensch, so
wie er geht und steht, ist der richtige... Wir müssen sie
[die Menschen] nicht umerziehen – und wir dürfen es auch
nicht.
(Ebd.) Das hat er
also von der Frau Arendt gelernt, die Pluralität des
Menschen betreffend. So plural der Mensch auch sein mag:
Summa summarum hat er sich, wie er geht und steht
,
offenbar zu seiner kompletten Zufriedenheit eingehaust in
seinen Lebensverhältnissen, wie die nun einmal so gehen
und stehen. Also gebietet der Respekt vor dem
Menschen auch den Respekt vor dem, wozu er sich in all
seiner Freiheit entschlossen hat – verbietet
also jede Kritik gleichermaßen an seinen
Lebensverhältnissen wie an ihm, der sich in denen
wohlfühlt: Pure Anmaßung ist es für den
Realisten Kretschmann, zu dieser natürlichen,
wahrscheinlich von Gott befohlenen Harmonie zwischen
einer Ordnung, die es nun einmal gibt, und den Menschen,
die sich willig nach ihr richten, überhaupt auf
Distanz zu gehen und mit Einwänden – welcher Art auch
immer – aufzuwarten, die diesen wunderschönen Zustand zu
zersetzen drohen.
Freilich: Vor lauter Respekt vor dem Menschen und Abscheu
vor dessen Bevormundung den einfach sich selbst zu
überlassen – das kommt für Kretschmann nicht in Frage.
Kritik hält er für eine Vergewaltigung der Menschennatur,
ein politisches Regime über die Menschen, wie
sie gehen und stehen, hingegen für die Erfüllung
der Drangsale, die in ihrer Natur stecken, und daher für
einen Akt der Verantwortung ihnen gegenüber. Der Mann,
der sich so überaus glaubwürdig vom Kritiker zum Prediger
der demokratischen Lebensverhältnisse durchgearbeitet
hat, engagiert
sich, weil er der Menschheit den
natürlichen Wunsch abgelauscht hat, von ihm
höchstspeziell regiert zu werden – denn er ist ganz
grundsätzlich naturverbunden:
„Es war die Liebe zur Natur, die mich zu den Grünen gebracht hat. 1979 habe ich die baden-württembergischen Grünen mitbegründet und 1980 wurde ich in den Landtag gewählt. Heute kann ich als Ministerpräsident meine Liebe zur Natur in praktische Politik gießen.“ (winfried-kretschmann.de)
Was für ein Gottesgeschenk, wenn man zwar bei Null
anfängt, aber schon da mit so einer politiktauglichen
Begabung gesegnet ist, die einen erst zur Gründung einer
Partei und dann auch noch ins Amt des Regierungschefs
leitet! Aber eine ziemlich apokryphe Macht scheint diese
Liebe zur Natur schon auch zu sein, wenn Winfried von
ihren Wallungen berichtet: Immer wenn er es bei den
Grünen mit irgendwelchen Fundi-Geschichten
zu tun
hat, hat er diese, wie soll ich sagen, fast
rücksichtslos bekämpft. Einfach aus einer persönlichen
Erfahrung, wohin so ein Sektierertum führt: ins
Nirwana.
(Spiegel Online,
20.8.16) Auch die Liebe zur Natur führt also ins
Nichts, wenn man sie nicht in einer ordentlichen
politischen Partei betätigt und in der mit
missionarischem Eifer alles ausrottet, was nicht
umstandslos nach ‚Regierungsverantwortung‘ drängt – und
seiner Parteikarriere in die Quere kommt. Das zeigt, wie
leidenschaftlich er ist, wie
zielstrebig und
beharrlich er verfolgt, woran er glaubt.
Und dann schreibt er die Prinzipienlosigkeit seiner
Prinzipienreiterei auch noch ins Poesiealbum der goldenen
Lebensregeln und gibt zum Besten, dass es sich lohnt,
an seinen Überzeugungen festzuhalten
! (winfried-kretschmann.de) Man muss sich
eben die richtigen Überzeugungen aussuchen, an
denen man dann gnadenlos festhält, und der Fanatismus
lohnt sich dann, wenn einem, wie in seinem Fall,
der Erfolg recht gibt und man seine Partei schlussendlich
auf die Linie bringt, auf die es ankommt:
„Aus einer Protestpartei ... ist eine Partei geworden, die eigentlich jederzeit in die Regierung könnte, aus dem Stand heraus, ja, weil sie eine Opposition macht, die so ist: ‚Was könnten wir machen, wenn wir an der Regierung wären.‘ Also wir sind eine Partei geworden, die will das Gesamte gestalten und nicht nur gegen einzelne, wenn auch wichtige Dinge protestieren.“ (gruenebw, youtube, 2.10.09)
Recht bekommt Kretschmann zusätzlich und vor allem
dadurch, dass sich das Wählerpublikum für diese Variante
guten Regierens erwärmt und die Grünen andernorts zu
einer zu jeder Koalition bereiten Partei werden, die
nichts weiter will als ihre unbedingte
Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Der als
Waldschrat aus Schwaben
verschriene sture
Eigenbrötler, den sie nur ungern ans Mikrofon ließen
(Spiegel Online, 20.8.16),
mutiert zum liebenswerten Dickkopf
(Parteifreund Joschka Fischer). Was zum Erfolg in der
Konkurrenz der herrschenden Parteien führt, ist richtig,
umso mehr, wenn es den eigenen befördert, weshalb der
Mann nicht vermessen ist, wenn er berichtet:
„Wie Phönix aus der Asche bin ich da irgendwie ganz nach vorne geschnellt.“ (Spiegel Online, 20.8.16)
Kretschmann ist ein Glücksfall für seine Partei, und mit
beiden meint es die Vorsehung weiterhin gut. Den nächsten
Glücksfall beschert sie in Gestalt eines GAUs in Japan,
der die Asche frei Haus nach Deutschland liefert, aus der
unser Phönix etwas für sich machen kann: Unter dem
Eindruck der Katastrophe adoptiert die Kanzlerin
AKW-kritische Bedenken, forciert eine ohnehin
beschlossene ‚energiepolitische Wende‘ – und mit einmal
sieht sich der „Markenkern“ grüner Politik in
den Adelsstand eines offiziellen Hauptanliegens der
Regierung versetzt! Das eröffnet Kretschmann die
wunderbare Gelegenheit, sich in der anstehenden
Landtagswahl als schwäbischer Urheber dieses Umbruchs in
Szene zu setzen, der, vorausschauend,
wie er ist, schon immer auf der Höhe der Zeit bzw. seiner
Zeit schon immer weit voraus ist. Und dann fällt ihm noch
ein Stück Glück in den Schoß: Regierungschef Mappus lässt
die Proteste gegen Stuttgart 21 niederknüppeln und
denunziert anständige Schwabenbürger als
Berufsdemonstranten
– für Kretschmann ein
gefundenes Fressen, in der Konkurrenz ums Amt des
Ministerpräsidenten als Bürger Oberschwabe Punkte zu
sammeln. Er verspricht den Bürgern, sie und ihr Anliegen
ernst zu nehmen und ihre Einwände als von ihnen gewählter
Regierungschef in einem Volksentscheid zur Disposition zu
stellen. Derart günstige politische Umstände zum eigenen
Vorteil auszunutzen, zeichnet den Konjunkturritter als
pragmatisch aus. Sein Coup, mit dem er
die SPD und „s’Büble“ Nils Schmid zum Juniorpartner macht
und den Christdemokraten ihr „Stammland“ abluchst,
dokumentiert, dass er nicht nur den nötigen Willen zur
Macht hat, sondern auch alle miesen Tricks und Methoden
demokratischer Parteienkonkurrenz beherrscht, sie
erfolgreich an sich zu reißen. Auch
taktisch ist er also äußerst
geschickt.
Im Amt angekommen, ist Kretschmann endlich dort, wo er
fürs große Ganze wirken darf, und der erste Dienst, den
er dem Land schuldig ist, besteht darin, sich vor dem Amt
ganz klein zu machen und die Reihenfolge umzudrehen, in
der er es dorthin geschafft hat: Erst das Land, dann
die Partei, dann die Person
(Zeit Online, 28.3.11) – verkündet einer
bei seinem Amtsantritt, der mit nichts anderem als
sich und seiner höchstpersönlichen
Qualifikation fürs Regierungsgeschäft als Argument
politisch Karriere gemacht und seine Partei zu
dem Wahlverein hindressiert hat, der ihn an die
Macht bringt. Natürlich ist er auch als grüner
Kretschmann ganz dem Land verpflichtet, und wie
kompetent er dafür ist, stellt er gleich
unter Beweis: Der Parteipolitiker und seine Grünen
stimmen im Landtag gegen den mit Dreiviertelmehrheit
beschlossenen Bau von Stuttgart 21. Mit einem
gleichzeitig vereinbarten landesweiten Volksentscheid
lässt der Ministerpräsident den Stuttgarter Protest gegen
den Bahnhof beerdigen und ordnet dessen Bau an.
Verantwortungsbewusst erweist er sich
vor allem darin, einen kapitalistischen Vorzeigestandort
nach dessen Erfordernissen zu kommandieren, und was dafür
zu tun ist, zeigt dem Schwaben ein Blick hinein ins
Schwabenland:
„Wer wie ich in Baden-Württemberg aufgewachsen ist und lebt, der weiß, wie sehr der Geist der Tüftler und Denker zur DNA unseres Landes gehört. Beim Besuch von Unternehmen und im Gespräch mit Ingenieuren, Mechanikern oder Gründerinnen bin ich jedes Mal von ihrer Innovationskraft fasziniert. Sie zeigen, dass wirtschaftlicher Erfolg immer wieder aufs Neue erarbeitet werden muss. Mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben – nach diesem Motto möchte ich wirtschaftlichen Erfolg und Ökologie verbinden. Dabei ist die Wirtschaft unser natürlicher Verbündeter. Längst haben viele Unternehmen erkannt, dass grüne Technologien nicht nur gut für die Umwelt sind, sondern weltweit ein riesiger Wachstumsmarkt sind.“ (winfried-kretschmann.de)
In der bescheidenen Berechnung, dass nicht wenig von dem
Glanz dieses großartigen Landes auf den großartigen Chef
zurückfällt, der es regiert, überschüttet er sein Land
und sein menschliches Inventar mit Komplimenten: Weil er
dort aufgewachsen ist und lebt, wo viel getüftelt wird,
will er gleich von einem Erbgut wissen, mit dem das
Tüfteln vom Land in die Köpfe der Tüftler übertragen
wird. In den Profiten, die Unternehmer womit auch immer
machen, sieht er seine grünen Ideen praktisch wahr
geworden; ihre schwarzen Zahlen stehen für den
Naturschutz, den sie praktizieren, und wenn der heimische
Mittelstand den Weltmarkt aufmischt, ist die im
Schwabenland erfundene ökosoziale Marktwirtschaft
unterwegs und hat mindestens die Versöhnung von
Ökologie und Ökonomie ihren weltweiten Siegeszug
angetreten. Weil mit ihm die Liebe zur Natur den
Kapitalismus regiert, tut es dieser schönen Harmonie im
Dreieck von Geschäft, Gewalt und Gesundheit keinerlei
Abbruch, wenn der Wirtschaftsfreund
die Autoindustrie beim Thema Feinstaub in Schutz
nimmt, partout nicht glaubt, dass Daimler bei Abgasen
trickst
, und es unter ihm auch bei der
Rheintalautobahn
vorangeht. (Schwäbische Zeitung,
17.5.18) Schließlich brauchen die natürlichen
Verbündeten
in der Automobilindustrie für ihre
Lösungen keine Vorschriften, sondern – wie er wissen
lässt: – Heidenrespekt
in Gestalt staatlicher
Unterstützung. Weil das seine Schwaben genauso sehen, die
Freiheit ihrer Daimlers, Porsches und Audis beim
profitträchtigen Produzieren und Verscherbeln ihrer
Schwindelprodukte mit sicheren Arbeitsplätzen
verwechseln, kann sich Kretschmann mit seinen Phrasen von
der ökologisch-sozialen Erneuerung
unmöglich
blamieren – in der DNA dieses blitzsauberen Landes ist
eben auch die Versöhnung von Feinstaub und Bronchien mit
einprogrammiert. So verhilft das kapitalistische
Vorzeige-Land mit seiner hervorragenden Verfassung
(winfried-kretschmann.de) dem
eingebildeten Urheber des Erfolgs zu
Ansehen – aber natürlich adelt schon
auch er in gewisser Weise das Land, das er regiert:
„Wir sind ein starkes Bundesland und stellen den einzigen grünen Ministerpräsidenten Deutschlands, der sich eines gewissen Ansehens erfreuen darf.“ (taz.de, 17.2.18)
Deshalb mögen die Leute den Kretschmann, wenn er ihnen
vorsagt, dass es mir um die Sache geht und nicht um
irgendwelche taktischen Spielchen oder persönliche
Interessen oder so etwas
(Spiegel Online, 20.8.16). Er ist
sachorientiert, wenn er ihnen erklärt,
was sie von der Sache haben, die er als Standortverwalter
vorantreibt, und schon früh klarstellt, dass, wenn die
Grünen regieren werden, es auch Verlierer geben wird
(FAZ, 5.2.11). Und auch sonst
ist er immer ehrlich, wenn er in
Abgrenzung zu seinen Politikerkollegen daheim und in
Berlin – dieses interessenstaktische Geflecht ist mir
abhold
(Spiegel Online,
20.8.16) – mit treuherziger Arglosigkeit
kokettiert: Ich bin naiv, und das werde ich mir auch
erhalten
(ebd.), und
gleichzeitig versichert, dass er natürlich eine
intrigante Sau ist wie alle anderen: Ich mauschel
schon immer... Bitte schreiben Sie’s: Auch Kretschmann
mauschelt! ... Ich meine: Alles andere ist doch
hochgradig naiv. Es geht halt nicht anders.
(Ebd.) Er macht eben – in
aller Naivität – nur, was es braucht, um erfolgreich zu
regieren; und sich offen zu allem zu bekennen, was es an
berechnender Verstellungskunst und sonstigen Winkelzügen
dazu so braucht, ist Zeichen höchsten politischen
Anstands, wie ein Stuttgarter Parteifreund weiß:
„Winfried Kretschmann ist der anständigste Mensch, der je in Deutschland Regierungschef wurde.“ (Ebd.)
Der kann es unmöglich allen recht machen,
hört aber allen zu –
die Zeit des Durchregierens ist vorbei
. Er
praktiziert eine Politik des Gehörtwerdens ... auch
außerhalb der Wahltage
(baden-wuerttemberg.de, 25.5.11) – bevor
er den von ihm regierten Leuten dann die Abfuhr erteilt:
„Die Politik des Gehörtwerdens heißt nicht, dass man erhört wird.“ (baden-wuerttemberg.de, 20.8.15) „Ich habe eine Bürgergesellschaft versprochen, kein Bürgerparadies.“ (Zeit Online, 17.3.16)
In dieser Bürgergesellschaft heißt der
Schwabe Kretschmann alle willkommen, die er
regiert. Allein sein breiter Dialekt ist ein einziges
Kompliment an sämtliche Tugenden seiner Landsleute, denen
er, bodenständig und
geerdet, wie er ist, so gleicht. Am
Nachbarn im dörflichen Laiz, der die Stuttgarter
Dienstvilla bescheiden ablehnt, vor laufender Kamera im
Hobbykeller schreinert, als Ehrenmitglied
schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte das Zepter
schwingt, zu Anzug und Krawatte Gesundheitsschuhe trägt,
wann immer es sein Terminkalender zulässt, mit seiner
Frau raus in die Natur geht
(winfried-kretschmann.de) und danach
seinen 70sten mit Leberkäs-Wecken in der Garage feiert,
dürfen die arbeitsamen, bescheidenen und auf ihre Heimat
stolzen Mitbürger den Inbegriff ihres Anstands und ihrer
Vortrefflichkeit bewundern. Der Mann verstellt
sich nicht, um zu veranschaulichen, dass die
Herrschaft des grünen Biedermanns ganz im Sinne des Volks
ist, zu dem er sich herablässt.
Winfried Kretschmann ist der erste und einzige
grüne Minischterpräsident Deutschlands und als
solcher am Ziel seiner Träume. Bundespräsident kommt für
ihn nicht in Frage weil er sich nichts mehr beweisen
müsse. Schließlich habe kein Mensch geglaubt, dass ein
Grüner mal Ministerpräsident würde.
(Spiegel Online, 20.8.16) Und das soll
einem Schwabensack erst mal jemand nachmachen.