Arbeiten im Kapitalismus geht offensichtlich nur, wenn der Staat einen Großteil des privaten Lohneinkommens seiner arbeitenden Bevölkerung zwangsweise kollektiviert und damit ein umfassendes System von Sozialkassen unterhält. So viel Sozialismus muss sein im freien bürgerlichen Gemeinwesen. Wie in dem mit hoheitlicher Gewalt ‚Solidarität‘ organisiert wird und warum, erläutert das Stichwort: Sozialversicherungen.
Der Gesundheitsminister tritt an, um alles besser zu machen: Mehr Transparenz für Patienten, damit die den Pfusch in deutschen Krankenhäusern künftig umgehen können; eine Abkehr von den Fallpauschalen, weil die für lauter „Fehlanreize“ gesorgt und dem Patientenwohl geschadet haben. Der Mann kennt seine Krankenhäuser eben allzu gut und weiß, wie in ihnen gerechnet wird.
Mit der permanenten Bedrohung durch das Coronavirus verfährt die Obrigkeit hierzulande, wie es sich für ein christlich-abendländisches Gemeinwesen gehört: Im Mittelpunkt ihrer Pandemiebekämpfung steht das Individuum und gibt dem Staat Anlass zur Frage, wo und wie es sich ansteckt, und wie sich genau das effektiv verhindern lässt.
Ende Dezember, mitten im etwas freudlosen Weihnachtslockdown, beginnt das große Impfen in Deutschland und Europa. Und bevor die deutschen Bürger ihren Impftermin erfahren und eine Kanüle zu Gesicht bekommen, impfen sie Merkel und Co vorab mit der salbungsvollen Botschaft, dass Vernunft und Vertrauen der Bevölkerung in die Pandemie-Politik nun mit dem Impfstoff belohnt werden.
Da soll noch mal jemand sagen, die Reichen und Mächtigen würden sich nicht um die drängendsten Fragen der Menschheit kümmern! Die im globalen Kapitalismus für „Menschheitsprobleme“ tatsächlich Zuständigen haben sich schon an die Rettung der Menschheit gemacht, bevor die überhaupt so recht gemerkt hat, wie ihr geschieht: Früh genug blitzten die Dollarzeichen in den Augen der Pharmaunternehmer auf, wenn sie an das Ansteckungspotential der neuen Seuche denken; und alle Nationen, die etwas auf sich halten, mischen längst mit im Rennen um den Impfstoff.
Er könnte so schön sein, der vollendete Weltmarkt: Die stärksten Kapitale nutzen den Globus für die profitsteigernde Organisation weltumspannender Wertschöpfungsketten, fürs zentralisierte Abschöpfen von Kaufkraft für das an den Börsen vorweggenommene Wachstum der kapitalistischen Unternehmenswelt. Und jetzt das: ein Virus bringt alles durcheinander.
Die Kanzlerin macht ihrem Volk nichts vor. Demonstrativ unaufgeregt – die Melodramatik überlässt sie ihren Ministern und auswärtigen Kollegen – kündigt sie an: Ihre Regierung unterzieht die Nation einer harten Belastungsprobe.
Die politisch Zuständigen beschönigen nicht den Einsatz hoheitlicher Gewalt, sie rechtfertigen ihn mit den Geboten der seuchenmedizinischen Vernunft. Mit Vernunft reklamiert die Politik, dass sie im Sinne und im Interesse derer handelt, die sie ihren Maßregeln unterwirft. Dabei zeugt die Gewalt, die sie aufwendet, davon, dass der Zweck, den sie mit ihren Vorschriften verfolgt, nicht der der Betroffenen ist. Was ist also die Sache, die der Staat über sein Volk verhängt, wenn er für sein sturzvernünftiges Vorgehen ohne Gewalt nicht auskommt? Und auf wen bzw.
Leserbriefe, die uns erreicht haben, bestreiten die von uns dargelegte Funktionalität der Seuchenpolitik, d.h. der staatlichen Fürsorge für die Gesundheit des Volkes im Interesse seiner kapitalistischen Benutzung. Sie verwerfen dazu allerdings nicht unser Argument für diese Funktionalität, sondern schon gleich das Faktum, das wir mit ihm erklären wollen.