Kapitalistischer Reichtum ist keiner, wenn er nicht immerzu wächst. Kapitalistischer Reichtum wächst nicht, wenn er nicht immer stärker wächst. Und alle einschlägigen Fortschritte entwerten und ruinieren zugleich die produktiven Anstrengungen und Leistungen der konkurrierenden Agenten dieses Wachstums. Die Notwendigkeit dieses realen Irrsinns der herrschenden Produktionsweise und seine Folgen für ‚Mensch und Natur‘ werden erklärt im dritten Kapitel der systematischen Darstellung der Konkurrenz der Kapitalisten.
Offensichtlich produziert das schöne System der Volkswirtschaft, dem der Kanzler sich verpflichtet weiß, nicht nur einen immer weiter wachsenden Geldreichtum, sondern mit ihm eine ebenso wachsende Masse an Sozialfällen, die staatliche Betreuung braucht, weil sie für die Erwirtschaftung dieses Reichtums nicht mehr nützlich ist. Diese Armut ist laut Merz zu einer unerträglichen Last geworden – nicht etwa für die Betroffenen, sondern für die Volkswirtschaft, die man mit ihren sozialen Unkosten nicht behelligen darf. In diesem Sinne ruft er einen „Herbst der Reformen“ aus.
2023 versetzt die amerikanische Autogewerkschaft UAW mit einem sechswöchigen Arbeitskampf gegen Amerikas stolze „Big Three“ Autokonzerne heimische und hiesige Beobachter in Erstaunen. Kein Wunder. Immerhin fordert sie eine Lohnerhöhung von mehr als 40 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahre, außerdem die Abschaffung des „two-tier“ gestaffelten Lohngruppensystems, das für alle nach 2007 angeheuerten Beschäftigten unter anderem niedrigere Löhne – fast 50 Prozent weniger pro Stunde – und eine niedrigere Rente vorsieht.
Anfang des Jahres ist ausnahmsweise Streik ein großes Thema in Deutschland, von „französischen Verhältnissen“ ist gar die Rede. Mit ihren Streiks befeuert die GDL eine Debatte, die ganz schnell bei Forderungen nach Modifikationen des Streikrechts landet.
Im Falle etwaiger Unzufriedenheiten steht Arbeitnehmern der Rechtsweg offen. Jeder kann im Zweifelsfall prüfen lassen, ob er richtig eingruppiert ist, ob die diversen Sonderanforderungen an ihn ordentlich, d.h. gemäß den tariflichen Abmachungen über Lohn und Leistung vergütet werden. Sogar dem stets präsenten Zweifel wird nachgegangen, ob die tarifvertraglich getroffenen Regelungen selbst mit den Gerechtigkeitsmaximen des bürgerlichen Gemeinwesens kompatibel sind. Beim Dauerbrenner Gleichbehandlung hat das Bundesarbeitsgericht jüngst in zwei Fällen Klarheit gestiftet.
Der Westen führt einen Wirtschaftskrieg gegen Russland, die führenden westeuropäischen Demokratien setzen ihre bisherigen Wirtschaftsbeziehungen als Waffe gegen die Energiegroßmacht ein – und die angekündigten „schweren Zeiten“ an der Heimatfront stellen sich prompt ein. Wie umfassend dies geschieht, bekommt die Sorte Marktteilnehmer, die am Ende aller marktwirtschaftlichen Ketten die Preise nur zahlt, um das Erworbene zu konsumieren, in aller Härte zu spüren; zuerst an der Tankstelle, dann im ganzen Supermarkt und schließlich über die Abschlagsrechnungen der Energieversorger.
Anfang August ruft die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nach einem entsprechend eindeutigen Ergebnis einer Urabstimmung zum Streik auf. Der erwartbare Aufschrei öffentlicher Empörung lässt nicht auf sich warten: „Dieser Bahnstreik ist eine Frechheit“, „Das ist eine Attacke auf das ganze Land“.
Beim irischen Billigflieger Ryanair finden Ende 2017 zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte Ausstände der Piloten an deutschen Standorten statt. Ein Jahr später weiten sie sich zu koordinierten gewerkschaftlichen Streiks von Piloten und Kabinenpersonal in mehreren europäischen Ländern aus. Das Ziel des internationalen Kampfes: Tarifverträge nach dem Recht des Landes, in dem sich die jeweilige Heimatbasis der fliegenden Belegschaft befindet.
Im Frühjahr 2018 kommt die ÖVP-FPÖ-Regierung einer jahrelangen Forderung der Arbeitgeber nach und kündigt eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten ab Jänner 2019 an. Österreichische Unternehmen sollen ab diesem Zeitpunkt die Belegschaft bis zu 12 Stunden arbeiten lassen können, ohne dass es dafür einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat bzw. der Zustimmung eines Arbeitsmediziners bedarf. Der Arbeitnehmer wird bei diesem Gesetz allerdings nicht vergessen: Er bekommt eine ‚Freiwilligkeitsgarantie‘ geschenkt, darf die 11. und 12.
Millionen Arbeitsplätze verloren, vierzig Prozent Jugendarbeitslose, zunehmende Tagelöhnerei und Schwarzarbeit, ein wachsender Billigstlohnbereich, staatliche Sozialeinschnitte: so machen sich für die Arbeiterschaft in Italien zehn Jahre Krise und der ökonomische Verdrängungskampf geltend. Das Kapital, das sich in der Krise behauptet, schöpft aus der Lage die Macht, sich radikale Freiheiten im Umgang mit Lohn und Leistung zu verschaffen. Und der Staat bestätigt und ergänzt den Klassenkampf von oben.