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GegenStandpunkt 4-17
Politische Vierteljahreszeitschrift

Erscheinungsdatum
15.12.2017

Bei wichtigen Nachbarn sind die Wahlen im ersten Halbjahr 2017 nach deutschem Geschmack gar nicht schlecht ausgefallen: Unbeschadet aller nationalen Schäden und Unzufriedenheit in den Partnerländern kein Durchbruch für offensiv antieuropäischen, womöglich antideutschen Nationalismus, sondern lauter Bekenntnisse zur Alternativlosigkeit eines Europas unter deutscher Führung!

Auch in Deutschland bekommt der Wähler das Wort. Der will auch nach 12 Jahren weiter von Merkel regiert werden. Alles, was ihm links vorkommt, verbannt er ins untere Drittel. Und – für die etablierten Parteien das Wichtigste –: Nur zu einem Achtel findet er seinen Fremdenhass und seine Heimatliebe erst durch die alternative Rechtspartei hinreichend bedient – womit er ganz richtig liegt. Seine Republik bietet ihm mit ihrem Jamaika-Getue hier, dem groß inszenierten Ringen um die Bildung einer Großen Koalition dort, beides: Nationalismus in konservativ-höflichem Gewand.

Auch ohne Radau der Marke Trump verfolgen alle Parteien, die ums Regieren konkurrieren, als ihren ‚Wählerauftrag‘ mehr oder weniger entschieden eine Generallinie, die den Verfassungsauftrag ‚Deutschland zuerst‘ ziemlich Trump-mäßig buchstabiert. Von dem Bekenntnis zu Europa, der europaweiten Zuständigkeit fürs globale Elend und für die zusehends ruinierten natürlichen Existenzbedingungen rückt zwar keine Partei ab. Doch in der Sache steht über allem anderen der Imperativ der „schwarzen Null“. „Nicht mit unserem Geld!“ lautet die Linie kurz und schlicht. Die EU-Partner mögen ambitionierte EU-Einigungs- und Erneuerungspläne vorlegen oder mehr oder weniger von der Fahne gehen: Die Berliner sorgen sich darum, dass nichts davon den deutschen Haushalt belasten soll. Die natürlichen Lebensbedingungen mögen weltweit und in bundesdeutschen Großstädten vor die Hunde gehen: Die ‚Versöhnung von Ökonomie und Ökologie‘, Marke Berlin, darf nichts kosten, schon gar nicht Bruchteile des deutschen Wirtschaftswachstums. Die weltweiten Fluchtbewegungen mögen halbe Kontinente durcheinander bringen: Deutschland bekämpft die Fluchtursachen, indem es nach Kräften schon im Vorfeld die Fluchtwege verlegt. Allenfalls Lager in der Sahara und Abschiebungen, gerne auch in Todeszonen, lassen die Berliner sich ein bisschen was kosten.

Lindners Liberalen mag das Ethos des Aufbruchs, das öffentliche Bekenntnis zu mehr außenpolitischer Rücksichtslosigkeit Deutschlands gegenüber Europa und dem Rest der Welt gefehlt haben. Sie mögen den Verdacht hegen, dass der fälligen Kurskorrektur der europäischen Führungsmacht die nötige Konsequenz abgeht – in der Sache verschreiben sich alle Kandidaten des demokratischen Parteienspektrums mehr oder weniger nachdrücklich der patriotischen Neudefinition ihrer außenpolitischen Pflicht: Deutschlands Imperialismus zum Preis einer schwarzen Null.

Während Lindners Absage an „Jamaika“ der SPD die Frage der Regierungsbeteiligung neu eröffnet, hat die ihren Absturz in der Gunst des Wahlvolks zu verdauen. Die Diskussion, ob sie im Wahlkampf nicht allzu durchschaubar mit dem Stichwort „soziale Gerechtigkeit“ taktiert habe, ist da sehr passend: Die SPD ist und bleibt ja stolz darauf, den Ruch der bloßen ‚Partei der Schlechterverdienenden‘ los geworden zu sein. Sie hat damit vollendet, woran die Sozialdemokratie seit jeher gearbeitet hat: die Verwandlung des nationalen Proletariats, das noch irgendwie eine politökonomische Identität hat und weiß und mit offensiv gestellten ‚sozialen Fragen‘ geltend macht, in ein Stück Volk, das nur noch den Kollektivismus der Nationalität kennt, seine Unzufriedenheit in den Wahn einer enttäuschten Volksgemeinschaft übersetzt und sich darin von seinen Vertretern führen lässt. Sich selbst hat die deutsche Sozialdemokratie auf die Weise schon ganz ordentlich marginalisiert, was nicht weiter schade ist. Vom Proletariat ist darüber nicht mehr als eine riesengroße schwarze Null geblieben.

Anderswo in Europa, in Katalonien, werden die Massen als unzufriedenes Volk für das Programm eines ‚eigenen‘ Staats mobilisiert und gegeneinander aufgebracht. Dagegen macht die Madrider Zentrale ihren Anspruch auf ganz Spanien mit all ihrer Macht geltend. Ein Kampf um nationale Souveränität mitten in Europa, der auch die EU und ihre Vormächte zu einer Klarstellung bewegt: Staatliche Souveränität ist nichts, was sich die Regierten wählen können. Das ‚vereinte Europa‘ gründet auf der Gewalt der beteiligten Staaten – daran soll sich der unzufriedene Nationalismus gefälligst ausrichten.

Ein Kampf um Souveränität tobt auch und noch ganz anders zwischen Nordkorea und den USA. Da will ein Staat sich gegen die USA Anerkennung seiner nationalen Selbständigkeit verschaffen – mit den allerobersten Mitteln militärischen Drohpotentials. Das Respekt vor der Souveränität eine Frage der abschreckenden Gewalt ist, darüber hat sich Nordkoreas Führung durch die Feindschaft der USA belehren lassen – und das bestätigt die Weltmacht laufend mit ihrer unerbittlichen Gegnerschaft und ihrem Anspruch auf ‚Unverwundbarkeit‘.