Neulich hat in Afrika, genauer gesagt in Niger, ein Putsch stattgefunden, der im Westen nicht gern gesehen wurde. Denn damit setzt sich, so las man, ein unerfreulicher Trend in ‚unserem‘ Afrika fort. Nicht der, dass dort die Menschen bettelarm, die Staaten schwach und die Terroristen zahlreich sind – mit solchen „instabilen Verhältnissen“ hat der Westen praktisch umzugehen gelernt.
Die EU hat in jahrzehntelanger Arbeit 78 afrikanische, karibische und pazifische (AKP-)Staaten auf sich verpflichtet, indem sie ihnen in vier Lomé- und dem Cotonou-Abkommen (2000) eine „Asymmetrie“ in den Handelsbeziehungen einräumte („Handelspräferenzen“), d.h. die Einfuhrzölle auf Güter aus diesen Staaten senkte, ohne ihrerseits Zollsenkungen zu verlangen. Durch den „privilegierten“ Handel (SZ, 18.6.07), der diesen Staaten damit eröffnet wurde, ist die „Asymmetrie“ in der Reichtumsverteilung nur fortgeschrieben worden.
Wenn sieben bis acht Weltwirtschaftsmächte und drei Internationale Finanzinstitute einem Staat aus der Abteilung ‚unterentwickelte Länder‘ Geld borgen, damit der sich als souveräner Mitspieler in der modernen Weltordnung behaupten kann, dann hat der Staat bei ihnen Schulden; und wenn sie beschließen, auf Zins- und Tilgungszahlungen zu verzichten, weil ihr Schuldner sich dafür nur immer mehr neues Geld borgen muss, das ihm niemand mehr geben mag – dann fällt auf: Die Sache zieht sich.
Der Amtsantritt Lula da Silvas bereitet den zuständigen Begutachtern aus den Metropolen Sorgen: Was wird aus dem in Brasilien engagierten Finanzkapital unter einem ehemaligen Sozialkämpfer als Präsidenten? Alternative nationale Ambitionen, das machen Finanzwelt samt IWF der „Regierung Lula“ nachhaltig klar, werden Brasilien nur schaden, so die eindeutige Erpressung. Als funktionierender Dauerschuldner hat das Land zu fungieren – das dem Wahlvolk zu verkaufen, in dieser Rolle kann sich Lula als „Präsident des Volkes“ bewähren.
Schuldenerlass für die „Ärmsten“ ist alles andere als ein staatlicher Neubeginn der Dritten Welt: die Imperialisten haben diese Länder endgültig abgeschrieben und ihnen den Status von mittellosen Armen- und Krankenhäusern verpasst – mit Internetanschluss allerdings; wenn schon kaum mehr Geschäfte laufen, sollen sie wenigstens erreichbare(!) Mitglieder der Staatenwelt bleiben.
Die Lomé-Entwicklungsprogramme haben die Staaten Afrikas auf ihre Funktion als Rohstofflieferanten für den europäischen Markt zugerichtet, sie wegen ihres darin enthaltenen Ruins auf die Fortsetzung der Dienstbarkeit zwangsverpflichtet und dafür Zuschüsse gewährt. Nun erklärt die EU die Zurichtung für vollendet – keine Förderung mehr, sondern Auslieferung an die Gesetze des Weltmarkts pur: „Trade statt Aid“, „Werdet autonom! Handelt gefälligst mit euch selber!“.
Nach 30 Jahren „Entwicklungshilfe“ werden Staaten Schulden erlassen, die „sowieso uneinbringlich“ sind. Das abschließende Urteil über die erwiesene ökonomische Existenzunfähigkeit wird in die Zukunft festgeschrieben: als Absage an jede politische und ökonomische Eigenmächtigkeit. Sozialprogramme und sonst nichts haben diese Länder mit den Zuwendungen, die ihnen gnädig zugewiesen werden, zu finanzieren. Als Betreuungs- und Aufsichtsinstanzen sind die NGO’s vorgesehen.
Europa, das seit 1975 im Rahmen des Lomé-Abkommens besondere eigene Beziehungen zu 71 AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) unterhält, sieht sich durch die amerikanische Afrika-Initiative („Handel statt Hilfe“) herausgefordert. Die „entwicklungspolitische Zusammenarbeit“, die von den zuständigen Ministern schon seit längerem vom Ruch einer kompensatorischen Aufbauhilfe befreit wurde, wird nun einerseits unter die Richtlinie gestellt, die „Strukturanpassung“ zu fördern – sprich: was für hiesige Kapitalisten dort unten rauszuholen ist, ist die beste „Entwicklungshilfe“.
Wenn der imperialistische Staat im auswärtigen Handel seiner Wirtschaft Vorteile verschafft, so erfährt er an den ökonomischen Anliegen und Potenzen der anderen Staaten seine Schranken. Der Weltmarkt bewährt sich als Mittel der Bereicherung des nationalen Kapitals nur in dem Maße, wie es die anderen Nationen, die auf ihren Nutzen aus sind, zulassen. So verläuft die Konkurrenz als beständige Serie von Vereinbarungen und deren Bruch bzw. Korrektur.