Wann immer Weselsky und seine Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit Ausständen gedroht, sie vorbereitet und schließlich durchgeführt haben, ist von Deutschlands Öffentlichkeit infrage gestellt worden, ob das denn so in Ordnung sei. Weselsky selbst hat auf diese „Frage“ immer eine rechtsbewusste Antwort gehabt.
2023 versetzt die amerikanische Autogewerkschaft UAW mit einem sechswöchigen Arbeitskampf gegen Amerikas stolze „Big Three“ Autokonzerne heimische und hiesige Beobachter in Erstaunen. Kein Wunder. Immerhin fordert sie eine Lohnerhöhung von mehr als 40 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahre, außerdem die Abschaffung des „two-tier“ gestaffelten Lohngruppensystems, das für alle nach 2007 angeheuerten Beschäftigten unter anderem niedrigere Löhne – fast 50 Prozent weniger pro Stunde – und eine niedrigere Rente vorsieht.
Anfang des Jahres ist ausnahmsweise Streik ein großes Thema in Deutschland, von „französischen Verhältnissen“ ist gar die Rede. Mit ihren Streiks befeuert die GDL eine Debatte, die ganz schnell bei Forderungen nach Modifikationen des Streikrechts landet.
Der Westen führt einen Wirtschaftskrieg gegen Russland, die führenden westeuropäischen Demokratien setzen ihre bisherigen Wirtschaftsbeziehungen als Waffe gegen die Energiegroßmacht ein – und die angekündigten „schweren Zeiten“ an der Heimatfront stellen sich prompt ein. Wie umfassend dies geschieht, bekommt die Sorte Marktteilnehmer, die am Ende aller marktwirtschaftlichen Ketten die Preise nur zahlt, um das Erworbene zu konsumieren, in aller Härte zu spüren; zuerst an der Tankstelle, dann im ganzen Supermarkt und schließlich über die Abschlagsrechnungen der Energieversorger.
Anfang August ruft die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) nach einem entsprechend eindeutigen Ergebnis einer Urabstimmung zum Streik auf. Der erwartbare Aufschrei öffentlicher Empörung lässt nicht auf sich warten: „Dieser Bahnstreik ist eine Frechheit“, „Das ist eine Attacke auf das ganze Land“.
Während die „mächtigen“ deutschen Industriegewerkschaften sich zur absoluten Konformität mit der Kapitalseite vorgearbeitet, den Konkurrenzerfolg der Arbeitgeber sowie die Verwaltung der sozialen Nöte, die deren Geschäft den Beschäftigten beschert, ganz zu ihrer Sache gemacht haben, sieht die Welt bei der Edelfirma der deutschen Luftfahrt anders aus. Die Geschäftsstrategie der Lufthansa, näher die Veränderungen der Arbeitsbedingungen, die sie verlangt, erzeugen ein neues, von unten artikuliertes Interesse an gewerkschaftlicher Interessenvertretung.
Beim irischen Billigflieger Ryanair finden Ende 2017 zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte Ausstände der Piloten an deutschen Standorten statt. Ein Jahr später weiten sie sich zu koordinierten gewerkschaftlichen Streiks von Piloten und Kabinenpersonal in mehreren europäischen Ländern aus. Das Ziel des internationalen Kampfes: Tarifverträge nach dem Recht des Landes, in dem sich die jeweilige Heimatbasis der fliegenden Belegschaft befindet.
Seit gut zweieinhalb Jahren kämpft die Gewerkschaft Verdi um einen Tarifvertrag mit dem amerikanischen Onlinehändler Amazon. Ihre periodischen Streiks an den diversen deutschen Standorten des Konzerns sorgen während der Weihnachtszeit für etwas mehr öffentliche Resonanz, allerdings ohne dabei mehr praktische Wirkung zu entfalten.
Nach einem Jahr Verhandlungen und neun Arbeitskämpfen ist die härteste Tarifauseinandersetzung in der Geschichte der Deutschen Bahn beendet worden. Die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) hat sich dabei mit zunehmender Dauer des Arbeitskampfes beim Rest der Republik zunehmend unbeliebt gemacht und die Person ihres Vorsitzenden ist zum moralischen Staatsfeind Nummer 1 avanciert.
Da sind Deutschlands Erzieherinnen und Sozialarbeiter mitsamt ihrer Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verdi nach mehrwöchigem Kita-Streik plus Schlichtungsverfahren hinsichtlich ihrer Gehaltsziele grandios gescheitert: