Was Deutschland nicht bewegt: Fortschritte in einem Machtkampf anderer Art, der in der Republik immerzu und pausenlos stattfindet, nämlich der, den das Kapital gegen die Lohnarbeit im Lande führt. Mit und ohne Verweis auf Corona setzt zum Beispiel der deutsche Automobil-Musterkonzern neue Maßstäbe in Sachen Lohn, Leistung und Beschäftigung, die die Gegenseite zu schlucken hat, wenn sie überhaupt weiterbeschäftigt werden will. Die diesbezüglich erzielten Fortschritte dokumentieren wir in unserer Chronik über ein Jahr Arbeit bei Daimler.
Das Virus und die staatlich verordneten Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie entziehen dem Geschäftsmodell der Lufthansa die Grundlage. Der Personenlufttransport bricht nahezu völlig ein, Hunderte Flieger mit allem, was in der Luft und am Boden dazugehört, stehen bis auf Weiteres still. Mitte 2020 droht dem Konzern die Insolvenz, die unter reger öffentlicher Anteilnahme mit viel Geld aus der Staatskasse abgewendet wird. Allseitiges Aufatmen ist deshalb allerdings nicht angesagt.
Von jenseits des Rheins wird Ungewöhnliches gemeldet, was diesseits im entsprechenden Milieu Bewunderung und den Wunsch zur Nachahmung hervorruft: Die Franzosen, heißt es da, wehren sich wenigstens und lassen sich nicht alles gefallen wie die Deutschen. Die Offiziellen hierzulande verurteilen selbstverständlich sofort die Verrohung der Sitten: Solche Übergriffe darf es hier niemals geben! Und die Medien erörtern die interessante Frage, ob die Wut der proletarischen Krisenopfer unser Nachbarland wieder einmal in eine vorrevolutionäre Situation treibt.
Zur Herstellung der Rentabilität der Bahn werden mit Hilfe der Gewerkschaft unkündbare Mitarbeiter mit Lohnkürzungen in Beschäftigungsgesellschaften abgeschoben, der Lohn auf eine „branchenübliche“ = europaweit konkurrenzfähige Höhe abgesenkt. Die „Besitzstandsgarantie“ für die Mitarbeiter aus Staatsbetriebszeiten soll durch einen vom Bund ausgestatteten Fonds wahr gemacht werden, aus dem die Differenz zwischen dem neuen abgesenkten Tariflohn und dem alten Entgelt gezahlt werden soll. Dafür macht sich die Gewerkschaft stark.
Die Gewerkschaften ziehen eine Lehre aus ihrem gescheiterten Kampf um mehr Beschäftigung: sie übernehmen die Perspektive des Sozialstaats und die Sichtweise des Kapitals vom Kostenfaktor Arbeit. Und entfalten einen Ideenreichtum zur gerechteren Aufteilung von Arbeit und Lohn, der den Ansprüchen und Forderungen der Unternehmen nach rentabler Arbeit z.B. über weit reichende Öffnungsklauseln ganz neue Alternativen eröffnet…
Die drohende Streichung von Arbeitsplätzen in Steinkohle-, Stahl- und Bauwirtschaft nehmen deutsche Arbeiter zum Anlass für einen Kampf um Arbeitsplätze und beweisen damit, dass hiesige Lohnarbeiter aus ihrem Schaden nicht klug, sondern faschistisch werden: Sie klagen das Recht ein, sich weiter ausbeuten lassen zu dürfen, und werfen Managern und Politikern vor, dass deren Unfähigkeit ihnen den nationalen Dienst verunmöglichen würde.
Die BASF verschafft sich ein Monopol auf Kali, indem es mit Zustimmung und finanzieller Unterstützung des Staates das Werk in Bischofferode aufkauft und dichtmacht. Mit einer Absage ihrer Forderung an die Regierung konfrontiert, die Verträge für unwirksam zu erklären, wähnen sich die entlassenen Bergarbeiter als Opfer westdeutschen (Monopol-)Kapitals und einer verkehrten Standortpolitik und demonstrieren als Deutsche 2. Klasse mittels Betriebsbesetzung und Hungerstreik für das Recht auf ostdeutsche Gleichbehandlung im Standort Gesamtdeutschland.
Zur Effektivierung ihres Konkurrenzmittels, der Arbeit, setzen die Arbeitgeber nicht bloß eigene Geschäftserlöse ein, sondern Schulden. Mit geliehenem Geld verschaffen sie sich die Freiheit, über das Maß ihres Vermögens und der jeweils erwirtschafteten Überschüsse hinaus ihre Produktion kontinuierlich fortzuführen, sie auszuweiten und ihre Rentabilität zu steigern. Zum eigenen Geschäftszweig verselbständigt, befähigt der Kredit die Unternehmer dazu, für ihre Konkurrenz um Marktanteile gewaltige Investitionen zu tätigen und alle Schranken zu ignorieren, auf die sie dabei stoßen.