Das Virus und die staatlich verordneten Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie entziehen dem Geschäftsmodell der Lufthansa die Grundlage. Der Personenlufttransport bricht nahezu völlig ein, Hunderte Flieger mit allem, was in der Luft und am Boden dazugehört, stehen bis auf Weiteres still. Mitte 2020 droht dem Konzern die Insolvenz, die unter reger öffentlicher Anteilnahme mit viel Geld aus der Staatskasse abgewendet wird. Allseitiges Aufatmen ist deshalb allerdings nicht angesagt.
Während die „mächtigen“ deutschen Industriegewerkschaften sich zur absoluten Konformität mit der Kapitalseite vorgearbeitet, den Konkurrenzerfolg der Arbeitgeber sowie die Verwaltung der sozialen Nöte, die deren Geschäft den Beschäftigten beschert, ganz zu ihrer Sache gemacht haben, sieht die Welt bei der Edelfirma der deutschen Luftfahrt anders aus. Die Geschäftsstrategie der Lufthansa, näher die Veränderungen der Arbeitsbedingungen, die sie verlangt, erzeugen ein neues, von unten artikuliertes Interesse an gewerkschaftlicher Interessenvertretung.
Beim irischen Billigflieger Ryanair finden Ende 2017 zum ersten Mal in der Unternehmensgeschichte Ausstände der Piloten an deutschen Standorten statt. Ein Jahr später weiten sie sich zu koordinierten gewerkschaftlichen Streiks von Piloten und Kabinenpersonal in mehreren europäischen Ländern aus. Das Ziel des internationalen Kampfes: Tarifverträge nach dem Recht des Landes, in dem sich die jeweilige Heimatbasis der fliegenden Belegschaft befindet.
Kaum durfte der gemeine Europäer so richtig stolz sein auf das größte Flugzeug der Welt, den Airbus A380, kaum durften sich die Kapitaleigner des Airbus-Mutterkonzerns EADS und die hinter ihnen stehenden Staaten, Deutschland, Frankreich, Spanien über die ersten Jahre gewinnträchtiger Konkurrenzerfolge gegenüber dem amerikanischen Rivalen Boeing freuen, da ist das europäische Vorzeigeunternehmen in die „schwerste Krise seiner Geschichte“ geraten. Was ist geschehen? Zunächst nichts anderes als ein Rückschlag in der Konkurrenz, wie er in dieser Branche vorkommt.
Piloten der Lufthansa machen einen richtigen Streik für 30-35% Gehaltserhöhung. Die Öffentlichkeit macht deutlich, dass auch der Lebensunterhalt von Besserverdienenden sich nicht verträgt mit dem Anspruch von Unternehmen auf Gewinn. Als Bollwerk gegen so solche überzogenen Forderungen preist die Gewerkschaft den Flächentarifvertrag an und kritisiert die Lufthansa darin, den „provozierenden“ Arbeitskampf im Namen der Standortsicherung nicht schärfer zu verurteilen.