Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine sieht das Land entsprechend aus.
Zu Beginn des letzten Quartals sind zum bisherigen Zerstörungswerk der beiden Seiten flächendeckende russische Raketen- und Drohnenangriffe auf die ukrainische Infrastruktur dazugekommen. Sie zielen auf die Kampf- und Widerstandsfähigkeit der Ukraine und treffen oft genug, um die Bewohnbarkeit etlicher Teile des Landes, die Funktionsfähigkeit seiner Ökonomie wie seiner Herrschaft infrage zu stellen.
Russland führt eine „militärische Spezialoperation“ mit Ziel Kiew und im Osten der Ukraine durch mit dem erklärten Ziel, die dem Westen – der EU und der NATO – willfährige Regierung zu entmachten und durch eine russlandfreundliche zu ersetzen; die Okkupation von Gebieten, die an die Moskau treuen Volksrepubliken im Osten des Landes angrenzen, soll die gegen permanente Über- und Angriffe ukrainischer Kräfte schützen und die Annexion der Krim militärisch absichern.
Ende September werden drei der vier Röhren der Gaspipeline Nord Stream gesprengt. Eine beachtliche Leistung angesichts der Lage und Beschaffenheit der Objekte: „Die betroffenen Stellen liegen 80 bis 110 Meter unter der Meeresoberfläche. Beide Pipelines haben einen Innendurchmesser von 1,15 Metern, Stahlwände mit einer Dicke zwischen 26,8 und 41 Millimetern und einen mehrlagigen Korrosionsschutz.
Im Sommer entdecken ein paar europäische Zuständige öffentlich, dass, während in der Ukraine der Krieg ins zweite Halbjahr geht, Bürger der russischen Föderation die ehedem für sie gültig gemachten Visa- und Einreiseregeln in Länder der EU weiterhin benutzen und als Touristen den heiligen europäischen Binnenraum betreten. Ein großes innereuropäisches Diskutierenhebt an, ob man denen das weiterhin erlauben soll.
Litauen blockiert im Juni Versorgungslieferungen mit Kohle, Metallen, Baumaterial und Technologiegütern für die zwischen Polen, Litauen und der Ostsee gelegene russische Exklave Kaliningrad. Der Fall hat auch eine nicht ganz unwichtige militärische Qualität.
Ein halbes Jahr nach Beginn des Krieges in der Ukraine bescheinigen die zuständigen Instanzen der Weltwirtschaft einen ausgesprochen schlechten Gesundheitszustand.
Der Wirtschaftskrieg, den der Westen gegen Russland führt, zeigt Wirkung. Nicht bloß in Russland, sondern weltweit; auch bei den Protagonisten des gerechten Kampfes gegen das Böse; auch in Deutschland. Sie treten aber nicht einfach von selbst ein, die Wirkungen. Sondern stets, Punkt für Punkt, vom Staat gestaltet, zurechtgemacht, gerne in Form von Entlastungspaketen dem Volk verabreicht.
Das gründliche Vorgehen von Putins Propagandamaschine in
Russland ist hierzulande längst bestens dokumentiert; über
die neuesten Lügengebäude und Repressionsmaßnahmen wird man
auch stets und umfassend auf dem Laufenden gehalten – auch
über die tragische Wirkung der Repression, dass die freie
Rede, die ungehinderte Zirkulation von Informationen und
Meinungen ihre störende bis umstürzlerische Potenz
ausgerechnet dort nicht entfalten können, wo es sie am
dringendsten bräuchte. Aber wenn es bloß das wäre!
Den Krieg in der Ukraine führen drei Beteiligte: Russland als Angreifer unter dem Titel einer „militärischen Spezialoperation“; die angegriffene Staatsgewalt in Kiew mit ihrem Kommando über eine von den USA und der NATO gedrillte und ausgerüstete Armee; der Westen nicht direkt als Kriegspartei, dafür doppelt: als Finanzier des ukrainischen Staates, als Organisator seiner Militärmacht; sowie, und das wiederum ganz direkt, mit einem Wirtschaftskrieg, der diesen Namen verdient, weil er auf die Zerstörung der kapitalistischen Grundlage der russischen Staatsmacht zielt.