Arbeiten im Kapitalismus geht offensichtlich nur, wenn der Staat einen Großteil des privaten Lohneinkommens seiner arbeitenden Bevölkerung zwangsweise kollektiviert und damit ein umfassendes System von Sozialkassen unterhält. So viel Sozialismus muss sein im freien bürgerlichen Gemeinwesen. Wie in dem mit hoheitlicher Gewalt ‚Solidarität‘ organisiert wird und warum, erläutert das Stichwort: Sozialversicherungen.
Der Wirtschaftskrieg, den der Westen gegen Russland führt, zeigt Wirkung. Nicht bloß in Russland, sondern weltweit; auch bei den Protagonisten des gerechten Kampfes gegen das Böse; auch in Deutschland. Sie treten aber nicht einfach von selbst ein, die Wirkungen. Sondern stets, Punkt für Punkt, vom Staat gestaltet, zurechtgemacht, gerne in Form von Entlastungspaketen dem Volk verabreicht.
Respekt wird dem Volk seit je als Arbeitsvolk erwiesen. Der besteht in staatlichen Hilfen beim lebenslangen Alltag, sich mit Geldmangel, Arbeitshetze, Arbeitslosigkeit und prekären Zukunftsaussichten herumzuschlagen. Gerade die SPD verkündet es pausenlos: Das haben die Leute verdient, die sich auf diese Weise redlich und eigenständig als Manövriermasse ihrer kapitalistischen Benutzung verdient machen. Ob die SPD damit verdient hat, wieder als Partei der kleinen Leute respektiert zu werden, ist angesichts einer Sozialstaatsreform nach der anderen die einzige verbliebene öffentliche Frage.
Die Tafeln feiern 25 Jahre deutsche Armutslinderung, und fast hätte man es verpasst. Wenn da nicht der Verein in Essen die Öffentlichkeit durch einen waschechten Diskriminierungsskandal auf diesen sonst so gutherzigen Haufen aufmerksam gemacht hätte: Die Hilfsorganisation verhängt einen zeitlich begrenzten Aufnahmestopp neuer Ausländer. Was man sonst nur als Forderung an und aus der Riege heimattreuer deutscher Politiker in Richtung Grenze kennt, wirft einen zeitweiligen Schatten auf das leuchtende Bild, welches die Tafel traditionell genießt. Beides hat sie nicht verdient.
Im Gefolge der Debatte um die Essener Tafel kommen in der Republik leise Bedenken auf, die Lage an den Tafeln der Republik würde Versäumnisse des deutschen Sozialstaats ans Licht bringen. Kaum wird der Vorwurf geäußert, der Staat würde seiner Fürsorgepflicht nicht nachkommen, durch Hartz IV sogar selbst die Armen in Armut halten, sieht der neue Gesundheitsminister Jens Spahn sich herausgefordert, diese Errungenschaft des deutschen Sozialstaats vorwärts zu verteidigen.
Seit eh und je wird der Kapitalismus mit wohlmeinenden Verbesserungsvorschlägen bedacht. Idealisten der Marktwirtschaft erscheinen die modernen Formen der Armut, die der Kapitalismus bei sich beherbergt, eingedenk der beeindruckenden Reichtümer und Produktivkräfte moderner Gesellschaften als überkommen und eigentlich überflüssig und sie vermuten, dass die aufgeklärte Menschheit das Zeug dazu hätte, es zu allerlei Wahrem, Schönem, Gutem zu bringen, wenn man sie nur aus ihren elementarsten Existenzsorgen und -nöten entlassen würde.
Dem Urteil, dass sein Lebensinhalt die Dienstbarkeit an fremdem Nutzen ist, will sich so einfach keiner von denen anbequemen, die sich dafür einspannen lassen. Schließlich eröffnet sich ihnen nach Arbeitsende und mit dem verdienten Lohn das geschätzte Reich der Freiheit, mit der jeder anfangen kann, was er für wichtig hält; und so machen sich Millionen daran, den Traum vom Lohn der Mühen wahrzumachen.
Angesichts des marktwirtschaftlichen Phänomens, dass
Lebensmittel zwar im Überfluss vorhanden, aber zum Verkaufen
da sind, weshalb alle diejenigen, die sich das Essen nicht
leisten können, hungern müssen, hat der Bundesverband
Deutsche Tafel (BDT) eine bestechende Idee für ein gutes
Werk: Er sammelt auf der einen Seite Lebensmittel ein, die
zum Wegwerfen bestimmt sind, weil mit ihnen kein Geld (mehr)
zu verdienen geht, deren Eigentümer aber zu spenden bereit
sind, weil das ihr Geschäft nicht schädigt, um sie auf der
anderen Seite an Bedürftige zu verteilen.
Die Kanzlerin stellt Deutschlands Mietern im Wahlkampf eine „Mietpreisbremse“ in Aussicht: In Städten, in denen die Mieten besonders schnell steigen, soll es „eine Begrenzung der Mieterhöhung bei Neuvermietungen“ geben.