Arbeiten im Kapitalismus geht offensichtlich nur, wenn der Staat einen Großteil des privaten Lohneinkommens seiner arbeitenden Bevölkerung zwangsweise kollektiviert und damit ein umfassendes System von Sozialkassen unterhält. So viel Sozialismus muss sein im freien bürgerlichen Gemeinwesen. Wie in dem mit hoheitlicher Gewalt ‚Solidarität‘ organisiert wird und warum, erläutert das Stichwort: Sozialversicherungen.
Auch die Politik befindet, dass es zu viele Arbeitslose gibt und dringt darauf, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer, vertreten von ihrer Gewerkschaft, zusammensetzen. Sie einigen sich darauf, dass es sich hier um ein „strukturelles Problem“ handelt, was aber beileibe nicht heißt, dass es zum Prinzip dieses Systems gehört, mit immer weniger Arbeitsaufwand die Welt mit immer größeren Warenmengen zu überschwemmen und somit immer mehr Arbeitnehmern ihre Existenzgrundlage zu entziehen.
Die Drogeriemarktkette Schlecker beantragt Insolvenz, und ganz anders als sonst, wenn ein Unternehmer Pleite geht, wird das von der Öffentlichkeit nicht mit Betroffenheit, sondern mit Genugtuung und Häme registriert.: „For you, vor Ort, vorbei“ (HB), „Schlecker – Der Ladenhüter“ (SZ), „Den Richtigen hat es schon erwischt“ (SZ), ist der Tenor der Schlagzeilen.
Die Schleckerpleite wird von Politik und Öffentlichkeit unisono als gerechte Strafe des Marktes begrüßt und das ‚Schicksal der 11 000 Schlecker-Frauen‘, die ihre Jobs los sind, als unverdient beklagt. Die sind fortan allgemeines Sorgeobjekt.
Die Berliner Sozialpolitik ist dabei, eine Idee aufzugreifen, die idealistische Systemverbesserer des Kapitalismus in Umlauf gebracht haben. Wenn der Arbeitsgesellschaft schon vor lauter Produktivität die Arbeit ausgeht, dann sollte sie allen Bürgern ein anständiges und bedingungsloses Grundeinkommen bezahlen und sie so dazu befreien, etwas für sich Sinnvolles und für die Gemeinschaft Nützliches zu tun, ohne immer auf das Geld schielen zu müssen, das diese Tätigkeit abwirft oder eben nicht: Bürgerarbeit, von Bürgern zum Nutzen anderer Bürger geleistet.
Vor kaum einem halben Jahr wurde das Nachbarland von der Randale der ebenso überflüssigen wie abgeschriebenen Jugend aus den Vorstadtslums erschüttert; jetzt vom Protest der gut ausgebildeten Berufsanfänger von morgen. Oberschüler und Studenten organisieren über elf Wochen Massendemonstrationen in allen größeren Städten, verweigern nicht nur selbst das Studieren, sondern legen die Stätten der Lehre gleich komplett lahm, um eine Arbeitsmarktreform der Regierung Villepin zu Fall zu bringen.
Die neue Spezies des „erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen“. Dieser Spezies lässt der Sozialstaat künftig seine besondere Aufmerksamkeit zuteil werden: Das Gesetz sieht eine ganze Reihe von Maßnahmen zur „Eingliederung in Arbeit“ vor. Es soll alles dafür getan werden, dass die Hilfsbedürftigen „eine Beschäftigung“ kriegen.
Der Staat hat mit den Hartz-Gesetzen viel getan, um die Arbeitslosen zu verbilligen, aber die Erfolge bei der Verringerung der Arbeitslosigkeit lassen immer noch zu wünschen übrig. Daraus zieht die Politik den Schluss, dass die Reformen noch nicht konsequent genug voran getrieben worden sind. Deren Inhalt: weitere Verbilligung des Lohns für deutsche Unternehmer und die Sozialkassen. Dafür wird der Arbeitslose zum Kunden seiner Agentur befördert und Gerster an die Luft.
Dass den Arbeitslosen nichts als Lohnarbeit fehlt, ist der anerkannte, aber verkehrte Schluss aus der Not der Arbeitslosigkeit. Die Hartz-Kommission leistet ihren Beitrag, die Arbeitskraftreserve für die Kapitalnachfrage aufzumöbeln. Während die Gewerkschaft dieses Programm nicht scheitern lassen will, kritisiert die Wirtschaft die geplanten Maßnahmen als einen – zu kleinen – Schritt in die richtige Richtung.
Grundsätzliches über den Arbeitsmarkt, der den Zugriff des Kapitals auf seine menschliche Manövriermasse etabliert und sichert. Der Staat nutzt den Skandal um die BfA, um seine neuen Anforderungen an Arbeitsmarkt / Sozialstaat durchzusetzen: Die Arbeitslosen sind viel zu teuer und verhindern ihre Beschäftigung. Sein Arbeitsmarkt braucht daher eine „Aktive Arbeitsmarktpolitik“ mit „Job-Aktiv“, „Profiling“, „Eingliederungsvereinbarungen“ und „privater Vermittlung“ und einen umfassenden „Kampf gegen Beschäftigungshindernisse“.