Die Bildzeitung ist das Arbeiterblatt der Nation und will das auch sein. Zu der Verwandlung der Klassenbrüder, die sie sind, in die respektablen kleinen Leute, als welche Bild sie anspricht, leistet die Zeitung täglich ihren Beitrag, indem sie sich ihrerseits programmatisch in den Dienst an ihren Adressaten stellt: „Weil ihr täglich euer Bestes gebt, tun wir es auch. Für euch.“
Die Tagesthemen lassen den türkischen Hoffnungsträger Kılıçdaroğlu den Wahlkampf machen, den Deutschland sich von Erdoğan verbittet, und der spult brav ab, was unsere wertegeleitete Moderatorin hören will. Und dann das. Erst gewinnt die AKP die Parlaments-, dann Erdoğan die Präsidentenwahl. Wo doch unsere Journalisten den türkischen Massen mitfühlend nahegelegt hatten, was sie aus ihren Nöten folgen lassen sollen.
In aller Freiheit – wir sind schließlich nicht in Russland – übernimmt die ‚vierte Gewalt‘ die Perspektive des regierungsamtlichen Kriegskurses. Nach dem Motto, endlich die offizielle Bestätigung für ihre Sicht auf Russland zu erhalten, sieht sie sich zu der Mission herausgefordert, ihren Lesern und Zuschauern das Bild von Freund und Feind vor Augen zu stellen, das ihnen klarmacht, wer unsere Feindschaft verdient und wer unsere Solidarität.
Das gründliche Vorgehen von Putins Propagandamaschine in
Russland ist hierzulande längst bestens dokumentiert; über
die neuesten Lügengebäude und Repressionsmaßnahmen wird man
auch stets und umfassend auf dem Laufenden gehalten – auch
über die tragische Wirkung der Repression, dass die freie
Rede, die ungehinderte Zirkulation von Informationen und
Meinungen ihre störende bis umstürzlerische Potenz
ausgerechnet dort nicht entfalten können, wo es sie am
dringendsten bräuchte. Aber wenn es bloß das wäre!
Unter der Überschrift Drosten-Studie über ansteckende Kinder grob falsch. Wie lange weiß der Star-Virologe schon davon? zitiert Bild renommierte Statistiker, die der Vorveröffentlichung einer Studie aus der Charité über die Viruslast bei infizierten Kindern Verbesserungsvorschläge zur statistischen Auswertung beisteuern und die sich selbstverständlich sofort gegen die Verwendung ihrer Beiträge zur Diskreditierung des bekanntesten deutschen Virologen durch Bild verwahren.
Weil alle unsere Kritik an Marktwirtschaft, Demokratie und Imperialismus jeden verantwortlichen Standpunkt vermissen lässt, gibt es endlich auch eine Aufklärung zum Stichwort Verantwortung – also auch darüber, warum vom (selbst-)kritischen Engagement verantwortungsbewusster Bürger für die Verbesserung der Verhältnisse nichts zu halten ist.
Mitte letzten Jahres erlässt der Bundestag ein „Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Medien“, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das zum ersten Januar dieses Jahres in Kraft tritt und Betreiber wie Facebook, YouTube, Twitter und Co in die Pflicht nimmt, gegen ‚Hasskommentare‘ und ‚Fake News‘ vorzugehen. Der deutsche Staat kommt nicht umhin, kritisch zur Kenntnis zu nehmen, was für eine Saubande er undifferenziert mit dem Recht auf freie Meinung und deren Bekanntmachung in den sogenannten ‚sozialen Medien‘ ausgestattet hat.
„Die Fake-News-Media sind der Feind des amerikanischen Volkes“ (D. Trump, ca. einmal pro Woche) – gemeint sind die „scheiternde“ New York Times, „Amazon“ Washington Post, „Fake News“ CNN sowie noch einige andere Organe der etablierten Öffentlichkeit in den USA. Ihr Vergehen: Sie wollen nicht anerkennen, schon gar nicht als feste Prämisse ihrer Berichterstattung und Kritik, dass Trump Recht hat, der Richtige ist – der größte Wahlsieger und Präsident aller Zeiten.
Die freie Presse macht sich schon seit einiger Zeit Sorgen um das Volk. Viel zu viel Verständnis in viel zu großem Maße zeigen die Deutschen für ausländische Autokraten, kein Verständnis zeigen sie wiederum für Ausländer in Deutschland, deswegen auch nicht für die Verantwortlichen der offiziellen Ausländer- und speziell Flüchtlingspolitik. Immer vernehmbarer äußern sie ihren Missmut über und ihr Misstrauen in die etablierten Organe der freien Öffentlichkeit.
Anlässlich ihres sechzigjährigen Bestehens bringt Bild eine Sonderausgabe heraus, die in einer Auflage von 41 Millionen kostenlos an private Haushalte in Deutschland verteilt und im Internet zum Download angeboten wird: Eine Jubiläumsgabe für die treuen Leser und für alle, die die Bild-Zeitung noch nicht kennen, falls es so was gibt, die Gelegenheit, sie kennen zu lernen.