Aus der Reihe „Chronik - kein Kommentar!“
Guttenbergs Rücktritt – von Lichtgestalten und anderen Amtsinhabern:
Charisma als demokratische Karrieremethode
Gut, der Minister ist weg, die Aufregung vorbei. Aber nicht einmal die kritischsten Kritiker, die ihn während seiner Amtszeit für rechtlich und politisch fragwürdige Entscheidungen und für seine unseriösen Inszenierungen gescholten haben, wollen sich so richtig darüber freuen, dass der gegelte Windbeutel endlich das Feld geräumt hat. Guttenberg hat eben doch seine Verdienste, die auch einem demokratischen Großkritiker eine Verbeugung abnötigen, und angesichts der Lücke, die er hinterlässt, kommt eher Sehnsucht auf: „Auch die Demokratie braucht einen gewissen Zauber.“ (Prantl, SZ, 5./6.3.) Nach dem Geschmack des Kommentators ist das Land nicht gerade gesegnet mit Männern für „das große Gefühl“ und mit „Gesalbten“, die „von Natur aus die Richtigen sind“ (ebd.), sondern eher geschlagen mit „den Kauders, Seehofers, Gabriels und Brüderles“ bei denen „keiner an Charisma“ denkt (ebd.) und die, anders als der verabschiedete Freiherr, der erwünschten politischen Zauberkunststücke offenbar nicht mächtig sind.
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Länder & Abkommen
Guttenbergs Rücktritt – von
Lichtgestalten und anderen Amtsinhabern:
Charisma als
demokratische Karrieremethode
Gut, der Minister ist weg, die Aufregung vorbei. Aber
nicht einmal die kritischsten Kritiker, die ihn während
seiner Amtszeit für rechtlich und politisch fragwürdige
Entscheidungen und für seine unseriösen
Inszenierungen gescholten haben, wollen sich so richtig
darüber freuen, dass der gegelte Windbeutel
endlich das Feld geräumt hat. Guttenberg hat eben doch
seine Verdienste, die auch einem demokratischen
Großkritiker eine Verbeugung abnötigen, und angesichts
der Lücke, die er hinterlässt, kommt eher Sehnsucht auf:
Auch die Demokratie braucht einen gewissen Zauber.
(Prantl, SZ, 5./6.3.) Nach
dem Geschmack des Kommentators ist das Land nicht gerade
gesegnet mit Männern für das große Gefühl
und mit
Gesalbten
, die von Natur aus die Richtigen
sind
(ebd.), sondern eher
geschlagen mit den Kauders, Seehofers, Gabriels und
Brüderles
bei denen keiner an Charisma
denkt
(ebd.) und die, anders als
der verabschiedete Freiherr, der erwünschten politischen
Zauberkunststücke offenbar nicht mächtig sind.
Die Presse, die die Politik im Namen des kleinen Mannes
beobachtet, hatte Guttenberg ohnehin schon seit langem
adoptiert – als Lichtgestalt der deutschen Politik
(Bild, 5.3.), die den Glanz der
großen Welt in deutsche Wohnzimmer gebracht hat:
„Kaum ein Politiker hat echten Glamour. Bei Karl-Theodor zu Guttenberg ist das anders. Er sieht toll aus, ist wirtschaftlich unabhängig, strahlt Kompetenz aus, hat eine junge attraktive, kluge Frau und wirkt bei alldem sehr authentisch.“
Bild-Chefredakteur
Diekmann goutiert kennerhaft die Methoden –
Zurichtung der äußeren Erscheinung, selbstbewusste
Demonstration der eigenen Eitelkeit und wirksames
Ausstrahlen von Könnerschaft und
unverbogen-echter Persönlichkeit –, mit denen man es als
Amtsträger der „politischen Klasse“ zur glanzvollen Figur
bringen kann, verkauft zum Abschied noch ein paar
Bild-T-Shirts (KT find
ich GUTT!
, 7,50 Euro) und bedauert im Übrigen,
zusammen mit den Kollegen von der seriösen Presse, dass
die gesamte Politik
mit Guttenberg einen verliert,
der die Menschen eben für diese Politik begeistern
konnte
. (Bild, 8.3.)
Von solchen Figuren, so die herrschende Meinung, sollte
es mehr geben. Von den Kauders, Brüderles und Merkels,
die dem Volk ihre jeweils alternativlose Politik
verkünden, ohne dass dieses in begeisterte Hochrufe auf
solche Führer ausbricht, gibt es dagegen nach
sachkundiger Beurteilung mehr als genug.
*
Dass solche Typen aber überhaupt darauf hin beobachtet und danach beurteilt werden, ob sie ihre Aufgaben mit mehr oder weniger persönlicher Aura und ansteckender Begeisterung erledigen, hat als banale Voraussetzung ihr Amt, den Umstand eben, dass sie in herausgehobener Position die Nation führen und die Inhaber und Exekutoren der politischen Gewalt sind. So gibt ihre praktische Machtstellung die sachliche Grundlage für das volkstümliche und öffentlich gepflegte Vorurteil ab, die Inhaber solch einflussreicher Ämter müssten doch auch über außergewöhnliche persönliche Eigenschaften verfügen. Dafür, dass das zutrifft, ist mit dem Erlangen des Amtes der Beweis zunächst schon irgendwie erbracht, andererseits aber auch der ständig neu aufgelegte Prüfungsbedarf in der Welt, ob der Amtsinhaber es – schon, noch und wirklich – verdient, dort oben zu stehen, wo er steht.
Die Frage will fortlaufend beantwortet sein, zumal dort, wo im Rahmen demokratischen Herrschaftswesens die Persönlichkeit von Politikern und das Bild, das sich die Öffentlichkeit zurechtlegt und dem Publikum anbietet, nicht unwichtig sind für den Zugang zu und den Verbleib in den Führungsämtern des Systems. Deswegen ist die medial betreute Selbstdarstellung von Politikern eine dauerhafte Begleitveranstaltung jeder politischen Amtsführung in Regierung und regierungswilliger Opposition.
Die gewöhnliche Wochentagsausgabe des politischen Führers muss sich dabei meistens mit der Bedeutsamkeit zufriedengeben, die seiner Person durch die Wichtigkeit des Amtes, durch die damit verbundene Machtfülle und die gewaltgestützte Entscheidungskompetenz zuwächst, die in den oberen Rängen nicht selten die Verfügungsbefugnis über Milliardenbeträge und allerlei menschliche Schicksale einschließt. Das macht schon Eindruck bei den aktiv wahlberechtigten Betroffenen und stattet die Persönlichkeit des Amtsinhabers mit der Bedeutung der höheren Gewalt aus, über die sie verfügt, hebt sie also beträchtlich über das Niveau der Normalsterblichen hinaus. Damit können Politiker und der um sie und für sie veranstaltete demokratische Personenkult schon sehr gut leben: Öffentlichkeit und Wählerschaft sind durchaus bereit, sich von einer persönlich glaubwürdig gelebten Kultur machtvoller Pflichterfüllung überzeugen zu lassen: Einem, der sich als verantwortungsschwerer Diener seines Amtes geriert, sich selbst als Person gar nicht, als Sachwalter einer regierenden Amtsgewalt aber sehr wichtig nimmt und seine ganze Kraft einer erfolgreichen Amtsführung widmet, wird gerne persönliche Führungskraft bescheinigt und ihm dann, wenn die Aufforderung ergeht, die Stimme (wieder) gegeben.
Und dann gibt es da bekanntlich noch die anderen: Die
Lichtgestalten
unter den Politikern eben, zu denen
– siehe oben – auch der fränkische CSU-Mann bis zu seinem
tiefen Fall gehört haben soll; die, denen die Herzen
zufliegen
und denen jedes hohe Amt zugetraut und
gewünscht wird, noch bevor sie es als Beweis ihrer
persönlichen Klasse überhaupt erreicht haben. Solche
Leute – die großen Kennedys wie die kleinen Guttenbergs –
haben es offenbar geschafft, ganz getrennt von aktuellen
Ämtern als Führungsfiguren zu gelten, sodass es
eigentlich die wichtigen nationalen Chefposten sind,
denen man solche Männer und Frauen wünscht, weil die dem
Amt und dem Land nur guttun können.
Die landläufige Begeisterung für diese
Sonderanfertigungen auf dem Personaltableau der
politischen Führung williger Völker will allerdings
nichts mehr davon wissen, dass die gewöhnlichen
Politiker und die verehrten Überflieger einiges gemeinsam
haben, und dass bei den Gesalbten
, denen, die
von Natur aus die Richtigen
sind, dann, wenn sie
als besondere politische Talente
die
Führungskonkurrenz aufmischen, im Unterschied zu den
anderen nur erfolgreich die Erinnerung daran ausgelöscht
ist, was jeden demokratischen Politiker ausmacht: dass
sie alle Produkte von Parteikarrieren sind, und Beginn,
Verlauf und Erfolg ihrer Laufbahnen, der sich dann im
Erreichen wichtiger Kommandostellen im politischen System
manifestiert, sich den berechnenden
Konkurrenzspekulationen der jeweiligen Parteiapparate
verdanken. Die beurteilen die Konkurrenzfähigkeit ihrer
Nachwuchskräfte, die sich über die Ochsentour
der Parteiarbeit von ganz unten oder als
Quereinsteiger für den Beruf des Politikers
bewerben, anhand bekannter Maßstäbe: Verlangt sind
skrupellose Durchsetzungsfähigkeit gegen parteiinterne
und -externe Wettbewerber; bedingungslose Loyalität
gegenüber der gerade aktuellen Parteiführung, aber auch
der richtige Riecher, wenn ein Führungswechsel
bevorsteht; erfolgversprechendes Talent zu
Selbstdarstellung und Agitation und andere Fertigkeiten
und Eigenschaften des Charakters, der, einem
volkstümlichen, halb verächtlichen, halb bewundernden
Diktum zufolge, von der Politik verdorben wird. Nach
Maßgabe solcher Kriterien teilen Parteiführungen ihren
hoffnungsvollen Jungpolitikern Protektion und Chancen zu,
zu denen vor allem sichere Listenplätze oder Wahlkreise
gehören für – nach und nach immer wichtigere –
Kandidaturen und Ämter.
Haben dann die konkurrierenden politischen Lager aus ihren Nachrückern wichtige Amtsinhaber gemacht, sind diese zumindest schon von Amts wegen mehr oder minder markante Persönlichkeiten in den Führungszirkeln der Republik.
Die Spreu der stinknormalen Karrieristen scheidet sich vom Weizen der charismatischen Führer aber an dem Geschick, eben diesen eigenen Charakter des Parteikarrieristen und sich selbst als Produkt politischer Konkurrenzmanöver erfolgreich zu dementieren: Wer als Politiker außergewöhnlich sein will, dem sollte es tunlichst gelingen, sich als Gegenentwurf zum landläufigen Funktionär und karrierebewussten Berufspolitiker darzustellen und sich zum Zweck seines Aufstiegs in der Politik erkennbar außerhalb, besser noch über den Machtspielen und Postenrangeleien des üblichen politischen Getriebes zu positionieren; und er muss dergestalt über dem jeweils gerade von ihm ausgeübten Amt stehen, dass jedenfalls der Eindruck vermieden wird, er leite nur daraus seine Kompetenz ab; klar sein muss vielmehr, dass sein Wirken darin besteht, kraft naturwüchsig vorhandener, also mitgebrachter Kompetenz dem Amt erst Inhalt, Kontur und Bedeutung zu verleihen; nicht Diener der gestellten politischen Aufgabe zu sein, sondern sie durch seinen Charakter zu prägen und es dahin zu bringen, mit seiner Führungsfähigkeit als Glücksfall für im Prinzip jedes Amt zu gelten. So methodisch banal geht Charisma, das selbstredend nur im Verhältnis zum Volk funktioniert: Da dieses selbst für seine Belange nicht zuständig ist, sie statt dessen an Politiker delegiert hat, setzt es seine zutraulichen Hoffnungen ganz in die Führungsfähigkeiten des zur Verantwortung drängenden Leitungspersonals. Wer aus dessen Kreisen es hinbekommt, sich als Kandidat für vertrauenswürdige Führerschaft zu inszenieren und Herrschaftsverhältnisse in Vertrauen oder sogar begeisterte Zustimmung zu seiner Person zu übersetzen, der hat Charisma.
Auf diese schlichten Techniken der karriereförderlichen Selbstdarstellung hat sich Guttenberg offenbar besonders gut verstanden. Und die Voraussetzungen für den angepeilten Erfolg hätten besser nicht sein können. Als jungem, reichem und – nach herrschendem Geschmack – gut aussehendem Mann von Geblüt, der ohnehin alles hat, fällt es dem CSU-Karrieristen leicht, seine Unabhängigkeit von dem ihm zugeschanzten Posten bis hin zum Bundestagsmandat zu behaupten: Er hätte es nun wirklich nicht nötig, sich das politische Geschäft anzutun! Was nur den Schluss zulässt, dass er sich um der guten Sache des Gemeinwesens willen, ja aus Leidenschaft für die Politik, für die öffentlichen Angelegenheiten engagiert. Darauf hinzuweisen wird er nicht müde, falls irgendjemand nicht von selbst auf diesen Schluss verfallen sollte, und ist von sich und davon, wie er seine Aufgaben meistert, demonstrativ begeistert. Die eitle Selbstinszenierung eines Mitglieds der gesellschaftlichen Elite, das sich auch immer wieder leutselig zu seiner Anhängerschaft im eigenen Volk herablässt, gereicht ihm nicht zum Nachteil, sondern steigert eher seine Beliebtheit: Dass er sich aus der fremden – glamourösen – Welt adeligen Reichtums zu den gewöhnlichen Leuten neigt, um sich aus freien Stücken und ohne erkennbare materielle Berechnungen um deren Führung verdient zu machen, und zudem dieses Verhältnis zum Volk – sowohl den elitären Abstand zu ihm als auch die eigene Volksnähe – öffentlich zelebriert und inszeniert, das gefällt auch den wichtigen Leuten in der Partei. Die hat auf so eine Figur gewartet und tut alles dafür, dass sich die glänzenden Karrierevoraussetzungen ihres vielversprechenden jungen Mannes möglichst bald in überragenden Beliebtheitswerten niederschlagen: Sie fördert ihn nach Kräften, rückt ihn als modernen, weltoffenen und adelig-kultivierten CSU-Konservativen in den Vordergrund und sorgt dafür, dass seine innerparteilichen Neider keinen Schaden anrichten können.
Dass die Partei so auf den Mann setzt, nimmt die einschlägige Presse zum Anlass für umfangreiche sympathisierende Berichte über den neuen Hoffnungsträger der Union. Die Beliebtheit, die sie ihm mit verschafft, hat er verdient, meint die Bild-Zeitung schon beizeiten und stellt in ihrer laufenden Guttenberg-Berichterstattung den Ausnahmecharakter dieses Mannes von Anfang an heraus. Er bietet, in einer Person vereint, endlich einmal alles, was man sich von einem Politiker nur wünschen kann: Edle Herkunft, akademische Bildung und Unabhängigkeit und Leidenschaft für die Politik, und eben – zusammen mit seiner Frau – ein wirklich hübsches Bild in den Medien.
*
So bauen Seehofer und seine CSU-Führung die
Nachwuchskraft aus Franken Schritt für Schritt auf: Sie
machen Guttenberg erst zum CSU-Generalsekretär und dann,
als der Posten frei wird und die CSU das Zugriffsrecht
hat, zum Nachfolger des als schwerfällig und inkompetent
geltenden Wirtschaftsministers Glos. Damit ist der
Freiherr im Zuge seines komentenhaften Aufstiegs
nicht nur der jüngste Minister, den die Republik je
hatte
(Spiegel, 42/2010), sondern
nimmt sogleich die Gelegenheit wahr zu demonstrieren,
dass mit ihm nicht nur ein neuer Schwung und Stil
in Regierung und Amt einziehen, sondern er vorhat, das
Ministerium mit seinen originär guttenbergschen
ordnungspolitischen Grundsätzen
und
konservativer Grundhaltung als programmatischer
Ausrichtung
(Guttenberg,
Biographie) zu prägen. Der Mann hat sich also
endgültig auf das Gleis hin zum außerordentlichen, eben
charismatischen Führer gesetzt, dem es nicht
genügt, als Wirtschaftsminister die Geschäftsordnung des
nationalen Kapitalismus erfolgreich zu betreuen und den
Standort als Biotop weltmarktfähigen Geschäfts. Die
politische Pflege des Wirtschaftswachstums, die das
gewöhnliche Geschäft des Ministeriums ausmacht, will er
nicht ohne fortwährende Verweise auf Grundsätze
und Grundhaltungen
erledigen, denen endlich einmal
wieder Geltung zu verschaffen er, Guttenberg, berufen
ist. Eine Gelegenheit, seine stets betonte
Prinzipientreue
einmal praktisch zu beweisen,
fällt ihm mit der Opel-Krise in den Schoß:
Kapitalistische Ordnungspolitik
gebietet nach den
Grundsätzen
des Ministers ganz eindeutig, Opel in
die Insolvenz gehen zu lassen! Da die Tendenz in der
übrigen Regierung stark ist, die Firma mit Staatsgeld am
Leben zu halten, verbindet Guttenberg seine
prinzipienfeste Option mit einer Rücktrittsdrohung. Als
die nicht fruchtet und gegen den Wirtschaftsminister
entschieden und in Politik und Medien die Einlösung
seines Rücktrittsangebotes diskutiert wird, präsentiert
er seine ganz eigene Lagedefinition:
Machtspielchen
um Posten macht ein Guttenberg
grundsätzlich nicht mit, und nur weil die Regierung so
prinzipienlos ist, ihm nicht zu folgen, wirft er das Amt
nicht weg – er bleibt Minister. Die schlichte
Inszenierung ist ein voller Erfolg und das, was von der
Affäre an ihm hängen bleibt, schmückt ihn, anstatt ihm zu
schaden: Ein junger Politiker von ungewöhnlicher
Prinzipientreue hat sich was getraut und bleibt uns, weil
er sich aus den Berliner Intrigen heraushält, Gott sei
Dank erhalten!
Wer Wirtschaft kann, kann auch Verteidigung. Guttenberg
wird Verteidigungsminister und führt sofort vor, wie
wichtig in diesen Zeiten er für dieses
schwierige Amt ist: Er kann zwar die völkerrechtlich
verdruckste Qualifikation des Afghanistan-Krieges als
Nicht-Krieg auch nicht ändern. Aber dass sich das, was da
passiert, für die Soldaten wie ein Krieg
anfühlt, das will er schon einmal ganz
ehrlich zu Protokoll geben, damit die Sicht
seiner Männer offiziell machen, ins Recht setzen
und sich mit dieser Sichtweise solidarisieren: So gibt er
sich erneut als Anti-Politiker, der sich von den Grenzen
seiner Amtspflicht nicht davon abhalten lässt, einmal
ganz klar zu sagen, was in Afghanistan
eigentlich los ist; und der mit der ganzen Freiheit
seines adlig-edlen Menschentums die Lage, ihre
Erfordernisse und seine Auffassung vom Amt
definiert. Das gilt als politisch mutig, worauf
der Minister selbst oft genug hinzuweisen nicht versäumt.
Persönlichen Mut setzt er in Szene bei seinen
regelmäßigen Truppenbesuchen, die er, sobald ein
Journalist zuhört, mit der verdammten Pflicht und dem
Anstand, der sich gehört
zu begründen weiß. Das
klingt markig und landsernah und bringt neben der
Ehrlichkeit auch den Anstand in den Krieg. Er steht auf
Seiten der kämpfenden Truppe und bringt sich auf
zahllosen Fotostrecken in kleidsamen Tarnklamotten und
Splitterweste selbst ein wenig als Kämpfer rüber: Ein
Minister der Soldaten, der der politischen Klasse nicht
nur sagt, was Sache ist, sondern mit Gattin und
Talkmaster sogar zur Kriegsweihnacht an den Hindukusch
fliegt! Als die Männer des Ministers in Kundus neben
einem Tanklaster eine Hundertschaft afghanische Dörfler
plattmachen, changiert seine Auffassung zwar ein wenig
zwischen militärisch angemessen
und
unangemessen
, was aber durch erwiesene Tatkraft
bei der Entlassung zweier führender Beamter des
Ministeriums ausgeglichen wird; eine Technik, die der
Minister bei Unannehmlichkeiten auf dem Schulschiff Gorch
Fock noch einmal erfolgreich einsetzt.
Als Guttenberg dann die Misslichkeiten mit seinem
falschen Doktortitel ereilen, versucht er ein letztes Mal
seine Sicht der Dinge als Maßstab der Beurteilung
durchzusetzen, zunächst noch unterstützt von Partei und
Kanzlerin. Aber seine abgebrühten Hinweise auf die
Kleinlichkeit der Kritik an seinen bedauerlichen
wissenschaftlichen Fehlern angesichts dessen, dass in
Afghanistan doch eben wieder deutsche Soldaten gefallen
seien, worum er sich gerade und weiterhin mit aller
guttenbergschen Hingabe dringend kümmern müsse, helfen
nicht mehr. Zwar stehen BILD und die Umfragemehrheiten
noch fest zu ihm, aber diejenigen, die den famosen
Freiherrn gemacht haben, lassen dann doch
irgendwann aus ihren Erwägungen die Luft aus
seinem so lang und fleißig aufgepumpten
Charisma: Er ist am Ende eben doch nichts
anderes als ein Funktionär von Gnaden seiner Partei und
der Kanzlerin, die sich einen Minister, den man
ungestraft Betrüger nennen darf, nicht auf Dauer leisten
wollen. Auch wenn er mit seiner besonderen Art der
Vertrauenswerbung für die Macht der Regierenden eine Zeit
lang noch so erfolgreich war – irgendwann beginnt sein
Lager von ihm abzurücken, sodass ihm dann doch bloß der
Rücktritt bleibt: Auch den noch als höchstpersönliche
Entscheidung im Geiste seiner berühmten Prinzipientreue
vorzutragen und nicht als den Beschluss der Leute, die
ihn dorthin gebracht haben, das ist Guttenberg sich
schuldig. Der behauptet am Ende zu gehen, weil ihm
alles zuviel
geworden sei. Das könnte auch für die
Kanzlerin gelten, die für Guttenberg einen ausgesprochen
unglamourösen Nachfolger bestimmt, der sich von Anfang an
als Gegenprogramm zum Exminister inszeniert, und zusammen
mit der Kanzlerin verkündet, dass in Zukunft noch mehr
Sachlichkeit beim Regieren angesagt sei. Das ist ja
recht. Aber die Sehnsucht nach ein wenig Glanz beim
Regiertwerden, nach großen Gefühlen und Begeisterung für
die eigenen Chefs – die bleibt natürlich. Die ist guten
Demokraten auch in Zukunft erlaubt.