Um überleben zu können, mussten die Lohnarbeiter rebellisch werden. Zu arbeiten, wie es von ihnen verlangt wird, und sich mit dem gezahlten Lohn zu bescheiden – das langt nicht; mit Dienst nach dem Geschmack der Eigentümerklasse und Fügsamkeit nach Vorschrift der politischen Ordnungsmacht liefern sie sich bloß dem Zerstörungswerk aus, das ihre Arbeitgeber gemäß den Sachgesetzen ihres Metiers und ihrer Konkurrenz an ihrer Arbeitskraft vollziehen.
Und die Proletarier selbst? Die haben einen Weg gefunden, sich mit ihrer Indienstnahme nicht bloß abzufinden, sondern regelrecht zu identifizieren. Nichts an ihrem Dasein haben sie selber wirklich im Griff – aber die Einbildung, sie hätten alles im Griff, die wird gepflegt.
Ein halbes Jahrhundert nach der Niederlage des Faschismus ist es auch mit dem Antifaschismus in Deutschland vorbei. Die Distanzierung vom nationalsozialistischen Massenmord an den Juden ist zum festen Bestandteil der nationalen Politkultur geworden wie der Kranz, den die Oberbefehlshaber bei passender Gelegenheit an den überall vorhandenen Grabmälern des unbekannten Soldaten niederzulegen pflegen, und enthält soviel Faschismuskritik wie ein solcher Kranz Kritik am Krieg. Die Betrübnis über den verlorenen Weltkrieg hat sich mit dem 50.
In der SED ist Selbstkritik angesagt, aber was für eine: Der alten Politik erteilen die Genossen eine strikte Absage. Auf einmal wissen alle, daß – fast – alles Bisherige Lüge und Unterdrückung war. Aber mehr will keiner wissen; von den Gründen, die bis gestern noch parteioffiziell für's alte Verfahren gegolten haben, schon gleich nicht.