Aus lauter öffentlicher Vorfreude darauf, demnächst von anderen Christdemokraten regiert zu werden, geht hierzulande etwas verloren, was die Nation an Merkel hatte. Den zahlreichen Rückblicken, die im Lichte ihres Abgangs die Größe ihrer politischen Persönlichkeit in Erfolg und Scheitern würdigen, stellt der GegenStandpunkt seinen garantiert unnostalgischen Rückblick auf eine mustergültige Charaktermaske der deutschen Staatsräson und ihres imperialistischen Aufstiegs gegenüber.
Deutschland lebt von seinem Status als Exportweltmeister, seinem kapitalistischen Erfolg mit Auto-, Maschinen- und sonstiger wettbewerbsfähiger ‚Spitzenindustrie‘ auf dem Weltmarkt.
Der Artikel stellt klar, warum entgegen allen Beteuerungen, Trump sei ein aus der Art gefallener Psychopath, sein ‚Politikstil‘ heute so in Mode und die aufgeklärt-demokratische Staatenwelt inzwischen bevölkert ist mit Sonnenkönigen vom Schlage eines Macron: Weil es eben nicht um einen Stil von Politik geht, sondern um ihren imperialistischen Kern: In der Konkurrenz gegeneinander bestreiten sich die Macher- und Nutznießernationen des globalisierten Kapitalismus wechselseitig die nationalenErträge, um die es ihnen geht, und stellen sich deshalb reihum die Frage, was si
2017 war, hieß es, ein ‚europäisches Superwahljahr‘ – nicht deswegen, weil vielerorts in Europa gewählt wird. Vielmehr deswegen, weil es bei allen europäischen Wahlen in erster Linie um Europa geht – jedenfalls aus der unbestechlich objektiven Sicht der deutschen Führungsmacht.
Entgegen dem schlechten Ruf, unter dem Völker noch zu Beginn des Jahres angesichts von Trump, Brexit und eines durch Europa ziehenden rechten Ungeistes standen, weswegen es als mindestens prekär galt, ihnen die Schicksalsfrage ihrer Herrschaft zu überlassen, wird ihnen im Frühsommer überwiegend bescheinigt, das ‚Richtige‘ zu tun.
Mit dem diplomatischen Zeremoniell in Warschau leistet sich der amerikanische Präsident einen kalkulierten Affront gegen Europa und Deutschland, indem er als erstes nicht bei einer der Führungsmächte aufläuft, sondern im „euro-skeptischen“ Polen.
Polen bildet den ersten exemplarischen Fall für die Kollision zwischen dem deutschen Euro-Imperialismus und der neuen amerikanischen Linie: Die Subsumtion Osteuropas unter das deutsch-europäische Großmachtprojekt, das sich die Staatenwelt zurechtmacht und dabei auf der Potenz der Einheit namens „der Westen“ basiert, kollidiert mit dem Standpunkt der USA, denen dieses gemeinsame Fundament keine Beachtung mehr wert ist, die es praktisch aufkündigen.
Da ist sich die Kanzlerin – und mit ihr die Öffentlichkeit, die sie als Garant für Stabilität in einer unsicher gewordenen Weltlage zur neuerlichen Kandidatur 2017 beglückwünschen – sicher: Deutschlands Erfolg verpflichtet die Regierung dazu, „mehr Verantwortung in der Welt“ zu übernehmen, sich für eine – ‚die‘ – Ordnung in der Welt stark zu machen, die immerzu durch andere Staaten gestört und gefährdet wird.
Die deutsche Öffentlichkeit versteht ‚die Briten‘ nicht mehr: Wie kann man in einer für die Nation im Besonderen und für Europa im Allgemeinen so grundsätzlichen Frage der Staatsräson das Volk befragen! Die Häme über britisches Chaotentum weicht allerdings schnell der Sorge, wie man in den anstehenden „langwierigen Verhandlungen“ mit der zum Brexit entschlossenen britischen Regierung möglichst schnell die „Unsicherheit“ beenden und den Schaden begrenzen kann.
Im Spätsommer 2015 verkündet die deutsche Kanzlerin, dass sich „mein Land“ nicht länger vor der immer weiter anwachsenden Flüchtlingswelle wegducken könne, die von Südsüdost auf Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen zurollt.