Mit ihrem kriegerischen Doppelbeschluss – Militäraktion ja, Eroberungsfeldzug nein – ist die BRD ein Vorreiter der Strategie der Zerstörung ganz Jugoslawiens als Zwangsmittel gegen Milosevic, verlangt also dem Bündnis einen Krieg ab, den die europäischen Mächte gemeinsam nicht führen können, zu dem es die Führungsmacht braucht. Gegenüber den Russen bewährt sich Deutschland als diplomatischer Platzanweiser.
Frankreich ist von Anfang an für den Krieg im Namen der Menschenrechte und eines friedlichen Europa. Es beteiligt sich mit 100 Flugzeugträgern und 4000 Soldaten. Propagandistische Begleitung ist die unentwegte Demonstration der eigenen Hoheit über den Prozess der Befriedung des Balkan: Dem Einsatz der Nato ohne Mandat des Sicherheitsrats wird zugestimmt, alle Hilfsdienste werden als gelungene Instrumentalisierung der Nato und der USA verhandelt.
Italien leistet seinen Beitrag als festländischer Flugzeugträger für die Luftflotte der Allianz sowie als Hinterland und als Begleitschutz für die schwimmenden Flugzeugträger. Es beteiligt sich mit 54 Kampfbombern und 8000 Soldaten. Gleichzeitig demonstriert die Regierung entschiedene Distanz zum Kriegsgeschehen, weil sie angesichts der Lasten, die Italien auf sich nimmt, die Rolle Italiens von den USA nicht angemessen gewürdigt sieht.
Griechenland nimmt nicht an militärischen Aktionen teil und plädiert für eine politische Lösung. Jugoslawien war als Handelspartner wichtig, als Transitland für Handel und Tourismus von Bedeutung. Und als einziger Nato-Staat ist Griechenland tatsächlich in seiner Sicherheit angegriffen. Aber es hat begriffen, dass Bündnistreue seine erste Staatsräson ist, liefert deshalb die nötige Zustimmung in Brüssel ab und stellt bereit, was verlangt wird – an Häfen und Transportgelegenheiten.
Österreich ergreift entschieden Partei für die Nato-Entscheidungen gegen Jugoslawien, weil es sich vom Zerfall des ehemals kommunistischen Staatenverbands eine Stärkung seiner vitalen und sicherheitspolitischen Interessen verspricht, nicht nur im Hinblick auf die“ neuen Nachbarn“, sondern auch als EU-Mitglied. Als neutraler Kleinstaat, der nicht viel beizutragen hat, ist Österreich aus dem Kriegsgeschehen ausgemischt und leidet an seinem Machtdefizit, was sich in Debatten um Neutralität –ja oder nein – niederschlägt und in dem Verlangen nach einem größeren militärischen Gewicht Europas.
Der Bedarf nach weltpolitischer Eigenständigkeit fordert Aufgabe der Souveränität, immer als Forderung an die anderen. Das Projekt GASP dient der Emanzipation von der Nato und dem „Schutz“ durch die USA. Europa leidet daran, dass es auf beides noch nicht verzichten kann. Deutschland arbeitet auf seine Hegemonie hin.
Nach Wegfall des Ost-West-Gegensatzes geht Frankreich den Umbau seines vorher auf die Nato-Strategie bezogenen Atomarsenals an, um es frei kalkulierbar und handhabbar zu machen. Gegenüber den USA demonstriert Frankreich sein Recht auf eine eigenständige Deutung des Atomwaffensperrvertrags, gegenüber Deutschland meldet es sein Recht auf europäische Vormacht an, das sich nicht auf eine ökonomische, sondern militärische Ausnahmestellung gründet.
Die CDU / CSU zur Krise der EU: Von der bloßen Wirtschaftsgemeinschaft zu einem Europa als Weltmacht, das als Kerneuropa unter deutsch-französicher Führung den USA beim Weltordnen Konkurrenz macht: Die Osterweiterung Europas als zentrales strategisches Konzept. Ausgerechnet das soll den deutschen Revanchismus eindämmen. Die anderen sollen auf das Einstimmigkeitsprinzip, Hoheitsrechte und ihre Währungen verzichten. Und die Nato-Struktur muss europatauglich umgebaut werden.
Deutschland verfolgt das Ziel, seine weltweiten Interessen eigenständig durchzusetzen und abzusichern, was ein ganzes Programm umfasst: den zweckmäßigen Zugriff auf den Weltmarkt mit einer flexiblen Eingreiftruppe gewaltsam garantieren zu können; dafür die Nato zu instrumentalisieren; daneben eine eigenständige EU-Militärmacht ohne die USA auf den Weg zu bringen; den beanspruchten Status als Ordnungsmacht durch einen ständigen Sitz mit Vetorecht im UN-Weltsicherheitsrat anerkannt zu bekommen; mit der Menschenrechtswaffe den Anspruch auf Kontrolle anstelle von Benutzung geltend zu machen; mi
Durch jahrzehntelange Europa-Politik nach dem Doppelprinzip „mit der BRD und gegen die USA“ steht Frankreich ökonomisch als Juniorpartner im DM-Block, politisch als Atommacht ohne europäische Gefolgschaft da.