Zusätzlich zu den nicht wenigen Krisenfällen im europäischen Bündnis hat sich seit dem Regierungswechsel Polen zu einem solchen ausgewachsen. Nach Aussage von Europa-Funktionären hat er das Zeug dazu, im Verein mit den anderen das Bündnis zu sprengen.
Wenn es in Europa Staaten gibt, die ganz offensichtlich „über ihre Verhältnisse leben“ – und zwar ganz anders als Griechenland & Co., auf die dieser Spruch immer gemünzt ist –, dann sind es Litauen, Lettland und Estland. Sie haben zusammen genommen etwas mehr als sechs Millionen Einwohner, ihre gesamte Wirtschaftsleistung erreicht nicht einmal die Hälfte derjenigen Griechenlands. Hinter ihnen rangieren in der EU-Statistik nur noch Zypern und Malta. Und auch in das westliche Kriegsbündnis haben sie kaum etwas an militärischen Potenzen einzubringen gehabt.
Nach einem halben Jahr zäher Verhandlungen mit der Euro-Gruppe kapituliert die griechische Linksregierung und fügt sich – gegen das von ihr selbst abgerufene Volksvotum – den wesentlich vom deutschen Finanzminister vorgegebenen Konditionen für ein drittes ‚Hilfsprogramm‘, um den Staatsbankrott und Euro-Austritt doch noch zu vermeiden. Das Ergebnis ist seltsam widersprüchlich. Die griechische Regierung hält das Programm weiterhin für falsch, unerträglich und kontraproduktiv.
Das krisen- und konkurrenzgeschädigte Frankreich konkurriert und kooperiert - mangels Alternative - nach den von Berlin durchgesetzten Richtlinien mit Deutschland um die Rolle einer Mit-Führungsnation bei der Durchsetzung eines verbindlichen Euro-Regimes. Und es konkurriert und kooperiert mit Berlin auch hinsichtlich einer europäischen Antwort auf die ‚Herausforderung‘, die der Ukraine-Krieg für den europäischen Weg der ‚Osterweiterung‘ bedeutet, der im Fall Ukraine in eine offene Gewaltaffäre gemündet ist.
Die griechische Linksregierung arbeitet sich daran ab, mit ihrem bankrotten Staat den harten Konsequenzen eines Euro-Regimes auszukommen, ohne aus dem gemeinsamen Geldverbund auszuscheiden, zu dem Athen keine national brauchbare Alternative sieht. Vergeblich, dank einer deutschen Regierung, die Griechenland vor die Alternative stellt: Euro-Kredit nur gegen ein rigoroses auswärtiges Kommando über den Staatshaushalt, also Geld gegen Souveränitätsverzicht oder bankrott.
Die Weltfinanzkrise hat inzwischen in Europa – in unterschiedlichem Maß – die Staaten beschädigt. Die Masse an Euro ist, das ist kein Geheimnis, kein Ausweis gelungener kapitalistischer Geschäfte. Sie verdankt sich hoheitlicher Kreditmacht, die die fallierenden Vermögen der Banken gerettet hat. Im Gefolge davon leiden viele Euro-Staaten unter einer untragbaren Schuldenlast und drohen ihren Kredit zu verlieren. Mindestens genauso bzw.
Es gehört zu den Schönheiten des vereinten Europa, dass kein Euro-Staat wissen will, dass und wie sein nationales Kapital und er als dessen machtvoller Förderer zur
Überakkumulation und Euro-Krise beigetragen hat. Alle sehen sich mit ihren kapitalistischen Wachstumsanstrengungen und -erfolgen reihum als Betroffene:
als Opfer – und zwar der Misswirtschaft der anderen.
Ein paar Abgeordnete und Parteileute in Berlin, teils aus dem Umkreis der CSU, andere der Linkspartei zugehörig, haben sich ihre eigenen Gedanken zum Fortgang der Europa-Politik gemacht und gegen den Lissabon-Vertrag Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben.
Frankreichs neuer Staatspräsident ist nicht zufrieden. Mit seiner Nation nicht, weil die in der Welt von heute einfach nicht die Rolle spielt, die ihr in den Augen ihres obersten Nationalisten zukommt; daher auch nicht mit der Welt und der in ihr herrschenden Ordnung, die seinem Land den ihm gebührenden Status verwehrt. „Frankreich ist ins Hintertreffen geraten gegenüber dem Rest der Welt“ (Neujahrsansprache, Le Monde, 2.1.08); und damit will der neue Chef sich keinesfalls abfinden.