„America first!“ in Aktion – und die ersten Wirkungen (II)
Trump macht sich an die Renovierung der europäischen Energieversorgung

Mit dem diplomatischen Zeremoniell in Warschau leistet sich der amerikanische Präsident einen kalkulierten Affront gegen Europa und Deutschland, indem er als erstes nicht bei einer der Führungsmächte aufläuft, sondern im „euro-skeptischen“ Polen. Zweitens platziert er seine große Rede vor dem Denkmal, das an den Warschauer Aufstand gegen Deutschland erinnert, hält dort eine Eloge auf die Gastgebernation, deren unstillbaren Freiheitsdurst und eine amerikanisch-polnische Wertegemeinschaft, die aus Chopin, dem lieben Gott und dem Warschauer Aufstand neue Bombengeschäfte mit Waffen und Energie ableitet. Drittens beehrt er dann auch noch die polnisch-kroatisch initiierte Drei-Meere-Initiative, eine Ansammlung von Oststaaten, die sich in der EU nicht gut bedient finden, plus Österreich, mit einer Rede und einem guten Angebot – das alles mit der unübersehbaren Absicht, wie die verärgerte deutsche Presse notiert, „die inneren Spannungen und Risse Europas zu instrumentalisieren“.

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„America first!“ in Aktion – und die ersten Wirkungen (II)
Trump macht sich an die Renovierung der europäischen Energieversorgung

1. Anti-deutsche Avancen Trumps an Polen

Mit dem diplomatischen Zeremoniell in Warschau leistet sich der amerikanische Präsident einen kalkulierten Affront gegen Europa und Deutschland, indem er als erstes nicht bei einer der Führungsmächte aufläuft, sondern im „euro-skeptischen“ Polen. Zweitens platziert er seine große Rede vor dem Denkmal, das an den Warschauer Aufstand gegen Deutschland erinnert, hält dort eine Eloge auf die Gastgebernation, deren unstillbaren Freiheitsdurst und eine amerikanisch-polnische Wertegemeinschaft, die aus Chopin, dem lieben Gott und dem Warschauer Aufstand neue Bombengeschäfte mit Waffen und Energie ableitet. Drittens beehrt er dann auch noch die polnisch-kroatisch initiierte Drei-Meere-Initiative, eine Ansammlung von Oststaaten, die sich in der EU nicht gut bedient finden, plus Österreich, mit einer Rede und einem guten Angebot – das alles mit der unübersehbaren Absicht, wie die verärgerte deutsche Presse notiert, die inneren Spannungen und Risse Europas zu instrumentalisieren (Tagesspiegel, 12.6.17).

Das Angebot an die Polen und die Kollegen vom Intermarium geht dahin, ihre Energieversorgung statt einem gewissen russischen Gaslieferanten künftig tüchtigen amerikanischen Flüssiggasverkäufern zu überlassen. Es ist nämlich so, dass die USA über Energieressourcen im Überfluss verfügen, mit denen der neue Präsident die ganze Welt bedienen will, und natürlich auch den europäischen Markt, auf dem bislang viel zu wenig von diesen Ressourcen zu Geld geworden ist. Das liegt nach amtlicher Auskunft aus dem Weißen Haus daran, dass es in Europa ein extrem unfaires Monopol oder eine monopolistische Situation gibt, so dass größerer Zugang[1] der USA zu diesem Markt durchgesetzt werden muss – gegen die von Deutschland maßgeblich diktierte europäische Energiepolitik, die Russland einen Sonderstatus als Hauptlieferant verschafft, und ganz speziell gegen das aktuelle Nord-Stream-2-Projekt, mit dem Deutschland zur bestimmenden europäischen Energiegroßmacht aufsteigen will.[2]

2. Nord Stream 2 – ein Kapitel deutscher Energie-Imperialismus

Auf dem Weg dahin hat Deutschland schon einiges erreicht und sich noch einiges vorgenommen: Mit dem europäischen Programm zur Herstellung von mehr Energiesicherheit durch Diversifizierung der Energiequellen und Bezugsländer ist es gelungen, die als Gefahr denunzierte Machtstellung Russlands als Energielieferant deutlich zu reduzieren, indem Gazprom zum Kampf um die Erhaltung seiner Marktposition gezwungen und auf die Weise zur Erfüllung sämtlicher europäischer Forderungen erpresst worden ist. Auf der Grundlage, dass sich das Unternehmen gewissermaßen die Geschäftskonditionen vorschreiben lässt, kann sich Deutschland neue erweiterte Geschäfte mit Russland gut vorstellen, bei denen es sich das Land, auf die Funktion als Lieferant zurückgedrängt, neu zuordnet, durch die direkte Anbindung der Lagerstätten die mehr oder weniger hinderlichen Transitländer ausschaltet und sich selber mit den reichlichen und billigen russischen Lieferungen noch ganz anders zum Subjekt, nämlich zum dominanten Verteiler auf dem europäischen Gasmarkt macht. Da wären dann die leidigen Abhängigkeiten im Energiegeschäft ganz im Sinne deutscher Machtentfaltung umgestaltet.

Fortschritte bei der Unterordnung Russlands unter die deutsch-europäische Energiepolitik

Das Thema der unerträglichen „Abhängigkeit“ von Russland hatten die europäischen Führungsmächte aus Anlass des Streits um die Ukraine aufgebracht: Im festen Willen, bei der Ausdehnung ihrer Zuständigkeit bis an die russische Grenze gegen den Widerstand des vormaligen strategischen Partners Russland kein Jota nachzugeben, sollte die europäische Energieversorgung gewissermaßen sturmfest gemacht werden gegen den Hauptlieferanten Russland; durch Diversifizierung sollte jedwede Erpressbarkeit auf dem bekanntermaßen äußerst „strategischen“ Sektor der Energieversorgung verhindert werden. Und wie zur Unterstreichung der an der Gasversorgung neu aufgemachten Machtfrage eröffnete die Kommission gleich noch ein Verfahren gegen Gazprom wegen unzulässiger Marktpraktiken.[3] Auf dem Gebiet hat der Euroimperialismus nun den großen Erfolg zu verzeichnen, dass Gazprom der Erpressung durch die europäische Kommission auf ganzer Linie nachgegeben hat:

„EU will Gazprom-Kartellverfahren einstellen... Gazprom hat nun zugesagt, die territorialen Beschränkungen für den Weiterverkauf seines Gases aus allen Lieferverträgen zu streichen. Dasselbe gilt für alle Vertragsbestandteile, die den Weiterverkauf unattraktiv machen, wie eine Beteiligung Gazproms an dabei anfallenden Gewinnen. Das betrifft acht EU-Staaten, neben den baltischen Staaten auch Bulgarien, Tschechien, die Slowakei, Polen und Ungarn. Die Zusagen Gazproms gehen in diesem Punkt aber noch weiter. So sagt der Konzern zu, von anderen EU-Staaten weiterverkauftes Gas direkt nach Bulgarien und in die baltischen Staaten zu liefern. Ansonsten könnten die anderen betroffenen EU-Staaten in diese Länder gar kein russisches Gas verkaufen, weil es keine ausreichenden Pipelines gibt. Um den Vorwurf einer ‚unlauteren Preispolitik‘ auszuräumen, sollen die betroffenen Länder Preise neu aushandeln können. Sie sollen sich dabei an den Marktpreisen, auch an westeuropäischen Handelsplätzen orientieren.
In Reaktion auf den dritten Vorwurf sagte das russische Unternehmen zu, keinen Schadenersatz von seinen bulgarischen Partnern zu fordern, nachdem der Bau der geplanten South-Stream-Pipeline von Russland durch Bulgarien in die EU eingestellt worden ist...
Aber der Schritt wurde in Russland erwartet. Denn die EU ist mit Abstand der profitabelste Markt des Versorgers. Ihn muss er sich erhalten, fast um jeden Preis.“ (FAZ, 14.03.17)

Die unüberhörbare Selbstzufriedenheit in der Meldung des Frankfurter Qualitätsjournalismus ist ein deutlicher Verweis darauf, wie erfolgreich Europa nun die manifeste Abhängigkeit Russlands von seinem „profitabelsten Markt“ ausgenützt hat: Durch Diversifizierung der Bezugsquellen, auch durch den Ausbau der alternativen Energien ist der Druck auf die Gaslieferanten erhöht und Gazprom zur Kapitulation auf ganzer Linie gezwungen worden, um seine Anteile auf dem europäischen Markt zu erhalten. Die Energieexporte bilden schließlich die entscheidenden Devisenquellen dieser Nation; Russland lebt vom Energiegeschäft, ist von seinen Abnehmern also ganz anders abhängig als umgekehrt, und das auch in Bezug auf den Transportweg: Die Profitabilität dieses notwendigen Geschäfts für Russland hängt ganz entscheidend daran, dass es die Verbindung von der Quelle zum Markt schon seit Jahren gibt. Bei der leitungsgebundenen Energie lässt sich der Stoff auch nicht einfach woandershin verkaufen.

Dem imperialistischen Ideal, Russland auf den Status eines großen Rohstoffreservoirs der EU zu reduzieren, ist man also schon sehr viel näher gekommen, Gazprom und damit Russland sind um ein paar Köpfe kleiner gemacht, und darin sieht die deutsche Führung offenkundig die besten Voraussetzungen für ihre doppelgleisige Politik gegeben: Auf der einen Seite setzt sie die Politik der Bestrafung Russlands durch die Wirtschaftssanktionen ungerührt fort, auf der anderen Seite nimmt sie sich alle Freiheit, Russland mit einer neuen Transportlinie für die Stärkung der deutschen Machtposition im Energiegeschäft mitten in Europa zu funktionalisieren.[4] Und drittens gestattet sie damit Russland, aber auch sich selbst, die Ukraine aus dem Gasgeschäft auszuschalten.

Der freundliche Umgang mit der Ukraine

Deutschland ist nicht gewillt, sich von seinem zunehmend unbrauchbaren imperialistischen Zugewinn im Osten Risiken aufhalsen zu lassen; der Bürgerkrieg und die Konfrontation mit Russland haben auch den Gastransit zu einer reichlich unsicheren Sache gemacht.[5] Deutschland stellt sich zwar weiterhin unnachgiebig als Schutzmacht der freien Ukraine auf, von der ja kein Quadratzentimeter dem russischen Bären kampflos überlassen werden darf, der Schutz erstreckt sich aber offenkundig nur auf deren Qualität als anti-russischer Vorposten und weniger auf die ökonomischen Existenzgrundlagen dieses Staatsgebildes: Sobald Nord Stream 2 in Betrieb geht, verliert die Ukraine die Transitgebühren und muss überdies mit dem technisch bedingten Risiko rechnen, dass bei stark verringertem Durchfluss das Transportsystem zusammenbricht.

Eine verantwortungsvolle deutsche Regierung kann sich aber selbstverständlich nicht dem Gesichtspunkt der Sicherheit ihrer eigenen Energieversorgung verschließen, die sie mit der Übernahme der Ukraine noch um einiges unsicherer gemacht hat. Und der Gesichtspunkt spricht unbedingt dafür, die Belieferung mit dem russischen Rohstoff durch eine direkte Verbindung mit den russischen Quellen von diesem riskanten Transitland und das liebe Transitland dementsprechend von einer seiner wenigen ergiebigen Einnahmequellen zu trennen. Und so nimmt sich Deutschland die Freiheit, mit der geplanten Umgehung der Ukraine auch gegen alle anderen imperialistischen Interessen an der Ukraine und Berechnungen der anderen Schutzmächte mit ihr – von den USA bis zu Polen – zu verstoßen. Weshalb der damalige Wirtschaftsminister Gabriel sich auch immer wieder bemüht hat zu betonen, dass es sich bei Nord Stream 2 um ein „rein wirtschaftliches Projekt“ handelt, für das also die pure Unschuldsvermutung angebracht ist.

Fortschritte bei der Instrumentalisierung der EU für deutsche Energieinteressen

Für das neue Projekt bedient sich Deutschland der Geschäftsinteressen der eigenen und der Energiekapitale der europäischen Nachbarn, die ähnlich wie Deutschland angesichts der zurückgehenden Förderung in Europa mit der sicheren Versorgung aus Russland kalkulieren. Auch niederländische, französische und österreichische Energiefirmen beteiligen sich an Nord Stream 2. So funktionalisiert die Republik auch ihre europäischen Nachbarn für die Herstellung ihrer außerordentlichen Machtposition auf dem europäischen Energiemarkt. Und mit dieser Interessengemeinschaft im Rücken setzt sich die Merkel-Regierung unbeschwert darüber hinweg, dass sich die Führungsmächte und -instanzen der EU schon länger darauf geeinigt hatten, das Gemeinschaftsrecht im Energiesektor weiter auszubauen, um Gazprom Schranken aufzuerlegen, und sich dann im Zuge der Ukraine-Krise weiter dazu vorgearbeitet haben, Teile ihrer Energiepolitik im Interesse einer durchschlagenden Machtkonzentration in der Auseinandersetzung mit Russland in einer „Energieunion“ zu vergemeinschaften. Jetzt sieht man die Lage in Berlin eben anders, und man traut sich durchaus zu, seine neu definierten Interessen gegen die EU-Kommission und viele Bündnispartner, die sich den deutschen Alleingang nicht gefallen lassen wollen –

„Das Pipeline-Projekt läuft den politischen Zielen Brüssels und vieler Mitgliedstaaten zuwider, deren erklärtes Ziel es ist, die Erdgasbezüge zu diversifizieren und die Importabhängigkeit von Russland zu reduzieren (vor allem dort, wo sie zu Vulnerabilität führt). Dieses langfristige Interesse war auch bestimmend bei der Konzipierung der Energieunion.“ (Ebd., S. 14)

durchzusetzen. Deutschland nimmt sich einfach die Freiheit, sein neues Projekt ganz ohne Absprache mit der Kommission aufzulegen und deren Einsprüche ziemlich nassforsch abzufertigen:

„Das für Energie zuständige Direktorat der EU-Kommission hat die Bundesnetzagentur unlängst aufgefordert, zu erklären, wie sie bei der Prüfung und Genehmigung des Milliardenprojektes des russischen Gaskonzerns Gazprom zusammen mit europäischen Energiekonzernen europäische Vorgaben einzuhalten gedenke. Präsident Jochen Homann hat der Kommission darauf nun kühl geantwortet. Weder nach europäischem noch nach deutschem Recht gebe es Vorgaben oder davon abgeleitete Genehmigungsvorbehalte gegen das Projekt. Offshore-Verbindungsleitungen aus Drittstaaten fielen auch nach Auffassung der Bundesregierung und des juristischen Dienstes der EU nicht unter die EU-Regulierung. Dem schließe er sich ‚uneingeschränkt‘ an. ‚Für Nord Stream 2 andere Vorgaben anzuwenden, wäre ersichtlich diskriminierend‘, urteilt Homann.“ (FAZ, 6.3.17)

Nach Auskunft des Chefs der Bundesnetzagentur ist die Kommission mit ihrem Gemeinschaftsrecht hier schlicht unzuständig, womit immerhin schon einmal die deutsche Befugnis, als rechtsauslegende Instanz zu fungieren, angemeldet wäre. Die Auslegung des entsprechenden Rechts ist aber offensichtlich weniger eine juristische Frage als das Resultat der jeweiligen Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der Kommission.[6] Deutschland als Führungsmacht beansprucht ganz praktisch das Recht, europäische Belange von Berlin aus einseitig in die Hand zu nehmen, freihändig zu definieren, was an der Front fällig ist, und das praktisch umzusetzen – eine heftige Herausforderung der Kommission, die im Streit um Nord Stream 2 auf ihrer Zuständigkeit besteht.

Wenig konfliktscheu ist die deutsche Politik auch im Hinblick auf die Interessen ihrer Nachbarn, wenn die ihren Ambitionen im Weg stehen. Mit ihren russlandpolitischen Alleingängen und den Plänen, sich auf dem europäischen Energiemarkt als überragender Versorger zu etablieren, der alle Konkurrenzprojekte zum Scheitern verurteilt, hat sie auch den Streit mit einigen anderen Bündnispartnern entfacht. Einerseits mit Dänemark und Schweden, andererseits mit Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien, die sich in einem gemeinsamen Brief an die Kommission beschweren:

„Das Projekt Nord Stream 2 beinhalte ‚alarmierende Aspekte‘, die sich negativ auf die ‚Energiegeopolitik in Europa‘ auswirken könnten. Auch wird bemängelt, dass das Projekt gegen den Geist der europäischen Energiepolitik und insbesondere gegen den Gedanken der Energiesolidarität verstoße.“ (Ebd., S. 32)

Immerhin hatte ja die EU-Kommission mit deutschem Einverständnis vor gerade einmal zweieinhalb Jahren das Projekt South Stream, die Lieferung von russischem Gas nach und über Südosteuropa, im Namen einer „europäischen Energiepolitik“ zu Fall gebracht – und sich damit über die Interessen aller daran lebhaft interessierten Balkan- und EU-Staaten hinweggesetzt.

3. Mit fairen Deals den europäischen Gasmarkt okkupieren, Deutschland und Russland schädigen, die EU zersetzen und neue pro-amerikanische Abhängigkeiten stiften

Diese lieblichen innereuropäischen Verhältnisse wollen die USA nun mit der Wucht ihrer LNG-Angebote aufmischen. Polen ist als Haupteinfallstor für amerikanische Gaskonzerne vorgesehen; mit dem LNG-Terminal, das an der polnischen Küste steht, demnächst ausgebaut und um ein zweites ergänzt werden soll, ist immerhin ein erster Bestandteil der new energy infrastructure vorhanden, die es für die Eroberung des europäischen Markts braucht, und von guten Diensten der Regierung in Warschau bei diesem Projekt geht Trump fest aus. Schließlich hilft ihr Amerika nicht nur, die Entwertung ihrer Investition in besagtes Terminal durch Nord Stream 2 abzuwenden und überhaupt die Abhängigkeit von der deutsch-europäischen Energiepolitik loszuwerden, sondern es winkt auch noch die Perspektive, ökonomisch zu profitieren und zur Generalverteilstation von US-Gas in Europa zu werden sowie politisch in den Status einer von der Weltmacht anerkannten und protegierten Vormacht einer „Ost-EU“ hineinzuwachsen.

Trump für seinen Teil ist jedenfalls so begeistert über den Beginn einer wunderbaren Freundschaft – die erste LNG-Lieferung an seinen neuen Partner ist kürzlich erfolgt –, dass er auf Fragen wie die, ob sein Gas die werten Freunde wegen des Aufwands für Verflüssigung, Transport und Rückverwandlung nicht erheblich teurer zu stehen kommt als das per Röhre bezogene, gleich die richtige optimistische Antwort hat:

„Trump confirmed that ‚many more‘ U.S. LNG shipments will be coming to Poland, but said the price might rise. ‚Maybe we get your price up a little bit, but that’s ok, tough negotiations,‘ the U.S. president said.“ (Reuters, 6.7.17)

Wenn Polen künftig am amerikanischen Gashahn hängt, wird man sich über den fairen Preis, den we get up a little bit, schon einigen, daran darf ein großartiges Geschäft wie dieses nicht scheitern. Es gibt ja so viel zu verkaufen, und ein Anruf genügt:

„‚We are sitting on massive energy, we are now exporters of energy. Whenever you need energy, just give us a call,‘ Trump said.“ (Ebd.)

Man sieht: Auch ein großer Visionär wie Trump, der Europa mit einer energiepolitischen Zeitenwende beglücken will, ist sich nicht zu schade, sich um die Details bei den anstehenden Deals zu kümmern; er ist ja auch geborener Businessman. Die Sache mit dem passenden Preis hat er im Griff, und natürlich denkt er auch daran, dass es um die Zahlungsfähigkeit der als Kundschaft ins Auge gefassten Intermarium-Staaten nicht gut bestellt ist. Eine Kreditierung der Problemfälle durch die USA kann hier helfen, das Geschäft fördern und zugleich die Staaten aus ihren bisherigen falschen Abhängigkeiten befreien.

Außerdem steht dem Präsidenten neuerdings noch ein wirksames Instrument zur Verfügung, Preisvorteilen von Pipeline-Gas gegenüber LNG zu begegnen: Die jüngst vom US-Kongress beschlossenen neuen Russland-Sanktionen beschränken zwar Trumps Handlungsfreiheit in einer für ihn eigentlich nicht hinnehmbaren Weise; sie verpflichten ihn auf die Linie einer kompromisslosen Russenfeindschaft, auf die er sich gerade nicht festlegen lassen wollte. Aber in den Aufgaben und Vollmachten, die ihm das Sanktionsregime erteilt: er kann die Mitwirkung am Rohrleitungsbau kriminalisieren, die beteiligten Unternehmen schwer schädigen und so der Alternative zu our high-quality and low-cost energy resources den Boden entziehen; im Zweck, amerikanische Energieexporte mit aller Macht zu fördern und Rivalen klein zu machen – Nord Stream 2 wird im Sanktionstext als zu bekämpfendes Projekt ausdrücklich erwähnt –, kommen die streitenden Seiten gut zusammen.

Die Energie-Initiative Trumps in Polen zielt ersichtlich darauf, sich nicht irgendwie mehr und zu besseren Bedingungen in das bestehende Energiegeschäft in Europa einzuklinken, sondern es zu okkupieren, Europa zum amerikanisch besetzten Exportmarkt bzw. Amerika zur europäischen Energiemacht zu machen. Seine Administration beendet das Verfahren, an einer globalen Geschäftsordnung für Produktion und Handel und schließlich auch noch den klimafreundlichen Verbrauch von Energieträgern herumzureformieren, die allen Konkurrenten, auch den USA selbst, verbindliche Regeln fürs Geldverdienen mit diesem Zeug vorgibt. Sie will die Konkurrenz auf diesem Feld nicht moderieren, sondern mit aller Macht für sich entscheiden. Ihr ist es bitterernst mit dem kuriosen Ausdruck, in Europa liege ein sogenannter untapped market vor, herrenloses Land sozusagen; konsequenter und radikaler kann man den Anspruch auf Besitzergreifung kaum formulieren. Mit der größten Selbstverständlichkeit beschlagnahmt Trump als Oberschiedsrichter in Sachen open, fair, and competitive markets das europäische Energiegeschäft schon einmal ideell als seine Domäne und sagt dem keineswegs unerschlossenen europäischen Energiemarkt als Ansammlung von barriers to energy trade den Kampf an. Nicht weniger als die Diversifizierung der in Europa bestehenden energy sources, suppliers, and routes ist zur Sicherung der amerikanischen Dominanz auf diesem Markt herzustellen, was einem Frontalangriff auf die in Europa eingerichteten politischen und ökonomischen Verhältnisse im Umgang mit diesem so eminent wichtigen Stoff gleichkommt: Amerikanische Energiequellen sollen an die Stelle der russischen treten; ein US-Liefermonopol gegen das von Gazprom; und eine neue LNG-Infrastruktur soll bestehende wie geplante Pipeline-Routen ersetzen und entwerten.

Auch bei der Implementierung dieser Okkupationspolitik geht Trump neue Wege. Er verzichtet auf jeden Schein von Gemeinsamkeit bei der Problemdefinition und -lösung auf diesem Feld, ein diplomatischer Verkehr mit den EU-Führungsmächten und der EU-Kommission findet nicht statt. Er offeriert vielmehr den passenden Partnern Geschäfte, die in bilateralen tough negotiations Gestalt annehmen, in denen die Beteiligten ihre Kräfte messen und offen und ehrlich austesten, wer dem anderen den besseren Deal abzuringen vermag.

Zurück zum Umgang mit strategischen Gütern: Mitten in seinem energiepolitischen Umbau Europas fällt dem Präsidenten ein, dass er noch ein ganz besonderes Juwel für seine neuen Freunde in Polen und im Intermarium-Bündnis parat hat:

„Wir machen die beste, beste Technologie für Kampfjets und Schiffe und Ausrüstung, militärische Waffen. Niemand kommt da auch nur annähernd heran, und das ist anerkannt. Auf der ganzen Welt redet man darüber, wie großartig unsere Militärausstattung ist. Niemand kommt da auch nur in die Nähe. Wenn Sie also und für den Fall, dass Sie Militärausstattung kaufen, erwarte ich, dass Sie nur an die Vereinigten Staaten denken.“

Natürlich hat Trump das Bedürfnis, die Waffenausstattung der Europäer am liebsten von Lockheed, Boeing und Raytheon erledigen zu lassen, nicht erfunden. Neu ist die Tour, mit einem guten Waffendeal die Spaltung der EU voranzutreiben. Immerhin eröffnet Trump den EU-Staaten sein großartiges Angebot mitten hinein in die Versuche der EU-Führungsmächte, eine einheitliche europäische Rüstung hinzukriegen, sich die dafür passende Rüstungsindustrie hinzustellen und die EU-Mitglieder verlässlich in dieses Projekt einzubauen. Sein Verkaufsargument: Wenn es um das entscheidende Mittel der Durchsetzung in der Staatenwelt geht, dann soll es doch wohl das Beste vom Besten sein, und das kommt eben nicht aus Euroland, sondern aus den USA. Dass es bei dieser speziellen Ware nicht einfach um eine Frage des klugen Kaufs geht, sondern dass mit der Ausstattung und Ausbildung des Militärs anderer Staaten äußerst nützliche politische Abhängigkeiten geschaffen und missliebige gebrochen werden, dass sich hier amerikanisches Geschäftsinteresse und das an der strategischen Zuordnung von Staaten ganz wunderbar treffen – das scheint den großen Dealmaker besonders zu beflügeln. Jedenfalls versucht er nach Kräften, die Emanzipation der vom deutschen Imperialismus geschädigten Nationalstaaten auf dem alten Kontinent auch in militärischer Hinsicht zu fördern, sie auf Amerika zu orientieren – kurz: das Staatenbündnis der europäischen Zentralmacht in Berlin zu schwächen, so gut es geht.

Mit dieser Sorte von Geschäften kommt dann die Beschädigung der deutschen Vormacht über Europa aufs Erfreulichste zur Deckung mit der Bereinigung der unfairen und anti-amerikanischen Konkurrenz der Deutschen gegen Amerika, die ihre Unterlegenheit gegenüber den USA durch die Hegemonie über andere Nationen wettmachen wollen. Die Weltmacht unter Trump nimmt die Konkurrenz mit ihren Rivalen auf ohne jeden Schein von Gemeinsamkeit, ausdrücklich und ausschließlich zur Beförderung der US-Interessen und zur Zerstörung von Ambitionen der starken Konkurrenten, die Amerika nicht passen.

[1] Diese und weitere Zitate, sofern nicht anders angegeben, aus: Remarks by President Trump at the Three Seas Initiative Summit, 6.7.17, siehe www.whitehouse.gov

[2] Nord Stream 2 soll weitgehend parallel zur bereits bestehenden Pipeline durch die Ostsee führen, die Kapazität für den Gastransport von Russland nach Deutschland verdoppeln und bisherige Transitstaaten – vor allem die Ukraine – umgehen.

[3] Näheres zum Ende von South Stream in GegenStandpunkt 2-15

[4] Und zwar zu Bedingungen, die nach Auskunft des deutschen Thinktanks, der „Stiftung für Wissenschaft und Politik“, gar nicht besser sein könnten. Den deutschen Staat kostet das Bombengeschäft keine müde Mark: Unter rein ökonomischen Aspekten war und ist bemerkenswert, dass von westlicher Seite keine Gelder der öffentlichen Hand zur Realisierung benötigt werden. (Kai-Olaf Lang, Kirsten Westphal, Nord Stream 2: Versuch einer politischen und wirtschaftlichen Einordnung, SWP, Dezember 2016, S. 10) Denn die Kosten für das Projekt werden Russland alleine aufgebürdet:

Für Gazprom und Russland bedeutet die Austrittsentscheidung [der vorher als Anteilseigner vorgesehenen europäischen Energiefirmen], dass sich die Projektkosten in geschätzter Höhe von 9,5 Mrd. EUR für Gazprom um mindestens die Hälfte verdoppeln und es gleichzeitig ohne die Partner sehr viel schwieriger wird (v.a. bei Aufrechterhaltung der Sanktionen), die restlichen 7 Mrd. USD für den Bau von NS-2 auf dem internationalen Kapitalmarkt aufzunehmen. (Frank Umbach, Das Nord-Stream-2-Projekt und die Auswirkungen auf die gemeinsame Energiesicherheit und Außenpolitik der EU. In: ÖMZ 4/2017, S. 478 f)

 Da der Gaspreis weiterhin unter Druck ist – unter anderem hat Westeuropa mit der Marktmacht der großen Nachfrager Gazprom zu Preissenkungen genötigt, um ihm dann mit dem eigenen Gas auf anderen Märkten Konkurrenz zu machen: Pointiert gesagt, konkurrierte dabei zumeist russisches Erdgas, das an den Handelsplätzen in Nordwesteuropa erworben wurde, mit russischem Erdgas aus den bestehenden Langfristverträgen. (Lang/Westphal, a.a.O., S. 28) – darf man des Weiteren auch sicher damit rechnen, dass Gazprom die Kosten der Investition nicht auf den Gaspreis umlegen kann:

Ein Überangebot an Erdgas hat ... eine komfortable Versorgungslage herbeigeführt... Die Preisschere zwischen ‚Hubprodukten‘ und Langzeitverträgen hat sich verringert, da Letztere angepasst wurden... Anders als oft behauptet wird, werden die Baukosten des Projekts keine Preiserhöhungen für das Erdgas nach sich ziehen. Denn die Gaspreise in der EU sind Vertrags- bzw. Marktpreise und folgen nicht einem Kosten-Plus-Modell. Das Risiko erhöhter Transportkosten liegt beim Gaslieferanten. (Ebd., S. 21 f)

 Und überhaupt: Das Risiko gestrandeter Investitionen für die Offshore-Pipeline liegt bei Gazprom. Das macht unter anderem den kommerziellen Charakter des Projekts aus. Diese Perspektive entspricht auch der Leitidee des freien Marktes, die in Deutschland vorherrscht und von der auch die Binnenmarktpakete geprägt sind. (Ebd., S. 31)

[5] Zum einen ist in der Ukraine die Gewohnheit eingerissen, auf Grund des Mangels an Geldmitteln Gas für den Eigenbedarf von den russischen Lieferungen für Europa abzuzweigen. Für das Gas, das für die Füllung der Gasspeicher gebraucht wird, die für den Transport eine entscheidende Rolle spielen, aber selber kein Geld bringen, will die Ukraine erst recht nicht zahlen, und drittens und überhaupt kann in der Ukraine von der nötigen Erneuerung der verschlissenen Infrastruktur für den Energietransit jetzt und künftig keine Rede sein, wo der Haushalt nicht einmal genügend für die oberste nationale Aufgabe, den Krieg im Osten abwirft. Zu den wachsenden technischen Risiken der Störanfälligkeit kommen dann noch die politischen hinzu: Nicht nur das Transitregime ist Gegenstand von Streitigkeiten [zwischen der Ukraine und Russland], sondern auch der Liefervertrag und die Begleichung von Schulden. Hier laufen Schiedsverfahren, in denen beide Seiten von der jeweils anderen Partei erhebliche Summen fordern. Das birgt einiges Konfliktpotential für die Zukunft und stellt auch eine Herausforderung für die Versorgungssicherheit der EU dar. (Ebd., S. 24)

[6] Ein bezeichnender Fall dafür war auch der Streit um die Behandlung der Erdgasleitung OPAL (die an Nord Stream 1 anschließende Transportlinie nach Süden), in dem Deutschland sich mit dem Antrag auf eine weitergehende Nutzung durchgesetzt hat, was dann auf eine beeindruckend absurde Weise in Einklang mit EU-Recht gebracht worden ist: Das verlangt zwar „die Bereitstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs für Dritte ... aber es gab und gibt in Greifswald außer Gazprom (bisher) keinen weiteren Anbieter von Erdgas... Brüssel stimmte letztlich mit strengeren Auflagen am 28. Oktober 2016 zu: 50 Prozent der Kapazität bleiben von der Netzzugangs- und Netzentgeltregulierung weiterhin komplett ausgenommen. Bis zu 20 Prozent der Kapazität am Exit-Point Brandov müssen mit kurzfristiger Laufzeit am virtuellen Handelspunkt des deutschen Marktgebiets Gaspool angeboten werden. Hier kann Gazprom zum Basispreis mitbieten“ (ebd., S. 18) – darf sich also sein eigenes Gas ersteigern.