Der Westen tut so, als ob er den Sieg über Russland schon in der Tasche hätte: Beschlagnahmte russische Staatsgelder werden für Abschlagszahlungen auf die bei Sieg fälligen Reparationen benutzt – mit dem schönen Nebeneffekt der Ökonomisierung des Stellvertreterkrieges, der unbedingt weitergehen soll. Mit den Gepflogenheiten des internationalen Eigentumsschutzes – ansonsten der wirkliche Höchstwert aller wertebasierten und regelgeleiteten Weltordnung – ist das zwar nicht so ganz zu vereinbaren.
Ein Vorposten westlicher Freiheit und Sicherheit schlägt gegen eine Welt von Feinden in einer Weise um sich, wie es sich für die Freiheit und Sicherheit einer respektablen Macht gehört: Israel lässt nun seit fast einem Jahr für seinen Vernichtungskrieg gegen die Hamas jeden Tag Palästinenser sterben und im Gaza keinen Stein auf dem anderen.
2023 versetzt die amerikanische Autogewerkschaft UAW mit einem sechswöchigen Arbeitskampf gegen Amerikas stolze „Big Three“ Autokonzerne heimische und hiesige Beobachter in Erstaunen. Kein Wunder. Immerhin fordert sie eine Lohnerhöhung von mehr als 40 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahre, außerdem die Abschaffung des „two-tier“ gestaffelten Lohngruppensystems, das für alle nach 2007 angeheuerten Beschäftigten unter anderem niedrigere Löhne – fast 50 Prozent weniger pro Stunde – und eine niedrigere Rente vorsieht.
Im politischen Leben Amerikas fällt das Sommerloch dieses Jahr aus. Im Herbst wird schließlich der Präsident gewählt. Und weil es um den Posten des wichtigsten Machthabers der Welt geht, des Leaders der Weltordnungsmacht schlechthin, genießt jede Wendung im amerikanischen Wahlkampf die Aufmerksamkeit der ganzen Welt. An Wendungen hat es bislang auch nicht gefehlt: Das erste direkte Aufeinandertreffen der beiden Kandidaten gerät zu einem dermaßen großen Desaster für die Demokraten, dass Trumps erneuter Wahlsieg eine sichere Wette zu sein scheint.
Israels Gaza-Krieg gegen den Staatsgründungsterrorismus der Hamas kommt voran. Also gehen immer mehr Lebensbedingungen der Bevölkerung und geht diese selbst immer mehr kaputt, weil sie von Israel mit diesem Krieg als Sumpf des Terrors definiert und behandelt wird. Immer mehr in Fahrt kommt parallel dazu das Gezerre um die Frage, welche der Grausamkeiten dieses Krieges notwendig sind – und welche eher überflüssig und Israel daher als Verstoß gegen die guten Sitten beim staatlichen Töten und Zerstören angelastet werden müssten.
Neulich hat in Afrika, genauer gesagt in Niger, ein Putsch stattgefunden, der im Westen nicht gern gesehen wurde. Denn damit setzt sich, so las man, ein unerfreulicher Trend in ‚unserem‘ Afrika fort. Nicht der, dass dort die Menschen bettelarm, die Staaten schwach und die Terroristen zahlreich sind – mit solchen „instabilen Verhältnissen“ hat der Westen praktisch umzugehen gelernt.
Russen töten und sterben für den Status ihres Heimatlandes als weltpolitisch ernst zu nehmende militärische Weltmacht; einen Status, den das große Militärbündnis der USA mit Europa nicht duldet, gegen den die NATO gerichtet ist und ausgebaut wird.
Vom ersten Bekanntwerden des unerhörten Hamas-Überfalls auf Israel an, erst recht nach den verkündeten und prompt in die Tat umgesetzten Racheschwüren israelischer Führer hat die ganze Staatenwelt gebannt auf Amerika gestarrt: Wie stellt sich die Weltmacht dazu?
Schon wieder was, was es in Washington noch nie gegeben hat. Diesmal wird der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, auf Betreiben von einigen Hardlinern aus der eigenen Partei seines Postens enthoben. Der hatte sich dann doch nicht getraut, die angekündigte Totalopposition gegen den Haushalt der Biden-Regierung bis zur letzten Konsequenz durchzuziehen.
Die Frage, worum es im Ukraine-Krieg geht, was dort auf dem Spiel steht, wird in der demokratischen Öffentlichkeit des Westens, vorbildlich in der deutschen, nicht gestellt, sondern durch die politmoralische Antwort überrundet: Dem Kreml geht es um Eroberung, Unterdrückung der Demokratie in der Ukraine und überhaupt, den Einstieg in einen neuen russischen Imperialismus, dem Oberbefehlshaber um seine persönliche Macht. Der Ukraine geht es um Verteidigung gegen illegale Aggression und den Schutz der demokratischen Werte.