Eine amerikanische Gewerkschaft kämpft um Anerkennung
Konkurrierende Auskünfte zur Frage: Was ist, was braucht ein hard-working American?

2023 versetzt die amerikanische Autogewerkschaft UAW – United Automobile, Aerospace and Agricultural Implement Workers of America – mit einem sechswöchigen Arbeitskampf gegen Amerikas stolze „Big Three“ Autokonzerne – GM, Ford, Stellantis – heimische und hiesige Beobachter in Erstaunen. Kein Wunder. Immerhin fordert sie eine Lohnerhöhung von mehr als 40 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahre, außerdem die Abschaffung des „two-tier“ gestaffelten Lohngruppensystems, das für alle nach 2007 angeheuerten Beschäftigten unter anderem niedrigere Löhne – fast 50 Prozent weniger pro Stunde – und eine niedrigere Rente vorsieht. Zudem sollen die „cost of living allowances“ wieder eingeführt werden – eine Art jährlicher Inflationsausgleich. Mit alledem fordert die UAW die Rücknahme einschneidender Konzessionen, die ihr vor anderthalb Jahrzehnten abgepresst worden sind, als die Obama-Regierung die Insolvenz ihrer Arbeitgeber im Zuge der Finanzkrise durch die Mobilisierung von sehr viel Staatskredit abgewendet hat.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung

Eine amerikanische Gewerkschaft kämpft um Anerkennung 
Konkurrierende Auskünfte zur Frage: Was ist, was braucht ein hard-working American? 

I. Der gelungene Auftakt: ein historischer Sieg gegen die US-Automobilkapitale

1.

2023 versetzt die amerikanische Autogewerkschaft UAW – United Automobile, Aerospace and Agricultural Implement Workers of America – mit einem sechswöchigen Arbeitskampf gegen Amerikas stolze „Big Three“ Autokonzerne – GM, Ford, Stellantis – heimische und hiesige Beobachter in Erstaunen. Kein Wunder.

Immerhin fordert sie eine Lohnerhöhung von mehr als 40 Prozent innerhalb der nächsten vier Jahre, außerdem die Abschaffung des „two-tier“ gestaffelten Lohngruppensystems, das für alle nach 2007 angeheuerten Beschäftigten unter anderem niedrigere Löhne – fast 50 Prozent weniger pro Stunde – und eine niedrigere Rente vorsieht. Zudem sollen die „cost of living allowances“ wieder eingeführt werden – eine Art jährlicher Inflationsausgleich. Mit alledem fordert die UAW die Rücknahme einschneidender Konzessionen, die ihr vor anderthalb Jahrzehnten abgepresst worden sind, als die Obama-Regierung die Insolvenz ihrer Arbeitgeber im Zuge der Finanzkrise durch die Mobilisierung von sehr viel Staatskredit abgewendet hat. Das war der Preis für die Rettung ihrer Arbeitsplätze, d.h. ihrer Tauglichkeit für die fortgesetzte Bereicherung ihrer Anwender: Entweder die Beschäftigten akzeptieren die massive Absenkung ihres Lohnniveaus oder sie verlieren mit dem Kollaps der Unternehmen ihren Lebensunterhalt ganz. Der Erpressung hat sich die Gewerkschaft gebeugt und damit ihre Rolle als Vertretungsinstanz des Interesses ihrer lohnabhängigen Mitglieder so betätigt, dass sie sie ad absurdum geführt hat: Um deren Jobs zu erhalten, hat sie in den Abbau ihrer Ansprüche an diese Jobs eingewilligt. [1]

Heute sieht die Gewerkschaft ihre Auftragslage offenbar entschieden anders. Ihre rekordverdächtigen Forderungen begründet sie zum einen mit den rekordmäßigen Gewinnen, die die drei Konzerne schon seit einigen Jahren einfahren. Die damalige Notlage der Firmen ist vorbei, die Zeiten sind gut, also haben sie gefälligst auch für ihre Belegschaften gut, jedenfalls viel besser zu werden. Deren Notlage ist nämlich nur schlimmer geworden. Was der amerikanische Qualitätsjournalismus ermittelt –

„Die Automobilarbeiter waren zwar nicht die einzigen Arbeitnehmer, die in den letzten drei Jahrzehnten Lohneinbußen hinnehmen mussten, aber sie wurden besonders hart getroffen. Ihre Löhne sind zwischen 1993 und 2023 stärker gesunken als in jeder anderen der 166 Branchen, die wir untersucht haben... Im vergangenen Jahr verdienten sie im Durchschnitt 32,70 Dollar pro Stunde, das sind inflationsbereinigt 30 Prozent weniger als bei ihrem Höchststand im Jahr 2003.“ (Washington Post, 22.9.23) –,

das drückt Gewerkschaftschef Shawn Fain etwas weniger statistiklastig aus:

„Von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck leben, um über die Runden zu kommen? Das ist die Hölle. Die Wahl zwischen Medizin und Miete ist die Hölle. Monatelang sieben Tage die Woche zwölf Stunden am Tag zu arbeiten ist die Hölle. Wenn dein Betrieb geschlossen und deine Familie über das ganze Land verstreut wird, ist das die Hölle. Während einer Pandemie arbeiten zu müssen und nicht zu wissen, ob man vielleicht krank wird und stirbt oder die Krankheit auf die Familie überträgt, ist die Hölle.“ (zit. n. Jacobin, 14.9.23)

Das ist also die Kehrseite der extrem erfolgreichen Rettung der amerikanischen Traditionsunternehmen: Die ehemalige Elite der amerikanischen Arbeiterklasse mit ihrem Selbstbild, als „blue-collar worker“ eigentlich „middle class“ zu sein, ist nun zum großen Teil auf den Status von „working poor“ hinabgesunken.

2.

Ebenfalls für Erstaunen sorgt der Kampf, den die UAW zur Durchsetzung ihrer Forderungen führt. Das gilt vor allem den tatsächlich ungewohnten Tönen ihres neuen Präsidenten Shawn Fain: Der geht nämlich nicht nur seinen unmittelbaren Kontrahenten im Lohnkampf rhetorisch hart an, sondern spricht ohne Scham von einer „Arbeiterklasse“, die überall im Land einer „gierigen Unternehmerelite“ zum Opfer gefallen sei und daher einen „Klassenkampf“ führen müsse, um von diesem „wahren Feind“ „zurückzuholen“, was ihr zusteht.

Dieses kämpferische Rechtsbewusstsein ist erst einmal die Begleitmusik zu einem einigermaßen innovativen Arbeitskampf. Statt sich wie üblich nur einen Autokonzern zwecks Erzielung eines Pilotabschlusses vorzuknöpfen, um diesen Abschluss dann als Mustervorlage für Verhandlungen mit den anderen zwei Autokonzernen zu verwenden, traut sich die UAW diesmal einen Arbeitskampf gegen alle drei Konzerne auf einmal zu. Zugleich werden die Gewerkschaftsmitglieder wie die Öffentlichkeit laufend über den Stand der Verhandlungen informiert; das ist gemeint und wird verstanden als demonstrative Absage an die traditionellen „Hinterzimmergespräche“ und die allzu konzessive Kumpanei zwischen dem Vorstand und der gewerkschaftlichen Vertretung. Ab jetzt sollen die Arbeiter und alle anderen stets wissen, was das gewerkschaftliche Verhandlungsteam fordert und bietet, und vor allem: welche Unternehmen sich wogegen warum sperren. Dabei versucht die Gewerkschaft bei aller Breite ihres Arbeitskampfs den Druck auf die jeweiligen Unternehmen ‚chirurgisch‘ auszuüben, so die Streikkasse zu schonen und immer noch einen Weg offenzulassen, den Streit zu den Bedingungen der Gewerkschaft beizulegen, bevor eine sektorweite Arbeitsniederlegung erforderlich wird. [2]

Auf diese Weise ringt die UAW den Großen Drei einen Abschluss ab, der allseits als historischer Sieg verbucht wird. Die Grundlöhne steigen um 25 Prozent über die kommenden vier Jahre und der jährliche Inflationsausgleich wird wieder eingeführt. Das ergibt eine Steigerung von 33 Prozent an der Spitze, von 67 Prozent bei den Einstiegslöhnen und sogar 165 Prozent bei den Leiharbeitern, die zudem nun nach einem Einsatz von 90 Tagen automatisch zur Stammbelegschaft gezählt und nach den für diese geltenden Bedingungen entlohnt werden. Das oben erwähnte zweiteilig gestaffelte Lohnsystem wird abgeschafft, sodass das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ in den Betrieben wieder Einzug hält, und die Zeit des Aufstiegs von den Einstiegs- zu den Spitzenlöhnen wird von acht auf drei Jahre verkürzt. Als ganz besondere Errungenschaft verbucht die Gewerkschaft, dass der Verlust von Arbeitsplätzen nicht nur verhindert, sondern in sein Gegenteil verkehrt worden ist: Der Stellantis-Konzern verpflichtet sich zu einer Expansion seiner Investitionen, was die Gewerkschaft sich als Erfolg ihres Kampfes zuschreibt:

„Wieder einmal haben wir erreicht, was noch vor wenigen Wochen für unmöglich gehalten wurde... Wir haben nicht nur einen Rekordvertrag erzielt, sondern auch das Blatt im Krieg gegen die amerikanische Arbeiterklasse gewendet. Zu Beginn dieser Verhandlungen wollte Stellantis 5 000 Arbeitsplätze abbauen... Nun werden 5 000 neue Arbeitsplätze geschaffen.“ (UAW, 28.10.23)

Was die Gewerkschaft sich da zugutehält, ist und bleibt eine Investitionsentscheidung des Unternehmens, die dieses stets nach eigenem Ermessen fällt. Dabei weiß die Gewerkschaft natürlich auch, dass die Unternehmen mit ihren stetigen Produktivitätssteigerungen auf die Einsparung von Lohnkosten, also von Arbeitskräften und deren Einkommen abzielen, und dass mit dem Übergang zu E-Autos gerade in dieser Hinsicht ein bedenklicher Sprung zu erwarten ist: Beim aktuellen Stand der Produktionstechnik, heißt es, können die Unternehmen mit ca. 40 Prozent weniger Personal auskommen. Solche Zukunftsaussichten machen die andere, präzedenzlose Errungenschaft des Tarifabschlusses laut Gewerkschaft umso kostbarer: Sie hat sich das Recht vertraglich zusichern lassen, während der Laufzeit des Tarifvertrags gegen Fabrikstilllegungen zu streiken, falls die Unternehmen den ebenfalls vertraglich zugesicherten Investitions- und Beschäftigungszusagen nicht nachkommen; und bei Entlassungen, die sich „betriebsbedingt“ doch „nicht vermeiden“ lassen, müssen die Unternehmen mit der Gewerkschaft über einschlägige Sozialpläne verhandeln.

3.

Von Anfang an besteht die UAW darauf, dass ihr Arbeitskampf für mehr als das Ringen dieser bestimmten Belegschaften um diesen bestimmten Tarifabschluss stehen soll. Ihr innovatives Kampfmodell meint sie nicht bloß als neue, geschicktere Verhandlungstaktik, sondern auch als Ausdruck eines neuen gewerkschaftlichen Selbstverständnisses, das sie explizit als prinzipielle Absage an ihre bisherigen Gepflogenheiten verstanden haben will. Diese Gewerkschaft will die Kampforganisation einer Basis sein, die sich aktiv für ihre Interessen einsetzt und mobilisieren lässt. Als Repräsentant ebendieser neuen Aufgabenstellung kommt der neue Präsident Shawn Fain überhaupt in sein Amt: Als Mitglied einer randständigen linken Erneuerungsorganisation innerhalb der UAW namens UAWD (Unite All Workers for Democracy) wird er zum ersten von der Basis direkt gewählten Gewerkschaftsführer. Der Wahl geht zum einen die jahrelange Unzufriedenheit mit den laufenden Konzessionen der Gewerkschaftsführung an die Ansprüche der Autokonzerne voraus, zum anderen ein Korruptionsskandal, in dessen Gefolge dreizehn hochrangige Gewerkschaftsfunktionäre – darunter zwei UAW-Präsidenten – im Gefängnis landen. [3] Dem Underdog Fain gelingt ein Überraschungssieg – und er lässt keinen Zweifel an seinem Reformwillen und dessen Dimensionen:

„In diesem Land geschieht etwas, was wir seit langer, langer Zeit nicht mehr gesehen haben: Die Arbeiterklasse steht auf... Wir haben unser Vertrauen in die Mitglieder gesetzt, und die Mitglieder haben sich dafür entschieden, die Kumpanei mit den Unternehmen zu beenden. Die Mitglieder haben sich für den Kampf entschieden... Beim Stand-Up-Strike ging es nicht nur um die Großen Drei. Es ging um die gesamte Arbeiterklasse. Es ging um den Beweis, dass die Arbeiterklasse gewinnen kann. Wir gewinnen nicht, indem wir in die Defensive gehen, es dem Chef recht machen und unseren Mitgliedern sagen, was sie zu tun und zu sagen haben. Wir gewinnen, indem wir den Menschen aus der Arbeiterklasse die Mittel, die Inspiration und den Mut geben, für sich selbst einzustehen.“ (Shawn Fain bei der „Labor Notes Conference“, 19.4.24)

Den Sieg in Detroit verbucht die UAW daher als Auftaktsieg – zu einem Kampf, durch den die gesamte amerikanische Arbeiterklasse wieder lernen soll, für die Gerechtigkeit zu kämpfen, die ihr allzu lange vorenthalten worden ist. Was für ein Kampf das ist und worauf er stößt – das lehrt der nächste und aus Sicht der UAW existenziell wichtige Schauplatz.

II. Die nächste Etappe: der Kampf um die Anerkennung der Gewerkschaft in der gesamten amerikanischen Autoindustrie

Hier geht es freilich erst einmal nicht um einen direkten Kampf gegen die Autokonzerne zwecks Korrektur der Bedingungen von Lohn und Leistung, sondern um seine staatlich verordnete Voraussetzung. Will die Gewerkschaft überhaupt als Verhandlungsinstanz in Aktion treten, muss sie nämlich die mehrheitliche Zustimmung der Belegschaften einholen – so will es die amerikanische Gesetzeslage. [4] An dieser Hürde scheitert die UAW in den Südstaaten seit Jahrzehnten, und zwar so flächendeckend, dass die Arbeiterschaft in dieser großen Region als kaum bis gar nicht organisierbar gilt. Das Ergebnis ist das beinahe ausnahmslose Fehlen von gewerkschaftlicher Vertretung in den dort angesiedelten Betrieben, die zusammen einen großen und schnell wachsenden Bereich der amerikanischen Autoindustrie bilden – mehr als die Hälfte aller Industriearbeitsplätze Amerikas sind inzwischen in den ‚gewerkschaftsfreien‘ Südstaaten angesiedelt. [5]

Das soll nun anders werden. Dazu kündigt die UAW eine Kampagne an, die sie nach und nach bei allen Automobilproduzenten der Nation zum anerkannten Verhandlungspartner machen soll – angefangen beim VW-Werk in Chattanooga, wo sie bei den letzten zwei Versuchen 2014 und 2019 gescheitert ist, [6] bis hin zu den Tesla-Fabriken im Südwesten mit ihrem fanatisch antigewerkschaftlichen Wunderchef. [7] Die Gewerkschaft geht dabei sehr selbstbewusst in die Offensive; Shawn Fain geht davon aus, dass seine Gewerkschaft den nächsten Vertrag nicht mehr bloß mit den „Big Three“, sondern mit den „Big Five or Six“ verhandeln wird. Dabei führt die Gewerkschaft vor, was sie für ihre stärksten Argumente hält und warum auch und gerade freiheitsliebende, hart arbeitende Amerikaner eine Gewerkschaft brauchen.

1.

Da wäre als Erstes die Unzufriedenheit, die in den gewerkschaftsfreien Betrieben des Südens herrscht. Dort wird offenbar unter Bedingungen und für einen Lohn gearbeitet, die alles durchkreuzen, wofür die Arbeiter überhaupt arbeiten gehen. Die Kurzfassung: Der Verdienst reicht nicht für das Leben, das er finanzieren muss, und die Arbeit macht kaputt. [8] Eine südstaatliche Besonderheit ist das gewiss nicht; in den einschlägigen Erfahrungsberichten zeigt sich allenfalls eine besondere Variante des allgemeinen Widerspruchs, von einer Sorte Arbeit leben zu müssen, die dafür gar nicht eingerichtet und bezahlt wird. Mit ihrer Arbeit sind die Arbeiter vielmehr ein Beitrag zum Wachstum des unternehmerischen Geldreichtums, für den sie mit ihrem Lebensunterhalt einen Abzug darstellen; der Nutzen ihrer Arbeit wächst schließlich dadurch, dass sie möglichst viel leisten und wenig davon haben. Verschleiß ist das Wesen dieser Arbeit, also stellt er sich auch zuverlässig ein.

2.

Sosehr die Gewerkschaft sich um die Verbreitung des Wissens um die schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen ihres Publikums kümmert: Dass die Automobilarbeiter durch ihre Arbeit verschlissen werden und dabei wenig verdienen, braucht die Gewerkschaft ihren Adressaten sicherlich nicht erst beizubringen. Dass das aber gar nicht so sein muss – das ist die zentrale gewerkschaftliche Akzentuierung, die ihre Agitation von bloßen Allerweltsbeschwerden unterscheidet. Sie hantiert dabei mit der Überzeugung, der unternehmerische Anschlag auf Physis, Zeit und materiellen Bedarf der Arbeiter sei ein Anschlag auf ihr eigentliches Recht, und das Werk ihres Arbeitgebers sei ein moralisches Verbrechen:

„Wir sehen uns einem neuen Feind gegenüber, einer neuen autoritären Bedrohung ... direkt hier bei uns am Arbeitsplatz, und dieser Feind ist die Gier der Unternehmen. Seit Jahrzehnten droht die Gier der Unternehmen die Arbeiterklasse zu zerstören. Den Arbeitnehmern wird gesagt, dass ihre Rechte an der Tür zum Arbeitsplatz enden, und sie sollen den Mund halten oder verhungern. Jahrzehntelang hat man den Arbeitnehmern eingeredet, dass es keinen anderen Weg gibt.“ (Fain, 19.4.24)

Das wirft schon die Frage auf, warum denn die Unternehmen mit solchen Frechheiten durchkommen, warum hart arbeitende Amerikaner, die doch frei und stolz auf ihre Rechte sind, sich so etwas gefallen lassen. Fains Verweis auf die Alternative des „Verhungerns“ deutet immerhin eine Antwort an: wegen der alternativlosen Verwiesenheit der Arbeiter darauf, dass die Unternehmen ihre Ansprüche auf rentable Arbeit bedient sehen. Da haben es die Arbeiter eben nicht bloß mit einer „autoritären“ Anmaßung und persönlichen „Gier“, sondern mit einem real existierenden Machtverhältnis zu tun. Das hat seine Grundlage nicht in der zweifelhaften Moral von Unternehmern, sondern im – überhaupt nicht undemokratischen – mit staatlicher Rechtsgewalt geschützten Grundprinzip des Privateigentums an Produktionsmitteln, das den Arbeitgebern das materielle Kommando über die Leistung der eigentumslosen Arbeiter verschafft – und damit die Macht, über die Existenzbedingungen der Arbeiter zu entscheiden. Diese Macht wird freilich nicht diktatorisch, sondern gemäß den Prinzipien der freien Konkurrenzgesellschaft ausgeübt: über tatsächlich freie, selbstbewusste, für niemanden sonst als sich selbst und die eigene Familie verantwortliche, um ihr Aus- und Vorankommen konkurrierende Individuen. Die sind aber als Lohnarbeiter von den dafür notwendigen Mitteln und Bedingungen ausgeschlossen, weil sich diese in den Händen ihrer Anwender befinden. Ein Unternehmen negiert nicht diktatorisch das Eigeninteresse seiner arbeitenden Belegschaft, sondern instrumentalisiert es für einen Bereicherungszweck, der zu deren Zweck im Gegensatz steht. Weil sie selbst keine Mittel haben, von sich aus mit Arbeit Geld zu verdienen, werden sie selbst mit ihrer Arbeit zum Mittel der Geldvermehrung der Unternehmen. Den systembedingten Zynismus dieses marktwirtschaftlichen Unterordnungsverhältnisses übersetzt Fain in eine Art propagandistisches Täuschungsmanöver, durch das amerikanische Lohnarbeiter sich eine Haltung der passiven Unterwürfigkeit aufschwatzen lassen. Doch wenn moderne Unternehmer überhaupt so reden, wie Fain es in seiner polemischen Karikatur ausmalt, dann liegt ihre Überzeugungskraft gewiss nicht in der herrischen Anrede, sondern im berühmten „stummen Zwang der Verhältnisse“, der freie, aber mittellose Lohnarbeiter praktisch auf Dienstbarkeit für die Vermehrung kapitalistischen Reichtums festlegt.

Was die UAW dagegensetzt, ist der unbestreitbare Umstand, dass die Arbeitgeber auch ihrerseits abhängig sind – vom Arbeitseinsatz ihrer Belegschaften:

„Man sagt, Toyota-Motoren halten ewig... Wir wissen, was es möglich macht: unsere Hände, unsere Rücken, unsere Knie, unsere Arbeit. Wir tragen jeden Tag den Beweis dafür: Verletzungen, Operationen, Behinderungen. Warum sollte man der UAW beitreten? Damit unsere Körper so lange halten wie die Motoren von Toyota.“ (Ein UAW-Vertreter in Jacobin, 25.3.24)

Das ist eine sehr klassische, sehr verkehrte Umdeutung des Verschleißes, der laut Fain den „Klassenkampf“ auf die Tagesordnung setzt: Die Leistung, die den Arbeitern abgepresst wird, und zwar gemäß Bedingungen, die der Nutznießer ihrer Leistung einrichtet und ihnen vorgibt, wird zur eigenen Vorleistung, auf die die angewendeten Arbeiter stolz sein können. Die eindeutige Aufteilung von Nutzen und Schaden ihrer Leistung zeugt demnach nicht etwa von ihrer sachgerechten Ausnutzung für den Geldvermehrungszweck, für den der Arbeitgeber überhaupt nur arbeiten lässt, sondern von der respektlosen Missachtung ihrer Leistung. [9] Was sie sich dabei als ihr Werk einbilden, ist in Wahrheit das Produkt ihrer Anwendung als menschliches Werkzeug ihres kapitalistischen Anwenders.

3.

Dass das Arbeitsleben nie wirklich fair ist, der Chef immer gierig und ungerecht – auch das müssen die Agitatoren der UAW ihren Adressaten gewiss nicht erzählen. Von der Allgegenwart des verkehrten Urteils, dass es unmöglich an der Einkommensquelle selbst liegen kann, wenn sie nichts taugt, kann sie genauso sicher ausgehen wie von den Schäden, an denen das Urteil festgemacht wird. Dass aber Gerechtigkeit am Arbeitsplatz eine Sache ist, für die Lohnarbeiter kämpfen müssen – das bedarf durchaus etwas mehr Überzeugungsarbeit. Zumal die UAW unter ihrem neuen Chef – wie gesagt – sehr viel Wert auf die Bereitschaft legt, selbst den Gegensatz aufzunehmen, den die Arbeitgeber gegen ihre Belegschaften praktizieren, und gegen sie zurückzuschlagen.

Genau darin besteht nach der erfahrungsgestützten Einschätzung der Beobachter die größte Klippe für die Ambitionen der UAW im Süden. Dass sich die Bereitschaft südstaatlicher Autobelegschaften zum gewerkschaftlichen Kampf traditionell in Grenzen hält, liegt ganz bestimmt nicht daran, dass amerikanische Arbeiter zahme Zeitgenossen sind, die ihre Rechte nicht kennen. Auch nicht an einem angeblich typisch amerikanischen Hang zum Individualismus, der mit einem Kampf im und fürs Kollektiv nichts anfangen kann; der Alltag wie der Sonntag des American Way of Life, die militärischen und sportlichen Heim- und Auswärtsspiele der Nation belegen das Gegenteil. Wenn es denn überhaupt einen Nationalcharakter gibt, mit dem sich gewerkschaftliche Agitatoren traditionell schwertun, dann ist es derselbe, den sie offensiv umwerben: der unverwüstliche Pragmatismus, der einfach alles gleichmacherisch unter die Frage beugt, ob es sich für einen lohnt.

„Lohnt sich das?“ – die Frage kommt wie der Inbegriff des Materialismus daher. Gestellt wird sie von selbstbewussten Individuen, die stets nach eigenem Entschluss und nur zum eigenen Vorteil handeln. Dabei hat natürlich schon diese Frage eine sehr unterschiedliche Bedeutung, je nachdem, was sich da lohnen soll, welches Individuum sie also stellt – ob es sich um einen geschäftstüchtigen Einwohner der Wall St. handelt, der eine potenzielle Kapitalanlage daraufhin begutachtet, was sie zum Risiko- und Renditeprofil seines Portfolios beiträgt; oder um einen Industriekapitän, der die Kosten eines technischen Fortschritts bei der Ausnutzung fremder Arbeit gegen den verbesserten Ertrag abwägt; oder eben um einen Lohnarbeiter, dessen Kalkulationsfreiheit in einer Frage aufgeht, die eher von seiner alternativlosen Abhängigkeit zeugt: unter welches unternehmerische Kommando er sich durch die Not treiben lässt. Die Frage ist also ein großer Gleichmacher. Und zwar in doppelter Hinsicht: Sie macht aus jedem unterschiedlichen Rang der ökonomischen Hierarchie und aus jedem gegensätzlichen Verhältnis der ökonomischen Über- und Unterordnung gleichermaßen ein Verhältnis des Privatindividuums zu sich selbst. Das sieht sich jedes Mal vor die selbstverantwortliche Bewährungsprobe gestellt, das Beste daraus zu machen – jeder an seinem noch so unterschiedlichen Platz. Für diese überaus pragmatische Form des Materialismus macht es keinen Unterschied, ob der eigene Geldbesitz zur Verfügung über die Arbeit anderer befähigt oder einen umgekehrt dazu zwingt, die eigene Arbeitskraft zur Verfügungsmasse anderer zu machen. Die Zwänge und Gelegenheiten mögen noch so verschieden und antagonistisch sein, der abstrakte Maßstab namens „Erfolg!“ ist immer gleich.

An diese Sorte Materialismus wendet sich die UAW mit ihrem Angebot. Sie spricht die verbissene Gewohnheit an, sich zum Dasein als abhängiger Produktions- und Kostenfaktor des Kapitals als selbstverantwortlicher Glückssucher zu stellen: als freier Privatmann, der seine Mittel, d.h. seine mittellose Arbeitskraft, nach den Maßstäben seiner Anwender einsetzt; und der dabei in einer Konkurrenz gegen seinesgleichen steht, in die das Unternehmen ihn stellt und in der er sich bewähren muss und will. Dieses Konkurrenzbewusstsein spricht die UAW an mit ihrem Angebot, dass sich eine, jedenfalls ihre Sorte Gewerkschaft lohnt. Sie appelliert an die Arbeiter, im Interesse der Abwehr der negativen Folgen ihrer Konkurrenz von dieser Konkurrenz Abstand zu nehmen, sich stattdessen mit ihresgleichen zu einer gewerkschaftlichen Kampfeinheit zusammenzuschließen, das dazugehörige Risiko und die zusätzlichen Kosten auf sich zu nehmen, um die Ohnmacht als individuelle Konkurrenten zu überwinden und im Kollektiv eine Korrektur der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen durchzusetzen. Dieser Kampf, den der neue UAW-Chef „Klassenkampf“ nennt, wird zugleich nur gefordert und geführt, damit die Arbeiter dann wieder gerade als die konkurrierenden Individuen, als die sie ein ums andere Mal die Erfahrung ihrer Ohnmacht als Lohnarbeiter machen, besser zurecht-, also überhaupt über die Runden kommen.

Genau deswegen ist das stärkste Argument, das die UAW auf ihrer Seite sieht, viel stärker jedenfalls als alle Verweise auf das Gebot der Not wie das der Gerechtigkeit, der Erfolg ihres gewerkschaftlichen Kampfs. Das ist die entscheidende Bedeutung des ‚historischen Siegs‘ von Detroit: Er ist der Beweis, dass die Rechnungen der Autokonzerne mehr hergeben, als die Konzernchefs zugeben, wenn die Arbeiter sich zum Kampf um eine entsprechende Korrektur zusammenschließen – das wird erst recht deutlich, wenn die gewerkschaftsfreien Autobetriebe des Südens im Gefolge des großen Tarifabschlusses im Norden ihrerseits präemptiv die Löhne erhöhen und bei den Arbeitsbedingungen Konzessionen machen, die sie bislang für ausgeschlossen erklärt haben. [10] Diesen Erfolg will die UAW möglichst ausnutzen; dem entspricht ihre aktuelle, hoffnungsgeleitete Strategie:

„Die aktuelle Organisierungskampagne der UAW beruht auf einem Ansatz, der als ‚momentum-based organizing‘ bekannt ist. Die zentrale Hypothese, die nun in der Praxis erprobt werden soll, lautet, dass die Beschäftigten in der gesamten Autoindustrie durch den UAW-Streik bei den Großen Drei aufgerüttelt wurden und nun bereit sind, sich zu organisieren. Anstatt also im Geheimen ein Ziel auszuwählen und dort geduldig eine Kampagne aufzubauen, sieht die Gewerkschaft ihre Aufgabe darin, eine Welle zu verstärken, die bereits in Bewegung ist. Das bedeutet, die Botschaft zu verbreiten, dass die Gewerkschaft zum Kampf bereit ist, und nicht gewerkschaftlich organisierte Autoarbeiter im ganzen Land einzuladen, sich dem Kampf anzuschließen.“ (Jacobin, 12.12.23)

Für dieses Programm will die Gewerkschaft auch eine außerordentliche Konstellation günstiger Bedingungen ausnutzen: Erstens herrscht auf dem Arbeitsmarkt eine Konjunktur, die den Lohnabhängigen eine gewisse Freiheit eröffnet, sich bei der Arbeitssuche glatt wählerisch zu zeigen – was freilich bloß heißt, dass sie sich nicht einfach für jeden Job hergeben müssen. Schon das reicht aber für das instinktsichere Urteil der Arbeitsmarktexperten, dass eine solche Wahlfreiheit seitens der Beschäftigten – vielleicht nicht gleich ein Fall von Marktversagen, aber definitiv – nicht normal ist. Unternehmer bestimmen doch normalerweise einseitig die Kräfteverhältnisse, lautet die bezeichnende Auskunft darüber, mit welcher alternativlosen Unterordnung die Lohnarbeiter es zu tun haben. Der Arbeitsmarkt – das bekundet der wirtschaftliche Sachverstand auf seine Weise – ist doch Mittel des Kapitals, Arbeitskräfte stets zum richtigen Preis und in der richtigen Menge zu finden. Das aktuelle Phänomen kommt offenbar so selten vor und dessen letzte Sichtung liegt so lange zurück, dass man dafür einen eigenen Terminus hat schöpfen müssen: der „Great Reset“. [11]

Zweitens herrscht – noch – eine Regierung mit einer als arbeitnehmerfreundlich geltenden Besetzung der NLRB. Nachdem die Behörde unter Trump ein beeindruckend gründliches Rollback etlicher arbeitsgerichtlicher Fesseln vorgenommen und auch bei regelmäßigen Verstößen ebenso regelmäßig ein Auge zugedrückt hat, greift die aktuelle Behördenleitung in einigen wegweisenden Fällen wieder ein – gerade was den rechtlichen Spielraum gewerkschaftlicher Betätigung betrifft. [12]

Daran wird also kenntlich, was alles zusammenkommen muss, damit eine amerikanische Gewerkschaft nicht einfach mit ihren Tönen, sondern mit ihren Erfolgen Furore machen kann.

III. Die Unternehmen und die Gouverneure des Südens wehren sich mit einem nicht ganz herrschaftsfreien Dialog: Freiheit der Arbeit durch Unterwerfung unter das Kapital

Worauf die kämpferische Anwerbestrategie der UAW trifft, ist eine Arbeiterschaft, auf die freilich auch die andere Seite einredet und einwirkt. Auch die Unternehmen und erst recht die lokalen Regierungen haben nämlich starke und vielsagende Meinungen dazu, was hart arbeitende Amerikaner brauchen und was auf keinen Fall – z.B. eine Gewerkschaft.

1.

Dass die hauptsächlich ausländischen Autokonzerne mit der Einmischung von Gewerkschaften nicht viel anfangen können, sofern sie es nicht müssen, ist nicht gerade überraschend. In der Hinsicht ist der amerikanische Süden für sie tatsächlich eine sehr willkommene neue Heimat.[13] In dieser Frage noch um einiges dogmatischer als die Unternehmen selbst sind die politischen Standorthüter in den Südstaaten:

„Wir [die Gouverneure von Alabama, Georgia, Mississippi, South Carolina, Tennessee und Texas] sind sehr besorgt über die durch Fehlinformationen und Panikmache angetriebene Kampagne, die die UAW in unsere Staaten getragen hat... Die Realität ist, dass Unternehmen die Wahl haben, wo sie investieren und Arbeitsplätze und Chancen schaffen wollen... Eine gewerkschaftliche Organisierung würde mit Sicherheit die Arbeitsplätze in unseren Bundesstaaten gefährden – und siehe da: Alle Automobilhersteller mit UAW-Vertretung haben in diesem Jahr bereits Entlassungen angekündigt. In Amerika respektieren wir unsere Arbeitskräfte, und wir haben es nicht nötig, einen Dritten dafür zu bezahlen, dass er uns sagt, wer eine Kiste in die Hand nehmen oder einen Schalter umlegen darf. Niemand will das hören, aber es ist die hässliche Realität... Die Erfahrung in unseren Staaten zeigt, dass ein direkter Kontakt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu einem positiveren Arbeitsumfeld führt. Sie können für sich selbst und für das, was ihnen wichtig ist, eintreten, ohne von außen beeinflusst zu werden. Die UAW hat unseren Wählern große Versprechungen gemacht, die sie nicht einhalten kann.“ (Office of the Governor of the State of Alabama, 16.4.24)

Das schlagendste Argument gegen eine gewerkschaftliche Vertretung besteht also im schlichten Verweis auf die Jobs, die es nur dann gibt, wenn die sich für die Arbeitgeber lohnen. Kein Zweifel wird daran gelassen, dass die Freiheit von gewerkschaftlicher Einmischung ein entscheidender, wenn nicht sogar der entscheidende Grund ist, dass die Autokonzerne – sowie die Glieder vor und nach ihnen in der Wertschöpfungskette – ihre Bereicherung überhaupt mit der Inanspruchnahme der Arbeit südstaatlicher Amerikaner bewerkstelligen. Nur so – mit dem von den Kritikern so genannten ‚Alabama Discount‘ – entfaltet sich der besondere Nutzen der ortsüblichen Armut. Und dafür haben die lokalen Regierungen tatsächlich einiges getan: Schon lange gilt bei ihnen ein „right to work“-Gesetz, welches den Mitgliedern gewerkschaftlich vertretener Belegschaften erlaubt, die Zahlung von Gewerkschaftsbeiträgen zu verweigern. [14] In der Zwischenzeit haben sie auf die Nützlichkeit gewerkschaftsfreier Arbeitsverhältnisse eine ganze Industrialisierungsstrategie gegründet, bei der sie Unternehmen auch mit niedrigen Kosten für Bauland und Energie sowie mit üppigen Subventionen locken. Wenn also die Autobelegschaften die Überlegung anstellen, ob sich die Vertretung durch die Gewerkschaft für sie lohnt, dann sollten sie – so die Drohung – in Rechnung stellen, was alles kaputtgeht, wenn freiheitliche Arbeitnehmer nicht die Rechnungen ihrer Arbeitgeber gelten lassen. Widerstand ist zwecklos, die Realität nun einmal „hässlich“ – was natürlich nicht gegen diese spricht, sondern für die Unwidersprechlichkeit der Erfordernisse des Reichtums, dessen Wachstum sie mit aller Macht voranbringen wollen. Was dieser Erfolg gebietet, macht letztlich jeden gewerkschaftlichen Erfolg todsicher zu einer Niederlage für die Arbeiter: So wird immerhin alles für die Klarstellung getan, dass die Arbeiter es definitiv nicht mit der bloßen Willkür gieriger Unternehmer zu tun haben, sondern mit der ganzen eingerichteten Logik des Wohlstands, der ihre Armut zur sachlichen Notwendigkeit macht – nach dieser zynischen Logik also selbst zu einem Stück Wohlstand. Nur so, als schlechte Alternative zu der noch schlechteren Alternative eines sonst ortsüblichen Lohns oder gleich gar keines Lohns, lohnt sich das Arbeiten bei automobilen Weltkonzernen.

Solche nackten Drohungen mit der Sachlogik des marktwirtschaftlichen Systems werden ergänzt durch den Zynismus, dass eine Gewerkschaftsmitgliedschaft Geld kostet, das die Arbeiter ausweislich ihrer Beschwerden eh schon zu wenig haben. Dazu kommt eine knappe, aber ausreichende Aufklärung über die Freiheit des Lohnarbeiters. Wenig zu verdienen und vom Chef des Betriebs herumkommandiert zu werden – das ist Freiheit; vom eigenen gewerkschaftlichen Zusammenschluss zum selbstfinanzierten Kampf um das eigene Interesse aufgerufen zu werden – das ist Bevormundung und störende Einmischung Unbefugter in das vertraute Verhältnis der Unternehmen zu ihren Arbeitskräften. Gewerkschaften sind per se „troublemakers“, die Gegensätze dort erfinden, wo keine sind, weil eine ganze Region mit einem unerschütterlichen Wir-Gefühl doch gerade dabei ist, einen kapitalistischen Aufbruch hinzulegen. Abgerundet wird die Lektion mit einer Erinnerung an das entscheidende Moment des südstaatlichen Lokalpatriotismus, nämlich seine besonders konsequente Borniertheit und Bigotterie: Gewerkschaften sind nicht von hier, kapieren nicht, wie es bei uns läuft – kein Appell ist da zu billig. Als ob extra gezeigt werden sollte, wozu ein solches Ideal von Gemeinschaft nur gut ist.

Was unter dem Strich herauskommt, ist eine gebieterische Feier dessen, was einen freien, hart arbeitenden Amerikaner im Kern ausmacht: selbstbewusste Anpassung an fremde Vorgaben. Sein Lohn ist ein pur ideeller, aber einer, den ihm niemand wegnehmen kann: freies Mitglied einer erfolgreichen Gemeinschaft zu sein.

2.

Im Kampf um Herz und Seele der wahlberechtigten Belegschaften haben die kapitalistischen und staatlichen Agitatoren gegenüber denen der Gewerkschaft den großen Vorteil, dass sie es bei verkehrten Argumenten gar nicht belassen müssen. Und sie machen deutlich, dass sie sich auch nicht darauf verlassen wollen, dass die zitierten Sachzwänge des Geschäfts und liebenswürdigen Besonderheiten der Heimat das wohlverstandene Eigeninteresse der Arbeiter zur richtigen Entscheidung bewegen. Sie helfen mit diversen Taktiken der „Union-Busting“ nach – lauter Mittel der Einschüchterung und des schlichten Rechtsbruchs, die praktisch klarstellen, wie wenig Freiheit und einseitiges Kommando, individuelles Streben und erzwungenes Einfügen ins große Ganze einander widersprechen. Die Unternehmen halten regelmäßige obligatorische Treffen ab, bei denen sich die Beschäftigten antigewerkschaftliche Propaganda der obigen Art anhören müssen; gewerkschaftliche Agitatoren werden gefeuert, wo es geht – Strafgelder und Prozesse werden in Kauf genommen –, oder gar nicht erst angeheuert oder aufs Betriebsgelände gelassen. Die Standortpolitiker belassen es ihrerseits nicht bei der Freiheit des Geschäfts, sondern legen dort nach, wo sie die Unternehmen nicht standhaft genug finden – z.B. mit einem Verbot der freiwilligen Anerkennung einer gewerkschaftlichen Vertretung auch ohne offizielle Wahl durch die Belegschaft. [15] Wenn die Unternehmen dem Wunsch einer Mehrheit der Beschäftigten nach einer gewerkschaftlichen Vertretung nachkommen müssen, dann nur auf dem Weg der offiziellen Abstimmung; die Gelegenheit, mit allen oben beschriebenen Mitteln gegen die Gewerkschaft Wahlkampf zu betreiben, sollen die Unternehmen gefälligst nutzen, damit die Arbeitnehmer merken, dass es sich nicht lohnt, gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Ansprüche ihrer Arbeitgeber zu organisieren.

*

Die bisherige Zwischenbilanz der gewerkschaftlichen Kampagne: ein Sieg bei VW in Chattanooga, eine Niederlage bei Mercedes in Tuscaloosa.

[1] Siehe hierzu GegenStandpunkt 2-08: „Lohnsenkung auf amerikanisch: Das Autokapital beseitigt sozialen Ballast“.

[2] „Diese Taktik hat sich in den letzten zwei Wochen bewährt. Als die UAW am 21. September den Streik auf GM- und Stellantis-Betriebe in den gesamten Vereinigten Staaten ausweitete, verzichtete sie darauf, den Streik bei Ford auszuweiten. So sollte Ford für große Fortschritte am Verhandlungstisch belohnt und GM und Stellantis bestraft werden. Am 28. September erhielt wiederum Stellantis die Belohnung für in letzter Minute erzielte Zugeständnisse ... gleichzeitig wurde der Streik auf die Montagewerke von Ford und GM in Chicago und Lansing Delta Township ausgeweitet.“ (Jacobin, 3.10.23) Die direktere Beteiligung der Basis am Arbeitskampf nutzt die Gewerkschaft auch für Täuschungsmanöver der folgenden Art, um Abwehrmaßnahmen der Unternehmen zu konterkarieren: „Gerüchte darüber, welche Werke bestreikt werden sollten, veranlassten die Unternehmensleitung, Komponenten woanders hinzuschicken, um der Unterbrechung zuvorzukommen, nur um festzustellen, dass die Stilllegung an genau dem Ort stattfand, an den sie die Teile geschickt hatten. Die Gewerkschaftsmitglieder liefern offenbar dem Verhandlungsteam und der Führung strategische Informationen, die taktisch genutzt werden können, um die Gegenseite auszutricksen und die Lieferketten der Großen Drei auf eine Weise zu stören, die ohne dieses Wissen vor Ort nicht möglich wäre.“ (Ebd.)

[3] „Die staatliche Untersuchung deckte ein karikaturhaftes Ausmaß an Untreue auf: Spitzenfunktionäre der UAW nahmen buchstäblich Schmiergelder des Unternehmens im Gegenzug für Vertragszugeständnisse entgegen und verwendeten die Beitragsgelder der Mitglieder, um verschwenderische Ausflüge, teure Zigarren, Ferienhäuser und mehr zu finanzieren.“ (Jacobin, 10.1.24)

[4] „Das Verfahren für die Gründung einer Gewerkschaft in einem bestimmten Betrieb in den USA ist ein Anmelde- und anschließend ein Wahlverfahren. Dabei wird eine Petition oder eine Unterstützerkarte mit den Unterschriften von mindestens 30 Prozent der Beschäftigten, die eine Gewerkschaft wünschen, bei der Nationalen Arbeitsbeziehungsbehörde (NLRB) eingereicht, die diese dann prüft und eine geheime Wahl anordnet. Es gibt zwei Ausnahmen. Wenn mehr als 50 Prozent der Beschäftigten eine Unterstützerkarte für eine Gewerkschaft unterschreiben, kann der Arbeitgeber freiwillig auf die geheime Wahl verzichten und die Gewerkschaft einfach anerkennen (Card-Check-Verfahren). Die andere Ausnahme ist ein letzter Ausweg, der es dem NLRB ermöglicht, einen Arbeitgeber anzuweisen, eine Gewerkschaft anzuerkennen, wenn mehr als 50 Prozent der Beschäftigten die Unterstützerkarten unterschrieben haben und der Arbeitgeber unlautere Arbeitspraktiken angewandt hat, die eine faire Wahl unwahrscheinlich machen.“ (Wikipedia, s.v. Card check)

[5] „Entgegen der landläufigen Meinung ist die Zahl der Automobilarbeiter in den USA in den letzten Jahrzehnten nicht gesunken, sondern liegt relativ konstant bei 1 Prozent der Gesamtbeschäftigung. Stark gesunken ist der Anteil der Gewerkschaftsmitglieder: Während 1983 586 000 Automobilarbeiter Mitglied der UAW waren, waren es 2022 nur noch 225 000. Derzeit gehören der Gewerkschaft 380 000 Beschäftigte und etwa 600 000 Rentner an. Die Mehrheit der Automobilarbeiter des Landes ist heute nicht gewerkschaftlich organisiert.“ (Jacobin, 4.12.23) „Heute arbeiten 43 Prozent der von der UAW vertretenen Beschäftigten in der Fahrzeugherstellung bei US-Konzernen. Die anderen 57 Prozent, etwa 190 000 Beschäftigte, sind bei Toyota, Honda und anderen ausländischen Unternehmen [darunter Nissan, Hyundai, Kia, BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen] sowie bei Tesla oder einem anderen inländischen Elektrofahrzeughersteller angestellt.“ (The Conversation, 27.11.23) „Weniger als 5 Prozent der Arbeitnehmer in sechs Südstaaten sind Mitglied einer Gewerkschaft, und nur Alabama und Mississippi erreichen einen gewerkschaftlichen Organisationsgrad von über 7 Prozent, so das Bureau of Labor Statistics. Das liegt unter dem nationalen Durchschnitt, der im Jahr 2023 auf 10 Prozent gesunken ist.“ (The Conversation, 8.3.24)

[6] Vgl. dazu GegenStandpunkt 3-14: „Chattanooga – ein amerikanischer Kampf um Gewerkschaftsvertretung bei VW“.

[7] Das Vorgehen der Gewerkschaft gehorcht einem Prinzip namens „30-50-70“: „Wenn 30 Prozent unserer Mitarbeiter gewerkschaftliche Unterstützerkarten unterschreiben, gehen wir an die Öffentlichkeit. Das bedeutet, dass ein Organisationskomitee, das sich aus Automobilarbeitern in eurem Betrieb zusammensetzt, öffentlich mitteilt, dass ihr auf dem besten Weg seid, euren Betrieb gewerkschaftlich zu organisieren. Wenn 50 Prozent die Karten unterschreiben, organisieren wir eine öffentliche Kundgebung mit dem UAW-Präsidenten Shawn Fain, führenden Vertretern der Gemeinde, unseren Kollegen, Nachbarn, Freunden und Familien, um zu zeigen, dass eine Mehrheit von uns bereit ist, für das zu kämpfen, was uns zusteht. Nachdem 70 Prozent die Karten unterschrieben haben und wir ein Organisationskomitee haben, das sich aus Arbeitnehmern aller Schichten, aller Berufsklassen und aller Gruppen von Arbeitnehmern im Werk zusammensetzt, fordern wir, dass das Unternehmen unsere Gewerkschaft anerkennt. Wenn es das nicht tut, reichen wir die Karten bei der NLRB ein und lassen darüber abstimmen.“ („How We Win Our Union“, UAW Info-Flyer)

[8] Die Langfassung:

  • „Die wichtigsten Themen bei VW sind Gesundheitsversorgung, Altersvorsorge, Sicherheit und die Einführung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.“ Die Belegschaft beklagt „die Beschleunigung des Fließbands, häufige Verletzungen, zusätzliche angeordnete Schichten und die massenhafte Einstellung von Zeitarbeitern, die mittlerweile ein Viertel der Belegschaft ausmachen. ‚Danke für Ihre anhaltende Flexibilität‘, hieß es in jedem Memo von der Betriebsleitung. Aber das war ein Schlag ins Gesicht. Das ist nicht flexibel. Wir haben keine Wahl. Sie haben uns gebogen, bis wir zerbrochen sind.“ (Jacobin, 8.4.24)
  • „Bei Mercedes-Benz arbeiten die Beschäftigten sechs Tage am Stück, zehn Stunden am Tag. Die Gruppenleiter missbrauchen ihre Autorität, hinterfragen jede Toilettenpause und verweigern den Beschäftigten sogar Pausen, um Insulin zu nehmen.“ (Ebd.)
  • „Die Arbeiter [bei Toyota] beschreiben ein zermürbendes Tempo. Sie arbeiten Zehn- und Zwölf-Stunden-Schichten bei Temperaturen, die im Sommer die 38-Grad-Marke überschreiten. Ihre Körper gehen kaputt... ‚Wie kann der reichste Autokonzern der Welt grundlegende Sicherheitspraktiken nicht einhalten?‘“ (Jacobin, 25.3.24)
  • „Die Hauptgründe der Hyundai-Beschäftigten für gewerkschaftliche Organisation sind Sicherheit im Alter, hohe Verletzungsraten und Schichtpläne, die wenig Zeit für die Familie lassen und dafür, sich von einer Krankheit zu erholen oder sich um ein krankes Kind zu kümmern... Von den Beschäftigten wird eine Anwesenheitsquote von 99 Prozent verlangt... Bei Hyundai hat man überhaupt keine Krankheitstage... Die meisten Arbeiter schieben zermürbende Zehn-Stunden-Schichten auf harten Betonböden mit Über-Kopf-Arbeit. Das führt zu lädierten Knien, kaputten Schultern und tauben Händen durch das Karpaltunnelsyndrom... Viele werden nicht in der Lage sein, bis zur Rente durchzuhalten.“ (Jacobin, 3.2.24)

[9] „‚In den meisten Betrieben ... sind Respekt und Würde das, was die Arbeitnehmer wirklich motiviert, selbst wenn es um die Bezahlung geht‘, so Gene Bruskin, der 2008 eine erfolgreiche Gewerkschaftskampagne in einem Betrieb in South Carolina führte. ‚Die Menschen werden unzufrieden, wenn sie sich nicht respektiert fühlen und am Arbeitsplatz unwürdig behandelt werden. Wenn die Gewerkschaft diesen tief sitzenden Mangel an Respekt anzapfen kann, dann kann man etwas Starkes aufbauen.‘“ (Jacobin, 1.12.23)

[10] „Die großen Erfolge der UAW bei Löhnen und Sozialleistungen im Rahmen ihres Streiks 2023 gegen General Motors, Ford und Stellantis haben ihre Schlagkraft und Glaubwürdigkeit erhöht. Viele Autohersteller mit US-Belegschaft, die nicht von der UAW abgedeckt werden – darunter Volkswagen, Honda, Hyundai und andere ausländische Unternehmen – reagierten mit Lohnerhöhungen in ihren südlichen Werken. Die Gewerkschaft bezeichnet diese Erhöhungen zu Recht als eine ‚UAW bump‘.“ (The Conversation, 8.3.24)

[11] „Das Ergebnis ist eine Welle von beeindruckenden Gewerkschaftsverträgen im letzten Jahr... Im August erhielten 15 000 Piloten der American Airlines eine Gehaltserhöhung von 46 Prozent über vier Jahre. In einem großen Arbeitskampf im letzten Sommer erreichten 340 000 Teamster-Mitglieder bei UPS Lohnerhöhungen von 7,50 Dollar pro Stunde über einen Zeitraum von fünf Jahren, wobei Teilzeitbeschäftigte eine Lohnerhöhung von durchschnittlich 48 Prozent erhielten. Nach einem dreitägigen Streik Anfang des Monats erreichten 85 000 Beschäftigte von Kaiser permanente Lohnerhöhungen von 21 Prozent sowie einen Mindestlohn von 25 Dollar. Im März erreichten 30 000 Beschäftigte des Schulbezirks von Los Angeles – Busfahrer, Kantinenpersonal und Lehrerhelfer – eine Lohnerhöhung von 30 Prozent über vier Jahre. In Oregon sicherten sich 1400 Krankenschwestern im Krankenhaus Providence Portland Lohnerhöhungen zwischen 17 Prozent und 27 Prozent über zwei Jahre.“ (The Guardian, 24.10.23)

[12] „Amerikas wiedererstarkte Gewerkschaftsbewegung hat mit einer Entscheidung des NLRB einen Sieg errungen, der die gewerkschaftliche Organisierung in Unternehmen erleichtern wird, die bei der Abwehr von Organisierungskampagnen gegen das Gesetz verstoßen. [Sie] ... müssen nun sofort mit der Gewerkschaft verhandeln... In einer Pressemitteilung der NLRB hieß es: ‚Der neue Standard wird ein faires Wahlumfeld fördern, indem er Arbeitgeber wirksamer davon abhält, unfaire Arbeitspraktiken zu etablieren.‘“ (The Guardian, 2.9.23)

 Ein anderes, als ebenso wegweisend gefeiertes Urteil der Behörde ist inzwischen vom mehrheitlich konservativ besetzten Supreme Court wieder annulliert worden: „Im Jahr 2022 haben die Beschäftigten eines Starbucks-Cafés in Memphis sich zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens gewerkschaftlich organisiert. Zu Beginn ihrer Bemühungen ließen sie ein Fernsehteam nach Geschäftsschluss in das Café, um über die Gewerkschaftskampagne zu sprechen. Starbucks entließ am selben Abend sieben Beschäftigte, darunter mehrere, die dem Gewerkschaftsorganisationsausschuss angehörten... Die NLRB beantragte eine einstweilige Verfügung und beschuldigte Starbucks, die Beschäftigten unrechtmäßig entlassen zu haben, um eine Botschaft an den Rest der Belegschaft zu senden. Die US-Bezirksrichterin Sheryl Lipman erließ eine einstweilige Verfügung im Jahr 2022 und ließ die Beschäftigten wieder einstellen, um die vom Unternehmen intendierte ‚abschreckende Wirkung‘ der Entlassungen auf die Gewerkschaftsbemühungen zu beseitigen, während die NLRB den Fall klärt. Ein anderes US-Berufungsgericht bestätigte die einstweilige Verfügung im Jahr 2023... Daraufhin legte Starbucks Berufung beim Obersten Gerichtshof ein, der sich dann auf die Seite von Starbucks gestellt und ein Urteil gefällt hat, das es den Gerichten erschweren könnte, solche unlauteren Arbeitspraktiken rasch zu unterbinden.“ (The Guardian, 13.6.24)

[13] „Die Aussicht auf niedrige Löhne und zuverlässige Arbeitskräfte hat in den letzten Jahrzehnten Unternehmen wie Nissan, BMW, Mercedes-Benz, Kia, Honda, Volkswagen und Hyundai in den Süden gelockt. Obwohl viele dieser Unternehmen in ihrer Heimat konstruktiv mit den dortigen Gewerkschaften verhandeln, hat sich gezeigt, dass der geringe Grad an Gewerkschaftsmitgliedschaft und dem damit verbundenen Schutz für sie die USA sehr attraktiv gemacht hat. Wie der Journalist Harold Meyerson feststellt, nutzen diese ausländischen Automobilhersteller die Gelegenheit, in Amerika ‚Dinge zu tun, die sie zu Hause niemals tun könnten‘. Das Fehlen einer gewerkschaftlichen Vertretung ist einer der Hauptgründe dafür.“ (The Conversation, 8.3.24)

[14] „Als ‚Right-to-work-law‘ werden in den Vereinigten Staaten verschiedene Gesetze bezeichnet, die eine Machtbeschränkung von Gewerkschaften zum Ziel haben. Damit sollen unter anderem Arbeitsverhältnisse, die eine Gewerkschaftsmitgliedschaft zur Voraussetzung haben (Closed Shop), verhindert werden, ebenso wie Auflagen für Arbeitnehmer, Gewerkschaftsbeiträge entrichten zu müssen, um in den Genuss von tarifvertraglich ausgehandelten Leistungen zu kommen (Trittbrettfahrerproblem). Der Begriff ‚Recht auf Arbeit‘ ist in diesem Zusammenhang irreführend, da es sich bei diesen Gesetzen nicht um die gesetzliche Garantie für einen Arbeitsplatz handelt. Der Begriff spielt stattdessen auf das Recht des einzelnen Arbeitnehmers an, unbeschadet zur Arbeit erscheinen zu können, selbst wenn eine Gewerkschaft beispielsweise einen Streik ausruft.“ (Wikipedia, s.v. Right-to-work-law)

[15] „Die republikanische Gouverneurin Kay Ivey unterzeichnete ein neues Gesetz, das Unternehmen, die freiwillig Gewerkschaften anerkennen, staatliche Anreize entziehen würde. Alabamas Schritt folgt ähnlichen Vorstößen in Georgia und Tennessee, wo ebenfalls Gesetze verabschiedet wurden, die sich gegen eine wiedererstarkte Arbeiterbewegung richten. Die Gesetze schreiben vor, dass Gewerkschaften nur durch geheime Abstimmungen gegründet werden dürfen und nicht durch das so genannte Card-Check-Verfahren, bei dem Arbeitgeber eine Gewerkschaft freiwillig und ohne langwierige Wahlen anerkennen können. Und nach den Gesetzen riskieren Unternehmen, die freiwillig Gewerkschaften anerkennen, den Verlust staatlicher Anreize, die sich auf Milliarden von Dollar belaufen, die von den Regierungen investiert werden, um Automobilhersteller in die Region zu bringen.“ (stateline.org, 20.5.24)