Trump sagt den Ukraine-Krieg ab – Europa hält an seinem Unvereinbarkeitsbeschluss mit Russland fest
Weit oben auf der außenpolitischen Agenda von Donald Trump steht die Beendigung des Ukraine-Kriegs. Schon im Wahlkampf war seine Ansage: Er wird ihn sofort, an einem Tag beenden, und mit ihm an der Macht wäre er gar nicht erst losgegangen. Das Interessante an der ersten Ankündigung ist das politische Urteil über den Krieg. Trump meint nicht, dass der Job, den Amerika unter seinem Vorgänger da auf sich genommen hat, hinreichend erledigt wäre und man deswegen damit Schluss machen kann. Er hält Amerikas Engagement dort über die letzten drei Jahre überhaupt für verkehrt. Der zweite Spruch meint deswegen auch nicht, in der Ukraine hätte Amerikas Abschreckungsmacht gegen den Hauptfeind versagt, sondern stellt klar: Unter Bidens Präsidentschaft haben die dortigen Kriegsparteien Amerika als Friedensmacht den nötigen Respekt versagt. Und nicht nur das: Trumps Vorgänger hat sein Land in einen Krieg hineinmanövriert, der von Anfang an nicht Amerikas Sache war. Drei Jahre Krieg ohne sichtbaren Fortschritt, vor allem ohne ersichtlichen Nutzen für Amerika, stattdessen der Schaden, dass lauter wunderschöne US-Waffen und Milliarden von Dollars vergeudet wurden, sind der Beweis. Unter Biden hat Amerika sich vereinnahmen und ausnutzen lassen für ein Unternehmen, das die Weltmacht nichts angeht.
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Systematischer Katalog
Gliederung
- I. MAGA zerlegt den Westen
- II. Europas Antwort: Europa hält an seinem Unvereinbarkeitsbeschluss mit Russland fest – mit lauter Angeboten an den Friedenswillen der USA
- 1. Europa setzt den Ukraine-Krieg fort: ein Rückzugsgefecht eigener Art für die Ukraine als Bollwerk europäischer Sicherheitsinteressen
- 2. Europas Waffenstillstands-Diplomatie mit Trump
- 3. Aufrüstung gegen Russland muss sein – für die weltpolitische Rolle Europas als Ordnungsmacht
- 4. Die heiße Frage einer europäischen Atombewaffnung
Trump sagt den Ukraine-Krieg ab – Europa hält an seinem Unvereinbarkeitsbeschluss mit Russland fest
I. MAGA zerlegt den Westen
1. Die US-Regierung rechnet mit dem Ukraine-Krieg ab
Weit oben auf der außenpolitischen Agenda von Donald Trump steht die Beendigung des Ukraine-Kriegs. Schon im Wahlkampf war seine Ansage: Er wird ihn sofort, an einem Tag beenden, und mit ihm an der Macht wäre er gar nicht erst losgegangen.
Das Interessante an der ersten Ankündigung ist das politische Urteil über den Krieg. Trump meint nicht, dass der Job, den Amerika unter seinem Vorgänger da auf sich genommen hat, hinreichend erledigt wäre und man deswegen damit Schluss machen kann. Er hält Amerikas Engagement dort über die letzten drei Jahre überhaupt für verkehrt. Der zweite Spruch meint deswegen auch nicht, in der Ukraine hätte Amerikas Abschreckungsmacht gegen den Hauptfeind versagt, sondern stellt klar: Unter Bidens Präsidentschaft haben die dortigen Kriegsparteien Amerika als Friedensmacht den nötigen Respekt versagt. Und nicht nur das: Trumps Vorgänger hat sein Land in einen Krieg hineinmanövriert, der von Anfang an nicht Amerikas Sache war. Drei Jahre Krieg ohne sichtbaren Fortschritt, vor allem ohne ersichtlichen Nutzen für Amerika, stattdessen der Schaden, dass lauter wunderschöne US-Waffen und Milliarden von Dollars vergeudet wurden, sind der Beweis. Unter Biden hat Amerika sich vereinnahmen und ausnutzen lassen für ein Unternehmen, das die Weltmacht nichts angeht.
Trump gibt den Krieg also nicht auf, geschweige denn verloren. Wenn er sich mit Putin ins Benehmen setzt und demonstrativ über die Köpfe der betroffenen Ukrainer und ihrer europäischen Sponsoren hinweg mit Russland Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit anschließendem Friedensabkommen eröffnet, dann widerruft er den ganzen Zweck und strategischen Inhalt, den die Biden-Regierung dem Vorgehen gegen „Putins Angriffskrieg“ gegeben und in der Ukraine verfolgt hat: Es war und bleibt falsch, den russischen Militäreinsatz gegen Kiew als Angriff auf eine Friedensordnung zu nehmen, für deren Rettung und Wiederherstellung Amerika zuständig sei und mit einer unnachgiebigen Intervention, einer indirekten Kriegführung bis an die Schwelle zu einer direkten weltkriegsträchtigen Konfrontation einzustehen habe; so als wären die USA sich das schuldig, um ihren Status als Weltmacht zu wahren. Der Krieg, den die USA drei Jahre indirekt, aber maßgeblich geführt, im NATO-Verbund gesponsert und dirigiert haben, ist mit dieser Ansage tatsächlich vorbei; wie versprochen: vom ersten Tag der neuen Präsidentschaft an. Die Kämpfe in der Ukraine gehen zwar noch weiter; und mit Feindaufklärung und der Ablieferung fest zugesagter Waffen, auch mit fortbestehenden Sanktionen gegen Russland sind die USA immer noch dabei; eine gewisse Schädigung Russlands geht schon noch weiter. Aber um dessen allmähliche Entmachtung in Europa geht es nicht mehr. Die Ukraine ist nicht länger Vorposten in einem Ringen der USA und ihres Westens mit der unerträglichen östlichen Gegenmacht. Was stattdessen?
Trumps Absage definiert den Ukraine-Krieg rückwirkend um, vorausblickend neu – fast ein bisschen ironisch im Sinn der offiziellen westlichen Maxime von wegen solidarischer Hilfe für das arme Opfer eines unprovozierten russischen Angriffskriegs –: als lokale kriegerische Auseinandersetzung zwischen der großen Russischen Föderation und einem im Grunde gar nicht kriegsfähigen Kiewer Staatswesen. Das ist der Krieg jetzt, weil und nachdem Amerika mit ihm sonst nichts mehr zu tun haben will. Es ist zwar noch nicht ganz raus aus der Affäre. Die Lösung der praktischen Verstrickungen braucht ebenso ihre Zeit wie die Herstellung des neuen Bezugs der USA auf den Fall. Die Definition und Entwicklung der Interessen, die sie an der Region und ihren Herrschaften haben, ist in Gang; ebenso die angemessene Handhabung der Störung, die der Fortgang des Kriegsgeschehens dafür darstellt. Aber das heißt eben: Trumps Amerika ist nicht mehr Partei in dem Krieg, schon gar nicht der eigentliche Gegner Russlands. Es ist der Erbe eines politischen Fehlers, der schleunigst zu beenden und zu revidieren ist. Maßgeblich ist es als Interessent, der mit den beiden Streitparteien, mit Russland wie mit der Ukraine, allerhand Nützliches anzufangen wüsste, wenn deren blutige Streitereien endlich ein Ende finden. Dafür macht es sich stark.
Deswegen und in dem Sinn verhandelt die US-Regierung mit Russland und mit der Ukraine über Frieden. Und das bedeutet das Entgegengesetzte für beide Seiten.
Mit Putin verhandelt Trump nicht über einen Friedensschluss zwischen Russland und den USA, weil es aus seiner Sicht ja gar keinen richtigen Krieg zwischen ihnen zu beenden gibt. Es geht um die Beendigung einer sinnlosen Störung des Zugriffs der USA auf die Region; einer Störung, an der Russland immerhin ziemlich wesentlich beteiligt ist. Auf Putin muss also schon nachdrücklich eingewirkt werden. Verhandlungsmasse sind deswegen nicht bloß rosige Zukunftsaussichten bei einer Kooperation miteinander; gar nicht schlecht insofern die Sanktionen aus dem Wirtschaftskrieg des Westens. Die bezwecken zwar nicht mehr die Ruinierung des Aggressors, sind aber eventuell brauchbar für den Aufbau wunschgemäß gedeihlicher Beziehungen zum größten Flächenstaat der Erde, der einem wieder großartigen Amerika mit Sicherheit enorm viel zu bieten hat. In dem Sinn kann auch die fortdauernde Präsenz Amerikas im Kriegsgeschehen von Nutzen sein: als Druckmittel gegen Putin, damit aus dem Frieden zwischen den verfeindeten slawischen Brüdern am Ende etwas MAGA-Dienliches wird.
Die Ukraine auf der anderen Seite hat mit der Neudefinition ihres Krieges durch die USA alles verloren, worum sie mit der geliehenen Macht eines Stellvertreters strategischer westlicher Interessen für sich selbst gekämpft hat und immer noch weiterkämpfen will, nachdem sie schon viel Land, viel Volk und ihren nationalen Reichtum verloren hat. In der Friedensregelung, die die US-Regierung anstrebt, kommen die Wiederherstellung des Status eines westlichen Frontstaats gegen Russland oder die Entschädigung für erlittene Kriegsverluste nicht vor, stattdessen endgültiger Verlust der Krim, Verlust der östlichen Oblaste, die oder soweit Russland sie besetzt hat, keine NATO-Beitrittsperspektive, keine Sicherheitsgarantie seitens der USA. Für die neue US-Politik gehört das ganze aus dem imperialistischen Interesse des Westens abgeleitete eigene Kriegsprogramm der Ukraine im Rückblick zu den fremden unamerikanischen Zwecken, denen die Biden-Administration sich zum Schaden des amerikanischen Steuerzahlers verpflichtet hat; vorausblickend ist der hoheitliche Kampfeswille der Ukraine der nur noch ärgerliche Anspruch, weiter auf Amerikas Kosten weit über die eigenen Fähigkeiten hinaus Staat machen und dafür Krieg führen zu wollen. Das ist der politische Inhalt der Lektion, die dem Kiewer Präsidenten im Weißen Haus weltöffentlich erteilt worden ist: Von sich aus hat er nichts in der Hand. [1] Und wenn er allen Ernstes meint, die USA wären im Interesse der Souveränität der Ukraine für einen Sieg über Russland zu gewinnen, dann muss ihm die Absurdität seines Ansinnens drastisch daran klargemacht werden, dass er sich letztlich anmaßt, für die Existenz seines ohnmächtigen Staatsgebildes die Weltmacht in den 3. Weltkrieg treiben zu können.
Das Einzige, was die Ukraine im Hinblick auf den Frieden, den Trump ihr schenken will, auf ihrer Seite hat, ist dessen Interesse daran, dass dabei etwas für Amerika Nützliches, auch längerfristig Haltbares herauskommt. [2] Was ihr Präsident damit herausholen kann, ist – bislang – erstens ein Tauschgeschäft: Ausverkauf der Naturschätze des Landes, soweit Kiews Macht reicht – verbunden mit dem Versprechen, Erträge daraus in einen Fonds zum Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes zu stecken –, und im Gegenzug die Sicherheit vor russischer Eroberung, die sich aus der Präsenz der USA als Eigentümer ukrainischer Liegenschaften ergeben wird. [3] Zweitens findet sich die ukrainische Führung durch Amerikas Interesse an ordentlichen Geschäftsverhältnissen mit ihr dazu ermächtigt, gegen den russischen Feind auf einen raschen bedingungslosen Waffenstillstand zu dringen, von dem sie sich – wenn schon nicht die Rückgewinnung verlorener Gebiete, so doch wenigstens – einen Stopp des russischen Vormarschs und weiterer Verwüstungen verspricht. Dass sie auch damit nicht viel in der Hand hat, bringt die MAGA-Mannschaft bei Gelegenheit in Erinnerung mit dem drohenden Hinweis, dass Amerika die einzige Macht ist, die überhaupt so etwas wie ein Schweigen der Waffen erzwingen, insoweit die Ukraine als souveräne Nation erhalten kann; dass man aber, wenn da schon wieder Ansprüche gestellt und Bedingungen eingebracht werden, jederzeit sofort raus ist aus dem ganzen Geschäft.
Ein unfreundlicher Hinweis, der sich zugleich ausdrücklich an die europäischen Freunde und Förderer einer autonomen russlandfeindlichen Ukraine richtet. [4]
2. Die US-Regierung kündigt den Europäern ihre Allianz-Versicherung
Immerhin war der Einstieg der USA und ihrer NATO-Partner in einen zunehmend heftigen Stellvertreterkrieg der Ukraine gegen Russland nicht irgendeine Gemeinschaftsaktion punktuell kooperierender Mächte, sondern ein prominenter Bündnisfall: dem Inhalt und der Zielsetzung nach die Verteidigung der amerikanisch-europäischen Bestimmungsmacht über die Kräfteverhältnisse in der Staatenwelt gegen den russischen Angriff zwar in der Ukraine, aber auf dieses quasi-hoheitliche Gewaltmonopol; in der Durchführung ein organisierter Auftritt der westlichen Allianz wie seit dem Ableben der UdSSR nicht mehr, in einem zunehmend eskalierenden Kampf gegen die mit Atomwaffen drohende Russische Föderation, also unter permanenter Inanspruchnahme des atomaren Abschreckungsarsenals der USA. Diese Bündniskonstellation, die der Westen seit Februar 2022 in der Ukraine praktiziert hat, kündigt die Trump-Administration auf, indem sie den Ukraine-Krieg absagt. Sie entlässt Russland aus dem Status des wegen seiner Atomrüstung zu bekämpfenden strategischen Hauptgegners, entzieht damit der Allianz ihre Geschäftsgrundlage; und das nicht nur für den aktuellen Fall, sondern, wie die betroffenen europäischen Partner registrieren müssen, generell. Zwar macht die Trump-Regierung immer noch einen Unterschied zwischen Bündnisverpflichtungen innerhalb und Sicherheitsbeziehungen außerhalb der Allianz, wenn sie einen Beitritt der Ukraine zur NATO mit ihrer ominösen unbedingten Beistandspflicht im Kriegsfall ausschließt. [5] Aber dass mit einem quasi automatischen Kriegseintritt der USA in Europa, notfalls bis hin zum Einsatz strategischer Atomwaffen – seit jeher zweifelhaft und von europäischer Seite angezweifelt, doch immer wieder politisch zugesagt und militärisch vorbereitet –, nicht mehr zu rechnen ist, darüber macht der MAGA-Präsident seinen NATO-Partnern und machen die sich selbst nichts vor. Auch wenn die USA das Bündnis – noch – nicht verlassen: die Beschwerde über die schmarotzerhafte Ausnutzung der amerikanischen Sicherheitsgarantien durch ein betrügerisches Europa ist deutlich genug: Die Kritik an äußerst mangelhaften Beiträgen der Partner zur NATO-Kriegskasse, nämlich zur Entschädigung der USA für ihren riesigen Aufwand und ihr jahrzehntelanges Engagement, ist ersichtlich nicht darauf berechnet, dass nach Begleichung der fiktiven Schulden Amerika wieder für jeden Square Inch des europäischen Bündnisgebiets einstehen würde. Natürlich bleibt Europa für die USA auch unter Trump als imperialistisch gleichartige Macht und strategische Gegenküste am Atlantik von besonderem Interesse. Mit der Kündigung des Ukraine-Kriegs stellt der neue Präsident aber eindeutig klar, dass nicht nur dieser Krieg, sondern die Konfrontation der NATO-Europäer mit Russland überhaupt deren Sache und nicht mehr unmittelbar Sache Amerikas ist. Was sich an der Front zwischen anspruchsvollen Verbündeten, die in Wahrheit übergriffige Konkurrenten sind, und einem sperrigen Gegenspieler mit interessanten Ressourcen an Gegnerschaft aufbaut, betrifft die USA nicht als Partei, ist für sie im schlimmsten Fall ein regionaler Störfall, der als solcher zu behandeln ist, nämlich ausgeräumt gehört.
Zur Begründung für diesen Standpunktwechsel verlautet aus Trumps Regierungsmannschaft, dass die MAGA-Nation andere, größere Sorgen hat als Europas Schutz vor Russland: Als absolut vorrangige strategische Herausforderung, nämlich als Amerikas neues existenzielles Sicherheitsproblem, ist die VR China dingfest gemacht. [6] Mit dieser Bedrohung fertig zu werden, sind natürlich auch die Europäer gefragt. Aber daraus folgt definitiv nicht das Interesse an einer Allianz, in der wieder, wie einst in der NATO verbürgt durch die ganze Bündnis-Konstruktion, tatsächlich der – zwar nie erprobte, aber politisch ernst gemeinte – Grundsatz „einer für alle, alle für einen“ gilt.
3. Die US-Regierung beendet die alte, verkündigt und programmiert eine neue Weltordnung
Diese alte Allianz hat immerhin nicht nur den einstigen Hauptfeind fertiggemacht, gegen den sie gegründet worden ist. Sie hat über ihren Kampfauftrag hinaus für die alles überragende Weltmacht der USA und für den überragend nützlichen freien Zugriff der Allianzpartner auf die souveränen Staaten dieser Welt gesorgt: für das System der Konkurrenz aller gegen alle, das in seiner bisherigen Fassung von seinen europäischen Nutznießern bis zuletzt als das Wunder einer „regelbasierten Weltordnung“ gepriesen wird. Denn dass die Staatsräson der Souveräne dieser Welt auf Kapital-Standort lautet, dass der Alltag ihrer Konkurrenz sich um Teilhabe am Wachstum der Weltmärkte für Waren und Geld dreht, dass ihr Materialismus nicht bloß in Geld im Allgemeinen, sondern im US-Dollar als letztgültigem Stoff des kapitalistischen Reichtums der Welt seinen Inhalt und sein verbindliches Maß hat: das ist tatsächlich ein Gemeinschaftswerk, beruht nämlich darauf, dass die großen kapitalistischen Mächte, vornedran die europäischen, mit den USA als ihrer anerkannten Führungsmacht der Staatenwelt keine Überlebens-Alternative offen gelassen haben und lassen. Dass diese Alternativlosigkeit als ein ganzes System ziviler, vor allem brutalster finanzkapitalistischer Sachzwänge so unerbittlich funktioniert, hat seinerseits einen gar nicht zivilen Grund: In der NATO und mit Verbündeten um die herum, in kriegstüchtiger Kooperation mit ihresgleichen, haben die USA die omnipräsente Militärmacht geschaffen, die mit ihren diversen erfolgreichen Einsätzen und mit ihrer Abschreckungswirkung einen das Konkurrenzsystem gefährdenden Einsatz der staatlichen Gewalt anderer zur Revision nationaler Abhängigkeiten effektiv unterbunden hat. So, mit der Schöpfung des ‚Westens‘, in einem Kollektiv der Imperialisten, haben die USA sich ein global wirksames Quasi-Gewaltmonopol verschafft – schon immer ein in sich widersprüchlicher Erfolg, aber über Jahrzehnte funktionstüchtig und für Amerika so ertragreich, dass der neue Präsident jetzt darangeht, sein Land von dieser widersprüchlichen Geschäftsgrundlage seines Imperialismus zu emanzipieren. Er verwirft den imperialistischen Kollektivismus, der in der NATO als virtuellem Weltkriegsbündnis praktisch wahr geworden ist, und schon gleich das Ensemble echt oder unecht supranationaler Institutionen und Instanzen, das auf dieser Grundlage aufgewachsen ist. Dieses ganze System wechselseitiger Abhängigkeiten und Verpflichtungen hat sich mit seinem erfolgreichen Dienst an Amerikas Größe vom MAGA-Standpunkt der neuen Administration aus nicht bloß überlebt; es erscheint von diesem Standpunkt aus als ein System von Verstrickungen, die Amerika an der Entfaltung der Macht hindern, die es ganz aus eigener Kraft und Vollkommenheit eigentlich ist. Das Resultat des gesamt-‚westlichen‘ Imperialismus gehört dem Stärksten und dient ihm als Ausgangspunkt für ein neues goldenes Zeitalter für Amerika und die Welt. So Trump in seiner Inaugurationsrede:
„Als Oberbefehlshaber habe ich keine höhere Verantwortung, als unser Land vor Bedrohungen und Invasionen zu verteidigen. Und genau das werde ich tun. Wir werden es auf einem Niveau tun, das niemand jemals zuvor gesehen hat...Wir werden unseren Erfolg nicht nur an den Schlachten messen, die wir gewinnen, sondern auch an den Kriegen, die wir beenden. Und, vielleicht am wichtigsten, an den Kriegen, in die wir nie geraten. Mein stolzestes Vermächtnis wird das eines Friedensstifters und Einigers sein... Amerika wird seinen rechtmäßigen Platz als die größte, mächtigste und respektierteste Nation der Erde zurückerobern und die Ehrfurcht und Bewunderung der ganzen Welt genießen... Unsere Macht wird alle Kriege stoppen und einen neuen Geist der Einheit in eine Welt bringen, die wütend, gewalttätig und völlig unvorhersehbar war.“
Der pathetische Ton passt, gehört sich geradezu für eine Unabhängigkeitserklärung, mit der die Weltmacht sich und ihr Verhältnis zur Staatenwelt neu definiert. Nämlich so: Nicht sie bezieht sich mit unerfüllten, allein womöglich gar nicht zu erfüllenden Bedürfnissen, womöglich im Namen höherer völkerrechtlicher Ansprüche auf die Staaten um sich herum, so als hätte sie noch irgendwelche Mängel an ihrer eindeutigen Suprematie in Sachen Reichtum und Gewalt zu bewältigen. Amerika leidet nicht an Defiziten: Als die Weltmacht, die es geworden ist, geht es davon aus, dass es schlicht und einfach „die mächtigste Nation der Erde“ ist und den anderen Nationen gar nichts anderes übrig bleibt, als sich „ehrfürchtig“ anerkennend, im Zweifel unterwürfig, auf diese Tatsache zu beziehen. Trump fordert nichts in dem Sinn, sondern setzt, schreibt nicht vor, sondern verkündet die Selbstdefinition Amerikas als die Realität, mit der jeder Staat vernünftigerweise umzugehen hat. Störende Eigenmächtigkeiten stehen den Nationen nicht zu; dafür stehen in Trumps Rede die Kriege, die in Amerikas Welt einfach keinen Platz haben. Für die Ukraine gilt: Militärisch geltend gemachte Ansprüche über die eigenen Potenzen und Kapazitäten hinaus, das geht schlicht nicht und wird beendet. Für Russland gilt: Die Nation macht, was sie vermag, aber wenn Amerika das nicht mag, wenn amerikanische Interessen darunter leiden, dann ist es für Russland ein Gebot des Realismus, damit aufzuhören. Für Europa gilt: Krieg auf der Basis wechselseitiger Verpflichtungen geht gar nicht, weil er gegen das Gebot der absoluten Handlungsfreiheit der dafür vereinnahmten Weltmacht verstößt. Und was in diesen drei Fällen jeweils exemplarisch gilt, das verspricht der oberste Chef gleich allen Souveränen dieser Welt: Ein jeder von ihnen steht unmittelbar zu God’s own country; und wenn ein jeder sein Handeln danach ausrichtet, nach seinem direkten Verhältnis zur Weltmacht, dann treten alle hässlichen Übergriffigkeiten zwischen ihnen hinter dem Wettbewerb um Trumps Gunst zurück, und alles ist völlig vorhersehbar. Das ist MAGAs neuer Weltfrieden. Um es nochmal von der Seite her auszudrücken: Amerika braucht niemanden; es geht nach eigenem Ermessen und für den eigenen Nutzen auf alle Staaten zu, um sich von denen – zum allseitigen Vorteil – die Dienste erbringen zu lassen, die die zu bieten haben. Mit dem Respekt vor Amerikas Überlegenheit ist die Konkurrenz der Souveräne freigesetzt; gemäß dem, was die ihrerseits aus eigener Kraft hinkriegen. Denen ist damit keine Welt- oder Völkerrechtsordnung auferlegt, sondern der freie eigennützige Gebrauch ihres nationalen Vermögens – soweit das eben reicht, und soweit sie der Vernunft des Opportunismus gegenüber der Weltmacht folgen. Die MAGA-Politik organisiert kein System internationaler Rechte und Pflichten oder Rücksichten, sondern wirkt durch ihren Erfolg.
Aber wehe, der bleibt aus!
II. Europas Antwort: Europa hält an seinem Unvereinbarkeitsbeschluss mit Russland fest – mit lauter Angeboten an den Friedenswillen der USA
Das Vorhaben eines Friedensdeals, den im Wesentlichen Putin und Trump unter sich abmachen, ihre Degradierung als bisher unter der Oberhoheit der USA über Europas Friedensordnung mitentscheidende Ordnungsmächte lehnen die Europäer entschieden ab. Mit aller gebotenen Polemik gegen Russland und schulterklopfenden Solidaritätsbekundungen für den Präsidenten der Ukraine beharren sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit diplomatisch darauf, dass Russland der unmenschliche, brutale Aggressor ist, der die Ukraine überfallen hat, um sie sich einzuverleiben. Dabei legen sie größten Wert auf die Radikalisierung ihres Feindbilds: Vor den Machtgelüsten und dem Eroberungswillen dieses Feindes ist niemand sicher, am allerwenigsten die lieben und guten Heimatländer Europas. Das beschwören sie unermüdlich im Vorfeld möglicher Friedensverhandlungen gegenüber ihrem amerikanischen Ex-Verbündeten: Trump, Wittkoff, Rubio etc. sollen begreifen: „Russland will keinen Frieden“, weder in der Ukraine noch in Europa. Noch bevor also überhaupt Friedensverhandlungen begonnen haben und ein konkreter Friedensdeal vorliegt, und egal, wie der im Einzelnen aussehen wird, stellen sie gegenüber Russland und dem Deal-Maker im Weißen Haus klar, dass sie ihre Feindschaft gegen Putins Russland auf jeden Fall aufrechterhalten. Ihre Sicherheit – im Klartext: die immer weiter ausgreifende Ausdehnung ihrer politökonomischen und militärisch unterfütterten Macht bis an die Grenzen Russlands – erklären sie jetzt und für die Zukunft für prinzipiell unvereinbar mit „Putins Neoimperialismus“, im Klartext: mit dem Willen und den militärischen Fähigkeiten der Atommacht Russland, sich gegen ihre Einkreisung kriegerisch zur Wehr zu setzen. Sicherheit in Europa gibt es für die Europäer nur, wenn Russland ihre Oberhoheit über die Gestaltung der europäischen Friedensordnung anerkennt.
Die grundlegende Verlegenheit, in die sie Trumps Absage an die gemeinsame Feindschaft gegen Russland und an den „Westen“ in seiner bisherigen Fassung überhaupt stürzt, nehmen sie daher einerseits als Herausforderung, ihre Sicherheitsinteressen gegen Russland in Zukunft selbst, aus eigener Kraft durchsetzen zu müssen:
„Was Trump damit sagen will, ist: Es liegt an Euch, die Last zu tragen. Und ich sage: Es ist an uns, sie zu übernehmen.“ (Macron, Interview in der Financial Times, 14.2.25)
Dieser Ansage lassen sie Taten folgen. Taten, die andererseits davon künden, wie grundsätzlich die Trump’sche Absage ihren imperialistischen Machtanspruch ausbremst.
1. Europa setzt den Ukraine-Krieg fort: ein Rückzugsgefecht eigener Art für die Ukraine als Bollwerk europäischer Sicherheitsinteressen
Im Sinne ihrer Feindschaftserklärung gegen Russland ziehen die Europäer als Erstes die Konsequenz, die finanzielle wie militärische Unterstützung ihres ukrainischen Stellvertreters unter ihrer Regie im Rahmen der NATO weiter fortzusetzen. Klar ist: „Von den USA kann sich Kiew nicht mehr viele Waffen erwarten. Die Trump-Regierung wird lediglich das ausliefern, was noch unter Biden bestellt worden war... Das läuft in den nächsten Monaten aus.“ Zwar „bekommt das Land immerhin weiterhin Zugang zu den Aufklärungsdaten“ (FAZ, 12.4.25). Aber: „Europa steuert auf eine in jeder Hinsicht anspruchsvolle Grundsatzentscheidung zu: Soll es die Ukraine alleine stützen, wenn Amerika weiter ausfällt? Kann es das überhaupt?“ (FAZ, 21.5.25)
Die Antwort aus Europas wichtigen Hauptstädten lautet Ja. Die Europäer machen weiterhin die Ukraine zu ihrem Schlachtfeld, auf dem ihre Sicherheit verteidigt wird. Sie verlängern die umfangreichen Ausbildungsprogramme für die ukrainische Armee, sie mobilisieren ihre nationalen Verteidigungshaushalte für die weitere Lieferung von Munition und sonstigem militärischen Gerät. All das findet statt im Rahmen der NATO – schließlich ist der Ukraine-Krieg als Stellvertreterkrieg seiner westlichen Hintermänner organisiert –, also unter Benutzung von Leistungen des Bündnisses wie den kriegswichtigen Fähigkeiten bei Aufklärung und Kommunikation sowie seiner Organisationsstruktur. Weil die USA sich als der wesentliche militärische Mittelsteller für den Ukraine-Krieg aus dem bisher dafür zuständigen Ramstein-Format zurückgezogen haben, verlegen Deutschland und Großbritannien als turnusmäßige Leiter der Ukraine-Kontaktgruppe diese kurzerhand ins NATO-Hauptquartier nach Brüssel und mobilisieren bei den restlichen NATO-Mitgliedern immerhin weitere 21 Mrd. Dollar Militärhilfe für die Ukraine.
Dabei machen Art und Umfang ihrer Hilfestellung für ihren Stellvertreter deutlich, was die Herabstufung des Ukraine-Kriegs zu einem Regionalkonflikt zwischen Russland und der Ukraine durch Trump für seine europäischen Sponsoren heißt. Eine ukrainische Gegenoffensive ist schon lange nicht mehr im Programm; die entsprechenden Kampftitel – „Russland muss besiegt werden“; „darf nicht gewinnen“; „die territoriale Integrität der Ukraine muss wiederhergestellt werden“ – sind aus dem Verkehr gezogen. Es gibt keine „roten Linien“, wenn Putins Armee vorrückt und aus der Luft das Land verwüstet; es gibt auch keine Waffenlieferungen, mit denen die NATO-Europäer sich demonstrativ über von Putin gezogene „rote Linien“ hinwegsetzen. Was es gibt, sind Abwehrwaffen, die es der Ukraine ermöglichen sollen, dem Luftkrieg und dem Druck Russlands auf die Front standzuhalten; in Deutschland ist die Wunderwaffe Taurus zwar wieder im Gespräch, aber auch mehr als Mittel einer weiträumigen Luftabwehrstrategie, für die man glatt auch eine zukünftige ukrainische Rüstungsproduktion von Abstandswaffen unterstützen will. Was es außerdem gibt, sind Finanzmittel insbesondere der EU-Europäer, damit die Ukraine als Staat überleben kann, irgendwie jedenfalls nach Wegfall der „USAID“. Die amerikanische Ansage von Friedensverhandlungen wird begrüßt, auch wenn von den letzten Minimalzielen – keine Gebietsabtretungen an Russland, Aussicht auf eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine – darin gar nichts mehr enthalten ist. Der eigene Friedensplan, mit dem die Europäer sich eine mitbestimmende Rolle bei eventuell tatsächlichen Verhandlungen sichern wollen, fordert nicht viel mehr: „Keine Einschränkungen für die ukrainischen Streitkräfte“, „Die Ukraine strebt den Beitritt zur EU an“, „Die Ukraine erhält solide Sicherheitsgarantien, unter anderem von den USA (Vereinbarung ähnlich [!] dem NATO-Artikel 5)“ (Europas Vorschlag für ein Abkommen, Reuters, zit. n. FAZ, 26.4.25); die „territorialen Fragen“ werden auf die Zeit nach einem „bedingungslosen Waffenstillstand“ verschoben...
Das letzte Moment von Gegenoffensive, das die Europäer per EU noch geltend machen, ist ein x-tes Paket von Russland-Sanktionen, dessen mögliche Unwirksamkeit kontrovers diskutiert wird. Nicht kontrovers ist die Feststellung, dass eine Fortsetzung des nach wie vor umsichtig dosierten Wirtschaftskriegs gegen Russland nur dann wirklich effektiv werden kann, wenn die USA mitmachen; wofür man hoffnungsvoll auf den US-Kongress setzt: Immerhin 80 Senatoren wären für den Vorschlag zu haben, Importe aus Staaten, die die Russland-Sanktionen brechen, mit Zöllen von 500 % zu belegen. Nur ist mit der Zustimmung des Präsidenten nicht zu rechnen. [7] Und selbst wenn der an Russland-Sanktionen oder wenigstens an der ernsthaften Drohung damit Gefallen findet, sind oder wären sie bei ihm das Instrument einer Friedensinitiative, die der entgegengesetzten Logik wie das Ansinnen der Europäer folgt. Trump nämlich besteht gegenüber Putin auf der Beendigung des „sinnlosen Blutvergießens“; und das nicht bloß aus großväterlicher Empathie mit den Opfern, sondern weil er als zielstrebiger Verhandlungsleiter – über die Köpfe der Europäer hinweg – mit einem Waffenstillstand als erstem und entscheidendem Schritt hin zu einem nachhaltigen Friedensschluss etwas anfangen kann: Ihm liegt an der Tauglichkeit sowohl der Ukraine als auch Russlands für seine MAGA-Politik:
„Statt Kritik äußerte Trump sich am Montag zu einer möglichen Zusammenarbeit. Russland wolle nach dem Ende des Kriegs ‚groß angelegten Handel‘ mit den Vereinigten Staaten betreiben, und ‚dem stimme ich zu‘, schrieb er auf seiner Plattform. Russlands Potential sei ‚grenzenlos‘.“ (FAZ, 21.5.25) [8]
2. Europas Waffenstillstands-Diplomatie mit Trump
Das hindert die Europäer freilich nicht, ist für sie vielmehr ein Stachel, den von Trump bekundeten Friedenswillen in ihrem Sinne aufzunehmen, nämlich als Anknüpfungspunkt für ihr fortbestehendes strategisches Interesse an der fortdauernden Schädigung und konfrontativen Einschränkung der russischen Macht. Äquivok mit Trumps Friedensbegehren, soweit es sich kritisch an Putin richtet, fordern sie die sofortige Einstellung der russischen Aggression, einen Waffenstillstand ohne Vorbedingungen als Bedingung für daran anknüpfende Friedensverhandlungen. Das fordern sie ihrerseits aggressiv in der Gewissheit einer Ablehnung durch die Putin-Regierung, die den Europäern eine Position in eventuellen Gesprächen überhaupt nicht zubilligt, schon gar nicht, solange der Westen an die Ukraine Waffen liefert. Umso nachdrücklicher bringen sie sich als berufene Garanten der geforderten Waffenruhe und erst recht eines nachhaltigeren Waffenstillstands ins Spiel, der ihnen die Position der Abschreckungsmacht gegen Russland bescheren würde:
„‚Unser Ziel ist klar: Wir wollen den Frieden sichern‘, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron vergangene Woche nach einem Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Paris. ‚Um dies zu erreichen, müssen wir die Ukraine in die bestmögliche Verhandlungsposition bringen und sicherstellen, dass der Frieden, der ausgehandelt wird, solide und dauerhaft für die Ukrainer und alle Europäer ist.‘“ (zit. n. euronews, 2.4.25)
In diesem Sinn treffen sich schon im März die europäischen NATO-Partner GB, F, It, Pl, D in Gestalt ihrer Generalstabschefs, um einen „pragmatischen und etwas groben Fahrplan“ für die Absicherung eines künftigen Waffenstillstands in der Ukraine zu erstellen. Die grobe Idee dieses Fahrplans ist es, Russland durch ein eskalationsfähiges dreistufiges Abschreckungsmodell zur Einhaltung eines potentiellen Friedensabkommens zu nötigen. An der buchstäblich vordersten Front am besten durch die kampferprobten ukrainischen Soldaten:
„Die wichtigste Sicherheitsgarantie liegt in der Stärke der ukrainischen Armee.“ (Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu, zit. n. FAZ, 13.3.25)
Dahinter steht dann, worauf es ankommt: eine „Rückversicherungstruppe“, die die Konfrontation mit Russland aufrechterhält. Wie die und wie deren Auftrag aussehen soll, das ist fürs Erste sehr weit offen –
„Unter diesem Schlagwort wird intern über die Stationierung von etwa 20 000 bis 30 000 Soldaten auf ukrainischem Boden, aber in weitem Abstand zu einer Waffenstillstandslinie diskutiert... Allerdings ist ungewiss, ob diese Zahl überhaupt zustande käme... Mehrere Teilnehmer ließen erkennen, dass es bisher kein klares Ziel für eine Mission gebe. Die Optionen reichen von einer Ausbildung ukrainischer Soldaten im eigenen Land oder in Grenznähe über eine Überwachungsmission bis hin zu einer schwer bewaffneten Truppe, die selbst in Kämpfe eingreifen könnte, falls Russland einen Waffenstillstand bricht.“ (FAZ, 11.4.25) –
nicht zuletzt deswegen, weil die Europäer dafür auf möglichst weltweiten Zuspruch scharf sind:
„Macron stellte schnell klar, dass die Truppe nicht als friedenserhaltende Mission an der Frontlinie stationiert werden soll. Diese Aufgabe, so schlug er vor, sollte den Vereinten Nationen oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zufallen. Stattdessen, so Macron, werde die Rückversicherungstruppe an ‚bestimmten strategischen Orten‘ im ganzen Land stationiert sein, etwa in Städten, Häfen und Kraftwerken, und als ‚Abschreckung‘ gegen Russland dienen. Westliche Truppen könnten zu Lande, in der Luft und zur See eingesetzt werden. ‚Zum jetzigen Zeitpunkt ist nichts ausgeschlossen‘, sagte der französische Präsident vor Reportern.“ (euronews, 2.4.25)
Dabei stellen Europas Strategen freilich auch gleich in Rechnung, dass sie es beim vorwärtsweisenden „rückversichern“ mit einer Atommacht zu tun haben, die sich nicht so leicht einschüchtern lässt. Damit stehen sie wieder vor der Aufgabe, an den Friedenswillen des US-Präsidenten so anzuknüpfen, dass er sich irgendwie doch für ihre Sache umfunktionalisieren lässt:
„Die Gruppe hofft jedoch immer noch, dass die USA zu einem bestimmten Zeitpunkt in den Prozess einbezogen werden und der Rückversicherungstruppe Unterstützung gewähren... ‚Wie ich schon immer gesagt habe, wird dies das Engagement und die Unterstützung der Vereinigten Staaten erfordern‘, sagte Starmer. ‚Das ist eine Diskussion, die wir mit dem US-Präsidenten bei vielen Gelegenheiten geführt haben.‘ Die britischen und die französischen Vertreter stehen in regelmäßigem Kontakt mit Trump, um ihn über die Fortschritte der Koalition auf dem Laufenden zu halten. Sie stellen ihre Arbeit als im Interesse Europas und Amerikas dar, da sie das von Trump angestrebte Friedensabkommen sichern wird.“ (euronews, 2.4.25)
In der Praxis geht Europas Diplomatie dann allerdings doch davon aus, dass militärischer Rückhalt der USA für die schöne Idee einer militanten antirussischen „Rückversicherungstruppe“ nicht zu gewinnen ist. So viel vielleicht aber schon: Ein Quantum Unterstützung für die Sanktionspolitik der Europäer wäre dem Deal-Maker in Washington abzuringen, wenn man sich mit der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand Trumps Friedensbegehren wortgleich anschließt und Putin diplomatisch wie rhetorisch in die Position des Friedensfeindes manövriert, der jeden Schritt zur Beendigung des Gemetzels hintertreibt.
So ergreifen Merz, Starmer, Macron und Tusk zusammen mit Selenskyj Mitte Mai die Initiative und setzen Russland mit der Androhung einer Verschärfung der Wirtschaftssanktionen das Ultimatum, binnen einer Woche einer quasi sofortigen 30-tägigen Waffenruhe als Vorbedingung für direkte Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew zuzustimmen. Der neue deutsche Außenminister erläutert:
„‚Deutschland erwartet von Russland jetzt einen Waffenstillstand und dann die Bereitschaft zu Verhandlungen‘ , sagte Wadephul vor Beginn des Treffens im Format ‚Weimar Plus‘. ‚Die Ukraine ist dazu bereit‘, so der CDU-Politiker. Insofern sei jetzt klar, ‚Russland wird sich bewegen müssen‘.“ (Der Spiegel, 12.5.25)
Daraus folgt zwar nichts, weder von russischer noch von amerikanischer Seite. Trotzdem gibt es immer mal wieder Anlass zu Hoffnung; jedenfalls für die engagiert drängelnde Öffentlichkeit. So kann man nach Ablauf der ersten 100 Amtstage, in denen Trump die versprochene Beendigung des Ukraine-Kriegs noch nicht so wie versprochen geliefert hat, auf die Ungeduld des POTUS setzen; und tatsächlich schreibt Trump am 26.4. „auf seiner Plattform Truth Social, dass es für Russlands Präsidenten Wladimir Putin keinen Grund gegeben habe, in den vergangenen Tagen Raketen auf zivile Gebiete, Städte und Dörfer in der Ukraine zu feuern. ‚Es bringt mich zum Nachdenken: Vielleicht will er den Krieg gar nicht beenden, sondern hält mich nur hin – und muss anders behandelt werden.‘ Trump deutete Konsequenzen an: sogenannte Sekundärsanktionen gegen Drittländer und die Möglichkeit, Russland weiter vom internationalen Bankensystem abzuschneiden.“ (FAZ, 28.4.25) Aber dann gibt es wieder ein Telefonat zwischen den Präsidenten, Trump ist von der guten Stimmung begeistert – und Europa enttäuscht, dass seine kriegerischen Friedensaufrufe nicht verfangen, noch nicht einmal in Sachen Sanktionen.
Der europäische Imperialismus ist damit aber keineswegs am Ende. Man nimmt zur Kenntnis, dass es mit der Symbiose mit der Supermacht als mitbestimmendes Kollektiv im amerikanisch geführten „Westen“ vorbei ist – eine zweite „Zeitenwende“, und zwar von einschneidenderer Art als die durch Putins „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine. Und man fängt an, sich gründlich neu zu sortieren.
3. Aufrüstung gegen Russland muss sein – für die weltpolitische Rolle Europas als Ordnungsmacht
Mehr denn je sehen sich die Europäer nämlich vor die Notwendigkeit gestellt, langfristig selbst zu einer konventionellen Militärmacht zu werden. Ihr imperialistischer Machtanspruch ist einfach zu anspruchsvoll, als dass er sich mit einer friedlichen Koexistenz mit der russischen Macht zufriedengeben könnte: Das Ringen mit Russland darum, wessen sicherheitspolitisches Bollwerk die Ukraine ist und wessen strategischer Besitzstand die Russland umgebenden Staaten sind bzw. werden sollen – die offene Streitfrage also, wem der Osten Europas gehört –, erklären die Europäer zur Existenzfrage der weltpolitischen Geltung ihrer Macht.
Auf dem Ratsgipfel der EU Anfang März bekennen sich die Europäer dazu, dass sich die weltpolitische Rolle ihres vereinten Europas als global bedeutsame Ordnungsmacht an seiner Kriegsbereitschaft gegen Russland entscheidet:
„Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Auswirkungen auf die europäische und globale Sicherheit in einem sich wandelnden Umfeld stellen eine existenzielle Herausforderung für die Europäische Union dar.“ (Schlussfolgerungen des Europäischen Rats, 6.3.25)
Woran man bei dieser „existenziellen Herausforderung“ denken soll, sprich: von welchem imperialistischen Anspruchsniveau aus Russland und seine Atommacht zur unerträglichen Bedrohung erklärt werden, darüber klärt u.a. das neue Weißbuch der EU-Kommission auf:
„Russland wird auf absehbare Zeit eine fundamentale Bedrohung für die Sicherheit Europas bleiben, einschließlich seiner aggressiveren nuklearen Haltung und der Positionierung von Atomwaffen in Belarus. Russland nutzt ein Netz systemischer Instabilität aus, auch durch enge Zusammenarbeit mit anderen autoritären Mächten. Es schürt ständig Spannungen und Instabilität in Europas Nachbarschaft, sei es auf dem westlichen Balkan, in Georgien, Moldawien oder Armenien, und hat einen wachsenden destabilisierenden Einfluss in Afrika.“ (Europäische Kommission, Gemeinsames Weißbuch für die europäische Verteidigungsbereitschaft 2030, 19.3.25, S. 3/4)
Auch das schon lange strategisch offensive Wirtschaftsbündnis EU beherrscht spätestens seit dem Ukraine-Krieg den Übergang dazu, dass es sich als Ordnungsmacht kriegsbereit machen muss. Russland vergeht sich an dem Recht Europas, sich seine engere wie weitere „Nachbarschaft“ als zukünftigen Besitzstand bzw. Einflusssphäre zuzuordnen, und verfügt über ansehnliche Machtmittel, Europa dieses Recht streitig zu machen – das ist das vereinte Europa nicht länger bereit hinzunehmen. Die Europäer sehen sich deshalb dazu gezwungen, sich in die Lage zu versetzen, der militärischen Macht Russlands auf Augenhöhe zu begegnen:
„Wir müssen die Fähigkeit entwickeln, den europäischen Kontinent aus eigener Kraft heraus verteidigen zu können.“ (Merz, FAZ, 17.5.25)
Erklärtes Ziel vor allem der führenden Mächte Europas ist es, sich zu einem Kollektiv aufzubauen, das es in der konventionellen Kriegführung mit der Militärmacht Russland in nächster Zukunft (bis „2030“) mit eigenen Mitteln aufnehmen kann, das sich also langfristig eigenständig die Überlegenheit verschafft, die es braucht, um Russland glaubwürdig mit Krieg drohen zu können. Was es für diesen imperialistischen Nachholbedarf quantitativ wie qualitativ an Gewaltmitteln braucht, dafür nimmt die EU Maß an den Fähigkeiten von Wuchtbrummen wie Russland, China und den USA. [9]
Entsprechend zielstrebig bereiten die Europäer die Perspektive einer direkten Konfrontation mit dem „aggressiven russischen Autokraten“ vor, die sie militärisch „aus eigener Kraft“ bestreiten können. Von Deutschland angefangen, das damit protzt, dass die Aufrüstung Europas zuallererst eine Frage seiner Finanzkraft ist, bis hin zu einem Staat wie Spanien, das bisher mit seinen geringen Verteidigungsausgaben für die NATO unangenehm aufgefallen ist, dessen Regierungschef aber jetzt glatt für die Erhöhung des Verteidigungshaushalts eine Regierungskrise riskiert, sind sich alle Staaten Europas (außer den üblichen Verdächtigen wie Ungarn und der Slowakei) darin einig, sich dauerhaft in ganz neuer Größenordnung aufrüsten zu müssen. Auf dem Treffen der NATO-Außenminister Mitte Mai beschließen sie in ihrer Rolle als NATO-Mitglieder, bis 2032 „die Ausgaben für Verteidigung auf 3,5 % der Wirtschaftsleistung zu erhöhen und weitere 1,5 % für Ausgaben mit Verteidigungsbezug aufzuwenden, vor allem für Infrastruktur“ (FAZ, 16.5.25).
Schützenhilfe für die Erreichung dieses ambitionierten Ziels erhalten die europäischen Staaten – unter bestimmten Bedingungen auch Nicht-EU-Mitglieder wie Großbritannien, so sie einen Beitrag dazu leisten – dabei von ihren obersten supranationalen Instanzen. Für die Eindämmung und Abschreckung von Russlands immer „aggressiverer nuklearer Haltung“ planen diese, in den nächsten vier Jahren insgesamt 800 Mrd. Euro für die Aufrüstung zu mobilisieren – mit dem Ziel, den Aufwuchs ihres Bündnisses hin zu einem rundum konventionell hochgerüsteten Gewaltsubjekt voranzutreiben. Dafür lassen sich Ministerrat und Kommission ein ganzes Bündel von Anreizen für die Nationen einfallen, um durch Anpassung wie Auslegung des entsprechenden Rechtsrahmens sowie mit Kredit Ansätze eines militärischen Kollektivismus herbeizuhebeln. [10]
In dieser Strategie ist dann auch die Ukraine als der sowieso schon hochgerüstete und immer weiter auszurüstende Frontstaat der EU gegen Russland langfristig fest eingeplant – ungeachtet der Bedenken, die die EU selbst bezüglich eines sofortigen Beitritts der Ukraine zur EU hat und auch trotz der Tatsache, dass die USA dezidiert einen Beitritt der Ukraine zur NATO ausschließen:
„Der Verteidigungsbedarf der Ukraine wird weit über einen kurzfristigen Waffenstillstand oder ein Friedensabkommen hinaus hoch bleiben. Die Ukraine wird weiterhin an der vordersten Front der europäischen Verteidigung und Sicherheit stehen und ist der entscheidende Schauplatz für die Definition der neuen internationalen Ordnung, in der ihre eigene Sicherheit mit der der Europäischen Union verknüpft ist. Die EU und ihre Mitgliedstaaten müssen die Verteidigungs- und Sicherheitskapazitäten der Ukraine durch eine ‚Stachelschwein-Strategie‘ stärken, damit sie in der Lage ist, mögliche weitere Angriffe abzuwehren und einen dauerhaften Frieden zu gewährleisten. Es ist daher dringend erforderlich, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten ihre militärische Unterstützung für die Ukraine aufstocken.“ (Weißbuch, S. 10)
Eine De-Militarisierung und „Neutralität“ der Ukraine, eines der Haupt-Kriegsziele Russlands im Ukraine-Krieg, wird es mit der EU jedenfalls nicht geben – erste Fakten schafft sie z.B. durch verstärkte Kooperationen in der Rüstungsindustrie. [11]
Für das anstehende Wettrüsten mit Russland werden die Europäer dann auch noch außerhalb des (alten) NATO-Zusammenhangs bzw. der EU aktiv. Speziell die zwei bis fünf mächtigsten Staaten Europas schließen untereinander entsprechende bilaterale strategische Abkommen ab, mit denen sie sich zu Vorreitern u.a. der innereuropäischen Kooperation in Rüstungsfragen machen wollen. Dafür lassen sie alte Koalitionen wie das „Weimarer Dreieck“ neu aufleben und treten in eigens neu zurechtgezimmerten Formaten mal zu zweit, mal zu dritt, mal zu viert, mal zu fünft, mal als „Koalition der Willigen“ auf – in Europa und vor allem auf den diplomatischen Weltbühnen in Washington, Istanbul etc. im Vorfeld der Friedensverhandlungen zwischen den USA und Russland.
Aber in welcher Rolle bzw. Konstellation auch immer die Europäer an- und auftreten, eines steht fest: Die neue Staatsräson Europas heißt Aufrüstung in neuer Größenordnung für die Bereitschaft zum Krieg gegen die Militärmacht Russland, die den Status Europas als Ordnungsmacht mit Weltgeltung bedroht. Sie machen damit Russland zu dem Fall, der ihren Aufstieg in die Liga der Mächte, die in der Welt wahr- und ernst genommen werden und in das Weltgeschehen bestimmend eingreifen können, alternativlos macht und sie zu dem Übergang nötigt, als Kollektiv zu einem respektablen Kriegssubjekt zu werden, das ausgestattet mit entsprechender militärischer Stärke, dem letzten Mittel politischer Handlungsfreiheit, eigenständiger Garant seiner imperialistischen Ambitionen weltweit ist. Daran arbeiten sich alle Initiativen ab, darauf arbeiten sie alle hin: Die Europäer müssen sich in die Lage versetzen, ihre europäischen Sicherheitsinteressen, die weltpolitische und militärische Reichweite ihrer Macht, autonom zu definieren und durchzusetzen.
4. Die heiße Frage einer europäischen Atombewaffnung
Welche Qualität dem Vorhaben der Europäer innewohnt, welche strategische Reichweite mit ihm notwendig verbunden ist, wird deutlich an der Diskussion und dem Streit zwischen den maßgeblichen Mächten Europas um einen genuin europäischen Atomschirm. Ausgangspunkt dieser Debatte ist das Angebot von Frankreichs Präsidenten, seinen europäischen Partnern das französische Atomwaffenarsenal als atomaren Schutzschirm anzubieten:
„Die europäischen Staaten könnten ‚nicht länger von der amerikanischen Nuklearabschreckung abhängen‘, meinte er in einem Zeitungsinterview. Deshalb sei in Europa ein ‚strategischer Dialog‘ über die Verteidigung des Kontinents nötig. Frankreich habe als einziges EU-Land Nuklearwaffen... Macron sagte, er wolle darüber ‚eine Diskussion eröffnen‘, um zu sehen, wie man Länder schützen könne, die keine Atomwaffen haben... Ende Februar meldete der ‚Daily Telegraph‘, europäische Generalstäbe diskutierten konkret, französische ‚Rafale‘-Jagdbomber mit Atomwaffen in Deutschland zu stationieren... Die Bundeswehr könnte dann [so der „Pariser Experte“ Etienne Marcuz] logistisches Personal und Infrastruktur beisteuern, wie sie es für US-Atomwaffen immer vorhalte.“ (FR, 4.5.25)
Der Notwendigkeit, dass der von ihnen konstatierte imperialistische Nachholbedarf in Sachen Aufrüstung nur mit strategischer Atombewaffnung die militärische Handlungsfreiheit eröffnet, die es für das imperialistische Anspruchsniveau der Europäer gegenüber der Atommacht Russland unbedingt braucht, will sich heutzutage kein europäischer Politiker samt seinen Militärberatern mehr verschließen – auch kein deutscher mehr. [12] Aber damit fangen die beiden entscheidenden Probleme an: Wer hätte die Befehlsgewalt über eine solche atomare Streitmacht? Und wie müsste sie überhaupt aussehen?
Vom französischen Präsidenten gibt es also ein einschlägiges Angebot. Und damit gleich die zwei völlig offenen Fragen: Wie will Frankreich seine ungeteilte nationale Hoheit über seine nuklearen Vernichtungswaffen [13] mit einer Ausdehnung seiner Zuständigkeit für deren Einsatz auf – ein in seinem Umfang erst noch zu definierendes – Europa vereinbaren? Und umgekehrt: Wie viel Abhängigkeit ihres atomkriegerischen Abschreckungsbedarfs von nationalen Entscheidungen Frankreichs würden die Partner überhaupt wünschen bzw. sich gefallen lassen? Hier geht es ja nicht bloß, einmal mehr, um den Elementar-Widerspruch der EU-Konstruktion, das politische Gewicht der nationalen Souveräne durch stückweise Abgabe und supranationale Vergemeinschaftung von Souveränitätsrechten zu steigern und als Union zur respektablen Weltmacht zu werden. Es geht auch nicht bloß allgemein um das staatliche Gewaltmonopol nach außen, das sich schon nicht mehr gut als eines von mehreren politischen Betätigungsfeldern von der nationalen Hoheit selbst unterscheiden und allenfalls mit der Inszenierung des Projekts einer Gemeinsamen Außen-und Sicherheitspolitik (GASP) vergemeinschaften lässt. Mit der Befehlsgewalt über einen ganz Europa betreffenden Atomkrieg steht gleich, prinzipiell, das Überleben der Partnerländer der entscheidungsbefugten Atommacht auf dem Spiel: eine Existenzfrage, die sich nicht einem fremden Souverän überantworten lässt.
Oder doch? Eben das gibt es schon seit Jahrzehnten und nach wie vor. Das kaltblütige Kalkül „europäischer Generalstäbe“ mit der möglichen Übertragung der „nuklearen Teilhabe“ der BRD am amerikanischen „Atomschirm“ auf Frankreich erinnert daran, dass die NATO-Staaten bisher schon ihre Sicherheit in dieser letzten atomkriegerischen Überlebensfrage von den USA abhängig gemacht haben. Die Skepsis nicht nur des deutschen Ex-Kanzlers Scholz gegenüber einem solchen Wechsel von den USA zu Frankreich macht aber schon deutlich, dass eine solche existenzielle Bindung an eine fremde Macht etwas Singuläres, eigentlich nicht wiederholbar ist. Entstanden ist sie unter der Sonderbedingung einer weltkriegsmäßigen Konfrontation der Atommacht USA mit der Sowjetunion; einer Konfrontation, in die die USA ihre neu konstituierten kapitalistischen Partner einbezogen haben, die das ihrerseits nur als von Amerikas Waffen abhängige Kriegsallianz aushalten und zu ihrer Sache machen konnten. Bestand hatte dieses Verhältnis folgerichtig auch nur in Form eines tiefen beiderseitigen Zweifels an seiner Bestandsfestigkeit: Die amerikanische Seite hatte immer schon das Bedenken, ob die Partner erstens so treu und zweitens strategisch so wichtig sind, dass sie das Risiko eines Atomkriegs um Europa wert sind; auf europäischer Seite herrscht seit jeher das doppelte Misstrauen, ob die transatlantische Führungsmacht Europa nicht doch bloß zum ausgelagerten Schlachtfeld des letzten Weltkriegs machen will und ob umgekehrt im Fall eines solchen europäischen Krieges auf Amerikas Atomwaffen bis zuletzt Verlass ist. Bleibende Voraussetzung und Basis dieses amerikanisch-europäischen Pakts ist auf jeden Fall eine Weltkriegskonstellation, in die Amerikas europäische Partner eingebaut, der sie aber für sich genommen nicht gewachsen sind. Exemplarisch dafür ist Deutschlands „nukleare Teilhabe“: Mit ihren Transportmitteln für amerikanisch befehligte Atombomben ist die Bundeswehr ein Element in einem durchkalkulierten und durchorganisierten Atomkriegsszenario, das im schlichtesten Fall im Anschluss an einen „konventionellen“ Krieg den Übergang zu immer wuchtigeren erst taktischen, am Ende ultimativen strategischen Atomwaffen vorsieht; ein Szenario mit dem Sinn und Zweck, zu vertretbaren Kosten den – im Prinzip genauso kalkulierenden und vorbereiteten – Feind Stück um Stück zu entmachten, mit immer härteren Schlägen zum Aufgeben zu nötigen, ihm im besten Fall die Mittel fürs Weitermachen aus der Hand zu schlagen. Deutschland mit seinem Militär und seinen paar Atombombern war und wäre nicht mehr und nicht weniger als eine durch seine Dienste gesicherte Nummer im Ringen der nuklearen „Supermächte“ um das, was konkurrenztechnisch nüchtern „Eskalationsdominanz“ heißt.
Eben das sieht im Fall Frankreichs als Europas führender Atommacht ganz anders aus. Nicht wegen der Nationalität des zuständigen Befehlshabers, sondern wegen der Macht, die er allenfalls zu befehligen hat. Mit seinen Atomwaffen kann Frankreich dem russischen Feind ohne Zweifel einen Schaden androhen, der den vielleicht zu kalkulierter Zurückhaltung in seiner vermuteten Kriegsbereitschaft oder antizipierten Kriegführung nötigt. Es kann dieser Nötigung auch dadurch einen gewissen Nachdruck verleihen, dass es zu einem wahrscheinlich nicht abzuwehrenden Zweitschlag in der Lage ist, wenn der Gegner nicht nachgibt oder womöglich zuerst zugeschlagen hat. Damit verbleiben Frankreichs Kapazitäten aber auf einem Niveau unterhalb der „Lösung“, die die nuklearen „Supermächte“ für ihr Problem eines hochriskanten Sprungs von einem konventionellen Krieg mit seinen Fronten und seinem Kriegsglück in einen militärisch am Ende sinnlosen umfassenden Vernichtungsprozess erarbeitet und immer perfekter fortgeschrieben haben. Sie haben sich, siehe oben, die Fähigkeit verschafft, mit eigenen Mitteln, auch solchen mit nuklearer Sprengkraft, die Kriegsmacht des Gegners einschließlich seiner atomaren Bewaffnung in einem Hin und Her von unabwendbaren Angriffen und gesicherter Abwehr Stück um Stück und mit kalkulierbarem Risiko zu zerstören. Mit dieser Fähigkeit muss Europa bis auf Weiteres in der Konfrontation mit Russland rechnen.
Und diese Potenz gibt Frankreichs Atomwaffenarsenal nicht her. Schon gar nicht auch nur so ähnlich wie die Rüstung der USA, die bei der Weiterentwicklung besagter „Lösung“ nach wie vor die Maßstäbe setzen. Das disqualifiziert Frankreich als Führungsmacht in einem Kriegskollektiv, wie es die USA in der NATO von Beginn an gewesen sind. Es kann seinen Partnern kein Atomkriegsszenario eröffnen, das, wenn es darauf ankommt, denen eine Funktion in einem militärisch nicht ganz aussichtslosen Kampf um Eskalationsdominanz bietet und ihnen dazu keine Alternative lässt. Frankreichs Angebot ist gut gemeint, aber schlicht zu wenig für die glaubwürdige Abschreckung Russlands, die Europa braucht, wenn es mit seiner Fähigkeit zu einem konventionellen Krieg ernst macht, dem der russische Feind nicht gewachsen ist.
Das ist die Lage für Macron, Merz & Co, wenn Trumps Amerika wirklich draußen ist aus Europas Überlegenheitsbedarf. Aber wie dem auch sei, das Eine steht fest: Aufgeben ist nicht.
[1] Der US-Außenminister rechtfertigt in einem Interview diesen Auftritt so: „Das geht nur, wenn man Russland an den Verhandlungstisch holt... Putin angreifen – ganz gleich, was man von ihm persönlich hält –; den US-Präsidenten in eine Position zwingen, in der man versucht, ihn dazu zu bringen, Putin anzugreifen; ihn beschimpfen; maximalistische Forderungen stellen, dass Russland für den Wiederaufbau zahlen soll – all diese Dinge sind in der Verhandlung vorgekommen. Nun ja, wenn du anfängst, das alles aggressiv vorzubringen ... dann willst du die Leute nicht an den Tisch bekommen. Und so beginnt man zu erkennen, dass Selenskyj vielleicht kein Friedensabkommen will. Er sagt zwar, dass er es will, aber vielleicht will er es nicht. Und diese offene Untergrabung der Friedensbemühungen ist für alle, die bis heute in die Verhandlungen involviert waren, sehr frustrierend. Und ich denke, er sollte sich entschuldigen.“ (Secretary of State Marco Rubio With Kaitlan Collins of CNN, 28.2.25)
[2] „Wir haben sehr deutlich erklärt, was unser Plan ist: Wir wollen die Russen an den Verhandlungstisch bringen. Wir wollen ausloten, ob Frieden möglich ist. Sie verstehen das. Sie verstehen auch, dass dieses Abkommen, das heute unterzeichnet werden sollte, ein Abkommen sein sollte, das Amerika wirtschaftlich an die Ukraine bindet, was für mich ... eine Art Sicherheitsgarantie ist, weil wir involviert sind; es geht jetzt um uns, es geht um unsere Interessen.“ (Rubio, ebd.)
[3] Das am 30. April unterschriebene „Abkommen zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Regierung der Ukraine zur Einrichtung des ‚U.S.-Ukraine Reconstruction Investment Fund‘“ sichert den USA für längere Zeit den privilegierten Zugriff auf sehr umfassend definierte strategische Rohstoffe und die herausragende Rolle beim Wiederaufbau der kaputten Ukraine. Was auf diese Weise verpfändet wird, liest sich darin so:
„Unter ‚Vermögenswerten im Zusammenhang mit natürlichen Ressourcen‘ sind Standorte, Reserven und Lagerstätten auf dem Territorium der Ukraine von Aluminium, Antimon, Arsen, Baryt, Beryllium, Wismut, Cer, Caesium, Chrom, Kobalt, Kupfer, Dysprosium, Erbium, Europium, Fluor, Flussspat, Gadolinium, Gallium, Germanium, Gold, Graphit, Hafnium, Holmium, Indium, Iridium, Lanthan, Lithium, Magnesium, Mangan, Neodym, Nickel, Niob, Palladium, Platin, Kalium, Praseodym, Rhodium, Rubidium, Samarium, Scandium, Tantal, Tellur, Terbium, Thulium, Zinn, Titan, Wolfram, Uran, Vanadium, Ytterbium, Yttrium, Zink, Zirkonium, Öl, Erdgas (einschließlich Flüssigerdgas) zu verstehen...“
[4] „Wie soll der Krieg sonst beendet werden? Ich frage die Leute: Was ist der europäische Plan zur Beendigung des Krieges? Ich kann Ihnen sagen, was mir ein Außenminister gesagt hat, und ich werde nicht sagen, wer es war, aber ich kann Ihnen sagen, was mir einer von ihnen gesagt hat, nämlich dass der Krieg noch ein Jahr weitergeht und Russland sich dann so geschwächt fühlen wird, dass es um Frieden betteln wird. Das ist ein weiteres Jahr des Tötens, ein weiteres Jahr des Sterbens, ein weiteres Jahr der Zerstörung, und nebenbei bemerkt, kein sehr realistischer Plan in meinen Augen... Wenn Donald Trump morgen beschließt: ‚Mir ist die Ukraine egal, mir ist Russland egal und mir ist dieser Krieg egal‘ und geht weg, dann frage ich Sie – ich frage jeden – nun, wer auf diesem Planeten hat überhaupt eine Chance, auch nur eine einprozentige Chance, die Kombattanten an den Tisch zu bekommen? Die Antwort lautet: Niemand. Er ist der Einzige auf der Welt, der im Moment eine Chance hat. Wenn es eine Chance auf Frieden gibt, ist er der Einzige, der die Chance hat, sie zu erfüllen.“ (Rubio, ebd.)
[5] „Die Vereinigten Staaten sind jedoch nicht der Ansicht, dass die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ein realistisches Ergebnis einer Verhandlungslösung ist. Stattdessen muss jede Sicherheitsgarantie durch fähige europäische und außereuropäische Truppen gestützt werden. Wenn diese Truppen irgendwann als Friedenstruppen in die Ukraine entsandt werden, sollten sie im Rahmen einer Nicht-NATO-Mission eingesetzt werden und nicht unter Artikel 5 fallen...Um es klar zu sagen: Im Rahmen einer Sicherheitsgarantie werden keine US-Truppen in der Ukraine stationiert.“ (Aus Verteidigungsminister Hegseths Rede an die Europäer bei der Ukraine-Kontaktgruppe, 12.2.25)
[6] „Die Wahrung der europäischen Sicherheit muss für die europäischen NATO-Mitglieder ein Gebot der Stunde sein. In diesem Zusammenhang muss Europa den überwiegenden Teil der künftigen tödlichen und nicht-tödlichen Hilfe für die Ukraine bereitstellen...Wir sind heute auch hier, um direkt und unmissverständlich zum Ausdruck zu bringen, dass die krassen strategischen Realitäten die Vereinigten Staaten von Amerika daran hindern, sich in erster Linie auf die Sicherheit Europas zu konzentrieren. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind mit folgenschweren Bedrohungen für unser Heimatland konfrontiert... Außerdem stehen wir mit den kommunistischen Chinesen einem ebenbürtigen Konkurrenten gegenüber, der in der Lage ist und die Absicht hat, unser Heimatland und unsere zentralen nationalen Interessen im Indopazifik zu bedrohen. Die USA räumen der Kriegsabschreckung gegen China im Pazifik Priorität ein.“ (Hegseth, ebd.)
[7] „... die Listungen von weiteren fast 200 Schiffen der russischen Schattenflotte könnten Russlands Ölexporte etwas erschweren... So richten sich die Blicke nun schon auf ein 18. Sanktionspaket. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte am Freitag eine niedrigere Preisobergrenze für russisches Rohöl genannt... Allerdings müssten sich die G7-Staaten dafür ins Benehmen setzen, also auch die USA. Zudem verwies von der Leyen auf ein Verbot von Gaslieferungen über dieNord-Stream-Pipeline. Das wäre eine rein symbolische Maßnahme, denn drei Leitungen sind schwer beschädigt... Am wirksamsten wären aber wohl hohe US-Zölle gegen Drittstaaten, die russisches Öl kaufen – solche Sekundärsanktionen werden derzeit vom US-Kongress vorbereitet. Ob Trump sie unterstützt, ist aber ungewiss.“ (FAZ, 21.5.25)
[8] „‚Der US-Präsident scheint sich geweigert zu haben, sich dem europäischen Vorstoß für neue Sanktionen gegen Russland anzuschließen, und setzt wohl stattdessen auf Geschäftsabschlüsse mit dem Land‘, heißt es in dem Artikel [der NYT]. Zusätzliche Sanktionen gegen Russland würden die Möglichkeiten amerikanischer Unternehmen einschränken, die Trump ausbauen möchte, erklärten US-Beamte gegenüber der Zeitung. ‚Trump möchte US-Unternehmen dabei unterstützen, vom russischen Energiesektor und den Seltenen Erden sowie anderen potenziellen Investitionsbereichen zu profitieren. Infolgedessen strebt Europa nun neue Sanktionen an, während die Vereinigten Staaten offenbar bereit sind, in die entgegengesetzte Richtung zu gehen und die Ukraine zu umgehen, um eine engere Beziehung zu Russland aufzubauen‘, so die Quellen.“ (strana.news, 21.5.25)
[9] Vom Bedarf der Europäer an einer Beschaffung des gesamten Waffenspektrums zu Land, Luft, Wasser sowie im Cyber- und Weltraum, das die Eskalationsfreiheit eröffnet, über die bisher im Rahmen der NATO nur die USA verfügen, kündet ein kleiner Auszug der Mängelliste im Weißbuch der EU:
„Die vorrangigen Fähigkeitsbereiche sind die folgenden:
Luft- und Raketenabwehr: eine integrierte, mehrschichtige Luft- und Raketenabwehr, die gegen das gesamte Spektrum von Luftbedrohungen (Marschflugkörper, ballistische und Hyperschallraketen und UAS) schützt.
Artilleriesysteme: fortgeschrittene Feuersysteme, einschließlich moderner Artillerie- und Langstreckenraketensysteme, die präzise Angriffe auf Landziele über große Entfernungen ermöglichen (Deep Precision Strike).
... Drohnen und Drohnenabwehrsysteme: unbemannte Systeme, einschließlich Luft-, Boden-, Oberflächen- und Unterwasserfahrzeuge, die mit Hilfe fortschrittlicher Software und Sensoren ferngesteuert oder autonom betrieben werden können und die Fähigkeiten verbessern, die diese Technologien ermöglichen (z.B. Situationsbewusstsein, Überwachung, ...).“ (Weißbuch, S. 6/7)
Außerdem werden von entsprechenden Start-ups mit großzügiger Förderung seitens der EU und Staaten wie Deutschland die Versuche vorangetrieben, sich auch bei Aufklärung und Überwachung von den USA unabhängig zu machen.
[10] Das fängt damit an, dass Rat und Kommission Gemeinschaftsregelungen endgültig aus dem Verkehr ziehen, die der Finanzierung einer nationalen Aufrüstung der EU-Mitglieder im Wege stehen: Für den guten Zweck des Fortschritts des europäischen Militarismus wird die Bindung der nationalen Kreditschöpfung an die Wirtschaftskraft der Nationen außer Kraft gesetzt. Daneben werden die Mitgliedstaaten offiziell dazu aufgefordert, ihre nationalen Prioritäten anders zu gewichten und ihnen zustehende Mittel aus dem Kohäsionsfonds – eigentlich dafür vorgesehen, die national unerfreulichen Auswirkungen des europäischen Binnenmarkts auf den Entwicklungsstand so mancher Region zu betreuen – zur Finanzierung u.a. militärischer Infrastrukturprojekte umzuwidmen. Und natürlich darf die prekäre Haushaltslage vieler Mitgliedstaaten, darunter immerhin solche Schwergewichte wie Italien und Frankreich, kein Hindernis sein für das anspruchsvolle Ziel, das sich die EU gesetzt hat. So gewährt die EU „Finanzhilfe für Mitgliedstaaten ..., die aufgrund außergewöhnlicher Ereignisse im Zusammenhang mit der geopolitischen Lage von ernsten Schwierigkeiten bedroht sind“ (Fragen und Antworten zum ReArm Europe Plan/Readiness 2030, Europäische Kommission, 19.3.25, S. 3):
„Die Sicherheitsaktion für Europa – SAFE ist ein neues EU-Finanzinstrument, das den Mitgliedstaaten Darlehen in Höhe von bis zu 150 Mrd. EUR zur Verfügung stellt, die durch den EU-Haushalt abgesichert sind. Dies wird den Mitgliedstaaten helfen, ihre Verteidigungskapazitäten durch gemeinsame Beschaffung zu stärken. Ein gemeinsamer Einkauf wird die Interoperabilität der Streitkräfte der Mitgliedstaaten und die Vorhersehbarkeit für die europäische Verteidigungsindustrie gewährleisten, die Kosten senken und die für die Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie erforderliche Größenordnung schaffen. Dies ist sowohl für die Wettbewerbsfähigkeit als auch für die Einsatzbereitschaft der europäischen Verteidigungsindustrie von entscheidender Bedeutung.“ (Fragen und Antworten ..., S. 1)
Vervollständigt werden soll das mit Schulden vorangetriebene Aufrüstungsprogramm damit, dass es als zündendes Angebot an das Finanzkapital der Welt in der Konkurrenz der Anlagesphären Bestand hat: „... durch das Vorantreiben der Spar- und Investitionsunion und mithilfe der EIB“ wird darauf abgezielt, „privates Kapital zu mobilisieren“ (Presseerklärung von Präsidentin von der Leyen, 4.3.25). Dafür wird die EIB, die Entwicklungsbank der EU, in einem ersten Schritt von den Schranken ihrer Kreditvergabe für Militärausgaben erlöst, indem die „Nachhaltigkeitskriterien“ für die Kreditvergabe so umfrisiert werden, dass Rüstung weitgehend darunter passt. Und – das fordern neuerdings einige Chefs der Staaten von der Kommission, die sich dagegen bisher gesperrt haben – im vereinten Europa müssen endlich die nationalen Schranken für die grenzüberschreitende Finanzspekulation fallen und die Kapitalmarktunion, neuerdings „Spar- und Investitionsunion“, vollendet werden.
[11] „Die Europäische Kommission investiert im Rahmen des Europäischen Verteidigungsfonds (European Defence Fund (EDF)) 910 Millionen Euro in den Aufbau einer starken und innovativen Rüstungsindustrie in Europa. Zum ersten Mal wird sich auch die ukrainische Rüstungsindustrie an EDF-Projekten beteiligen...“ Dabei geht es darum, „die Ukraine weiter in die europäische Rüstungsindustrie zu integrieren, um die gemeinsamen Sicherheits- und Innovationsziele zu stärken“ (Ukrinform, 30.4.25).
[12] „Nach den Bundestagswahlen schon postulierte Friedrich Merz, Deutschland müsse sich ‚darauf einstellen, dass Donald Trump das Beistandsversprechen des NATO-Vertrags nicht mehr uneingeschränkt gelten‘ lasse. Europa müsse ‚nuklear unabhängiger werden‘... Merz kündigte vergangene Woche seinerseits an, er wolle mit den Atommächten Frankreich und Großbritannien über einen ‚gemeinsamen nuklearen Schirm für Europa‘ sprechen. Mit seinen potenziellen Koalitionspartnern wolle er darüber reden, ob die ‚atomare Teilhabe‘ mit den USA in Zukunft auf Frankreich und Großbritannien übertragbar sei.“ (FR, 4.5.25)
[13] „Auch wenn Macron eine europäische ‚Teilhabe‘ befürwortet, schließt er bei der ‚Force de frappe‘ jede europäische Mitentscheidung aus.“ (Ebd.)