Während sich die führenden europäischen Nationen bei ihrer Verwaltung der Lohnarbeit im Notstand wähnen, der nur mit einer radikalen Senkung der Arbeitskosten zu bekämpfen ist, erhöht die neue Regierung den Mindestlohn um mehr als sechs Prozent. Zumindest Spanien lobt sich für sein „Wirtschaftswunder und den erreichten Wohlstand“. Der dabei übliche rückschauende Vergleich – „Es geht uns zwar nicht blendend, aber auf jeden Fall besser als unter Franco“ – zeigt allerdings schon, dass da Bescheidenheit den Gedanken führt.
Deutsche Unternehmen „müssen“ ihre Belegschaften immer effektiver ausbeuten, weil man hierzulande „die Kosten der Arbeit“ in unerträgliche Höhen „getrieben“ hat. Damit deutsche Unternehmer wieder Wohlstand für alle schaffen können, auch für die Volksgenossen, die sie zielstrebig überflüssig gemacht haben, müssen besagte Kosten gesenkt werden. Und in der Frage, wie das zu machen geht, „setzt sich die Erkenntnis durch“: Einfach mit mehr Arbeit, verteilt auf Schultern, die weniger kosten.
Hartz macht einen neuen Vorschlag, wie man Lohnabhängige in Deutschland noch billiger und länger arbeiten lassen kann. Weil die Leistungskraft der Arbeiter mit zunehmendem Alter abnimmt, fordert er, dass sie bei gleichbleibendem Lohn in jungen Jahren mehr arbeiten und ein Stundenguthaben aufbauen, das im Alter abgetragen wird. Die Gewerkschaft stellt sich positiv zu der Idee, dass ihr Klientel die eigene Ausbeutung jahrelang zinslos vorfinanzieren soll, fordert aber für die letzten Detailfragen verbindliche Regelungen.
Europaweit lassen Staatshaushalte, Wirtschaftswachstum und globale Erfolge zu wünschen übrig und erzwingen „strukturelle Reformen“ im Umgang mit Lohnkosten und Sozialleistungen. Mit den allseits eingerichteten kapitalistischen Abhängigkeitsverhältnissen wird gegen deren Kosten als Wachstumshemmnis und damit für die fällige Verelendung argumentiert. Das Ideal „schonend und gerecht“ begleitet deren rigorose Durchsetzung gegen „Bremser“ durch einen Führer, der sich mit „sozial ist, was Arbeit schafft“ in guter Gesellschaft befindet.
Die SPD verabschiedet sich mit der Agenda 2010 endgültig von ihrem Gründungsauftrag „Sozialstaat“, erklärt die von ihm abhängig Gemachten zum „strukturellen Krisengrund“ und damit den Sozialstaat als systemwidrig. Der Abbau des „Reformstaus“ erfordert Rücksicht auf immanente Hindernisse: – auf der Armut beruhende Geschäftssphären und Standesinteressen; – föderalistische Konkurrenz zwischen Bundes-, Länder- und kommunalen Institutionen; – gewerkschaftlicher Mitspracheanspruch beim Verarmen.
Angesichts von Massenprotesten revidiert der französische Staat selbstkritisch seine Methode der Gewaltausübung: Stärkung seiner Autorität ist oberstes Reformziel und „Dezentralisierung“ des öffentlichen Dienstes, d.h. Verbilligung und Effektivierung seiner Aufgaben vor allem im Ausbildungswesen vorrangig. Das setzt Maßstäbe für die Verbilligung der Kosten der Arbeit zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs Wirtschaft.
Jetzt ist sie also endlich gehalten worden, die „Ruck-“, „Blut-, Schweiß- und Tränen-“ oder auch „Reformrede“ des Kanzlers, auf die die Nation so lange gewartet hat und mit der es in Deutschland „wieder aufwärts“ gehen soll. Das Ganze hat aber ganz nebenbei auch einen Inhalt. Der kritische Führerkult dreht sich um nichts Geringeres als einen entschiedenen Fortschritt in der Sozialstaatsräson der Republik.
Grundsätzliches über den Arbeitsmarkt, der den Zugriff des Kapitals auf seine menschliche Manövriermasse etabliert und sichert. Der Staat nutzt den Skandal um die BfA, um seine neuen Anforderungen an Arbeitsmarkt / Sozialstaat durchzusetzen: Die Arbeitslosen sind viel zu teuer und verhindern ihre Beschäftigung. Sein Arbeitsmarkt braucht daher eine „Aktive Arbeitsmarktpolitik“ mit „Job-Aktiv“, „Profiling“, „Eingliederungsvereinbarungen“ und „privater Vermittlung“ und einen umfassenden „Kampf gegen Beschäftigungshindernisse“.
Rotgrün will das Institut des Betriebsrats, passend zu den inzwischen eingerissenen Zuständen in den Betrieben, tauglicher machen für seinen bewährten Einsatz zur Erhaltung des Arbeitsfriedens und zugleich einspannen für rotgrüne Interessen auf Betriebsebene: Kampf gegen Ausländerfeinde, Einsatz für den Umweltschutz, für Jugend- und Frauenrechte etc.
Die französische Regierung dekretiert die 35-Stunden-Woche, subventioniert gleichzeitig die Unternehmer-Beiträge an die Sozialversicherung und setzt die gültige Arbeitszeitverordnung außer Kraft: Die 35-Stunden-Woche gilt als erfüllt, wenn übers Jahr 1600 Stunden gearbeitet werden; die französische Arbeiterschaft wird damit zur zeitlich frei disponiblen Verfügungsmasse fürs Kapital.