Marktkonforme Arbeitsmarktpolitik
Vermitteln statt verwalten!
Grundsätzliches über den Arbeitsmarkt, der den Zugriff des Kapitals auf seine menschliche Manövriermasse etabliert und sichert. Der Staat nutzt den Skandal um die BfA, um seine neuen Anforderungen an Arbeitsmarkt / Sozialstaat durchzusetzen: Die Arbeitslosen sind viel zu teuer und verhindern ihre Beschäftigung. Sein Arbeitsmarkt braucht daher eine „Aktive Arbeitsmarktpolitik“ mit „Job-Aktiv“, „Profiling“, „Eingliederungsvereinbarungen“ und „privater Vermittlung“ und einen umfassenden „Kampf gegen Beschäftigungshindernisse“.
Aus der Zeitschrift
Teilen
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung
- Wie bestellt: Der „Skandal in der BfA“
- Der Gegenstand der politischen Sorge: Ein Ding namens „Arbeitsmarkt“
- Vom Zustandekommen und den funktionellen Leistungen einer „Reservearmee“ von Arbeitslosen
- „Aktive Arbeitsmarktpolitik“ mit „Job-Aqtiv“, „Profiling“, „Eingliederungsvereinbarungen“ und „privater Vermittlung“: Die Ausgestaltung der Arbeitslosigkeit zum Vollzeitberuf
- An allen übrigen sozialstaatlichen Fronten: „Kampf gegen Beschäftigungshindernisse“
Marktkonforme
Arbeitsmarktpolitik
Vermitteln statt verwalten!
Wie bestellt: Der „Skandal in der BfA“
Jahr für Jahr prüft der Bundesrechnungshof, ob bei staatlichen Stellen richtig gerechnet und mit öffentlichen Finanzen sparsam umgegangen wird, und entdeckt dabei regelmäßig Hunderte von Verstößen und jede Menge Verschwendung. Skandale werden aus seinen gewohnheitsmäßig zur Kenntnis genommenen Ermahnungen nicht. Anders verhält es sich, wenn die Politik an einem Thema so sehr Geschmack findet wie an den fehlerhaften Statistiken der Bundesanstalt über die Vermittlung von Arbeitslosen in neue Stellen: Die Nürnberger Anstalt hat ihre Vermittlungsbemühungen zusammengezählt und als Vermittlungserfolge ausgegeben – unglaublich! Triumphierend zitieren Regierung wie Opposition die falschen Zahlen wie einen lange gesuchten Beweis und endgültigen Grund für die Arbeitslosigkeit im Land, die nicht sinken will. Niemand mag sich darüber beruhigen, dass eine andere Addition die Zahl der Erwerbslosen auch nicht verkleinert, freilich auch nicht vergrößert hätte, denn die Arbeitslosenstatistik selbst wurde, wie man hört, immer peinlich korrekt geführt. Nur die nachweisbaren Vermittlungserfolge der Ämter hätten bei korrekter Buchführung eben kleiner ausgesehen. Der Präsident der Behörde verteidigt seine Mannschaft noch mit dem schönen Argument, sie würde tatsächlich viel mehr Vermittlungen anbahnen, als sie selbst weiß, denn Arbeitslose, die auf Stellenanzeigen aufmerksam gemacht würden oder sich der elektronischen Job-Börse bedienten, würden gar nicht erfasst.
Das hilft ihm nichts. Die geschönte Statistik ist ein
einziger Beweis, dass das Amt unter seiner Leitung sein
klägliches Versagen an der Bewältigung seiner
Kern-Aufgabe
verschleiert hat, der einzigen, auf
die es nach neuester Sicht ankommt: Die Erfolge beim
Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sind viel geringer, als
die offiziellen Daten ausweisen
(Der Spiegel, 7/02). Das Amt betrügt die
Gesellschaft um die Leistung, für die es allein
finanziert zu werden verdient: Statt Arbeitslose zu
vermitteln, sind die Arbeitsämter vollauf damit
beschäftigt, sie in einer grotesk aufgeblähten Bürokratie
zu verwalten
(ebd.). Kein
Mensch will mehr verstehen, wozu es 90000 Bedienstete
einer Bundesanstalt braucht, wenn nur
11000 davon
in der Vermittlung tätig sind
. Das kleinliche
Berechnen der Stütze, die Überwachung der Arbeitslosen,
das Auszahlen des Kindergeldes, Kontrollen gegen
Schwarzarbeit und die Untersuchung der Entwicklungen auf
dem Arbeitsmarkt: Alle diese anerkannten Funktionen der
Behörde sind auf einmal nichts als Zeit- und
Geldverschwendung. Die befristete Zahlung eines
Ersatzlohns, die Regeln der Ämter für
qualifikationsgerechte
Stellen, die den
Arbeitslosen angeboten und von ihnen angenommen werden
müssen, die mit der Dauer der Arbeitslosigkeit wachsende
Zumutbarkeit
schlechterer Arbeiten und Verdienste
– das alles wird als Instrument entlarvt,
Arbeitslosigkeit zu verlängern und Arbeitslose
vom Arbeitsmarkt fernzuhalten. Die
größte
, notorisch reformresistente, verkrustete
und ineffiziente
Behörde, die Arbeitslosigkeit
bekämpfen sollte
, ist selbst Teil des Problems
(Der Spiegel, 9/02), und
nahtlos geht die Empörung über schöngerechnete
Vermittlungserfolge zur Verurteilung des Zwecks über, für
den das Arbeitsamt eingerichtet worden ist: Mit jedem
Tag des Skandals wurde deutlicher, dass es nicht nur um
geschönte Zahlen ging – mit einem Mal stand das komplette
System der staatlichen Arbeitslosenverwaltung in
Frage.
(ebd.) Der alte
Behördenleiter muss den Hut nehmen und Platz machen für
eine endlich mobilisierende
, marktgerechte
Arbeitsmarktpolitik
, denn genau genommen hat die
Bundesanstalt für Arbeit mit ihrem Finanzierungswesen für
Arbeitslose nur die Arbeitslosigkeit
finanziert, ist die bisherige Tour der Verwaltung
der Erwerbslosen selbst der Grund ihrer Erwerbslosigkeit.
Der Gegenstand der politischen Sorge: Ein Ding namens „Arbeitsmarkt“
Was da als eine einzige Ansammlung von Funktionsstörungen des ‚Arbeitsmarkts‘ geschmäht und auf die sozialstaatsreformerische Abschussliste gesetzt wird, sind die Arrangements, die in der Vergangenheit von besorgten Sozialpolitikern getroffen worden sind, um einen solchen ‚Markt‘ überhaupt herzustellen. Denn was heißt da ‚Markt‘? Klarheit besteht ja noch nicht einmal über den Artikel, der da gehandelt wird: Verkaufen die „kleinen Leute“ ihre Arbeit – wo sie doch gar nichts darüber zu bestimmen haben, wann, wo, wie lange, mit welchem Gerät, an welchem Werkstück und ob sie überhaupt stattfindet? Oder verkaufen die Firmen Arbeitsplätze – wo die doch gar nicht in fremden Besitz übergehen? Wird mit der Arbeit gehandelt, die die Arbeitgeber geben und auf die sie an die, die sie nehmen, obendrein noch einen Lohn draufzahlen? Oder verpachtet da eine 1-Mann/Frau-Leiharbeitsfirma die in der eigenen Person bei ihr angestellte Arbeitskraft?
Klar ist dagegen so viel: Wenn der bürgerliche Sozialstaat eine Unterstützungskasse für Arbeitslose einrichtet, dann geht er jedenfalls davon aus, dass es sich bei der Lohnarbeit um eine geschäftlich gesehen ziemlich einseitige Angelegenheit handelt. Rechtlich stellt er Arbeiter und Unternehmer zwar als gleichberechtigte Parteien einander gegenüber, die miteinander Verträge schließen, wie es sich für ‚Marktteilnehmer‘ gehört, die Geld gegen Ware oder Dienstleistung tauschen und eine gewaltsame Garantie brauchen, damit ihr nettes Verhältnis überhaupt zuverlässig klappt. Eigentumsrechtlich sieht die Sache aber schon weit weniger egalitär aus. Da verfügt der eine „Partner“ über gar nichts außer seinen Leibes- und Verstandeskräften, mit denen er allein aber gar nichts Nahrhaftes anfangen und schon gar nicht drauf los produzieren kann, und der existenziellen Not, sich trotzdem einen Lebensunterhalt beschaffen zu müssen. Die andere Seite verfügt dagegen mit ihrem Eigentum erstens über ein Interesse, gemietete Arbeitskräfte zweckdienlich, nämlich für die Vermehrung des eingesetzten Kapitals tätig werden zu lassen, zweitens über die Mittel, um sie zu mieten und im Sinne dieses Interesses tätig werden zu lassen: Mit ihrem Monopol auf den produktiven Reichtum der Gesellschaft besitzt sie die Kommandomacht darüber, was und wie in der Gesellschaft gearbeitet wird, also auch über diejenigen, die diese Arbeit leisten dürfen. Dass der Rechtsstaat diesem Kommando-Dienst-Verhältnis die Rechtsform eines frei ausgehandelten Vertragsverhältnisses verpasst, ist eine Sache. Dass dieses freiheitliche Vertragsverhältnis private Kommandogewalt über mittellose Leute zum Inhalt hat, erkennt dieselbe Staatsgewalt auf der anderen Seite ganz genauso an, wenn sie von der Arbeitszeitregelung bis zum Kündigungsschutz einen Haufen Regelungen erlässt, die keinen anderen Sinn und Zweck haben, als die überlegene Machtposition des kapitalistischen Eigentums auf ein aushaltbares Maß zu begrenzen. Und wenn sie Vorkehrungen trifft, damit entlassene Lohnarbeiter oder Leute, die erst gar keine „Beschäftigung“ finden, nicht umstandslos zugrunde gehen, dann räumt sie damit praktisch ein, dass das Eigentumsrecht der Unternehmer selbstverständlich auch die als privates Recht geschützte Macht einschließt, gemietete und benutzte Arbeiter in den Zustand der existenziellen Not zurückzuversetzen bzw. mittellose Zeitgenossen gar nicht erst in Dienst zu nehmen. Sie gibt zu, dass die freien ‚Markt‘-Beziehungen zwischen Unternehmern und Lohnarbeitern die Herrschaft kapitalistischer Eigentümer über Lohnarbeit als ihr Geschäftsmittel und folglich über Lohnarbeiter als ihre Manövriermasse zum Inhalt hat – und dass dieses wunderbare ‚Markt‘-Verhältnis sich deswegen überhaupt nur aushalten lässt, wenn sie mit ihrer Rechtsgewalt korrigierend dazwischen funkt.
Selbstverständlich setzt diese Korrektur nichts an dem eigentumsrechtlich etablierten Herrschafts- und Benutzungsverhältnis außer Kraft; sonst wäre es ja mit einer einmaligen Intervention getan. Sie betrifft dessen – genauer: eine seiner Wirkungen; und zwar eben genau in dem Sinn, dass diese Wirkung den davon Betroffenen, den Arbeitslosen ohne eigene Selbsterhaltungsmittel, nicht gleich das Genick bricht: Mit ihrer Arbeitslosenkasse sorgt die Staatsgewalt dafür, dass massenhaft Leute im Zustand der Mittellosigkeit auch außerhalb der Zeiten bereitstehen, in denen sie „beschäftigt“ werden. Mit diesem Eingriff kommt der bürgerliche Staat sich enorm sozial vor, extrem fürsorglich seinen lohnabhängigen Bürgern gegenüber. Deswegen gestaltet er seine großartige Sozialleistung auch so aus, dass die damit verbundenen Lasten von der umsorgten Klientel selber getragen werden müssen: als Versicherungsanstalt, an die die potentiell Arbeitslosen, solange sie noch Arbeit haben und einen Lohn verdienen, davon etliche Prozente als Beitrag abführen. Dabei leistet er sich sogar noch den Scherz, die Hälfte dieser Prozente den Lohnbuchhaltungen der Unternehmen gesondert in Rechnung zu stellen, so als müssten ‚Arbeitnehmer‘ und ‚Arbeitgeber‘ sich die Unkosten der Arbeitslosigkeit gerecht teilen. Dieser menschenfreundliche Anschein ändert zwar nichts daran, dass es sich insgesamt um nichts anderes als einen Teil der Gesamt-Lohnkosten handelt – insofern zahlen die Unternehmer sowieso alles! –, für deren geschäftlichen Nutzen, als lohnende Ausgabe nämlich für die Erwirtschaftung von Profit, die „Beschäftigten“ hergenommen werden und geradestehen müssen – tatsächlich geht also alles von der Entgeltsumme ab, die die ‚Arbeitnehmer‘ ihrem ‚Arbeitgeber‘ wert sind. Aber dafür kommen die eigentumslosen Mitglieder der ‚Marktwirtschaft‘ ja auch in den Genuss der großartigen Vergünstigung, ihren politökonomischen Status sogar dann überleben zu können, wenn sie das zu diesem Status dazu gehörige „Schicksal“ der Arbeitslosigkeit ereilt.
Einen gewissen bescheidenen Nutzen hat davon freilich auch die Gegenseite; auch wenn der so selbstverständlich ist, oder jedenfalls: den Kapitalisten und der kapitalistisch kalkulierenden allgemeinen Öffentlichkeit so selbstverständlich vorkommt, dass er gar nicht eigens registriert wird. Aber immerhin: die Unternehmer kommen dank der vorgeschriebenen Sozialversicherung für Arbeitslose überhaupt erst wirklich in den Genuss ihrer Freiheit, je nach ihrem geschäftlichen Bedarf Leute entlassen und auch wieder einstellen zu können. Die Überlebenshilfe für Arbeitslose erhält ihnen einen Vorrat an benutzbaren Leuten, auf den sie zugreifen können, wenn ihr Laden expandiert. Der soziale Einsatz der Politik sorgt insoweit dafür, dass sie ihre private Kommandogewalt über die gesellschaftliche Arbeit durch alle geschäftlichen Konjunkturen hindurch überhaupt auszuüben vermögen. Er erhält das Herrschafts- und Benutzungsverhältnis aufrecht, das sich mit seiner Ausgestaltung als egalitäres Vertragsverhältnis den Ehrennamen ‚Arbeitsmarkt‘ verdient. Oder umgekehrt: was man in höflichem Zynismus ‚Arbeitsmarkt‘ nennt, ist ohne Überlebenshilfe für Arbeitslose gar nicht zu haben.
Vom Zustandekommen und den funktionellen Leistungen einer „Reservearmee“ von Arbeitslosen
Und darin liegt tatsächlich der entscheidende, nämlich
der alleinige politökonomische Zweck und Nutzen
der ganzen Veranstaltung: dass die kapitalistischen
Eigentümer Zugriff auf eine menschliche
Manövriermasse haben und behalten. Das bezeugt
wieder kein Geringerer als die bürgerliche Staatsgewalt
selber, wenn nämlich deren sozialpolitische Funktionäre
sich angesichts einer überhand nehmenden
Dauerarbeitslosigkeit Sorgen um die ausbleibenden Erträge
und die steigenden Unkosten für die Staatskasse machen
und darüber nachdenken, wie mehr Beschäftigung
hinzukriegen wäre. Ihre erste oder letzte, jedenfalls
gewichtigste Antwort lautet alle Mal: Das hängt vom
‚Wachstum‘ ab. Noch dem rabiatesten Fürsprecher
„aktiver Arbeitsmarktpolitik“, also etwa dem neuen
Behördenchef Florian Gerster, ist klar, dass man 4
Millionen Arbeitslose nicht auf 1 Million offene Stellen
setzen kann. Wenn ‚die Wirtschaft‘ nicht mehr Stellen
anbietet, kann das Übel auch nicht überwunden werden –
daran, dass die Wirtschaft sich den Erwerbsnöten der
Arbeitswilligen anpassen könnte, denkt von vornherein
niemand, am allerwenigsten diejenigen, die beide Größen
neu und besser zu vermitteln versprechen. Damit mehr
Arbeit angewandt werden kann, braucht es mehr Wachstum.
Was da wachsen soll, ist gleichfalls klar und
versteht sich von selbst: ‚die Wirtschaft‘ eben, also
Masse und Wucht des Eigentums, an dem die Kommandogewalt
über die gesellschaftliche Arbeit hängt.
Dabei geht noch etwas mit der größten Selbstverständlichkeit in die Rechnung ein: Von einer schlichten Proportionalgleichung zwischen ‚Wachstum‘ und ‚Beschäftigung‘ kann keineswegs die Rede sein. An einen echten Abbau der Massenarbeitslosigkeit, hört man, ist bestenfalls ab einer Wachstumsrate von mindestens 3% zu rechnen. Was ist dann eigentlich unterhalb von 3%? Komischerweise kommt niemand auf den wirklich nicht schwierigen Schluss, dass dann offenbar bis zu der besagten Quote das Kapitalwachstum ‚Beschäftigung‘ kostet. Aber diese schlichte Feststellung würde ja auch nur die Aufmerksamkeit in denkbar unpassender Weise auf die Tatsache lenken, dass das, was in der Marktwirtschaft ‚Wachstum‘ heißt, mit allgemeiner Bereicherung überhaupt nichts zu tun hat, sondern im Gegenteil mit Verarmung der Insassen dieses Wirtschaftssystems einhergeht. Was wächst, ist einzig und allein die Masse des Kapitals. Die Methoden, mit denen die kapitalistischen Unternehmen ihr Wachstum bewerkstelligen, schließen auf der einen Seite die „Freisetzung“ von Arbeitskräften, den Transfer des einen oder anderen Bevölkerungs-Prozents in die Mittellosigkeit ein; das ist das eine Moment von Verelendung, das mit der Bereicherung der Unternehmerschaft einhergeht. Auf der anderen Seite haben diejenigen, die weiterhin fürs Wachstum benötigt werden, auch nichts zu lachen: All der „Arbeit sparende Fortschritt“, den Kapitalisten einsetzen, um die Gestehungskosten ihrer Produkte zu senken, erspart ihnen eben wegen dieser Zweckbestimmung überhaupt nichts; für sie bleibt im Gegenteil die schöne Aufgabe, als „abgespeckte“ Belegschaft mehr Produkt zu erstellen, um mehr eingesetztes Kapital umzuschlagen. Dabei sorgt das Schicksal der entlassenen Kollegen wie von selbst dafür, dass sie dieser Aufgabe auch nachkommen; und zwar mit einem Diensteifer – die mehr oder weniger sorgfältig bilanzierten Massen von Überstunden und schwindenden Mengen von Krankheitstagen zeugen davon –, der von firmeneigenen Zeit-Managern schon gleich wieder als zusätzliche Ersparnis an zu bezahlender Arbeit in den ‚Wachstum‘-fördernden technischen Fortschritt mit eingeplant wird. Auf dieses ganze absurde Elend wird in der öffentlichen Wahrnehmung das Etikett „Rentabilität“ draufgeklebt; und schon ist allgemeines Kopfnicken garantiert: Na klar, ist doch schön und in Ordnung und für den nationalen Konkurrenzerfolg überhaupt unentbehrlich, dass die Arbeit immer produktiver und damit immer rentabler wird – wer wollte denn schon beantragen, dass unproduktiv gearbeitet werden soll?! Und niemand nimmt mehr zur Kenntnis, dass das Kriterium der Rentabilität der Arbeit jeden Fortschritt ihrer Produktivität zum Unglück macht: für die Weg-„Rationalisierten“, die weg sind vom Erwerbsleben und deshalb zwar ganz viel Zeit, für deren Genuss aber überhaupt kein Geld haben; und für die Übriggebliebenen, weil die außer dem Zwang zur Umstellung und mindestens dem gleichen Arbeitspensum überhaupt nichts davon haben. Es muss schon ganz außerordentlich kommen: Das ‚Wachstum‘ muss extra hoch ausfallen – über 3% eben! – und – dafür steht die Prozentzahl eigentlich – eine Expansion des kapitalistischen Geschäfts signalisieren, die noch größer ausfällt als der durchschnittliche Rentabilitätsgewinn, erst dann haben wenigstens die weggesparten Arbeitskräfte eine Chance, sich anderweitig wieder nützlich zu machen – fürs weitere Kapitalwachstum. Umgekehrt reißt jede Niederlage einer Firma in der Konkurrenz, erst recht jede allgemeine Geschäftskrise, zuallererst die lieben Mitarbeiter ‚rein‘: Mit deren Entlassung halten die kapitalistischen Eigentümer sich noch in ihrer Niederlage schadlos, so gut es geht. Und ausgerechnet wegen dieser Gleichung kriegt ein gelungenes ‚Wachstum‘ gleich das große Lob, ein Glück für die Arbeiter zu sein, aus denen es herausgewirtschaftet worden ist; ganz unabhängig davon, wie und mit welchen Lohn-Verlusten sie dafür hergenommen worden sind; nur weil ja auch in noch viel größerem Stil lohnabhängige Existenzen hätten vernichtet werden können – und stattdessen bei der Konkurrenz vernichtet worden sind…
Was heißt das alles für das Ding namens ‚Arbeitsmarkt‘, dieses von Staats wegen schön sortierte und menschenfreundlich etikettierte Verhältnis des freien Zugriffs kapitalistischer Unternehmer auf eine frei verfügbare menschliche Manövriermasse? Es bedeutet, dass die ganze ökonomische Zweckbestimmung dieses ‚Marktes‘ eben wirklich ausschließlich darin liegt, den eventuellen Bedarf des ‚Wachstums‘ an womöglich zusätzlicher Arbeitskraft zu bedienen. Und es bedeutet außerdem, dass die Bereitstellung von verfügbarem Menschenmaterial für jede kapitalistische Bedarfslage die ökonomische Wirkung des Kapitalwachstums selber ist. Mit ihrem Kampf um die Steigerung der Rentabilität der Arbeit, die sie bezahlen müssen, schaffen die kapitalistischen ‚Arbeitgeber‘ selber das Arbeitslosenheer, auf das sie im Bedarfsfall so bequem zurückgreifen können. Was sich so vornehm ‚Arbeitsmarkt‘ nennt, ist insoweit, nämlich hinsichtlich der quantitativen Proportion zwischen Bedarf und Verfügungsmasse und, darin eingeschlossen, hinsichtlich der Masse und Größe der allgemeinen Armut, gar kein Verhältnis zwischen der ‚Wirtschaft‘ und einer unabhängig davon irgendwie gegebenen Bevölkerung. ‚Arbeitsmarkt‘ ist das Ergebnis eines Verhältnisses, das das Kapital mit sich selber ausmacht, nämlich herstellt zwischen seinem Wachstum und dessen Methode, dem ‚Arbeit sparenden‘ Fortschritt. Das ganze Schicksal der lohnabhängigen Figuren in der Marktwirtschaft ist nichts weiter als ein Nebeneffekt des Verhältnisses zwischen dem Gesamtaufwand, den die ‚Arbeitgeber‘ in ihr Geschäft stecken, und dem Bruchteil davon, den sie für Lohnarbeit aufwenden.
Und wer hat das wieder mal vor 130 Jahren bereits gewusst?
„Die Nachfrage nach Arbeit… fällt relativ zur Größe des Gesamtkapitals und in beschleunigter Progression mit dem Wachstum dieser Größe. Mit dem Wachstum des Gesamtkapitals wächst zwar auch … die ihm einverleibte Arbeitskraft, aber in beständig abnehmender Proportion. … Diese mit dem Wachstum des Gesamtkapitals beschleunigte und rascher als sein eigenes Wachstum beschleunigte relative Abnahme seines variablen Bestandteils scheint auf der andren Seite umgekehrt stets rascheres absolutes Wachstum der Arbeiterbevölkerung als das des variablen Kapitals oder ihrer Beschäftigungsmittel. Die kapitalistische Akkumulation produziert vielmehr, und zwar im Verhältnis zu ihrer Energie und ihrem Umfang, beständig eine relative, d.h. für die mittleren Verwertungsbedürfnisse des Kapitals überschüssige, daher überflüssige oder Zuschuss-Arbeiterbevölkerung.“
„Wenn aber eine Surplusarbeiterpopulation notwendiges Produkt der Akkumulation oder der Entwicklung des Reichtums auf kapitalistischer Grundlage ist, wird diese Übervölkerung umgekehrt zum Hebel der kapitalistischen Akkumulation, ja zu einer Existenzbedingung der kapitalistischen Produktionsweise. Sie bildet eine disponible industrielle Reservearmee, die dem Kapital ganz so absolut gehört, als ob es sie auf seine eignen Kosten großgezüchtet hätte. Sie schafft für seine wechselnden Verwertungsbedürfnisse das stets bereite exploitable Menschenmaterial, unabhängig von den Schranken der wirklichen Bevölkerungszunahme.“
„Die Überarbeit des beschäftigten Teils der Arbeiterklasse schwellt die Reihen ihrer Reserve, während umgekehrt der vermehrte Druck, den die Letztere durch ihre Konkurrenz auf die Erstere ausübt, diese zur Überarbeit und Unterwerfung unter die Diktate des Kapitals zwingt. Die Verdammung eines Teils der Arbeiterklasse zu erzwungenem Müßiggang durch Überarbeit des andren Teils und umgekehrt, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten und beschleunigt zugleich die Produktion der industriellen Reservearmee auf einem dem Fortschritt der gesellschaftlichen Akkumulation entsprechenden Maßstab.“
„Die industrielle Reservearmee drückt während der Perioden der Stagnation und mittleren Prosperität auf die aktive Arbeiterarmee und hält ihre Ansprüche während der Periode der Überproduktion und des Paroxysmus in Zaum. Die relative Übervölkerung ist also der Hintergrund, worauf das Gesetz der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit sich bewegt. Sie zwängt den Spielraum dieses Gesetzes in die der Exploitationsgier und Herrschsucht des Kapitals absolut zusagenden Schranken ein.“.
„Die Nachfrage nach Arbeit ist nicht identisch mit Wachstum des Kapitals, die Zufuhr der Arbeit nicht mit dem Wachstum der Arbeiterklasse, so dass zwei voneinander unabhängige Potenzen aufeinander einwirkten. Das Kapital agiert auf beiden Seiten zugleich. Wenn seine Akkumulation einerseits die Nachfrage nach Arbeit vermehrt, vermehrt sie andrerseits die Zufuhr von Arbeitern durch deren ‚Freisetzung‘, während zugleich der Druck der Unbeschäftigten die Beschäftigten zur Flüssigmachung von mehr Arbeit zwingt, also in gewissem Grad die Arbeitszufuhr von der Zufuhr von Arbeitern unabhängig macht. Die Bewegung des Gesetzes der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit auf dieser Basis vollendet die Despotie des Kapitals.“ (Karl Marx, Das Kapital Bd.1, MEW 23, SS. 658, 661, 665 f., 668, 669)
Bleibt noch eins hinzuzufügen: der großartige
Fortschritt, den das 20. Jahrhundert mit seinen sozialen
Errungenschaften gebracht hat. Wo Marx nämlich noch im
Konjunktiv redet – ‚als ob das Kapital die
Arbeiterreserve auf seine eigenen Kosten großgezüchtet
hätte‘ –, da sorgt der Sozialstaat für klare
Verhältnisse: Er „züchtet“ die jederzeit
verfügbare menschliche Manövriermasse für jedes
kapitalistische Bedürfnis nach Lohnarbeit heran; und
zwar, wenn man so will, „auf Kosten“ des Kapitals, weil
ja, wie gesagt, überhaupt alles, wovon Lohnarbeiter
leben, Kosten fürs Kapital – und fürs Kapital nichts als
Kosten… – sind; sinnigerweise aber so, dass diese Kosten
zu Lasten des Lohns gehen, von dem die akut
„Beschäftigten“ leben müssen. Und wo Marx den quasi
anonymen ‚Druck‘ erwähnt, der von der „industriellen
Reservearmee“ „auf die aktive Arbeiterarmee“ ausgeübt
wird, da ist eben nicht erst seit dem Jahre 2002 der Herr
Florian Gerster einzusetzen, sondern die Bundesanstalt
für Arbeit, seit es sie gibt: Die organisiert
mit ihren mittlerweile 90000 Angestellten die
versicherungstechnische resp. sozialhilfemäßige
Reproduktion arbeitsloser Lohnabhängiger genau so, dass
deren Wieder- oder Neu-Beschäftigung mit einer
allgemeinen Verbilligung einhergeht und dass von der
Masse der Arbeitslosen eine permanente Drohung für
diejenigen ausgeht, die es als Glück empfinden und
schätzen sollen, überhaupt „einen Arbeitsplatz“ zu
„besitzen“, und an den Konditionen nichts herumzumäkeln
haben. So tut der Sozialstaat gerade mit allen
seinen Vorkehrungen, die er fürs Überleben einer
„Reservearmee“ von Arbeitskräften trifft, das Seine und
das Nötige dazu, dass sich mit dem Ding namens
‚Arbeitsmarkt‘ die Despotie des Kapitals
vollendet
.
„Aktive Arbeitsmarktpolitik“ mit „Job-Aqtiv“, „Profiling“, „Eingliederungsvereinbarungen“ und „privater Vermittlung“: Die Ausgestaltung der Arbeitslosigkeit zum Vollzeitberuf
Und jetzt nehmen die bürgerlichen Sozialpolitiker der neuesten Generation dem arbeitslosen Fußvolk, das sie so sinnreich in Reserve halten, übel, dass es Geld kostet! Jeder Euro, den sie den „Beschäftigten“ abknöpfen, um dem Kapital per Aufbewahrung seiner Opfer eine unerlässliche Bedingung für die reibungslose Abwicklung der Konjunkturen seines Wachstums bereitzustellen, reut sie unter dem Gesichtspunkt, dass da Geld verbraten statt verdient – und an die staatlichen Kassen abgeführt… – wird. Ihr ‚Arbeitsmarkt‘ ist nichts anderes als der staatlich organisierte Selbstbedienungsladen des Kapitals, zur Selbstbedienung nämlich an der von ihm selbst „freigesetzten“ „Reservearmee“; aber sie verschwören sich auf das Ideal eines von überschüssigen „Angeboten“ geräumten Arbeitskräftemarktes. Und obwohl sie wissen, dass das Arbeitslosenheer, das sie verwalten, die abhängige Variable des ‚Wachstums‘ und sonst gar nichts ist – das beschönigen sie auch gar nicht: zur Abwehr irgendwelcher Ansprüche an sie, auf Arbeitsplätze womöglich, stellen sie es im Gegenteil sogar selber unmissverständlich klar, – verpflichten sie sich darauf, mit all ihrer staatlichen Gewalt den ‚Markt‘ auch wirklich leer zu räumen.
Das Stichwort für beides: für ihr absurdes Ideal wie für den Zwang gegen die Betroffenen, den sie planen, heißt Vermittlung. Es umschreibt auf nette Weise den Imperativ, gegen den die Bundesanstalt in der Vergangenheit angeblich immerzu verstoßen, dem sie ab sofort in aller Entschiedenheit zu gehorchen – und das heißt vor allem: den sie an ihrer und gegen ihre Klientel kompromisslos zu vollstrecken hat. Die ersten Konsequenzen werden mit aller Härte auf dem Feld der Namen und Bezeichnungen gezogen: Das neue Amt heißt nicht mehr „Bundesanstalt“, sondern „Agentur für Arbeit“; es wird nicht als Beamtenapparat geführt, sondern nach modernen „Managementmethoden“, mit kündbarem Vorstand und materiellen Anreizen für erfolgreiche Vermittler; und die Arbeitslosen heißen „Kunden“, die sich bei der Behörde eine „Dienstleistung“ abholen. Das ist allerdings nicht nur eine Modernisierung des Jargons und Outfits. Der Dienst am „Kunden“, der seine Arbeit los ist, lässt an dem genau noch 1 Bedürfnis gelten, nämlich das nach Arbeit. Nur noch das zu befriedigen, einen – egal welchen – Anwender zu finden, für den er sich – egal, womit eigentlich, und gleich, zu welchem Preis überhaupt – nützlich machen kann: Damit will diese zukunftsorientierte Firma dem Arbeitslosen gegenüber ab sofort aufwarten, und ihren Dienst an ihm setzt sie mit der Macht gegen ihn durch, die ihr der Staat verleiht.
„Zukunftsorientierte Arbeitsförderung zielt darauf ab, möglichst das Entstehen von Arbeitslosigkeit zu verhindern und Arbeitslose so schnell wie möglich wieder in das Erwerbsleben zu integrieren. … So früh wie möglich, spätestens jedoch bei der Arbeitslosenmeldung ist zusammen mit dem Arbeitslosen ein umfassendes Bewerberprofil zu erstellen. … Das alte Recht … machte den Einsatz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente teilweise von langdauernder Arbeitslosigkeit abhängig. Auf diese Weise wurde Arbeitslosigkeit häufig verfestigt …“ [1]
Aktive, schnelle und passgenaue Vermittlung
– das
ist die vorwärts weisende Kritik der staatlichen
Arbeitslosenverwaltung an allem, was in ihrem bisherigen
Tätigkeitsfeld noch ein Moment von Versorgung der
arbeitslosen Klientel beinhaltete. Im Lichte dieser
Selbstkritik besehen nimmt sich das tatsächliche Elend,
das die Arbeitslosenverwaltung mit ihren
Rechtsvorschriften von der Bemessung des Kindergelds bis
hin zu Sperrfristen und der endgültigen Streichung von
Leistungen organisiert, als ein einziges Eldorado aus.
Die Sachverständigen für die Reformbedürftigkeit des
Sozialen im Staat jedenfalls malen der Öffentlichkeit ein
Bild von der Lebenslage eines Arbeitslosen aus, das
einfach nur den Schluss zulässt, dass der in und mit
allem, worin er sich von Staats wegen einzurichten
hat, es sich gut eingerichtet hat, und
warum sie dies tun, ist kein Rätsel: Der dort, wo er sich
gegen „die Reichen“ richtet, in gar nicht gutem Ruf
stehende „Sozialneid“ ist hier, wo die Arbeitslosen im
Visier stehen, nicht nur überhaupt keine Untugend,
sondern haargenau am Platz. Sich monatlich Geld aufs
Konto überweisen zu lassen, als Gegenleistung ein paar
Mal beim Betreuer vorstellig zu werden, sich zu
erkundigen, wie es um die Nachfrage nach einem bestellt
ist, dann wieder nach Hause zu schlurfen und auf den
nächsten Einbestellungstermin zu warten: Das sind doch
zweifelsfrei Zeichen einer einzigen – höflich gesprochen:
– Versorgungsmentalität
, die das alte Amt in
seinem Umgang mit der Kundschaft großgezüchtet und
geduldet hat. Von wegen harter Schicksalsschlag
,
der die Lohnabhängigen ohne Lohneinkommen getroffen
hätte: Schmarotzer sind sie, nicht jeder
vielleicht, aber im Grunde doch alle. Die haben es sich
doch – und da soll sich jeder gute Bürger gerne an den
Typen erinnern, den er aus seiner Nachbarschaft kennt,
und von den Vermittlern im Arbeitsamt hört man dann, dass
es eigentlich nur solche Typen gibt, – ausgesprochen
kommod eingerichtet in ihrem Leben ohne Arbeit. Die
lassen das periodisch wiederkehrende Ritual von
hoffnungslosen Anfragen bis zu noch hoffnungsloseren
Bewerbungen einfach über sich ergehen, um das Geld
einzustreichen, mit dem sie sich dann endgültig um rein
gar nichts mehr zu kümmern brauchen – machen sich es also
einfach nur bequem. Sie mit ihrem
mangelnden Willen zur Arbeit sind also genau
genommen selbst der Grund allen Übels und dafür
verantwortlich, dass ihr Status als Erwerbsloser so sehr
verfestigt
ist – und auf diese perfide Tour werden
die Arbeitslosen dafür moralisch haftbar
gemacht, was der Sozialstaat mit seiner bisherigen Praxis
an ihnen vollstreckt hat. Genau darauf nämlich,
auch als Mittellose ohne Einkommen ihre Arbeitskraft
einfach nur für eine eventuelle kapitalistische Nachfrage
parat zu halten, haben die politischen Verwalter der
Reservearmee deren Mitglieder festgelegt. Die ihnen jetzt
vorgehaltene moralische Ungeheuerlichkeit besteht in
nichts anderem als darin, dass sie den elenden sozialen
Status, auf den ihr Staat sie rechtlich festgeklopft hat,
so mit Leben füllten, wie sie es sollten: Es sich gut
eingerichtet
und ein Nest gebaut
haben die
Arbeitslosen genau so und allein dadurch, dass sie alles
taten, was von ihnen verlangt war, dass sie eben ihr
Bestes gaben, um nach keinen anderen als den geltenden
Maßstäben mit keinen anderen als den ihnen zugemuteten
Elendsverhältnissen zurecht zu kommen. Und wenn
ihnen dies jetzt zur Last gelegt wird, dann kündigt sich
damit das Vorhaben an, ihnen wegzunehmen, worin
sie sich bisher so bequem haben einrichten können.
So früh wie möglich
also gehören die Arbeitslosen
ab sofort ins Erwerbsleben integriert
, und dazu
werden sie einem Profiling
unterzogen. Das beendet
Versuche, Stellenangebote nach der bisherigen
Qualifikation, eigenen Gehaltsvorstellungen und womöglich
gar eigenen Präferenzen zu sichten und sich entsprechend
zu bewerben, noch ehe sie gestartet werden – und nicht
erst, wie bisher, nach 6 oder 12 Monaten, sofern die
Wiedereingliederung
erfolglos versucht worden ist.
Dass es so lange dauert, bis einem Erwerbslosen
schlechtere Arbeit und Entlohnung zumutbar
werden,
ist dem Sozialstaat einfach nicht mehr zuzumuten. Ab
sofort taxiert der vermittelnde Dienstleister, was für
ein Angebot sein Klient für eventuell interessierte
Nachfrager von Industrie und Handel darstellen könnte,
mit dem an ihm ermittelten Ergebnis in der Hand ist der
„Kunde“ wie immer König und kann sich prima einstellen
auf das, was in seinem Fall eine realistische
Selbsteinschätzung
ist:
„Ein solches Bewerberprofil ist nicht nur Voraussetzung für eine qualifizierte Chancenprognose und eine darauf aufbauende Vermittlungsstrategie, sondern dient auch der realistischen Selbsteinschätzung des betroffenen Arbeitslosen. … Ermittlung der beruflichen Qualifikationen und ihrer Lücken, der Berufserfahrung und der beruflichen Flexibilität, … Alter, individuelle Leistungsfähigkeit, gesundheitliche Einschränkungen, Weiterbildungsfähigkeit und -bereitschaft sowie das familiäre Umfeld und geographische Mobilität.“
Steht so fest, mit welchen zurückgeschraubten Ansprüchen
in Bezug auf Leistung und Lohn er bei einer
denkbarerweise möglichen Erwerbstätigkeit der ‚Marktlage‘
eventuell gemäß sein könnte, darf er dann sein
Profil
zu seinem Lebensinhalt machen:
„Das zweite entscheidende Merkmal des neu gestalteten Vermittlungsprozesses ist die Verpflichtung der Arbeitsämter, mit dem Arbeitslosen eine individuelle und realistische Eingliederungsvereinbarung zu schließen. … Neben den Angeboten des Arbeitsamtes muss die Eingliederungsvereinbarung die vorgesehenen Aktivitäten des Arbeitslosen … möglichst konkret festhalten. Sie ist schriftlich abzuschließen und dem Arbeitslosen auszuhändigen und fordert seine aktive Mitwirkung zur schnellen Beendigung seiner Arbeitslosigkeit. Wer dieser Verpflichtung nicht nachkommt, muss mit einer Sperrzeit rechnen.“
Durch eine konsequente Drangsalierung des „Kunden“ zur
„Mitwirkung“ an seiner eigenen Vermittlung soll Schluss
gemacht werden mit der elenden Nichtstuerei, in der die
Arbeitslosen sich bisher haben gehen lassen können. Die
ist es aus dem Blickwinkel des sozialstaatlichen
Vermittlungswahns ja, die nicht wenige überhaupt erst
dazu verleitet, nicht nur den Sozialstaat auszuplündern,
sondern sich auch noch nebenbei mit „Schwarzarbeit“ Geld
zu verdienen. Letzteren insbesondere, aber
selbstverständlich grundsätzlich jedem anderen auch, der
zur „Vermittlung“ ansteht, soll die Zeit, die er ja
reichlich hat, so mit Verpflichtungen voll gestopft
werden, dass er für anderes als das Abfassen von
Rundbriefen, Klinkenputzen, Fortbilden, neuen Rundbriefen
usw. keine Zeit mehr hat. Über seine gesetzlich
dekretierte Zukunftsperspektive, die volle Arbeitszeit
von 35 Stunden für die eigene Jobsuche aufzuwenden
(ein Arbeitsberater im Gespräch mit
der SZ, 5.4.), verliert dann in der Tat mancher
die Lust, weiter als Kostgänger des Sozialstaats durchs
Leben zu wässern. „Vermittlungserfolge“ sind in ihrem
Fall zwar eher nicht zu verzeichnen. Aber es habe doch,
wie der Chef der Firma Arbeitsamt erfreut feststellt,
dank der konsequenten Umsetzung
des Gesetzes schon
relativ viele Abgänge wegen fehlender Mitwirkung
(FR, 10.4.) gegeben – und auf
eine echte Entlastung der Statistik durch einen
wirklichen Abgang der Nichtstuer kam es ja genau
an.
Wo das Zurechtkommen als Arbeitsloser von Staats wegen
als Vollzeitberuf organisiert wird, ist es natürlich eine
feine Sache, dass die geschätzte Kundschaft seit jüngstem
auch noch den Service privater Maklerdienste in Anspruch
nehmen kann, die sich aufs „Vermitteln“ von Arbeitslosen
verlegt haben – kostenlos, denn für die je nach Dauer der
Arbeitslosigkeit und Handikap des Kandidaten in
unterschiedlicher Höhe fällig werdende Courtage kommen
die Arbeitsämter auf. Die Erfinder des schönen Einfalls,
endlich auch diesen behördlichen Tätigkeitsbereich zu
„deregulieren“ und ihn dem Menschenrecht auf private
Bereicherung zugänglich zu machen, wissen
selbstverständlich, dass die zu besetzenden „Stellen“
darüber nicht mehr werden, wenn sich nun auch noch der
„Professionalismus“ über sie hermacht, mit dem ein
gesunder Erwerbssinn zur Sache zu gehen pflegt. Dass
die neue Jobvermittlung bis jetzt ein Flop
(SZ, 5.4.) ist, die
Maklerfirmen nach eigenem Bekunden für sich gar kein
Geschäftsfeld entdecken und dort, wo sie in dem einen
oder anderen Fall vielleicht doch einen „Job“ aufreißen
könnten, sich der Aufwand für sie gar nicht lohnt, tut
dem staatlichen Reformeifer keinen Abbruch – man tröstet
sich und das erwartungsfrohe öffentliche Publikum einfach
mit der Anlaufzeit
, die ja wohl jede gute Reform
braucht. Den Reformern des Vermittlungswesens entgeht
auch überhaupt nicht, dass diese Profis die Notlage ihrer
„Kunden“ auch ganz ohne jede „Vermittlung“ für sich zum
Geschäft zu machen verstehen und sie zwecks Herstellung
einer besseren Vermittelbarkeit
, für Kurse zum
Erwerb von Zusatzqualifikationen
oder auch nur mit
dem schlichten Verlangen nach Sondergratifikationen
für besonders aufwändige Leistungen
schon mal vorweg
und privat zur Kasse bitten. Da warnt man dann höheren
Ortes vor dem Missbrauch
der schönen privaten
Geschäftssphäre, die man aus dem Elend der 4 Mio.
Arbeitslosen unter staatlicher Kuratel endlich zu machen
verstand, durch schwarze Schafe
, die es ja überall
gibt – und hält eisern daran fest, mit der Freisetzung
der kapitalistischen Geschäftskalkulation das
Erfolgsrezept gefunden zu haben, das die, die
dieser Kalkulation gerade zum Opfer gefallen sind, mit
den „Jobs“ zusammenbringt, die sie brauchen: Wenn in
Sachen „Vermittlung“ zwischen privaten und öffentlichen
Dienstleistern endlich auch der selig machende
„Wettbewerb“ herrscht, können nach Auffassung
des neuen Behördenchefs wie des alten Arbeitsministers
die gewünschten Erfolge gar nicht ausbleiben. Denn wenn
die private Geldgier mit den staatlichen
Arbeitslosenverwaltern um erfolgreiches „Vermitteln“
konkurriert, dann wirkt sie wie ein Stachel im
Fleisch
(Gerster, FAZ,
10.4.) der eingesessenen Ärsche von Beamten und
Angestellten. Dann legen sich die ins Zeug, bieten
Vermittlungsgutscheine
an und betreiben aktive
Arbeitsmarktpolitik
, dass die Schwarte kracht, und
dass es an der bislang gefehlt hat, ist ja genau der
Grund allen Übels. Und wenn der Gutschein vom Arbeitsamt,
den der eine oder andere seinem privaten Vermittler
vielleicht doch irgendwann einmal überreichen kann, ihn
selbst auch nichts kostet: Bezahlt wird auch die
erfolgreiche Privat-Agentur selbstverständlich aus den
Mitteln des Fonds, den der soziale Staat in weit
vorausschauender Fürsorglichkeit aus seinen und den
Einkünften seiner arbeitenden Klassenkollegen abgezweigt
hat. Das ist der vorläufig letzte Scherz, den die
Marktwirtschaft für diese Karikatur von Arbeits‚markt‘
bereithält: Wer einen ‚Platz‘ braucht, um sich mit seiner
Arbeit für dessen Besitzer nützlich machen zu können,
kann sich ein Billet kaufen und sich mit dem Zutritt zur
Sphäre seiner Benutzung verschaffen!
An allen übrigen sozialstaatlichen Fronten: „Kampf gegen Beschäftigungshindernisse“
Mit Job-Aqtiv
, Profiling
,
Eingliederungsverträgen
und dergl.
sozialstaatlichen Hebeln wunderbar drangsalieren kann man
die Opfer des Kapitals ab sofort also viel mehr und
besser noch als bisher. Nur ändern alle gesetzlichen
Maßnahmen, mit denen man sie für ihr Pech, dass sich die
Nutzung ihrer Arbeitskraft kapitalistisch nicht lohnt,
persönlich haftbar macht und sie wegen des mangelnden
Willens, sich tauglich zu machen, zur Rechenschaft zieht,
nichts an dem marktwirtschaftlichen Gesetz,
dessen Opfer sie geworden sind: Für die kapitalistischen
Kalkulierer rentabel wird der Gebrauch der Arbeitskraft
ja nun wirklich nicht dadurch, dass deren Träger von den
staatlichen Behörden, die sie verwahren, nach Strich und
Faden schikaniert werden. Aufhalten lässt sich der
sozialstaatliche Reformeifer dadurch allerdings
mitnichten, im Gegenteil: Der entdeckt gerade in dem
Umstand, dass die Arbeitslosen auch dann nicht weniger
werden, wenn sie die Suche nach Arbeit zu ihrem
Hauptberuf machen, das nächste Versäumnis, das sich der
Staat in seinem bisherigen Umgang mit ihnen hat
zuschulden kommen lassen. Weil sie das Heer der
Arbeitslosen, das ihre Kassen belastet, endlich und
endgültig loshaben wollen, abstrahieren seine
sozialstaatlichen Verwalter erst einmal entschlossen von
der kapitalistischen Notwendigkeit, der sie es zu
verdanken haben, und reden vom Arbeiten so, dass von
einer auch nur irgendwie kapitalistisch anmutenden, auch
nur ansatzweise an eine Kostenrechnung erinnernde
Kalkulation einfach nichts mehr vorkommt: Arbeit ist für
sie Beschäftigung
, und in dieser Verklärung zum
gesamtgesellschaftlichen Gut finden sich dann
alle unterschiedlichen und gegensätzlichen Interessen,
die sich in der kapitalistischen Gesellschaft an das
eingerichtete Lohnarbeitswesen knüpfen, in dem einen und
einzig maßgeblichen harmonisch vereint und aufgehoben,
das der Staat an den produktiven Diensten seiner
Arbeiterklasse ab sofort auch noch geltend macht. Sie hat
ihm nicht nur das Wachstum zu bescheren, von dem er lebt,
sondern ihm endlich auch die Kosten erfolgreich vom Hals
zu schaffen, die der Unterhalt ihrer außer Dienst
gestellten Mitglieder ihm verursacht, und weil sie dies
unbedingt sollen, mangels Nachfrage nach ihnen aber nicht
können, steht für die staatlichen Experten fest, dass
dies nur an „Beschäftigungshindernissen“ liegen
kann. Die muss es in einer Gesellschaft, in der es allen
so sehr auf das Geben und Nehmen von Arbeit, auf das
Beschäftigen und Beschäftigt-Werden, ankommt, einfach
geben, und kaum machen sich die Reformer auf die Suche
nach ihnen, stellen sie unter Beweis, dass sie auch bei
ihrer Abstraktion „Beschäftigung“ nur die
kapitalistische Kalkulation mit der Arbeit im Kopf haben:
So gut wie alle rechtlichen und sozialpflegerischen
Einrichtungen, mit denen der Sozialstaat seine
lohnarbeitende Mannschaft, deren Reservearmee und auch
noch deren herausgefallenen Bodensatz konserviert,
stellen sich unter dem prüfenden Blick, ob sie denn
„Beschäftigung“ ermöglichen oder nicht, als ein einziges
Hindernis für eine kapitalistisch rentable
Nutzbarmachung der Arbeitskräfte im Wartestand dar. Unter
den Bedingungen, unter denen sie sich der
Nachfrage anbieten, sind sie ein einziges
„Beschäftigungshindernis“, und damit steht auch fest, was
die sozialpolitische Verantwortung dem Gesetzgeber
gebietet: Alles wegzuräumen, was den Lebensunterhalt der
Arbeiterklasse zu so einer unproduktiven Kost macht.
Das beginnt bereits dort, wo das Zustandekommen von „Beschäftigung“ an dem viel zu hohen Preis scheitert, den Arbeiter für die ihnen gewährte Gnade, sich nützlich machen zu dürfen, verlangen – wäre er nicht zu hoch, würde man sie ja beschäftigen. Also muss er auf ein Niveau gesenkt werden, das Kapitalisten endgültig von der Pflicht entlastet, für den Unterhalt der Arbeitskraft auch über den Arbeitstag hinaus zu sorgen. Mit Zuschüssen zum bezahlten Lohn wird in der sozialstaatlichen Armutsverwaltung dann praktisch der Grundsatz implantiert, dass wirklich nur noch solche Armut wert ist, über den Tag hinaus mit so etwas wie einem ‚Lebensstandard‘ bedacht zu werden, die ‚beschäftigt‘ ist, sich also irgendwie produktiv nützlich macht.[2]
Diese arbeitsmarktpolitische Leitlinie zur Gründung einer
proletarischen Unterart von Working Poor gegenüber den
Zahlungen in Anschlag gebracht, mit denen der Sozialstaat
gegenwärtig noch für den Unterhalt seiner unbeschäftigten
Armen aufkommt, stellt sich unmittelbar heraus, dass die
ein einziges Gift für „Beschäftigung“ sind. Das
ersatzweise für den als Lebensmittel entfallenen Lohn
gezahlte Arbeitslosengeld ist nämlich genau
genommen ein Ersatz-Lohn, der die Arbeitslosen vom
wirklichen Lohn nur fern hält, sie dem Markt, auf dem sie
den erwerben könnten, entzieht und darüber die
Arbeitslosigkeit verfestigt
, unter der der
Sozialstaat leidet. Ein einziger Skandal also, dass das
Arbeitslosengeld je nach Dauer der Beitragsleistungen
zwischen 6 und 36 Monate lange gezahlt und 55-Jährigen
mit ihm sogar eine Brücke in die – verminderte – Rente
gebaut wird: Das ist nicht ohne Wirkung auf die
Arbeitsmotivation
, weiß der gescheite Herr Gerster –
und plädiert für eine Reform, die die Bezieher von
Arbeitslosengeld in maximal 12 Monaten wieder tüchtig zum
Arbeiten motiviert.
Damit sie dann nicht gleich dem nächsten, bislang
jedenfalls noch bestehenden sozialstaatlichen
Auffanglager anheim fallen und es sich mit der zwar
niedriger dotierten, dafür aber – man stelle sich das
vor! – unbefristet gewährten Arbeitslosenhilfe
bequem einrichten, zieht die erste Reform sogleich eine
zweite nach sich. Der parteiübergreifende
sozialstaatliche Reformwille von Regierung und Opposition
brütet reihenweise – von 70 bis 80 ist die Rede –
Modellvorhaben
aus, von denen sich eines
origineller als das andere darum bemüht, dieses
unkoordinierte Nebeneinander
von einerseits
einkommensabhängiger Arbeitslosen- und andererseits
bedarfsabhängiger Sozialhilfe abzuschaffen. Als
einziger Bedarf, der bei diesen Armen noch von
nennenswertem Gewicht ist, steht ja der nach
„Beschäftigung“ fest, und da spricht schon sehr viel
dafür, beide System zu vereinheitlichen, indem die
Arbeitslosenhilfe rasch und vollständig in die
Sozialhilfe überführt wird.
(FAZ, 6.2.) Denn dann kosten die
Arbeitslosen den Sozialstaat nämlich nicht nur noch
weniger. Dann sind für sie bei einer Arbeitsaufnahme auch
endlich die Zumutbarkeitskriterien einschlägig, die
bislang für Penner und Obdachlose gelten. Dann haben sie
nicht nur alle Tätigkeiten anzunehmen, zu
denen sie körperlich und geistig in der Lage sind
,
sondern der staatlichen Behörde als Voraussetzung des
Leistungsbezugs auch noch – so ein Vorschlag des
brutalstmöglichen Sozialreformers aus Hessen –
nachzuweisen, wie sehr sie sich auch um solche
Tätigkeiten bemüht haben. Was heute schon nicht selten
der Fall ist, dass nämlich der Lohn für geleistete Arbeit
selbst noch unter dem von der Sozialhilfe definierten
Existenzminimum liegt, soll in Zukunft für alle diese
schwer vermittelbaren
Arbeitslosen zur
verbindlichen Richtschnur werden, und wenn sie dann als
endlich „Beschäftigte“ mit einer so lächerlichen
Geldsumme zurechtkommen dürfen, dass die Rede von einem
Lebensunterhalt purer Hohn ist, zeigt der staatliche
Zynismus wieder sein großes soziales Herz:
„Es macht keinen Sinn, dass wir alle Arbeiten, bei denen netto nicht erkennbar mehr herauskommt als Sozialhilfe, von unserem Arbeitsmarkt verdrängen bzw. in die Schwarzarbeit oder in die illegale Ausländerbeschäftigung schieben. Deswegen sollen geringe Arbeitseinkommen nicht mehr so stark mit der Sozialhilfe verrechnet werden.“ (Schäuble, in: Der Spiegel, 6/02)
In diesem Sinn machen auch die
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Bundesanstalt einfach
keinen Sinn
mehr, auch sie stehen im Grunde dem
Beschäftigen nur im Wege, weil sie die Erwerbslosen nur
von dem Arbeitsmarkt fern halten, auf dem sie sich
nützlich machen sollen. Wieder also nur vergeudet, das
viele Geld dafür. Exakt dasselbe trifft auf die vom
Arbeitsamt bezahlten Qualifikationskurse zu, und die sind
sogar, wie wissenschaftlicher Sachverstand herausgefunden
hat, für „Beschäftigung“ ausgesprochen kontraproduktiv:
Möglicherweise (…) könne die Fortbildung aber sogar
die Rückkehr in den Arbeitsmarkt erschweren. Dann
nämlich, wenn die Teilnehmer auf den zweifelhaften Erfolg
einer unsinnigen, monatelangen Fortbildung vertrauten,
statt sich sofort nach einem neuen Job auf dem ersten
Arbeitsmarkt umzusehen.
(Der
Spiegel, 9/02) Dort gibt es die entsprechenden
Angebote bekanntlich ja in Hülle und Fülle, weshalb in
Zukunft nur noch Kurse bezahlt werden, deren Träger für
die Funktion geradestehen, die eine Fortbildung
allenfalls haben kann: Sie haben sich zur erfolgreichen
Vermittlung ihrer Schützlinge zu verpflichten, und ihre
Fortbildungsleistung ist erst dann erbracht, wenn die
„Kunden“ aus den Dateien des Arbeitsamts auf Dauer
gelöscht sind.
Und so geht es dahin. Neben den Verfehlungen, die sich
die staatliche Arbeitslosenbetreuung zuzuschreiben hat,
kommen Schritt für Schritt auch noch alle Ansprüche und
Schutzbestimmungen der Arbeitskräfte gegenüber ihren
Anwendern als Beschäftigungshindernisse
in den
Blick. So gut wie alles, was den freien Zugriff des
Kapitals auf die menschliche Arbeitskraft nur irgendwie
beschränkt, wird als Ursache dafür dingfest gemacht, dass
so viele ihrer Träger keine Verwendung mehr finden.
Ältere Arbeiter und Angestellte beispielsweise sind – die
Bundesanstalt, die sie verwaltet, kann ein Lied davon
singen! – so gut wie gar nicht mehr vermittelbar
.
Schuld daran sind, so weiß man heute, wiederum
sie, nämlich in ihrer Eigenschaft, Objekte eines
besonderen Kündigungsschutzes zu sein. Mit dem wollte der
Gesetzgeber sie einst in einem Anfall von übertriebener
Fürsorglichkeit vor Unternehmern schützen, die ihre
Belegschaften stets verjüngen, weil junge Arbeitskräfte
gesünder und – dank einer Entlohnung, die noch Alter und
Betriebstreue als Gesichtspunkte berücksichtigt, –
billiger sind. Inzwischen wissen die Fachleute, was das
für ein wettbewerbsverzerrender Fehlgriff war – denn es
verhält sich genau umgekehrt und die Alten sind und
bleiben deswegen arbeitslos, weil die
Kapitalisten sie nicht nach ihrem Belieben
feuern dürfen, so dass sie mit der Abschaffung ihres
Kündigungsschutzes auch kein Beschäftigungshindernis mehr
sind.
So kommt der Sozialstaat seiner selbst auferlegten Verpflichtung nach, seiner arbeitslosen Klientel zu „Beschäftigung“ zu verhelfen: Mit der Macht seines Rechts macht er ihr Beine, wie und wo immer er nur kann. Wenn er schon nicht dafür sorgen kann, dass sie von ihrer Arbeit leben können, so kann er immerhin dafür Sorge tragen, dass die Arbeitslosen nicht mehr von ihm leben können. Über kurz oder lang haben sie einfach keine Arbeitslosen mehr zu sein, zumindest keine solchen, für deren Unterhalt er noch aufzukommen hätte. Was sie dann stattdessen sind? Darum sollen sich seine sozialen Wissenschaftler kümmern. Welche Namen für die neuen Armutscharaktere passend sind, die sich mit dem Verdienen von Kombi- und ähnlichen Löhnen, von Handgeldern für verrichtetes Tagwerk ohne oder mit Zuschuss aus einem Fonds für Lebenshilfe oder mit sonstigen Almosen für geleistete „Beschäftigung“ in seiner Reservearmee um das Existenzminimum herum bilden werden, wird man schon erfahren. Denn so zynisch ist ein Staat, der sich auf die von ihm hergestellte Not seiner Klientel als Auftrag zu ihrer weiteren Verelendung beruft und ihr das als seine soziale „Dienstleistung“ präsentiert, selbstverständlich auch noch, über die neuen Elendsgeschöpfe, die er darüber schafft, sorgsam Buch zu führen. Im übernächsten „Armutsbericht“ werden sie dann die ihnen gebührende Erwähnung finden.
[1] Dieses und die folgenden Zitate: Bundesarbeitsblatt 2/2002, S.5ff.
[2] Siehe dazu den Artikel zum „Kombilohn“ in GegenStandpunkt 1-02, S.29.