Der unerwartete Rücktritt des Bundespräsidenten trifft bei seinen Kollegen aus der „politischen Klasse“ und in der nationalen Öffentlichkeit erst einmal auf demonstratives Unverständnis. Die zunächst konsterniert gestellte Frage nach den Gründen wird dann aber zügig einer Beantwortung zugeführt...
Wie Barack Hussein Obama den Weg zum 44. Präsidenten der USA gemeistert hat, hat zu einer Orgie der Bewunderung für diesen Mann geführt. Und das nicht nur beim amerikanischen Wahlvolk und seinen meinungsbildenden Betreuern, sondern auch bei deutschen und sonstigen Weltbürgern, die ihn gar nicht wählen können. Darüber hinaus gelten Wahlkampf und Machtübernahme des ersten schwarzen Chefs der Weltmacht Nr. 1 als ein mustergültiger Beleg für die Schönheit und die Leistungsfähigkeit der Demokratie. Nicht ganz zu Unrecht.
Deutschlands dienstältester Ministerpräsident wird von seiner Partei zum Rückzug gedrängt. Ein „schwieriger Abschied von der Macht“ war es, ein „dramatisches“, ja sogar „entwürdigendes Schauspiel“. Wochenlang beherrscht das Thema die Nachrichten in Nation und Freistaat. Niemand wirft ihm verfehlte Politik vor. Eine „blendende Bilanz“ wird ihm vielmehr bescheinigt. Dennoch, nach einem halben Jahr Genörgel, losgetreten von einer bis dato völlig unbekannten Fürther Landrätin aus seiner eigenen Partei, wirft Stoiber das Handtuch und kündigt seinen Rücktritt von allen politischen Ämtern an.
In Frankreich und in England wird gewählt. In Deutschland halten Auslandskorrespondenten das Publikum auf dem Laufenden und berichten darüber, wie in diesen beiden Ländern Politiker ums „Vertrauen ihrer Wähler werben“. Irgendeine Sorte Distanz gegenüber den Kriterien, an denen sich Erfolg oder Misserfolg dieser Werbungsbemühungen bemisst, lassen sie in ihren Berichten gar nicht erst aufkommen – und klären so unfreiwillig doch darüber auf, was bei der demokratischen Wahlwerbung die Hauptsache ist: die Glaubwürdigkeit der Politiker, also die Herrscherqualitäten der Führungsfiguren.
Seit Dezember des vergangenen Jahres macht Ahmadinedschad mit einer Infragestellung bzw. Leugnung des nationalsozialistischen Genozids an den Juden von sich reden. Zu diesem verwegenen Befund beflügelt ihn freilich nicht die Liebe zur historischen Wahrheit. Sein Erkenntnis leitendes Interesse ist das, wofür das ‚schlimmste Verbrechen des 20. Jahrhunderts‘, für das sich die Bezeichnung ‚Holocaust‘ eingebürgert hat, heute bei seinen Gegnern steht.
Müntefering „kritisiert die international wachsende Macht des Kapitals und die totale Ökonomisierung eines kurzatmigen Profithandelns“, bei dem „der Mensch“ ebenso wie „die Zukunft ganzer Unternehmen und Regionen“ „aus dem Blick geraten“. Außerdem würde, so der SPD-Chef, „durch international forcierte Profit-Maximierungs-Strategien die Handlungsfähigkeit von Staaten … rücksichtslos reduziert“ und „auf Dauer unsere Demokratie gefährdet“.
Die Deutschen brauchen neue Werte und Ideale! Die alten Phrasen wie ‚Kapitalismus mit menschlichem Antlitz‘, ‚soziale Marktwirtschaft‘ oder ‚nivellierte Mittelstandsgesellschaft‘ haben ausgedient. Zur Repräsentation dieses Standpunkts haben die Unionsparteien und die Liberalen Horst Köhler ins Amt des Bundespräsidenten gehievt, und der macht seinen Job den Erwartungen entsprechend: Gleich zu Beginn seiner Amtszeit stößt er eine sehr grundsätzlich angelegte Renovierung der deutschen Gesinnungswirtschaft an.
Die Besetzung des verfassungsrechtlich höchsten Postens, den Deutschland zu vergeben hat, ist Sache der Bundesversammlung, die sich alle fünf Jahre trifft und feierlich den „Ersten Bürger im Staate“ inthronisiert. Sie loben einen der Ihren als den „Besten“ aus und präsentieren das Ergebnis ihrer internen Machtkonkurrenz vor laufenden Kameras. Diesmal aber soll das heitere Präsidentenraten zum „Schmierentheater“ missraten sein.
Die Rücktrittsdrohung ist der große Test des Kanzlers auf seine politische Führungsfähigkeit. Abgeordnete mit inhaltlichen Einwänden sollen die Klappe halten und zustimmen, damit die Partei Geschlossenheit demonstriert. „Politische Willensbildung“ in demokratischen Parteien bedeutet in diesem Fall, dass die Führung es schafft, den Gehorsam des Parteivolks zu erzwingen.