Die von investigativen Journalisten ausspionierte „Geheimkonferenz“ in einer Potsdamer Villa wirkt ungeheuer mobilisierend. Dort hatten rechte und rechtsradikale Politiker mit Gesinnungsgenossen über die massenhafte Deportation von hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund, darunter – was offenbar das Schlimmste ist – auch solchen mit deutschem Pass, beraten. Die Enthüllung rückt ins Licht, wozu die Rechtsaußen-Partei womöglich, wenn sie an die Macht kommt, fähig und willens sein könnte.
Das Jahr 2020 hat gerade seinen ersten Monat hinter sich, da produzieren die politischen Parteien, die nicht nur Deutschland im Allgemeinen, sondern sein thüringisches Herzland im Besonderen regieren wollen, ein paar schöne Highlights der demokratischen Kultur der Nation.
Faschismus – das weiß jeder, das hat man gelernt – ist das Gegenteil von Demokratie: Unrechtsherrschaft statt Herrschaft des Rechts; speziell der deutsche Nationalsozialismus ein System des Verbrechens, das alle Errungenschaften neuzeitlicher Politik außer Kraft setzt. Und trotzdem: Lange nach Hitlers Ende sind Warnungen vor einer jederzeit drohenden Wiederkehr des Faschismus an der Tagesordnung: Eine dauernde Gefahr soll er sein, die nur durch eine unermüdliche Anstrengung aller Demokraten in Schach gehalten werden kann.
Dass der Linkspartei bei den Landtagswahlen im Osten viele ‚ihrer‘ linken Wähler zu den Rechten übergelaufen sind, hat ihr zu denken gegeben: Stehen ihre Werte und Ziele nicht für das gerade Gegenteil von Nationalismus und rechter Ausländerhetze; für internationale Solidarität mit Armen und Schwachen, Weltoffenheit und Aufklärung? Seitdem erklärt sich die Partei, wie es zu dem radikalen Umschlag politischer Orientierungen hat kommen können und wie sie diese, immer noch ‚ihre‘ Wähler wieder einfangen kann.
Für die aktuellen Erfolge von AfD und Pegida hat der Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzende Gabriel eine Erklärung. „In die Gesellschaft hat sich ein Satz gefressen: ,Für die Flüchtlinge macht ihr alles, für uns macht ihr nichts‘. Der Satz ist supergefährlich“ (FAZ, 6.3.16), weil die neuen Rechten den etablierten Parteien mit solchen Sätzen Wähler bzw. Anhänger wegnehmen.
Ein Norweger namens Breivik sprengt erst ein Gebäude im Regierungsviertel in Oslo in die Luft, bevor er auf einer nahe gelegenen Insel über siebzig junge Leute erschießt, die an einem multikulturellen Feriencamp der sozialdemokratischen Partei teilnehmen. Die Gründe für seine Tat hat er in einem dickleibigen Manifest niedergelegt, das er ins Internet stellt. Er will mit seinem Blutbad nichts Geringeres erreichen als die Rettung des christlichen Abendlandes vor dem Islam, der sich als Todfeind in den europäischen Gesellschaften eingenistet hat.
Neonazis marschieren mal wieder auf. Antifaschisten demonstrieren dagegen, dass die Rechtsradikalen undemokratische, ausländerfeindliche, rassistische oder nationalistische Parolen grölen: „Ausländer raus!“, „Volksgemeinschaft statt Globalisierung!“ oder „Arbeitsplätze für Deutsche!“
Der Aufschwung der faschistischen Konkurrenz gilt den demokratischen Abonnenten der Regierungsgewalt als politisches Unglück, für das manche aber durchaus Zuständige benennen können. Das ist man als im Parteienwettbewerb stehender Demokrat diesem schönen System schuldig, das man einerseits vor den rechten Nicht-Demokraten „retten“ muss und andererseits vor der Unfähigkeit der demokratischen Mitbewerber, die die Rechten stark macht.
Regierung wie Öffentlichkeit basteln an einem demokratischen Umerziehungsprogramm gegen den „dumpfen“ und für einen rundum sympathischen und funktionellen demokratischen Rassismus – schließlich können auch Ausländer ganz schön nützlich für Staat und Gesellschaft sein!
Frankreichs bürgerliche Rechte spaltet sich in der Frage des zweckmäßigen Umgangs mit einer faschistischen Alternative, für deren Programm sie selbst die Vorlagen geliefert hat.