Kapitalismuskritik auf der Bestsellerliste – Wie geht das? Kapitalismus – der Irrsinn einer Produktion um ihrer selbst willen, von niemand gewollt und doch durch und durch verachtenswert – müsste nicht sein: Wenn er selbst das erkennen würde, wäre der Weg nicht weiter als 800 Seiten zur Selbstheilung der Gesellschaft. Also Unterhaltungsstoff für ein gar nicht so seltenes abstrakt anti-kapitalistisches Ressentiment.
Linke wollen (sich) nicht den Kapitalismus sondern die Revolutionsresistenz des modernen Proletariats erklären. Die Notwendigkeit fürs Mitmachen entdecken sie entweder im totalen Systemzwang, der automatisch auch die geistige Anpassung produzieren soll, oder im verdorbenen Charakter der Ausgebeuteten, die sich vom Kapital mit einem guten Leben bestechen lassen.
Analyse von Standpunkt und Argumentation des linken Sprachrohrs gegen Nationalismus und Rassismus: statt Erklärungen ganz viel Enthüllungen von altem und neuem Nazitum. Öffentliche Ideologien über die Gutheit deutscher Politik werden mit ihrem Gegenteil blamiert und auf einen falschen Grund zurückgeführt: am deutschen Nationalismus kritisiert man nicht den Nationalismus, sondern beschimpft den hässlichen deutschen Charakter.
Klarstellungen zu Gremlizas Zurückweisung der Kritik an „konkret“ (ab S. 41 in diesem Heft): Gremliza zeigt sich in seinen moralischen Richtersprüchen gegen das „Deutschtum“ als negativer Nationalist, der jede Erklärung des Nationalismus für eine Entschuldigung seiner „Monstrosität“ hält. Dagegen fordert er Fesseln für den ewigen deutschen Nationalismus, angelegt ausgerechnet von einer starken inneren Polizeigewalt und durch ausländische Staaten.
Die linke, eloquent ausgebreitete Selbstaufgabe wirft ein schlechtes Licht auf die Logik der bisherigen Kapitalismuskritik: vom berechtigten und geschichtlich notwendigen Kampf über die eigene Rechtfertigung mit der Machbarkeit eines realen Sozialismus zur Enttäuschung über dessen letztlich doch bloße Fiktivität. In diesem Licht erscheint der Kapitalismus, weil real, schlagartig viel besser als früher gedacht, und Linke können als moralisch glaubwürdige und verantwortliche, also konstruktive Kritiker endgültig ihren Frieden mit ihm schließen.
Rezension von: „Sieben Anstrengungen, den vorläufigen Endsieg des Kapitalismus zu begreifen“, Georg Fülberth, Hamburg 1991. Argumente gegen das Bemühen von Fülberth, die Perspektive seiner Kapitalismuskritik der „Realität“ anzupassen: trotz der beeindruckenden Lebensdauer des Kapitalismus lässt sich Kritik an ihm halten – als daneben tretende Idee, die sich selbst anspruchslos auf eine reifere Zeit vertagt.
Die verkehrte Gleichsetzung von realem Sozialismus und Kapitalismus als Mittel, dem Kapitalismus sein (zukünftiges) Scheitern zu prognostizieren. ‚Misserfolg!‘: Kurz‘ falscher Maßstab der Kritik am System und seine Leistung: ‚Links sein geht‘. Die falsche Kapitalismuskritik: Verwandlung von Geld, Ware, Kapital in einen einzigen Fetisch, der die Menschen zu Marionetten macht. Die Kurz‘sche Geschichtsphilosophie: Elitäres Durchblickertum statt Kritik.
Auch in der BWL gibt es einen kritischen Diskurs. Und zwar, wie unser „Standardwerk“ erläutert, in der Hauptsache zwischen einer „wirtschaftstheoretisch fundierten“ BWL, der Wöhe anhängt, und einer „verhaltenswissenschaftlich orientierten“, die Wöhe ablehnt, weil sie seiner Meinung nach von einem völlig „wirklichkeitsfremden“, „idealistischen Menschenbild“ ausgeht.
Die Syriza-Regierung und ihre Griechen haben auch Freunde in Deutschland, die sie gegen die allgemeine öffentliche Hetze in Schutz nehmen und für die sie Hilfe nicht nur befürworten, sondern diese so ernst nehmen, dass sie dem „Dritten Hilfspaket der Eurogruppe“ ihre Zustimmung im Parlament verweigern, weil das den Namen Hilfe nicht verdient. „Die Linke“ ist – was ihr einige Häme seitens der SPD einträgt – solidarisch mit Tsipras, indem sie gegen das votiert, was er akzeptiert und nun durchsetzt: Er wurde eben erpresst.
Faschismus – das weiß jeder, das hat man gelernt – ist das Gegenteil von Demokratie: Unrechtsherrschaft statt Herrschaft des Rechts; speziell der deutsche Nationalsozialismus ein System des Verbrechens, das alle Errungenschaften neuzeitlicher Politik außer Kraft setzt. Und trotzdem: Lange nach Hitlers Ende sind Warnungen vor einer jederzeit drohenden Wiederkehr des Faschismus an der Tagesordnung: Eine dauernde Gefahr soll er sein, die nur durch eine unermüdliche Anstrengung aller Demokraten in Schach gehalten werden kann.