Seit einigen Jahren hat die Welt den rasanten Aufstieg einer neuartigen Technologie zur Gewinnung von „unkonventionellen“ Öl- und Gasressourcen in den USA kennengelernt – und damit auch ein neues Fremdwort: „Fracking“. Zwar wird die Technologie schon kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sporadisch angewendet, aber im kapitalistischen Sinne produktiv, nämlich rentabel, ist ihr Einsatz erst neulich geworden.
Geschichte wie Ende dieses Großprojekts einer europäisch russischen ‚strategischen Partnerschaft‘ bei der Energieversorgung Europas beweisen, dass die Sicherung der Verfügung über Energie als dem elementaren Lebensmittel des kapitalistischen Getriebes in Europa eine imperialistische Affäre erster Güte ist: ein Kampf darum nämlich, möglichst weitgehend Herr auch über die einschlägigen auswärtigen Quellen des nationalen Wachstums zu sein.
Die Versorgung des nationalen Geschäfts mit der für jeden kapitalistischen Zweck aufbereiteten Energie ist ebenso wie die periodische Umwälzung dieser Versorgung ein dauerndes Anliegen der politischen Standortverwaltung.
Ende des Jahres 2010 macht auf allen Titelseiten ein chinesischer Bergarbeiter Karriere, der auf seinem Rücken einen Sack Seltener Erden schleppt. Er steht als Sinnbild dafür, dass „die Schätze dieser Erde“ (SZ), genauer Chinas, nicht mehr so zuverlässig und preisgünstig wie bislang ihren Weg zu „uns“ finden.
Anfang Januar eskaliert wieder einmal der Streit zwischen Russland und der Ukraine um den Gaspreis, so dass in Europa kein Gas mehr ankommt. Die öffentliche Befassung mit der Sache erfolgt durchgängig im Beschwerdeton – „Wo bleibt unser Gas?“ –, der eine flotte Einigung der streitenden Nationen verlangt, vor allem von einer: Russland soll aufhören, seine Energiemacht wieder einmal als „politische Waffe“ zu missbrauchen. Womit wohl weniger gesagt sein soll, dass Energiepreise normalerweise auf den Bäumen wachsen.
Ein bisschen merkwürdig ist die derzeitige Aufregung über den Aufschwung des Elends in Sachen Ernährung schon. Hunger ist schließlich eine beständige Begleiterscheinung der modernen Welt, wird regelmäßig zu hohen Feiertagen von humanitären Verbänden zum Thema gemacht, der privaten Barmherzigkeit und Spendenfreude anempfohlen und ebenso regelmäßig wieder zugunsten anderer Themen abgesetzt.
Zu Jahresbeginn werden die Gas- und Öllieferungen zwischen Russland und Weißrussland unterbrochen. Auch wenn diese Störung weit davon entfernt ist, irgendwo in Europa eine Versorgungslücke aufzureißen, Energieversorgungsunternehmen samt Regierungen nützen vielmehr die Gelegenheit, sich und ihre erstklassige Vorsorgewirtschaft vorzuführen – Deutschland und seine Wohnzimmer werden dennoch für außerordentlich betroffen erklärt: „Frostgefahr im Wohnzimmer. Was, wenn Gazprom uns den Hahn abdreht?“
In seiner diesjährigen Botschaft an die Nation hat der amerikanische Präsident eine Wende in der Energiepolitik angekündigt. Unter dem Titel „Advanced Energy Initiative“ (AEI) hat er ein Programm auf den Weg gebracht, mit dem laut US-Regierung „Amerikas Abhängigkeit von auswärtigen Energiequellen gebrochen“ werden soll. Hier, so Bush, habe die Nation „ein ernstes Problem: Amerika ist süchtig nach Öl“. Um diesem misslichen Sachverhalt ein Ende zu setzen, verkündet Bush „das große Ziel, mehr als 75 % der Ölimporte aus dem Mittleren Osten bis 2025 zu ersetzen“.
Mitte Juli treffen sich die Großen 8 im frisch angestrichenen St. Petersburg. Ausweislich des Namens der Veranstaltung steht die Weltwirtschaft zur Befassung an; aber niemand ist sonderlich darüber erstaunt, dass dann die meiste Zeit auf den neuen Krieg im Libanon verwendet wird. Auch wenn es sich wie ein Themenwechsel anhört – der Hizbullah ist ja eine etwas andere Materie als der Dollarkurs, der Ölpreis oder die Schuldenländer –, ist der Gipfel damit nicht von seiner Hauptaufgabe abgekommen.