Nationale Energiewende mit globaler Perspektive
Imperialistische Konkurrenz um die lohnende Rettung des Weltklimas

Die Versorgung des nationalen Geschäfts mit der für jeden kapitalistischen Zweck aufbereiteten Energie ist ebenso wie die periodische Umwälzung dieser Versorgung ein dauerndes Anliegen der politischen Standortverwaltung. Deren Energiepolitik geht es darum, dem Kapitalstandort als elementare Konkurrenz- und Funktionsbedingung die Ware Energie in der benötigten Form und Quantität zu verschaffen, möglichst gemäß dem vierfachen Zweck: flächendeckend verfügbar, sicher unter nationaler Kontrolle, als Geschäftsartikel lohnend und zugleich preiswert. Aktuell besagt das: Der Maßstab für den Ausbau der Erneuerbaren Energien muss Planbarkeit und Kosteneffizienz sein, und er muss dafür sorgen, dass unsere Industrie im weltweiten Wettbewerb bestehen kann. (Regierungserklärung Merkel, 29.1.14) Wenn das Produkt am Standort weniger Probleme durch die Vergiftung von Natur und Mensch bereitet, also bei vernünftigen Preisen ökologisch akzeptabel ist, wird auch das gerne genommen.

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Nationale Energiewende mit globaler Perspektive
Imperialistische Konkurrenz um den Weltmarkt für erneuerbare Energien

I. Deutschland plant eine Energiewende

Die Versorgung des nationalen Geschäfts mit der für jeden kapitalistischen Zweck aufbereiteten Energie ist ebenso wie die periodische Umwälzung dieser Versorgung ein dauerndes Anliegen der politischen Standortverwaltung. Deren Energiepolitik geht es darum, dem Kapitalstandort als elementare Konkurrenz- und Funktionsbedingung die Ware Energie in der benötigten Form und Quantität zu verschaffen, möglichst gemäß dem vierfachen Zweck: flächendeckend verfügbar, sicher unter nationaler Kontrolle, als Geschäftsartikel lohnend und zugleich preiswert. Aktuell besagt das: Der Maßstab für den Ausbau der Erneuerbaren Energien muss Planbarkeit und Kosteneffizienz sein, und er muss dafür sorgen, dass unsere Industrie im weltweiten Wettbewerb bestehen kann. (Regierungserklärung Merkel, 29.1.14) Wenn das Produkt am Standort weniger Probleme durch die Vergiftung von Natur und Mensch bereitet, also bei vernünftigen Preisen ökologisch akzeptabel ist, wird auch das gerne genommen.

Die neue deutsche Energiepolitik soll wegführen von brennbaren Bodenschätzen, jedenfalls von solchen, die auswärtiger Hoheit und der preistreibenden Zugriffskonkurrenz durch neu aufgestiegene kapitalistische Großmächte wie China mit seinem berüchtigten Energiehunger unterliegen. Zu den Ansprüchen einer führenden Weltwirtschaftsmacht passt es offenbar nicht gut, auf Energiequellen unter fremder Hoheit zugreifen zu müssen: Der Standort ist deren Preisentwicklung ohne entscheidenden Einfluss ausgesetzt, und seine nationale Verwaltung verfügt auch nicht über die hoheitlichen Mittel, die Versorgung gegen politische Gefährdungen sicherzustellen. Deshalb setzt Deutschland seine Energiewende ins Werk, tendenziell weg von der Kohlenstoffwirtschaft und hin zu einer Energieversorgung, die sich auf den Kredit und die technologischen Potenzen der deutschen Weltwirtschaftsmacht stützt und die langfristig die Energie, derer der Kapitalismus bedarf, als reproduzierbaren Geschäftsartikel verfügbar machen soll. Die Politik weist dem Gelingen der Umstellung höchste Priorität zu: Es geht um eine Überlebensfrage des Kapitalstandorts in der Weltkonkurrenz der Staaten.

Neue Energie für Deutschland und die Welt

Die Aufgabe verlangt eine neue Energiebewirtschaftung – längerfristig in allen kapitalistischen Nutzungssektoren, kurz- und mittelfristig in der Stromwirtschaft –, deren zentraler Roh- und Treibstoff nicht mehr fossile Energieträger, sondern Technologien sind, mit deren Hilfe sich die frei zugänglichen Energie-ressourcen Wind, Sonne, Bioenergie und die vergessene Energiequelle: Verbrauchseinsparung anzapfen lassen. Die neuen Quellen nationaler Energieversorgungssicherheit sollen künftig industriell herstellbar, also ganz das Warenprodukt einer technologisch führenden Weltwirtschaftsnation und ihrer Kapital- und Kreditmacht sein. Darin liegt zugleich der imperialistische Nutzwert der Energiewende für vorausschauend kalkulierende deutsche Standortpolitiker, die den deutschen Konkurrenzerfolg in der globalen Reichtumskonkurrenz aus seiner unerträglichen fossilen Rohstoffabhängigkeit vom Ausland befreien wollen. Dabei steht in jedem Fall fest, dass die Umstellung auf erneuerbare Energien dem harten Kriterium ihrer Tauglichkeit für das nationale Kapitalwachstum unterliegt. Daran haben sich die neuen technologischen Mittel zukünftiger nationaler Energieautonomie in jeder Hinsicht zu bewähren: Erstens sollen sie kostengünstig Strom liefern – nicht erst als Jahrhundertprojekt in ferner Zukunft, sondern so bald wie möglich und mit wachsenden Beiträgen zum Gesamtbedarf. Und zweitens müssen sich die neuen Energiewaren international vermarkten lassen, also zu einem weiteren deutschen Exportschlager werden (Regierungserklärung, ebd.), was die Ausstattungskosten für die heimische Versorgung senkt und den von der deutschen Exportnation erfolgreich besetzten Märkten neue Geschäftsbereiche der Energietechnik hinzufügt, auf denen sie sich als kommerzieller und technologischer Pionier lukrative Vorsprünge vor den Konkurrenten zu sichern hofft.

Zur Umstellung gehört, dass die regenerativen Energiequellen bis auf weiteres nicht wettbewerbsfähig sind. Die erneuerbaren Energien zum Rückgrat der deutschen Energieversorgung auszubauen, bedarf also des politisch organisierten Aufbaus eines neuen Konkurrenzfeldes für diesen Geschäftszweig und seiner gesetzgeberischen Unterstützung nebst einer langfristig angelegten milliardenschweren Subventionierung aus staatlich beschafften Geldern. Dabei handelt es sich im Übrigen um keine historische Neuheit. Die Politik hat die Erzeugung und Verteilung elektrischer Energie bekanntlich mit viel Staatsgeld eingerichtet, einige Zeit lang für die Verbraucher gebührenpflichtig als öffentliche Daseinsvorsorge betrieben und nach dieser Vorleistung für die Infrastruktur des Standorts den Großteil der nationalen Stromversorgung als vielversprechendes Geschäftsfeld in die Hände großer Kapitalgesellschaften übergeben. Auch danach haben sich die zuständigen staatlichen Stellen stets politisch und finanziell um den Erfolg der privatisierten nationalen Energieversorgung bemüht: Mit Krediten und Steuervergünstigungen, mit der Entlastung in Risiko- und Entsorgungsfragen und der Beseitigung politischer Widerstände haben sie ihren privaten Energieriesen den Einstieg ins kapitalintensive Atomgeschäft erleichtert, ihnen jahrzehntelang mit Milliardensubventionen billige Stein- und Braunkohle verschafft und später ihren Aufwuchs zu marktbeherrschenden Unternehmen zu Hause und in großen Teilen Europas wirtschaftspolitisch konstruktiv begleitet. Gerade der internationale Erfolg der großen nationalen Champions hat den widersprüchlichen Weg zwischen dem Interesse der Staatsmacht an Versorgungssicherheit bei standortverträglichen Strompreisen einerseits und dem Geschäftsinteresse ihrer kapitalstarken großen Versorger andererseits immer wieder gangbar gemacht.

Auch die laufende Energiewende kostet erst einmal und verteuert zunächst für den energiepolitischen Vorreiter kurz- und mittelfristig die nationale Stromversorgung, die gerade zu dem Zweck ihrer Sicherung und Verbilligung so radikal reformiert werden soll. Die politisch Verantwortlichen lassen sich von solchen Widersprüchen nicht aufhalten, sondern betreuen sie, den heute geltend gemachten Notwendigkeiten entsprechend, in Form eines Gesetzes über die erneuerbaren Energien (EEG): Das garantiert in seiner ersten Auflage den neuen Stromproduzenten als Investitionsanreiz eine für 20 Jahre fixe Vergütung für ihre Lieferungen, verfügt eine gesetzliche Pflicht der Netzbetreiber zur Netzanbindung für die neu strömenden Energiequellen und spricht ihrem Produkt gegenüber den alten Energieträgern den Vorrang bei der Einspeisung in die Stromnetze zu. Und der Gesetzgeber ernennt darüber hinaus – ohne sich selbst vorzudrängen – einen potenten Sponsor für die Förderkosten des vorerst teurer produzierten Stroms: Den Übertragungsnetzbetreibern, die den Ökostromlieferanten die angelieferte Ware vergüten und sie an der Strombörse weiter vermarkten, wird erlaubt, die Differenz zwischen dem erzielbaren Marktpreis der Energie und der höheren Garantievergütung als EEG-Umlage auf den Strompreis des Letztverbrauchers abzuwälzen. Dabei achtet das Gesetz strikt auf die Vermeidung unangemessener Gleichmacherei zwischen den Letztverbrauchern: Solche, die ihren Strom produktiv, also zum Zweck der gewerblichen Gewinnerzielung beim Betrieb stromintensiver Industrien verbrauchen, werden wegen dieser gemeinwohldienlichen Bemühungen großzügig von der Umlage befreit, um ihnen gegenüber der europäischen und globalen Konkurrenz zusätzlich zu ihrer produktiven Schlagkraft den Vorteil geringer Energiekosten zu verschaffen oder zu erhalten. Bei denen, die die Umlage bezahlen – in der Masse die privaten Haushalte, aber eben auch die nicht befreiten Kapitale – wird eine entsprechende Elastizität ihrer Zahlungskraft unterstellt, die sie zugunsten der großen Gemeinschaftsaufgabe Energiewende entsprechend umzusortieren haben.

Darüber hinaus sorgt das EEG dafür, dass das gesamte technische Spektrum der Erzeugung erneuerbarer Energie – von allen Sorten der Wasserkraft, Solar- und Windenergie bis zum Biogas aus Haus- und Agrarabfällen – in Form abgestufter Vergütungen mit Förderung bedacht wird, um die Entwicklung aller verwertbaren Technik auf dem Standort anzureizen. So soll ein diversifizierter regenerativer Energie-Mix ins Werk gesetzt werden.

Diese Fördermechanik zusammen mit der kostengünstigen Kreditfinanzierung der neuen Energiequellen durch die größte nationale Förderbank der Welt mit ihrer erstklassigen Bonität, die staatseigene KfW, die bis 2020 100 Mrd. in die Nutzung der erneuerbaren Energien stecken will, sorgt für das attraktive Rendite-Risikoprofil, das kleine und große kapitalistische Geldanleger für ein massenhaftes Investment in Deutschlands neue Energiebewirtschaftung brauchen. Darüber soll der Aufwuchs einer neuen technologisch dominanten Energieindustrie zustande kommen. Die hat nicht nur die Ware für eine sichere Bedienung des Strombedarfs zu Hause zu liefern, sondern auch den staatlich herbei gehebelten deutschen und europäischen Markt für erneuerbare Energien als Mittel und Basis ihrer Weltmarkteroberung zu nutzen, damit aus dem Konkurrenznachteil, der zunächst mit den Kosten des Projekts verbunden ist, ein dauerhafter Vorteil des Exportgroßmeisters auf dem künftigen Wachstumsmarkt für saubere Energietechnik werden kann.

Nach Fukushima verordnet die deutsche Standortpolitik ihrem energieimperialistischen Programm eine Beschleunigung und setzt es durch den politisch beschlossenen „Atomausstieg“ unter einen verwegenen Erfolgszwang. Das katastrophenträchtige Restrisiko, das die deutsche Energiepolitik mit der Atomkraftnutzung ihrem Standort und seinen Insassen im Dienste einer sicheren und kostengünstigen Stromversorgung bislang zugemutet hat, erfährt eine grundsätzliche Neubewertung: Es gibt kein weiteres vergleichbares Land auf dieser Welt, das eine solch radikale Veränderung seiner Energieversorgung anpackt (Regierungserklärung, ebd.) – und im selben Zug zu dem Urteil kommt, dass es politisch zu verantworten ist, der Kapitalstandort es sich also leisten können muss, sein strahlendes Standortrisiko mittelfristig loszuwerden und daraus sogar Vorteile zu schlagen: Wenn diese Energiewende einem Land gelingen kann, dann ist das Deutschland (ebd.). Mit beachtlichem Selbstbewusstsein setzt die politische Führung auf die neue Technik und das Auslaufen der nuklearen Stromerzeugung, weil sie den Potenzen der nationalen Ökonomie zutraut, auf Basis der Erfahrungen mit der schon seit einem Jahrzehnt laufenden Energiewende eine überlegene Alternative zur Atomkraft ins Werk setzen zu können. Mit dem Verzicht auf die Nutzung der Risikotechnologie bei der Herstellung nationaler Energieautonomie erklärt die energiepolitische Neuorientierung es gleichsam zum Sachzwang, dass neben fossiler Brückentechnologie vor allem die erneuerbaren Energien und ihr beschleunigter Ausbau entlang des Ausstiegspfads für den technischen und wissenschaftlichen Ersatz des abgeschalteten Atomstroms zu sorgen haben.

Die deutsche Energiewende muss das Weltklima retten

Für die Stiftung eines internationalen Umfeldes, auf dem sich die Potenzen des deutschen Fortschritts bei der Entwicklung weltmarktgängiger Energietechnologie entfalten können, haben sich deutsche Energiepolitiker bekanntlich zu diplomatischen Vorreitern eines ambitionierten internationalen Klimaschutzes ausgerufen: Deutschlands Bemühungen um seine Energiewende finden zeitgleich mit weltweiten Bestrebungen der kapitalistischen Großmächte statt, die danach trachten – zumal nach der kriegerischen Neuordnung des Broader Middle East durch die USA –, ihre Abhängigkeit von den Preisen und der Verfügbarkeit fossiler Brennstoffe mittels des vermehrten Einsatzes regenerativer Energien zu reduzieren.

Daraus versucht Deutschland auf diplomatischem Wege eine unumkehrbare Tendenz mit völkerrechtlicher Verbindlichkeit zu machen, unabhängig von jederzeit widerruflichen politischen Kalkulationen. Die deutschen Bemühungen um nationale Versorgungssicherheit und um eine vorteilhafte Konkurrenzlage beim Geschäft mit den Erneuerbaren auf dem Weltmarkt gehen dann auch nicht ohne höchstwertige Beschwörungen ab: Das Weltklima im Allgemeinen und zivilisierte Küstenstreifen nebst exotischen Atollen im Besonderen müssten durch CO2-senkende Energietechnik vor Schäden durch drohende Überhitzung gerettet werden, die Treibhausgase unverantwortlicher Emittenten seien zu ächten – und das alles möglichst weltweit und schnellstens. So soll die von Deutschland angeheizte neue Energiekonkurrenz unter verlässliche Bedingungen und Regeln gesetzt und für Nachfolger und Nachahmer des deutschen Energiewegs gesorgt werden, weshalb an allen diplomatischen Börsen der Weltpolitik – mit und ohne UNO, in Kyoto und anderswo – Pläne zur CO2-Emissionsreduktion verhandelt werden. Auf die Vereinbarkeit der eingesetzten Instrumente mit ehernen kapitalistischen Grundsätzen wird dabei durchaus geachtet, wie schon die Idee zeigt, das Recht zur Verschmutzung der Atmosphäre zu einer kostenpflichtigen, börsengängigen Ware, den Ausstoß von CO2 also durch den nötigen Zukauf von Verschmutzungsrechten möglichst zu einem schlechten, seine Vermeidung durch Übergang zur Technologie der Regenerativen hingegen zu einem guten Geschäft zu machen. So sollen Klimaschutz und Umrüstung auf CO2-arme Energiequellen zu einer unausweichlichen marktwirtschaftlichen, also kreuzvernünftigen Notwendigkeit werden.

Deutschlands spekulative Rechnung mit diesem großen Konkurrenzprojekt setzt also darauf, dass tatsächlich auf Weltniveau ein auszunutzendes Bedürfnis nach Ökostrom aus allen möglichen regenerativen Quellen zustande kommt, sich deswegen auch die aufsteigenden und schon mächtigen Wirtschaftskonkurrenten aus ihren Berechnungen auf den Weg der energietechnischen Umrüstung mitnehmen lassen: Das soll Deutschland die Gelegenheit verschaffen, seine Energiewende – wie von der Kanzlerin ausdrücklich zum Regierungsziel erklärt – zum Exportschlager auszubauen, den globalen Markt der technischen Energieerzeugung zu seiner Bereicherungsquelle zu machen und damit die Kosten der nationalen Pionierleistungen tragbar zu halten. Der deutsche Weltmarkterfolg macht sich insoweit davon abhängig, dass die fossilen Energieträger wirklich – nicht nur für das weltweit erste Energiewendeland, sondern auch für die wichtigen Konkurrenten – immer teurer und weniger verfügbar werden; und dass der imperialistischen Weltgemeinde der feindlichen Brüder deswegen ein gemeinsamer Übergang zu einer Konkurrenz mit erneuerbaren Energiequellen ratsam und die Anerkennung eines internationalen Handlungsbedarfes in Fragen des Klimaschutzes nicht mehr abwegig erscheint, sondern als neuer Weg einleuchtet, zugleich gute Geschäfte zu machen und internationale „Führung“ auf einem wichtigen strategischen Feld der kapitalistischen Weltökonomie auszuüben.

II. Die Umsetzung in Deutschland und Europa

Mit teurem Schmutz zu sauberen Renditen – kann ja nicht immer alles gleich klappen …

Die Umsetzung der Energiewende in Deutschland und Europa geht allerdings nicht ohne gewisse systemgemäße Friktionen ab. Der europäische Handel mit CO2-Zertifikaten sollte neben dem praktisch weitgehend belanglosen Handel mit Verschmutzungsrechten zwischen Staaten auf Basis des UN-Kyoto-Protokolls seit 2005 ein beispielhaftes Handelssystem für Unternehmen innerhalb der EU stiften: Weil damit das handelbare Recht zur Verschmutzung einen kostentreibenden Börsenpreis bekam, sollte mit der Aussicht auf Kostenvermeidung durch saubere Produktion, ja sogar auf ein Zusatzgeschäft durch den Verkauf nicht mehr benötigter Verschmutzungsrechte, der Übergang zu erneuerbaren Energiequellen marktwirtschaftlich angereizt werden. Dafür wurden von Seiten der Vertragsstaaten Verschmutzungsrechte per Auktion über die Strombörsen in Leipzig und London in Umlauf gebracht, und das nicht zu knapp, weil die staatlichen Emittenten bei aller politischen Verteuerungsabsicht gegenüber den „stromintensiven“ Industrien dann doch wieder viel Rücksicht walten ließen. Dazu passt auch die Möglichkeit für die Verschmutzer, sich durch allerlei kompensatorische Umweltaktivitäten – ein paar Bäume pflanzen in Afrika oder irgendetwas ökologisch Faires in Südamerika – Zertifikate zu beschaffen. Die staatlichen Emittenten rechneten zu Beginn mit einem wachsenden Bedarf von plus 1,5 % pro Jahr ihrer beim Wachsen besonders stark schmutzenden Kapitalisten – und erleben nun schon seit längerem, dass neben anderen „Konstruktionsfehlern“ des CO2-Handels insbesondere der krisenbedingte Einbruch des Kapitalwachstums und der durch den Aufschwung der Erneuerbaren verringerte Bedarf an Zertifikaten in Europa die Verschmutzungspreise so niedrig hält, dass sie als möglichst zu vermeidende Kostenbelastung für „CO2-intensive Betriebe“ nicht mehr ins Gewicht fallen. Statt Knappheit besteht bis 2020 ein Überangebot im europäischen Handelssystem, weshalb in den letzten drei Jahren die Preise um 80 % gesunken und vorgesehene Auktionen mangels Nachfrage ausgefallen sind. Große CO2-Emittenten wie Braunkohlekraftwerke deckten sich auf dieser Grundlage im In- und Ausland billig ein, kennen keinen Kostendruck mehr von dieser Seite, keinen Anreiz für den Übergang zu erneuerbaren Energien und verdrängen teurere Gaskraftwerke vom Markt, die gerade als flexibel verfügbare Ergänzung zu den regenerativen Stomquellen erwünscht wären. Die neue Bundesregierung will zusammen mit den drei wirtschaftsstärksten EU-Ländern den Emissionshandel reformieren (SZ, 9.1.14) und zwecks Verknappung Zertifikate aus dem Handel nehmen: Wenn die EU eine führende Rolle spielen will bei dem im nächsten Jahr zur Verhandlung anstehenden neuen globalen Klimaabkommen, muss sie eine klare … Position zur heimischen Emissionsminderung bis 2030 haben, ganz abgesehen davon, dass nur so Dutzende von Milliarden an Investitionen in Klimaschutz ausgelöst würden. (SZ, ebd.)

Für eine Verknappung und Verteuerung der Emissionsrechte bräuchte es eine politische Einigung der EU-Regierungen, die von den osteuropäischen Unionsmitgliedern und England derzeit nicht zu haben ist. Die setzen auf eigene Kohle, Kernkraft und künftiges Fracking und lassen sich nicht von Deutschland in eine anspruchsvolle nationale und europäische Klimastrategie einbetten (Regierungserklärung, ebd.). Auch Deutschland hat bisweilen nationale Gründe, bei der CO2-Reduktion nicht allzu zielstrebig zu sein: Die Kanzlerin nimmt lieber mehr CO2 in Kauf, als deutschen Autoproduzenten der Premium-Klasse eine allzu schnelle und kostspielige Schadstoffsenkung zuzumuten. Überhaupt steigt in der Energiewende-Republik Deutschland der Anteil der „schmutzigen“, aber grundlastfähigen Braunkohlekraftwerke an der Stromerzeugung und nimmt der Ausstoß von CO2 seit zwei Jahren wieder zu, trotz des rasanten Ausbaus von Solar- und Windenergie (eine Expertin des DIW in der SZ, 8.1.14). Deswegen muss sich Deutschland von den renitenten Polen sagen lassen, es „emittiere viel mehr CO2als Polen und baue derzeit neue Kohlekraftwerke mit 9000 Megawatt Kapazität, einem Vielfachen also“ verglichen mit Polen, dessen energiepolitische Zukunft in der Braun- und Steinkohle und ebenso im Schiefergas liege. (SZ, 31.1.14)

Die Frau vom DIW hält das für paradox, und die SZ findet, die grünen Milliardenausgaben würden mit dem Ausbau des Kohlestroms weitgehend verpuffen. Doch das tun sie nur, wenn man CO2-Senkung für den ganzen Zweck der Veranstaltung hält. Der neue Minister Gabriel weiß, dass das zwar für Deutschlands internationale Klimapolitik ein Glaubwürdigkeitsproblem darstellt, aber eben nicht alles ist: Man kann nicht zeitgleich aus Atom und Kohle aussteigen (SZ, ebd.).

Die erneuerbaren Energien kommen dennoch aus der Nische – die „Stromriesen“ leiden

Immerhin kommt bei alledem auch der Ausbau der erneuerbaren Energien voran und hat inzwischen dank der Förderung durch die EEG-Umlage einen Anteil von ca. 25 % der Stromversorgung erreicht. Bis dahin war es sinnvoll, sie (die Erneuerbaren) durch die Umweltpolitik zu fördern, erklärt die Kanzlerin, und nachdem sie nun mit ihrem gewichtigen Anteil an der nationalen Versorgung ihr Nischendasein verlassen haben, müssen sie als zunehmend tragende Säule der Stromerzeugung in den Gesamtenergiemarkt integriert werden. (Regierungserklärung, ebd.) Freilich: Weder die staatliche Förderung ihrer neuen Konkurrenten noch deren politisch betriebene Integration in den Markt haben sich die auf diesem Feld engagierten Großunternehmen bestellt; die Energiewende hat dann auch diesen ehedem so ertragreichen Markt zum Reparaturbetrieb gemacht. (FAZ, 12.4.13)

Auf dem ging es lange Zeit eher monopolistisch-gemütlich zu, weil sich den deutschen Markt, abgesehen von etlichen tapferen Stadtwerken, vier handgezählte Großversorger – EON, RWE, Vattenfall, EnBW – zu ca. 80 % untereinander aufgeteilt und sich darüber hinaus im Zug der im vergangenen Jahrzehnt von der EU betriebenen Strommarktliberalisierung (FAZ, ebd.) große Teile des national segmentierten europäischen Energiemarktes gekrallt hatten.[1] Zugleich drängte vor allem die EU-Kommission darauf, zumindest die Übertragungsnetze aus der Verfügung der Monopolisten herauszulösen und für freien Netzzugang aller fossilen und regenerativen Erzeuger auf einem noch in der Zukunft liegenden, technisch verbundenen europäischen Strombinnenmarkt zu sorgen. Mit schwankender Unterstützung der Länder, die zwar die Anhebung der Strompreise – zwischen 2000 und 2007 ca. 50 Prozent – durch die Gebietsmonopolisten bremsen, aber ihren Energie-Champions nicht schaden wollten, hat es die Kommission nach und nach hinbekommen, ihre Konkurrenzförderungspolitik durchzusetzen: Zuerst die organisatorische Verselbstständigung, dann – jedenfalls in den Fällen EON, RWE und Vattenfall – den Verkauf der Höchstspannungs-Leitungsnetze an andere Netzbetreiber und Investoren.[2] Mit diesem Einbruch der Konkurrenz in ihre Welt des Gewinnemachens mit neuen und längst abgeschriebenen Reaktoren und Kohlekraftwerken, mit den diversen Strombörsen,[3] an denen ca. 30 % des Stroms gehandelt werden, und dem friedlich-schiedlichen Wettbewerb, den sie sich außerbörslich bei ihrer Kundschaft lieferten, konnten die Erzeuger nicht nur gut leben: Sie sahen noch bessere Zeiten heraufziehen und spekulierten auf die kommende Energiewende in Deutschland und Europa mit Rekordinvestitionen in den Bau effizienterer Kohle- und Gaskraftwerke. Sie sollten das Sicherheitsnetz für den witterungsabhängigen regenerativen Strom bilden. Das kleinteilige Geschäft mit Land-Windrädern und Solarmodulen spielte im Kalkül … lange eine Nebenrolle. Aber die Rechnung ging nicht auf… Einerseits sank der Strombedarf seit dem Beginn der Krise ab 2007 beachtlich – die Investitionsentscheidungen lagen noch vor der Finanzkrise (RWE-Chef P. Terium, FAZ, 29.1.14) –, in Deutschland, das kommt hinzu, lastet jetzt der stark anschwellende Solar- und Windstrom auf den Großhandelspreisen für Strom (FAZ, 12.4.13), weil es wegen der großen Zusatzproduktion aus regenerativen Quellen ein Überangebot an elektrischer Energie gibt. Die gelangt durch Anschlusszwang und Einspeisevorrang des EEG bevorzugt ins Netz, weshalb das Angebot der Großversorger bei gesunkenen Preisen auch nur mehr eine schon krisenbedingt gesunkene, nun noch einmal durch die Konkurrenz der Erneuerbaren verringerte Nachfrage bedienen kann. Auf dem herrschenden Preisniveau und bei einem Teilzeitbetrieb nur als Ergänzung des schwankenden Sonnen- und Windstrom-Angebotes sind die als Ersatz für die stillgelegten Kernkraftwerke vorgesehenen modernen Gaskraftwerke nach Auskunft der Betreiber nicht mehr rentabel; und die eigentlich als Domäne der Großversorger gedachten, kapitalaufwendigen Off-Shore-Windparks.[4] bieten wegen der damit verbundenen Risiken beim Netzanschluss bislang (noch) kein wirkliches Ersatzgeschäft. Aufgrund zögerlicher Kapitalbeschaffung auch bei den Netzbetreibern und politischer wie rechtlicher Durchsetzungsprobleme beim Trassenbau nach Süden erfolgt der Anschluss von Windparks teilweise mit jahrelangen Verzögerungen. Zufriedenstellende Einkünfte erwirtschaften die Stromfirmen, wie die Wirtschaftspresse mitfühlend berichtet, nur mehr beim Braunkohlestrom, der vom Verfall bei den Emissionszertifikaten profitiert, mit der Folge des Größten Anzunehmenden Unfalls für die Unternehmensbilanz: Die Erträge reichen nicht mehr, um unsere Schulden zu bedienen. (P. Terium, RWE, FAZ, 29.1.14)

So ist der Börsenwert der beiden größten Stromversorger EON und RWE seit 2007 um zwei Drittel gefallen, die Geschäftsmodelle sind nachhaltig beschädigt und in großen Deinvestmentprogrammen zur Erhaltung der finanziellen Beweglichkeit werden Sachkosten und Arbeitsplätze abgebaut, Budgets für Großkraftwerke gestrichen … Tochtergesellschaften und Beteiligungen verkauft. (FAZ, 12.4.13)

Harmonischer Wildwuchs bei der neuen Energie – etwas teuer auf die Dauer

Die im Zuge der Energiewende politisch neu inszenierte Konkurrenz am Gesamtenergiemarkt, in den die Erneuerbaren mittels der Bestimmungen des EEG und seiner laufenden Novellierungen zu Lasten der alten Marktmacher integriert werden, ändert also für die bisherigen deutschen Energieriesen und ihr Geschäft – vom professionell dramatisierenden Gejammer um mehr Rücksichtnahme und politische Förderung kämpfender Unternehmer abgesehen – durchaus Einiges zum kapitalistisch Schlechten.

Dass die neue Energiepolitik die Beschädigung der in Deutschland und Europa überragenden Marktstellung führender nationaler Großkapitale bis hin zur möglichen Gefährdung ihres Bestandes in einer fundamental wichtigen Geschäftssphäre in Kauf nimmt, erhellt den strategischen Rang des politischen Vorhabens und das imperialistisch vorwärtsdenkende Abenteurertum, mit dem die Führer der Nation die globale Konkurrenz um die unschlagbar rentable Versorgungssicherheit der Exportnation aufnehmen und dafür auch bereit sind, Opfer von gewichtigen Kapitalfraktionen zu verlangen, denen sonst und schon so lange ihr ganzes förderndes Bemühen gilt. Wie die deutsche Politik ihre Energiewende ins Werk setzt, zeigt, dass das Dogma, der imperialistische Fortschritt bei der Sicherheit der nationalen Energieversorgung müsse unter allen Umständen als lohnendes privates Geschäft auf Weltniveau gelingen, jede Menge kapitalistische Planwirtschaft und die Betreuung der durch sie erzeugten Friktionen viel staatlichen Finanzierungsbedarf nötig macht: In der Regierungserklärung vom 29.1.14 ist die Kanzlerin ausdrücklich überzeugt, dass sie uns gelingt, die Energiewende. Gleich für die nächsten paar Jahrzehnte verspricht sie, dass wir ganz harmonisch das Ausbauziel von 80 Prozent erreichen (können), und geht einfach von Planbarkeit, Kosteneffizienz und Marktfähigkeit unserer neuen deutschen Exportschlager aus, während der RWE-Chef sich über den schon realisierten Teil dieser Planung der neuen Energiekonkurrenz beschwert: Das Ausbautempo beim erneuerbaren Strom hat alle überrascht. Wir werden immer öfter aus dem Markt gedrängt. Der Zuwachs bei Solarenergie-Anlagen übertrifft die Pläne um sage und schreibe 500 Prozent … Selbst die Politik wird davon überrollt. (P. Terium, FAZ, 29.1.14)

So zeigen sich die Tücken marktwirtschaftlicher Planung:

  • Kaum bietet man großen und kleinen Spekulanten ein todsicheres Geschäft mit relativ geringem Kapitaleinsatz und gesetzlich vom EEG für 20 Jahre garantierten Erlösen an, fangen sie damit an, was auch Sinn des Angebotes war: wie wild Solaranlagen zu bauen und die Landschaft mit Windrädern vollzustellen, also mittels Stromerzeugung durch Photovoltaik und dezentrale Windstromanlagen langfristig sichere Renditen zu erzielen. Das sollte ja auch der EEG-Weg zur Energiewende sein. Wenn die Politik also überrollt wird, dann vom Erfolg ihrer Pläne. Die schließen offenkundig auch, falls nötig, die teilweise Verdrängung alter Anbieter ein, ebenso wie die konsequent einsinnige Orientierung des Ausbaugeschäftes der Erneuerbaren ausschließlich am rentierlichen Verhältnis von Kapitalaufwand und garantierten Erlösen. Und weil konsequent und unerbittlich am Prinzip festgehalten wird, dass alles eingespeist wird, was sich auf Grundlage der EEG-Förderung lohnt, entwickelt sich je nach den Kalkulationen der Investoren ein spekulativer Wildwuchs mit ziemlich unkoordinierter Verteilung der neuen Kapazitäten bei Sonnenstrom, Binnenwindparks oder kleineren Biogasanlagen.
  • Was diese politisch angestoßene Entwicklung mit sich bringt, ist zum einen der darin enthaltene mengenmäßige Zuwachs an förderungswürdiger neuer Stromproduktion aus regenerativen Quellen, zum anderen aber und vor allem ein gewaltiges Anwachsen der Förderkosten: Das Überangebot senkt die Börsenpreise auf immer neue Tiefststände und treibt die Ansprüche auf EEG-Förderung in immer neue Höhen. Das Erstere macht den Betrieben am Standort, soweit sie von der EEG-Umlage befreit sind und das verbilligte Stromangebot an den Spotmärkten ausnützen können, als verbesserte Konkurrenzbedingung viel Freude. Für die Zahler dagegen steigt die Umlage mit diesem schönen Erfolg immer weiter, weil sie die wachsende Lücke zwischen Börsenpreis, von dessen Sinken sie gar nichts haben, und garantierter Einspeisevergütung abzudecken haben. Die von Seiten der EU-Kommission gerügte Kollision des Verfahrens mit der europäischen Wettbewerbsordnung, wonach die Befreiung wichtiger und weniger wichtiger deutscher Firmen von der EEG-Umlage eine verbotene Subvention darstelle, wird zunächst abgeschmettert – mit dem gelungenen Hinweis des neuen Ministers Gabriel, die Kommission habe sich nicht einzumischen, wo es um nationale Energiepolitik und nicht um Wettbewerbsfragen gehe. Dennoch wird vom neuen Energiewende-Minister aus nationalen Gründen angekündigt, die Umlagebefreiungen zurückzufahren. Der anhaltende Anstieg des Strompreises für die Haushalte [5] und die nicht befreite Industrie soll sich nicht zu einem generellen Standortnachteil entwickeln und gebremst werden. Dafür wird einem Teil der bislang befreiten Betriebe ein Konkurrenznachteil durch Rücknahme der Entlastung zugemutet, um mehr Zahler für die steigende Umlage zu rekrutieren, der EU keinen weiteren Anlass zu Einwänden gegen das EEG zu geben und die Umlagebefreiungen zu erhalten, die für die Konkurrenzposition der betroffenen energieintensiven Industrien wirklich wichtig sind.[6] Aus Kreisen der Industrie sind allerdings schon im Vorfeld ernste Warnungen vor einer zu weitgehenden Einschränkung der Befreiungen zu vernehmen, werden öffentlich Rechnungen über Hunderttausende gefährdeter Jobs (n-tv, 2.2.14) angestellt, wird gemutmaßt, ab wann in welchen Branchen eine Auswanderung an billigere Energiestandorte unumgänglich und eine Deindustrialisierung Deutschlands durch zu hohe Energiekosten zur realen Gefahr wird. Tenor: Die geltenden Stromkostenerleichterungen für energieintensive Unternehmen seien eine existentielle Voraussetzung für deren Arbeit in Deutschland. (BDI-Chef Grillo, n-tv, ebd.)
  • Gewisse technische Eigenheiten des Bio-Stroms belasten zusätzlich die Harmonie bei der Erreichung des Ausbauziels. Sein Aufkommen hängt ja ab von meteorologischen Gegebenheiten wie Sonneneinstrahlung und Windstärken, unterliegt damit Schwankungen, die sich durch noch so viel Ingenieurskunst nicht aus der Welt schaffen lassen und zur Sicherstellung der Versorgung zusätzlichen Aufwand erfordern. Eine auf den Verbrauch abgestimmte Einspeisung des Stroms in die Netze will geregelt sein, wozu Kraftwerksreserven vorzuhalten sind, um im Bedarfsfall Energie zuschalten zu können. Das ist kostspielig, so dass zwangsläufig die Frage nach der Speicherung der Energie aufkommt. Pumpspeicherkraftwerke auf Bergen und in alten Kohleschächten oder große Methantanks dort, wo bayerische Kuhscheiße und niedersächsische Jauche in Biogas und dann in den förderungswürdigen Aggregatzustand fließenden Biostroms verwandelt werden soll, kosten freilich auch. Erst recht teuer sind die Höchstspannungsleitungen, mit denen der Strom von seinen Produktionsorten oder Speicherstätten zu seinen Verbrauchszentren gelangen soll. So übersetzen sich alle technischen Probleme, die erneuerbaren Energien versorgungssicher zu machen, in Kostenprobleme, die von Staats wegen in den Griff zu bekommen sind. Da der beträchtliche Geld- bzw. Investitionsbedarf, der hier ins Haus steht, sich in der bewährten staatlichen Förderungslogik nicht gut unterbringen lässt, münden die Kostenprobleme von selbst in das Problem, wie bestehende Förderungsmaßnahmen so zu modifizieren sind, dass sie zum gewünschten Ergebnis führen. Dazu addiert sich die Schönheit, dass das Land, das derart seine Energiewende voranbringt, eine Republik von Bundesländern ist, in denen sich verantwortungsvolle Landes- und Regionalpolitiker für ihre energiewirtschaftlich tätigen Landeskinder ins Zeug zu legen pflegen. Das sorgt dafür, dass alles, was da zur weiteren harmonischen Vollendung des Ausbauziels auf den Weg gebracht werden soll, auch noch zum Streitgegenstand zwischen den Bundesländern wird. Die sehen beim Bemühen, Stromgewinnung aus Wind und Sonne versorgungssicher zu machen, Kosten auf sich zukommen, die sich für sie nicht lohnen, befürchten anderweitig Nachteile bei der Bewirtschaftung ihres landeseigenen Energiesektors, finden sich durch die staatliche Förderungspolitik viel zu schlecht bedient im Vergleich zu Nachbarn, denen es viel zu gut geht – und tragen derart energiepolitische Streitfragen als Standortpolitik gegeneinander wie gegen die politische Zentrale in Berlin aus.

Vom Wildwuchs der Interessen zu ihrer marktkonformen Steuerung – durch die Reform des EEG weniger Geld anders verteilen

Während die Interessenten für möglichst viel Förderung agitieren, die Kanzlerin die Marktintegration der Erneuerbaren ankündigt und auch der Ex-Kanzler Schröder von der Seitenlinie aus deren Bewährung am Markt und die Vermeidung von Dauersubventionen fordert, orientieren sich die Bemühungen der neuen Bundesregierung praktisch an der Bewältigung der widerspruchsreichen Aufgabe, durch ständige Korrekturen am Fördersystem die auf Rendite scharfen Investoren nicht zu frustrieren, die Schadensfolgen sparsamerer Subventionierung abzuschätzen, das alles in einer überschaubaren staatlichen Entwicklungsplanung für die nationale Energiewende zu verstauen – und bei alledem den entscheidenden Hebel für die politische Betreuung des privaten Geschäfts, die staatlichen und privaten Fördermilliarden, finanz- und standortpolitisch verträglich auszugestalten. So besteht die politische Planungstätigkeit für den neuen Energiestandort in förderungstechnischen Reaktionen auf die Geschäftsentwicklung am politisch organisierten Markt und den entsprechenden Versuchen, dem Gewinninteresse der Investoren zielführende leitende Vorgaben zu machen:

  • Wenn die Industrie, um der Umlage von vorneherein zu entgehen, sich immer mehr betriebseigene Kraftwerke baut, und das in einem Umfang, dass inzwischen 25 Prozent der Stromerzeugung auf die Eigenerzeugung entfallen, so dass die EEG-Umlage von immer weniger Endverbrauchern zu zahlen ist, dann soll künftig die Eigenstromerzeugung zu einem Teil mit der EEG-Umlage belastet werden, was ein CSU-Kollege des verantwortlichen Ministers für Irrsinn, die Industrie für einen Verstoß gegen das Menschenrecht auf Vertrauensschutz für betriebliche Profitrechnungen hält.
  • Für manche Produzenten werden Vergütungssätze geändert, um „Steuerungseffekte“ zwischen den verschiedenen Technologien und Kostenentlastungen zu bewirken.
  • In anderen Fällen soll, statt zu fördern, was zugebaut wird, in Zukunft die Förderung fix sein und von den Firmen im Zug eines Vergabeverfahrens entschieden werden, welche Ökostromkapazitäten sie mit gegebener Förderung realisieren wollen.
  • Oder die Vergütung soll sinken, wenn die Ziele staatlicher Mengensteuerung überschritten werden – ein atmender Deckel für Gabriels EEG 2.0 (t-online, 18.1.14). Den und nicht die staatliche Förderung – wie überhaupt jede Mengensteuerung, die seine nordischen Windräder am staatlich geförderten marktwirtschaftlichen Wachsen hindern könnte – hält wiederum der regierende SPD-Mann in Schleswig-Holstein für Planwirtschaft, die schon im Sozialismus nicht funktioniert hat (SZ, 24.1.14).
  • Vorgeschlagen wird, nicht mehr die Netze dem Zubau anzupassen, sondern nur mehr den Zubau zuzulassen, den die Netze gerade noch aushalten; oder die Umlage festzuschreiben und den Mehrbedarf über einen Kapitalanlagefonds zu finanzieren; generell sollen künftig Ökostromproduzenten ab einer gewissen Größenordnung durch die Verpflichtung zur aufwendigen Selbstvermarktung ihrer Energie und weiter sinkende Einspeisevergütungen abgeschreckt (t-online.de, 17.1.14) werden, usw. usf.

Klar bei all dem ist nur eines: Die Kostenentwicklung bei der Förderung muss abgebremst werden. Durch den in der Regierungserklärung angekündigten Übergang von der Förderung der erneuerbaren Energien durch die Umweltpolitik zu mehr Konkurrenz aller Beteiligten auf dem Gesamtenergiemarkt soll die ganze Chose vorankommen und zugleich irgendwie billiger werden.

Natürlich haben die geschäftlich Beteiligten vom staatlichen Management der freien Konkurrenz unterschiedliche Vorstellungen. Die großen Versorger hielten es z.B. für marktwirtschaftlich extrem gerecht,[7] wenn man ihnen auf einem mit Staatsgeld gespeisten Kapazitätsmarkt nicht nur den Gewinn ihrer unrentablen Gaskraftwerke sicherstellte, die sie als Reserve für schwankende Stromaufkommen aus den erneuerbaren Stromquellen vorhalten sollen und manchmal wegen Systemrelevanz nicht schließen dürfen, sondern gleich den ganzen heutigen Bestand von fossilen Kraftwerken, weil im Hinblick auf den laufenden Atomausstieg nur so wirkliche Versorgungssicherheit zu erreichen sei.[8] Der Chefregulierer Homann von der Bundesnetzagentur kennt freilich seine Pappenheimer und sieht die Gefahr, dass sich zu viele Unternehmen auf die Ersatzbank setzen; er schlägt stattdessen eine Systemreserve vor, eine begrenzte Anzahl von Kraftwerken, die explizit nur zum Einsatz kommen sollen, um kurzfristige Lücken beim Stromangebot abzudecken. (HB, 24./25./26.1.14)

Zu all dem stellen sich die politisch Verantwortlichen einerseits als ärgerliche oder erfreuliche Bedingungen, die es erfolgreich zu bearbeiten gilt, die aber das Projekt nationale Energiewende nicht in Frage stellen, sondern die Bedeutung der Aufgabe unterstreichen und die Führungsfähigkeiten der politischen Leitung herausfordern. Andererseits ist zu bemerken, dass Förderkosten von ca. 120 Mrd. Euro seit 2002 und von 23,5 Mrd. allein 2013 auch für eine Weltwirtschaftsmacht wie Deutschland nicht einfach so weiter wachsen dürfen. So wird die Reform des Förderrechtes zur Schlüsselaufgabe (Gabriel) der Regierung.

An diesem zukunftsorientierten Vorhaben ändert sich auch nichts Wesentliches, wenn sich – wie im Fall der zu vorübergehender Weltmarktführung hochsubventionierten deutschen Solartechnikindustrie – herausstellt, dass das Geschäft mit der stromliefernden Hardware kein rein deutsches mehr ist und die schöne Vergütung aus den Haushaltskassen deutscher Stromkunden dazu dient, chinesischen Billigherstellern ihre Produkte zu versilbern. Die haben mit der unschlagbaren Kombination importierter deutscher und selbst entwickelter Produktionstechnik und chinesischem Niedriglohn inzwischen einen Großteil der einst stolzen deutschen Photovoltaikindustrie in die Insolvenz geschickt, aber eben auch auf diesem Weg den Zuwachs des regenerativen Stromangebots auf dem deutschen Energiewendemarkt vergrößert. Andere deutsche Unternehmen führen hingegen erfolgreich den von den deutschen Energiewendern angestrebten Beweis der deutschen Schlagkraft auf dem Feld der erneuerbaren Energien: Siemens wartet in der Vorweihnachtszeit mit Meldungen über den Abschluss verschiedener Großaufträge über Hunderte von Off-Shore-Windgeneratoren im schwierigen amerikanischen Schlüsselmarkt (Siemens) auf.

III. Die Energiewende unter den Bedingungen einer neuen Konkurrenzlage: die USA auf dem Weg zum Energie-Champion aller Klassen

Die fossile Energiewende der USA

Dass Orders dieser Größenordnung aus den USA kommen, ist kein Zufall. Während eine deutsche Umwelt-Staatssekretärin im November bei der Warschauer Klimakonferenz verspricht, mit der Energiewende Deutschlands technologischen Vorsprung zu sichern, und ein Rieseninteresse verzeichnet, wie das mit der Energiewende funktioniert (SZ. 21.11.13), hat in den USA eine Wende auf dem Energiemarkt stattgefunden, die die Geschäftsbedingungen des deutschen Vorhabens gründlich verändert und die sich die Deutschen bei aller Spekulation auf internationale Nachahmer und Mitmacher so jedenfalls nicht gewünscht haben. Die USA haben sich von den deutsch angeführten europäischen Protagonisten des Klimaschutzes und der deswegen dringend nötigen Energiewende hin zu erneuerbaren Energien nie für verpflichtende Abkommen im Rahmen der UN vereinnahmen lassen. Sie haben sich lange einigermaßen ungerührt als Bremser internationaler Abkommen kritisieren lassen, die einem globalen Markt alternativer Energietechnik den Weg hätten bereiten können. Stattdessen haben sie in aller Freiheit den diesbezüglichen eigenen Bedarf sortiert und seine Erfüllung mit den ihnen eigenen, einer Weltmacht gemäßen Mitteln auf den Weg gebracht.

Dieser Bedarf wurde schon im ersten Obama-Wahlkampf – 2008 schon eines der zentralen Themen (HB online, 25.12.13) – ganz darin gesehen, die amerikanische Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Amerika müsse unbedingt sicherer und weniger abhängig von etwas (werden), was auf der anderen Seite der Welt passiert. Entsprechend fordert der Präsident, dass eine nachhaltige US-Wirtschaft angetrieben werden sollte durch heimische und alternative Energiequellen, und gibt dabei gleich die Parole aus, die USA seien selbstverständlich auch als global leader in clean energy zu positionieren. (The Obama Administration’s Blueprint for a Secure Energy Future, 30.3.11) [9]

Eine Veränderung der globalen Geschäftsgrundlage

In Erfüllung dieses profitträchtigen nationalen Auftrags sind die interessierten großen Kapitalgesellschaften inzwischen ausgeschwärmt, um auf reichlich verfügbarem, billigem Land von Texas bis Nord-Dakota mit neuer, schnell entwickelter Technik früher nicht zugänglichen Brennstoff – Öl und Natural Gas (NG) – aus jeder lohnenden Schieferschicht zu pressen und einen wahren Fracking-Boom zu entfachen. Sie bringen ihre homegrown Energiespender in solchen Massen auf den Markt, dass der, obwohl das zunächst noch vorwiegend der amerikanische ist, auch global nicht mehr ist, was er vor ein paar Jahren war: Nach Schätzungen der internationalen Energieagentur (IEA) dürften die USA schon 2015 und damit schon ein Jahr früher als erwartet zum größten Ölproduzenten der Welt aufsteigen – noch vor Russland und Saudi-Arabien. (n-tv.de, 25.12.13) Für NG sind die Preise in den USA inzwischen auf ein Drittel ihres Niveaus von Mitte 2008 gesunken und auf etwa ein Viertel des Preises, der für Liquid Natural Gas (LNG) auf asiatischen Märkten bezahlt wird (German Trade & Invest, gtai.de, 9.9.13). Das zieht ein heftiges Ringen um das noch bestehende Exportverbot für NG nach sich – auch der Erdöl-Export aus den USA ist zur Sicherstellung der nationalen Reserven seit den 70er Jahren verboten – zwischen der US-Industrie, die sich den exklusiven Sondervorteil der gesunkenen Energiekosten erhalten will, auf der einen Seite und den Förderfirmen auf der anderen, die eifrig ehemalige Import-Terminals für LNG für den Export umbauen, weitere neue bauen und Verflüssigungsanlagen und Transportschiffe anschaffen, welche die asiatische Nachfrage ausnützen sollen. Sie bombardieren die US-Regierung mit Exportanträgen, die schon fast die Hälfte der Gesamtproduktion umfassen, aber derzeit von Regierungsseite noch zögerlich bearbeitet werden (gtai.de, ebd.). Noch bevor 2013 über mehr als drei davon entschieden ist, lässt der amerikanische Gasrausch … jetzt schon die Preise in Europa sinken. (zeit.de, 07/2013) Katarisches LNG, das für die USA bestimmt war, wird jetzt zum halben Preis von Gazprom-Pipeline-Gas in Europa losgeschlagen und der russische Gigant muss Preisnachlässe in Milliardenhöhe allein in einem eigentlich über 20 bis 30 Jahre laufenden Vertrag mit EON gewähren. Russlands Gasexporte nach Europa und in die Türkei gehen in 2012 um über 8 % zurück, Gazproms North-Stream-Pipeline durch die Ostsee ist derzeit nur zu 30 bis 40 % ausgelastet, und ob die South-Stream-Röhre nach Südeuropa überhaupt noch wirtschaftlich sein könne, ist fraglich. (zeit.de, ebd.)

Die internationale Geschäftsgrundlage der deutschen Energiewende, die auf einer stabilen Tendenz zu Verknappung und Verteuerung fossiler Energieträger sowie auf der politischen Unsicherheit laufender Zulieferung aus Ölförderländern basierte, hat sich damit weitgehend in Gas aufgelöst. Der wichtigste Verbrauchermarkt, die USA, versorgt sich plötzlich überwiegend selbst, wird sogar zu einer Quelle zusätzlichen Angebotes für alte Energieträger und wirft damit die Verknappungsspekulationen über den Haufen, die gestern noch Kalkulationsgrundlage waren. Und die USA regen mit ihrem Beispiel und den Mitteln ihrer entwickelten Technik weltweit Nationen dazu an, den eigenen Untergrund mit immer noch weniger Rücksicht auf ökologische Verluste zu durchlöchern und zu vergiften – nicht ohne Aussicht auf den Erfolg des Bemühens, wie man hört, auch in Europa oder anderen Erdteilen die eine oder andere Gas- oder Öl-Bonanza zu eröffnen.

Auch wenn einige Beobachter den Rückgang von Neuerschließungen in den USA konstatieren, weil das Geschäft wegen der stark gefallenen Preise auf dem US-Inlandsmarkt nicht mehr richtig lohnend sei (z.B. SZ, 10.1.14), andere aus technischen Gründen die Reserven für niedriger als früher geschätzt halten: Die US-Energiebehörde EIA geht davon aus, dass die Schiefergasproduktion bis 2040 weiter steigen wird (SZ, ebd.). Vom Standpunkt einer weltweiten Energiewende nach deutscher Rechnung ist damit jedenfalls erst einmal eine störende Veränderung der globalen Gas- und Ölversorgung eingetreten, nämlich eine Verschlechterung der Geschäftsbedingungen für die von Deutschland erhoffte Entwicklung des Weltmarktes für erneuerbare Energie. Mit einer Verknappung des Angebots an fossilen Energieträgern ist nicht zu rechnen. Dass NG ein vergleichsweise CO2-armer Energieträger und damit auch noch als nicht erneuerbarer Brennstoff klimaschonend ist, schwächt zudem auch den diplomatischen Impetus in Richtung Energiewende, weil damit das Argument, Klimaschutz und dafür erforderliche CO2-Reduktion seien unausweichlich gleichbedeutend mit einem Umstieg auf erneuerbare Energie, nicht mehr uneingeschränkt gilt: NG verdrängt ja bei der Stromerzeugung in den USA die noch schmutzigere Kohle. Der US-Boom durchkreuzt mit seiner fossilen Energie-Wende also Kalkulationen und Weltmarktansprüche der mit Amerika konkurrierenden Staaten, die wie Deutschland auf die Entwicklung und nationale Benutzung eines internationalen und zunehmend dringenden Bedarfs für regenerative Energie setzen.

Der Weltmarkt für die Erneuerbaren soll imperialistische Chefsache werden

Daneben und zusätzlich werden die USA, wie von Obama in seinen Wahlkampagnen und Regierungsprogrammen angekündigt, im Zug der Diversifizierung der US-Energieversorgung beim Aufbau eines Marktes für erneuerbare Energien tätig, um auch auf diesem wichtigen Zukunftsmarkt der industriellen technischen Herstellung von Energie ein – selbstverständlich: führender – Anbieter zu werden. Mit seiner Schiefergasrevolution und der Senkung der CO2-Emissionen in ihrem Gefolge als Gratisgabe verschafft sich Amerika eine sichere Versorgungsbasis, auf der alternative regenerative Energieträger ohne Risiken für den Standort entwickelt werden und sogleich ihre Konkurrenzfähigkeit beweisen können. Und Washington verfügt zugleich über den klimapolitischen Stoff, mit dem es in Zukunft an allen fossilen und regenerativen Fronten eine neue, aggressive Klimapolitik verfolgen will: vorbildlich – und deshalb fordernd gegenüber allen anderen – bei der klimaschonenden Verwendung der alten Kohlenwasserstoffe; und technisch, geschäftlich wie moralisch vorwärtstreibend bei der Entwicklung der erneuerbaren Energieträger.

Die Kapitelüberschrift der einschlägigen politischen Absichtserklärung lautet deswegen auch: Positioning America as the Global Leader in Clean Energy. Es soll zunächst ein heimischer Markt für saubere Energie geschaffen werden – die beste Art, Innovationen voranzubringen und neue Arbeitsplätze und Industrien im Energiebereich zu schaffen, ist es, ein klares, ehrgeiziges und langfristiges politisches Ziel zu setzen. Das Herzstück der Regierungsstrategie ist ein Clean Energy Standard (CES), nach dem der Anteil an Elektrizität aus sauberen Energiequellen der verschiedensten Art sich bis 2035 auf 80 % verdoppeln würde (Blueprint) – was nach amerikanischen Vorstellungen von energetischer Sauberkeit eben auch die Gewinnung von sauberem Fracking-NG, die Nutzung von clean coal-Technologien mit CO2-Abscheidung und den Ersatz und Neubau von Atomkraftwerken einschließt. Wäre der heimische Markt erst einmal geschaffen, dann bestünde gar kein Zweifel mehr, dass wir (damit) den Erfindungsreichtum unserer Unternehmer entfesseln und sicherstellen würden, dass Amerika bei sauberer Energie auf der Welt die Führung übernähme (ebd).

Von diesem Vorhaben verspricht sich auch Deutschland einiges: Das Ausbaupotential ist riesig… Die alternativen Energien wachsen unter allen Energieträgern am stärksten, fast die Hälfte aller 2012 neu ans Netz gegangenen Kraftwerke werden mit Wind, Sonne oder Biomasse betrieben. (SZ, 24./25.12.13) Bei allen Drangsalen aus Richtung der Fracking-Front stellt sich Amerikas Energiewende für die deutschen Anbieter von Strom-Hardware mit Blick auf die günstigen Bedingungen alternativer Stromerzeugung – billiges Land an Standorten mit unbegrenztem Zugriff auf Sonne und Wind, mit großen Küstenstädten für eine direkte Off-Shore-Versorgung ohne lange Übertragungswege usw. – als gewaltige Geschäftsgelegenheit dar, wie Siemens mit seinem Windanlagen-Deal exemplarisch vorführt.

Die Ankündigung der US-Energiepolitiker, auch eigene, konkurrierende Industrien im Energiebereich zu schaffen, stützt sich allerdings auf Voraussetzungen, von denen die Deutschen nur träumen können: Während sie bei der Entwicklung des Geschäftszweiges am Standort mit Kosten und Versorgungssicherheit kämpfen, findet in den USA der Aufbau einer eigenen Stromtechnik-Industrie auf der Basis einer gesicherten nationalen Versorgung statt, ohne explodierende Förderkosten für Staatskasse, Verbraucher oder Industrie, auf einem gewaltigen inneren Markt, dessen Zugangsbedingungen in der Regulierungshoheit der Regierung liegen. Da scheinen sich dann auch nicht zu knapp investitionswillige Kapitalisten zu finden, wie die US-Regierung stolz vermeldet: In Übereinstimmung mit Industrie-Experten beanspruchten die USA tatsächlich im letzten Jahr den Titel des weltweit führenden Investors in saubere Energietechnologien, noch vor Ländern wie China, Indien und Deutschland. (Blueprint)

Klimaschutz und Geschäft auf amerikanisch – natürlich unterwegs im Auftrag des Herrn

Weil die USA die Frage ihrer Energieversorgung noch nie anders denn als eine strategisch-imperialistische verstanden haben, machen sie ihre Selbstpräsentation als unvermeidlich kommender Weltmarktführer in clean energy auch unverblümt als politischen Führungsanspruch im Dienste amerikanischen Geschäfts und zum Besten der Welt geltend. Schließlich ist ihnen, ausweislich der Inaugural Address vom Januar 2013, der Planet von Gott höchstselbst zur Fürsorge anempfohlen worden: Von ihren in der APEC versammelten pazifischen Handels- und Bündnispartnern verlangen sie schon jetzt die Beseitigung von Zollschranken und Handelshemmnissen für Energietechnologien und die Streichung von Subventionen für fossile Treibstoffe, schützen den eigenen Markt vor unfairen ausländischen Produkten – insbesonders vor subventionierter chinesischer Solar- und Windtechnik – mit einem Interagency Trade Enforcement Center und versprechen dafür, die Welt in eine Zukunft der sauberen Energie zu führen. (Blueprint)

Wo deutsche Klima-Politik seit Jahren versucht, auf allen diplomatischen Wegen den Ausstoß von Treibhausgasen als politmoralische Todsünde gegen die Menschheit und das Weltklima in Misskredit zu bringen, immer von allen durchschaut als Lobbyist seiner eigenen Energieversorgung und seiner Exportinteressen, da beruft sich Amerika ganz offen auf amerikanische Arbeitsplätze, amerikanisches Wachstum und die Selbstverständlichkeit amerikanischer Führung der zukünftigen, technisch bewerkstelligten und selbstverständlich besseren Energieversorgung der Welt. Auf diese Weise kündigen die USA an, die alten strategischen Abhängigkeiten und Risiken der amerikanischen und globalen Energiebewirtschaftung langfristig aufheben zu wollen – zu Lasten von unberechenbaren Arabern, undemokratischen Russen und finsteren Lateinamerikanern –, um sie möglichst umzudrehen und endlich auch den Energiehaushalt der Welt nicht nur für sich auszunutzen und mit überlegenem militärischen Vernichtungspotential zu überwachen, sondern ihn gleich technisch und wirtschaftlich in die eigenen, also in die verlässlichen Hände der imperialistischen Supermacht zu legen. Dafür wächst die jetzt selbst zum neuen Champion der alten Kohlenstoff-Energieträger auf und setzt zugleich die größte Kapitalmacht der Welt dafür ein, auch zur Führungsmacht auf dem Geschäftsfeld der technisch produzierten erneuerbaren Energie zu werden. Dementsprechend stellt sich die Obama-Regierung jetzt auch ehrgeizige Aufgaben auf dem Feld der weltumspannenden Klima-Diplomatie und des einschlägigen Welthandels. Die zielen darauf, auf Grundlage der neuen, komfortablen energietechnischen Lage der USA, jetzt auch mit ökologischen Forderungen internationale Maßstäbe zu setzen, die internationale Konkurrenz mit der Wucht der Weltmacht in Richtung „clean energy“ zu drängen und so der für die Zukunft erhofften amerikanischen Marktmacht zur Durchsetzung zu verhelfen:

– Nun wollen die USA ein neues internationales Abkommen zur Begrenzung der Treibhausemissionen auf den Weg bringen, und zwar diesmal unter Einbeziehung auch großer Schwellenländer wie die VR China, Indien und Brasilien (Germany Trade & Invest, 26.7.2013).

– Auch bilaterale Partnerschaften sollen ausgebaut werden, bei erneuerbaren Energien, aber auch bei Energieeffizienz-, Erdgas- und Clean-coal-Technologien, sowie ausdrücklich auch bei der sicheren Nutzung von Kernkraft. (gtai, ebd.) Auch der weltweite Export der in den USA so erfolgreichen Fracking-Technologie verspricht ein Geschäft zu werden: China, auf gewaltigen Vorräten von Schiefergas sitzend, liegt angeblich bei der Erschließungstechnik um 15 Entwicklungsjahre hinter den USA zurück. (SZ, 3.2.2014) Überhaupt definiert Obamas Klimaplan als wichtigstes handelspolitisches Ziel … den Abschluss eines globalen Freihandelsabkommens für Umweltgüter und –dienstleistungen (gtai, ebd.)

Die Zukunft der deutschen Energiewende: Rückzug kommt nicht in Frage, die Lage ist nicht ernst, nur anders

Was bei alledem aus den Energiewende-Plänen der deutschen wirtschaftlich-technischen Weltmacht wird, die bloß militärisch-diplomatische Mittelmacht ist, die sich weder mit den Chinesen wegen ihrer technischen Dumping-Produkte anlegen will noch ihre EU zu einer einheitlichen Position in CO2-Fragen bewegen kann, ist offen. Angesichts der vor allem amerikanisch verursachten Gefährdung der Geschäftsgrundlage in Sachen deutscher Weltmarkt-Eroberung und angesichts der unverkennbaren Bestrebungen der USA, sich nunmehr selbst führend um Ausbau und Ausnutzung jenes Energietechnik-Weltmarktes zu kümmern, den sich Deutschland als Kampffeld seines sieggewohnten Exportkapitals eigentlich wünscht, kommt ein Rückruf der Energiewende jedenfalls nicht in Frage: Auch wenn sich die Kosten- und Erfolgsfrage heute anders darstellt als neulich, hat sich an der imperialistischen Notwendigkeit und den hochfliegenden globalen Erfolgsrechnungen der nationalen Energiestrategen schließlich nichts geändert. Erst einmal muss jedenfalls die Kostendynamik gebrochen werden, lautet der trockene Ratschlag der Unternehmensberatung McKinsey auf mittlere Sicht (Die Welt, 9.1.14). Dann wird man weitersehen bei den deutschen Pionieren des Klimaschutzes. Dass für einen potenten Mitmacher wie Deutschland lukrative Geschäfte zu erobern sind, darauf hofft der neue Handelsbilanzüberschuss-Weltmeister auch unter schwierigeren Umständen – allemal. Soll doch künftig die US-Macht der Welt das Schmutzen austreiben, wenn sie es schafft – Deutschland steht jedenfalls bereit, mit seinen sauberen Produkten made in Germany zu helfen, wo es nötig ist …

[1] RWE hat zusammen mit den anderen Großen das Liberalisierungsprogramm der EU zu einem gewaltigen Expansionsprogramm genutzt – EON und RWE zusammengerechnet in der Höhe von ca. 100 Mrd. Euro – (FAZ, 12.4.13) – und ist mit Kraftwerken und Leitungsnetzen in ganz Mittel- und Westeuropa, in Südosteuropa und der Türkei vertreten, mit Upstream Gas und Öl (RWE-Webseite) auch in ganz Nordafrika; EON ist zudem in Italien, Spanien, Frankreich, Russland und Brasilien engagiert und betreibt gemeinsam mit Gazprom die North-Stream Gas-Pipeline.

[2] Das Ergebnis dieser „Entflechtung“ im Geiste der Liberalisierung sind in Deutschland wiederum vier große überregionale Netzbetreiber, die beim Gebrauch ihres „natürlichen Monopols“ von einer eigenen aufsichtsführenden Bundesnetzagentur überwacht werden, ob sie bei der gebührenpflichtigen Verteilung netzgebundener Energien keinen Produzenten benachteiligen.

[3] Strom aus Österreich, Frankreich und Deutschland wird in Leipzig gehandelt (seit 2002), der aus fünf skandinavischen Ländern an der Börse Nord Pool in Oslo; Spanien, Portugal, Tschechien und die Slowakei haben eine eigene Börse, ebenso Ungarn, Italien und Slowenien. Großbritannien und Irland handeln national. Eine einheitliche europäische Strombörse soll evtl. bis 2015 entstehen. (FAZ, 25.9.13; Wikipedia, „Strombörse“)

[4] Von zahlreichen geplanten Off-Shore-Windparks sind Anfang 2014 vier in Betrieb und acht weitere in Nord- und Ostsee im Bau. (SZ, 31.1.14) Die genannten Risiken der Betreiber werden denen inzwischen auch über die EEG-Umlage abgenommen.

[5] Die beschweren sich zwar trotz wachsender Belastung vorerst noch gar nicht groß – das erledigen sorgenvolle Journalisten für sie –, sondern zahlen ihren Strompreis, sparen woanders und schrauben sich, wenn sie es sich leisten können, weiterhin trotz verringerter Vergütungen Solarzellen aufs Dach, wenn auch nur mehr halb so viele wie in den vergangenen Jahren. Das allerdings immer öfter für den Eigenstromverbrauch, um so den „explodierenden“ Stromkosten ein Schnippchen zu schlagen …

[6] In Zukunft sollen nur noch 15 Industriezweige begünstigt werden. „Eisen-, Stahl-, Aluminium-, Papier- und Chemieindustrie fallen darunter. Andere Branchen, wie Zement- und Nahrungsmittelindustrie oder Schienenbetriebe, sollen nicht mehr begünstigt werden… Die begünstigte Strommenge würde drastisch reduziert … EEG-Umlage könnte allein dadurch um 20 Prozent fallen … wichtige Industrie bliebe trotzdem geschützt.“ (Der Spiegel, 5/2014)

[7] Stellvertretend RWE-Chef Terium: Die Feuerwehr wird schließlich auch für ihre Einsatzbereitschaft bezahlt und nicht für das Löschwasser. (welt.de, 21.9.2013)

[8] Dafür bekommt die Lobby argumentative Unterstützung von einer „Denkfabrik“, deren Chef zwischenzeitlich Gabriels Staatssekretär geworden ist: … auch bei steigendem Anteil von erneuerbaren Energien wird man eine ähnlich große Anzahl von fossilen Kraftwerken wie heute benötigen … Die Frage der Ersatzkapazitäten (hat) in Deutschland besondere Relevanz, da im Zeitraum von 2015 bis 2022 durch den Atomausstieg Kernkraftwerkskapazitäten in Höhe von zwölf Gigawatt (GW) wegfallen werden. (Agora Energiewende, Juni 2013)

[9] Ihre geschäftlichen und klimapolitischen Absichten werden in Obamas Antrittsrede vom Januar 2013 noch einmal bestätigt, dem Anlass angemessen in ideologisch höhergelegter, aber unmissverständlicher National-Prosa: The path towards sustainable energy sources will be long and sometimes difficult. But America cannot resist this transition: we must lead it. We cannot cede to other nations the technology that will power new jobs and new industries, we must claim it’s promise. That’s how we will maintain our economic vitality and our national treasure – our forests and waterways, our croplands and snow-capped peaks. That is how we will preserve our planet, commanded to our care by God. That’s what will lend meaning to the creed our fathers once declared.