Die Letzte Generation hat mit ihren diversen Störaktionen etwas erreicht, was sich hierzulande überhaupt nicht von selbst versteht: Sie hat Aufmerksamkeit erfahren, eine öffentliche Befassung mit ihr und ihrem Anliegen – bis hinein in die deutschen Leitmedien und sogar durch einige Parteifunktionäre von Rang und Namen.
Hat die Letzte Generation recht, wenn sie auf die Klimakatastrophe hinweist, auf deren dramatische Konsequenzen und die Dringlichkeit ihrer Bekämpfung? Hat sie recht damit, dass die Regierung nicht entsprechend handelt; dass der ganze unter „Klimapolitik“ laufende Umbau der Wirtschaft nicht geeignet ist, das Überschreiten von Kipppunkten zu verhindern; dass die Regierung vielmehr mit ihrer Förderung des nationalen Geschäftswachstums laufend zur Zerstörung der globalen materiellen Lebensgrundlagen ihren gewichtigen Teil beiträgt?
Der 29. April 2021 ist nach allgemeinem Dafürhalten ein „großer Tag für das Klima“: Das Bundesverfassungsgericht gibt an diesem Tag sein „revolutionäres“ Urteil zu mehreren Verfassungsklagen bekannt, die sich gegen das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung von 2019 richten, gestellt von acht Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die ihre Zukunft auf dem elterlichen Bauernhof oder Tourismusbetrieb gefährdet sehen, einer bekannten FFF-Aktivistin, Menschen aus Bangladesch und Nepal, deutschen Wissenschaftlern und Prominenten sowie mehreren Umweltverbänden.
Endlich sagt’s mal wieder wer in der Republik: Der Kapitalismus zerstört ziemlich umfassend die natürlichen Lebensgrundlagen! „Fridays for Future“ machen mit dem Thema Furore und – wer hätte das gedacht – es kommt an. Aber wie!
Ihr werdet selbst nicht übertrieben stolz sein auf den menschlichen Anstand, der euch vor einem Salvini auszeichnet – bei dem Vergleich! Ihr werdet selbst am besten wissen, wie wenig euer Einsatz ausrichtet – bei der Katastrophenlage im Mittelmeer. Und ihr kennt sicher alle Zweifel an eurer selbstgewählten Mission, gegen die ihr auf jeden Fall das moralisch unschlagbare Sollen wir denn bloß zugucken? auf eurer Seite habt. Trotzdem ein Aber von kommunistischer Seite ...
Dass die Zustimmung, die euch in der deutschen Öffentlichkeit und aus der Politik entgegenschlägt, nichts wert ist, werdet ihr selber schon gemerkt haben. Ihr werdet beachtet – und eingemeindet. Von Leuten und Instanzen, die mit dem Gebrauch ihrer Macht für genau die Zustände sorgen, gegen die ihr protestiert. Eingemeindet in eine öffentliche Debatte, deren Irrelevanz für den praktischen Gang der Dinge ihr zur Genüge erfahrt.
Im vierten Jahr der globalen Finanzkrise finden sich – erst in New York, dann auch in anderen Städten der USA und Europas – Demonstranten im Protest gegen die Agenten und Institutionen zusammen, die sie für die Verursacher der großen Finanzkrise und ihrer Folgen halten: „Occupy Wallstreet! Occupy Frankfurt!“ heißt ihre Parole. Sie erklären, „die 99 %“ und überhaupt „das Volk“ zu sein, „die große Mehrheit, die im Interesse von einem Prozent der Bevölkerung geschädigt“ wird, und halten das für eine „massive Ungerechtigkeit“.
Europa spart – am Lebensunterhalt seiner Bürger. Die demokratischen europäischen Regierungen machen das Leben ihrer Völker dafür haftbar, dass ihre Wirtschaft zu wenig wächst und die Kreditwürdigkeit ihrer Nation im Eimer ist. Deswegen haben die verantwortlichen Staatsführer ihren Bürgern ein gewaltiges soziales Abbruchprogramm verordnet.
Betroffene melden sich zu Wort und protestieren. Dass sie das tun, ist überfällig: Nur wie!
Kanzlerin Merkel hat sich gelehrig gegeben und eine Energie-Bildungsreise durch Deutschland gemacht und dann doch das Volk darüber belehrt, dass sie es nicht leicht hat und nimmt, wie viele Interessen und komplizierte Aspekte sie bei der Energiepolitik zu berücksichtigen hat, dass sie und nur sie alle berechtigten Interessen berücksichtigt und nur sie und ihre Regierung entscheidet; dafür hat sie sogar einen ganzseitigen Zeitungsappell führender deutscher Manager etwas zurückgesetzt, in dem die längere Laufzeiten für die AKWs bestellt haben.
In Berlin gehen 50 000 unter der Parole: „Mal richtig abschalten. Stilllegung aller Atomkraftwerke weltweit“ auf die Straße. Politikern erteilen die Veranstalter Redeverbot. Nur Vertreter der Atom- und Umweltbewegung, der Kirchen und Gewerkschaften dürfen reden, nicht aber Vertreter der politischen Parteien, noch nicht einmal die Spitzen der Grünen. Mit Politikern und Wahlversprechen hat die Bewegung nämlich bereits schlechte Erfahrungen gemacht und zeigt sich belehrt: „Wir haben unsere Lektion gelernt: Traut der politischen Klasse nicht.