Letzte Generation, Lützerath

Ein radikaler Aufstand des Gewissens trifft auf das gute Gewissen der Herrschaft

Hat die Letzte Generation recht, wenn sie auf die Klimakatastrophe hinweist, auf deren dramatische Konsequenzen und die Dringlichkeit ihrer Bekämpfung? Hat sie recht damit, dass die Regierung nicht entsprechend handelt; dass der ganze unter „Klimapolitik“ laufende Umbau der Wirtschaft nicht geeignet ist, das Überschreiten von Kipppunkten zu verhindern; dass die Regierung vielmehr mit ihrer Förderung des nationalen Geschäftswachstums laufend zur Zerstörung der globalen materiellen Lebensgrundlagen ihren gewichtigen Teil beiträgt?

Aus der Zeitschrift
Siehe auch
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung

Letzte Generation, Lützerath
Ein radikaler Aufstand des Gewissens trifft auf das gute Gewissen der Herrschaft

Hat die Letzte Generation recht, wenn sie auf die Klimakatastrophe hinweist, auf deren dramatische Konsequenzen und die Dringlichkeit ihrer Bekämpfung?

Hat sie recht damit, dass die Regierung nicht entsprechend handelt; dass der ganze unter „Klimapolitik“ laufende Umbau der Wirtschaft nicht geeignet ist, das Überschreiten von Kipppunkten zu verhindern; dass die Regierung vielmehr mit ihrer Förderung des nationalen Geschäftswachstums laufend zur Zerstörung der globalen materiellen Lebensgrundlagen ihren gewichtigen Teil beiträgt?

Das ist einfach nicht die Frage, am wenigsten für die Letzte Generation selbst. Dass sie recht hat, ist ihr ganzer Ausgangspunkt: Wissenschaftlich ist das keine Frage mehr, gesellschaftlich gibt es keine entscheidende Fraktion, die das noch leugnen würde, keine Partei bis auf die AfD verzichtet auf Klimaschutz in ihrem Programm, und rechtlich sieht sie sich durch das Bundesverfassungsgericht, also letztlich durch die Verfassung selbst bestätigt: „Ob Klimaschutz gemacht wird oder nicht, steht nicht zur Debatte. Das ist durch unser Grundgesetz festgeschrieben.“ (letztegeneration.de/verfassungsbruch) Zugleich wissen ihre Aktivisten aus ein paar Jahren Klimaprotesten von ‚Fridays for Future‘ und anderen, dass es ihnen überhaupt nichts bringt, recht zu haben: Die Politik hat ihnen in ihrem Anliegen zur Menschheitsrettung eine praktische Absage nach der anderen erteilt; dazu hat sie sowohl den Willen als auch die Mittel.

Der Appell im Namen der eingebildeten Verantwortungsgemeinschaft

Die Mitglieder der Letzten Generation weigern sich verbissen, diese Absagen mit einer eigenen Absage an die Machthaber zu beantworten. Die wollen sie auf keinen Fall aus der Verantwortung entlassen. Alle Mittel und Freiheiten der Politik, das gesellschaftliche Produzieren zu definieren und zu modifizieren, deren ganze Macht kennen sie gar nicht anders denn als höhere Pflicht. Das ist für sie die eine Seite der Verantwortungsgemeinschaft, als die sie die Gesellschaft verstehen. Auf der anderen Seite stehen die Bürger, deren Aufgabe darin besteht, verantwortliche Politik mitzutragen. Wenn die Letzte Generation immer wieder feststellen muss: „Denn die Bundesregierung steht in der Verantwortung, unsere Freiheit und unsere Lebensgrundlagen zu schützen... Durch Erkenntnisse aus der Klimaphysik ist es objektiv feststellbar, dass unsere aktuelle Bundesregierung dieser Verantwortung nicht nachkommt“ (ebd.), wenn also die Politik ihrem höchsten denkbaren Auftrag – den Fortbestand der Menschheit zu sichern! – nicht nachkommt, dann kann das in dieser Optik nur an einem liegen: an mangelndem Verantwortungsbewusstsein, aus dem heraus „der Gesellschaftsvertrag gebrochen wurde, weil die Regierung und das reichste 1 Prozent am Kurs der Klimavernichtung festhält, welcher Milliarden ins Unglück stürzt“ (letztegeneration.de/gesellschaftsrat). Und gemäß derselben Logik bedeutet dieser Mangel an Verantwortung auf der einen Seite die Pflicht zu umso größerem Verantwortungsbewusstsein auf der anderen:

„Auch wir als Bürgerinnen und Bürger dieser Demokratie tragen Verantwortung. Wir erachten es als unsere Pflicht, alles Gewaltfreie zu tun, was in unserer Macht steht, um dieses Unrecht zu beseitigen. Die Vernichtung unserer Lebensgrundlagen einfach hinzunehmen, können wir nicht mit unserem Gewissen vereinbaren.“ (letztegeneration.de/brief-an-die-bundesregierung)

Praktisch ist das ein Eingeständnis ihrer Ohnmacht, die die Politik ihnen in ihren Absagen regelmäßig vorführt. Im Unterschied zu den wirklich Verantwortlichen fehlen der Letzten Generation die Mittel, ihre Verantwortung so zu praktizieren, dass sie ihr Anliegen durchsetzt. Im Unterschied zu manchen anderen Klimabewegten hält sie aber auch den Versuch, die Klimakatastrophe durch individuelles Wohlverhalten abzuwenden, für aussichtslos und eine Ablenkung von der nötigen politischen Wende. Was den Aktivisten bleibt, sind allein sie selbst und ihr Wille. Das sehen sie auch so, aber sie ziehen daraus den Schluss: Dann kommt es darauf umso mehr an! So wenig sie die Regierung ihrer Verantwortung entheben wollen, so sehr verbieten sie sich selbst die Resignation. Die Verantwortung zu praktizieren, die die Politik vermissen lässt, sind sie sich als Bürger schuldig. Als Menschen tritt sie ihnen in Form einer zwingenden Instanz gegenüber: als ihr Gewissen. Sie wird zum verinnerlichten Maßstab ihres ganzen Daseins, dem sich alles andere unterzuordnen hat, von der aktuellen Lebensgestaltung bis zu den langfristigen Berufsplänen. Diese innere Instanz drücken sie häufig an ihrem zukünftigen Ich oder ihren potentiellen Kindern aus, denen gegenüber sie sich in der Zukunft verantworten müssen, wenn die fragen: Was hast du damals getan, um die Katastrophe aufzuhalten?

Was sie selbst so unabdingbar zwingt, das demonstrieren sie, darin besteht ihre Praxis: Sie setzen ihre Person „mit unserem Gesicht und unserem Namen“ (letztegeneration.de/mitmachen/werte-protestkonsens) als Mittel für eine Störung des Alltags ein, was die Demonstration praktizierter Rücksichtslosigkeit gegen sich selbst einschließt. Sie führen vor, dass für jeden gewissenhaften Menschen hinter dem Kampf gegen die Katastrophe alles zurückzustehen hat. Dazu gehört ihre Überzeugung, dass man sich bzw. die Adressaten „emotional mit der Sache verbinden“ muss: „Lassen Sie Milliarden Tote kalt, Herr Scholz?“ (Jeschke, 12.11.21) So sprechen sie die politischen Verantwortungsträger unter den Menschen an: indem sie den Menschen im Verantwortungsträger ansprechen. Sie setzen ein Fanal in der verzweifelten Hoffnung darauf, dass die andere Seite genauso ihr Gewissen entdeckt und ihm genauso ernsthaft gerecht wird wie sie selbst. Dass sie sich zu diesem Positivbeispiel praktizierten Verantwortungsbewusstseins gezwungen sehen, beweist ihnen zugleich deren (bisherige) Gewissen- und Verantwortungslosigkeit.

Das soll durch die Aktionen jedem klar werden. Die Aktivisten stellen den Staat mit jeder Klebeaktion, jedem Suppenwurf auf Gemälde, jedem Ausharren auf Baumhäusern usw. vor die Entscheidung: Wie viel Gewalt gegen uns ist euch die Aufrechterhaltung des gewohnten Getriebes wert? Ihr handelt verantwortungslos mit eurer Klimapolitik, wollt ihr euch dazu auch noch offensiv bekennen, indem ihr uns abräumt, die wir für das absolut notwendige und eingesehene Anliegen der Menschheit antreten – unterstrichen durch die Gewaltlosigkeit, die ein eiserner Grundsatz bei den Aktionen ist? [1] Oder leistet ihr endlich die „Vertrauensbeweise“, die wir einfordern, nämlich die Umsetzung von Sofortmaßnahmen wie Tempolimit und 9-Euro-Ticket, die zwar nicht die Katastrophe verhindern, uns aber zeigen würden, dass ihr als Verantwortungsträger auch ein Verantwortungsbewusstsein habt?

Was die Aktivisten mit ihren Aktionen zum Dilemma der Regierung machen wollen, das ist ihr eigener Widerspruch: So sehr ihr Protest eine Erklärung tiefsten Misstrauens in die Politik ist, die trotz bekannter und dringlichster Notwendigkeit „nicht handelt“, so sehr wollen sie ihr wieder vertrauen – können:

„Deswegen wollen wir die Menschen in der Bundesregierung nicht besiegen, weder durch Worte noch durch Taten. Wir wollen ihnen die Hand reichen, damit sie ab jetzt ihrer Verantwortung vor der Verfassung nachkommen können.“ (letztegeneration.de/verfassungsbruch)

Jede Polizeiaktion gegen sie, jede Festnahme, Anklage, Verurteilung beweist ihnen – nicht, wie falsch sie mit ihrem Ideal von einer Verantwortungsgemeinschaft, einer Staatsräson namens „Fortbestand und Wohlergehen der Menschheit sichern“ liegen, sondern –, wie sehr die Regierung sich weiterhin an ihrer Verantwortung vergeht, wie richtig sie also mit ihrem Protest liegen. [2]

Die Antwort der wirklichen Verantwortungsträger

Ein aus Ohnmacht geborener Protest, der mit der Vorführung eigenen radikalen Verantwortungsbewusstseins das der Gegenseite aufwecken will, indem er den Alltag stört – wie reagiert darauf der Adressat? Auch für Politik und Rechtsstaat ist es keine Frage, ob die Letzte Generation recht hat, allerdings nicht, weil das – wie für die Aktivisten – sowieso außer Frage stünde, sondern weil für sie der Inhalt des Protests einfach keine Rolle spielt. Sie widmen sich in ihren Stellungnahmen wie im praktischen Umgang mit dem Protest allein den Protestformen, zu denen die Letzte Generation greift.

Polizei und Justiz machen ihren Job: In geordneten Verfahren vom inzwischen routinierten und mit einem einheitlichen Preis versehenen Loslösen der angeklebten Hände über das Einsammeln von Anzeigen bei den Autofahrern bis zu Ingewahrsamnahme und Gerichtsverfahren subsumieren sie den Protest unter die Kategorien des Rechts, behandeln die Aktivisten einzig als unerlaubte Störung und haben naturgemäß mit dem Inhalt von deren Anliegen, dem die durch ihre Störung Nachdruck verleihen wollen, nichts zu schaffen.

Die politische Debatte stellt klar, dass moralische und rechtliche Berechtigungstitel und schon gar wissenschaftliche Erkenntnisse nicht die Agenda bestimmen. Das geht zum Beispiel so:

„‚Anpacken statt ankleben. Das wäre ja mein Motto‘, sagte Giffey. ‚Der Fachkräftemangel ist eine riesige Herausforderung.‘ Man habe zwar Geld für erneuerbare Energien, aber es brauche zum Beispiel Solarinstallateure, um Photovoltaik-Anlagen auf die Dächer zu bekommen.“ (2.12.22 vor IHK Berlin-Brandenburg)

Giffey wirft den Aktivisten in fröhlicher Machermanier vor, dass sie gar nichts gegen – den Fachkräftemangel tun! Als wäre der der Grund für die Lücke, die die Letzte Generation zwischen Klimakatastrophe und Klimapolitik sieht. Machtvoll gegen den Klimawandel zu kämpfen heißt Giffey zufolge, sich am Wandel der deutschen Wirtschaft zu beteiligen.

Wer da nicht Ruhe gibt und direkt eine Ausbildung anfängt, für den hat eine andere Berlinerin weniger konstruktive Vorwürfe in petto:

„‚Ich will, dass wir in der Sache weiterkommen, aber seit Tagen diskutieren wir, ob Kartoffelbrei an Kunstwerken eine geeignete Demonstrationsform ist‘... Damit habe es die Gruppe in die ‚Tagesschau‘ geschafft... ‚Aber geändert hat sich dadurch nichts.‘“ (Künast im Stern, 9.11.22)

Die Frau ist gut: Sie widmet sich von vornherein nur der Aktionsform und behauptet glatt, dass sie dadurch vom Weiterkommen „in der Sache“ abgehalten werde. Dass sie und ihre Kollegen aus den Regierungsfraktionen, also die Leute mit Macht, nichts geändert haben, macht sie den Demonstranten zum Vorwurf. Wie die „Sache“ stattdessen nur vorankommt, das erklärt der Klimaminister:

„Aber am Ende braucht ein politisches Ziel in einer Demokratie eine Mehrheit. Und dabei helfen Protestformen, die verärgern, nicht wirklich... Hier erleben wir eine Radikalisierung der Wenigen. Das ist schlecht... Wer Klimapolitik aus einer Minderheitenposition heraus betreiben muss, hat schon verloren.“ (Habeck im Stern, 1.12.22)

Habeck erinnert die Beschwerdeführer der Letzten Generation daran, dass „Vernunft“, „Wissenschaft“ und moralisches Recht, ja sogar die Berufung auf die Verfassung schön und gut sind, dass aber die machtvolle Durchsetzung von Anliegen mit diesen Kriterien nichts zu tun hat. Sondern mit „Mehrheit“. Man sieht es ja an ihm: Wenn man qua Mehrheit gewählt ist, ist man zur Definition dessen berufen, was das Mehrheitsinteresse ist, also durchgesetzt gehört – und wenn nicht, hat man verloren. Diese Handlungsfreiheit der Regierung kann ein Klimaminister und Vizekanzler auch, ohne rot zu werden, umgekehrt ausdrücken: Er präsentiert sich als Abhängiger von den Mehrheiten, als gäben die ihm seine Politik vor.

Die zweite Hälfte der politischen Reaktionen streicht am Protest vor allem das Moment des Verstoßes gegen die Sitten der Demokratie heraus:

„Wir sind die Klimaschutz-Partei, und wir sind froh um jede Art der Proteste, die friedlich verlaufen und gewaltfrei verlaufen und auch niemanden bedrohen. Das ist immer Rückenwind für uns und unsere Arbeit und unsere Politik... In dem Augenblick, in dem kritische Infrastruktur angegangen wird, in dem Menschen bedroht werden und in dem Ultimaten ausgesprochen werden, hat das mit Demokratie nicht mehr viel zu tun.“ (Nouripour, 21.2.22)

Nouripour hat für Protest zwar einiges übrig – aber nur, wenn der ihm erlaubt, ihn als Rückenwind für die Politik zu vereinnahmen, gegen die der Protest sich richtet. Sich als Gegenwind zur Klimapolitik der grünen Machtinhaber zu betätigen, ist völlig widersinnig und antidemokratisch, weil, so seine Klarstellung, die Wahrnehmung ihrer Verantwortung genau in der Politik besteht, die sie machen. Jeder Versuch, etwas anderes auch nur zu fordern, fällt mit seinen Störaktionen daher unter das Verdikt ‚nicht gewaltfrei‘ und ist damit disqualifiziert.

Das bringt auch der altersweise Protestfachmann aus dem Südwesten auf den Punkt:

„Protest darf nicht eine Änderung in der Sache als Ziel haben, sondern nur den Appell dazu.“ (Kretschmann, 8.11.22)

Da machen die Aktivisten der Letzten Generation seit einem Jahr nichts anderes, als zu appellieren: schreiben Briefe an die Bundesregierung, dass sie doch bitte endlich ein Zeichen des Zuhörens geben möge, sind traurig, die Autofahrer stören zu müssen, – und Kretschmann entdeckt am Sekundenkleber an ihren Händen, dass es ihnen auf ihren Appell auch wirklich ankommt. Der Protest hat sich mit seiner ihm demokratisch zugewiesenen Ohnmacht einfach abzufinden. Schilder hochhalten, sich als Rückenwind vereinnahmen lassen, das lassen die politisch Zuständigen sich gerne gefallen, aber die Störung stört nicht nur, sie gehört sich einfach nicht, ist ein Anschlag auf ihre Handlungsfreiheit.

Für die oppositionelle Partei der Schutzherren von Recht, Ordnung und deutschen Autofahrern ist mit dieser moralischen Kriminalisierung der Bewegung die Lage längst nicht erfasst, die doch mindestens dem Deutschen Herbst nahekommt:

„Es ist beunruhigend, wie die Anhänger der sogenannten ‚#LetztenGeneration’ immer militanter werden. Vor allem die Grünen stehen jetzt in der Pflicht, sich klar von den Straßenklebern zu distanzieren und zu einer Deradikalisierung beizutragen.“ (CDU-Generalsekretär Czaja, 4.11.22) „Es findet eine Radikalisierung statt, und zwar sehr schnell. Das ist keine friedliche Protestaktion, denn es wird Gewalt angewendet, und zwar auf die Autofahrer, die in Geiselhaft genommen werden.“ (Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, 10.11.22) „Es braucht deutlich härtere Strafen für Klima-Chaoten, um einer weiteren Radikalisierung in Teilen dieser Klimabewegung entgegenzuwirken und Nachahmer abzuschrecken. Die Entstehung einer Klima-RAF muss verhindert werden.“ (Dobrindt, 6.11.22)

Ausgerechnet den angeblich gewalttätigen Charakter, den die Grünen selber im Protest entdecken, um ihn damit zu diskreditieren, machen Dobrindt und Co, nicht ohne ihn bis zum Terror hochzustilisieren, denen zum Vorwurf: Die bilden mit ihrer Klimapolitik den Nährboden für solche Auswüchse, und die Opposition kümmert sich mal wieder als Einzige darum, deren Ausbreitung zu verhindern. So wird der Protest der Letzten Generation auch noch zum Berufungstitel der C-ler für deren Einspruch gegen das klimapolitische Ethos der Regierung im Allgemeinen und die Grünen im Besonderen, die sie auch ganz ohne Klimaaktivisten schon immer für eine ideologiegetriebene Verbotspartei halten. Das hat mit dem Anliegen der Letzten Generation wirklich nichts mehr zu tun, verleiht ihm aber wenigstens einen guten demokratischen Sinn.

[1] Der Auftakt zu den Aktionen der Letzten Generation, ein Hungerstreik mit der Forderung, dass die drei Kanzlerkandidaten sich zum Gespräch mit ihnen treffen, machte das explizit: Scholz, der als schon gewählter Bundeskanzler schließlich zwei Aktivisten zum öffentlichen Gespräch traf, wurde von ihnen immer wieder dazu aufgefordert, sich zu den Milliarden in Kauf genommenen Klimaflüchtlingen und Klimatoten zu bekennen, die mit seinem Kurs einhergingen.

[2] Die Protestierer lassen deswegen auch nicht locker, sondern greifen zu immer neuen Aktionen, um ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Sie wollen immer mehr werden – um einen vielstimmigen Appell an die Regierung zu richten. Sie kleben sich auch im Gericht an – um auch den Rechtsstaat vor Verantwortungslosigkeit zu retten. Sie versprechen Bürgermeistern, ihre Stadt vor Klebeaktionen zu verschonen – wenn die sich zu Mitappellierern machen. Was sich da fortsetzt und zum Teil weiter radikalisiert, ist die beschriebene Logik des vom eigenen Gewissen erzwungenen radikalen Appells an das Gewissen der Mächtigen.