Die Gewerkschaften ziehen eine Lehre aus ihrem gescheiterten Kampf um mehr Beschäftigung: sie übernehmen die Perspektive des Sozialstaats und die Sichtweise des Kapitals vom Kostenfaktor Arbeit. Und entfalten einen Ideenreichtum zur gerechteren Aufteilung von Arbeit und Lohn, der den Ansprüchen und Forderungen der Unternehmen nach rentabler Arbeit z.B. über weit reichende Öffnungsklauseln ganz neue Alternativen eröffnet…
Die drohende Streichung von Arbeitsplätzen in Steinkohle-, Stahl- und Bauwirtschaft nehmen deutsche Arbeiter zum Anlass für einen Kampf um Arbeitsplätze und beweisen damit, dass hiesige Lohnarbeiter aus ihrem Schaden nicht klug, sondern faschistisch werden: Sie klagen das Recht ein, sich weiter ausbeuten lassen zu dürfen, und werfen Managern und Politikern vor, dass deren Unfähigkeit ihnen den nationalen Dienst verunmöglichen würde.
Die Post GW segnet die Privatisierung der Post ab; die IG Medien zieht ihre sozialen Verbesserungsforderungen zurück. Beschäftigungssicherung gegen Lohnprozente und Öffnung der ausgehandelten Verträge für betriebliche Gegebenheiten. Das stärkt die Bedeutung der Betriebsräte, erhöht die Freiheit der Unternehmen bei der Gestaltung der betrieblichen Arbeitsbedingungen und verschafft der GW eine neue Perspektive: den Kampf um ihre eigene Selbstbehauptung.
Die Gewerkschaft antwortet auf die Forderung der Unternehmerverbände nach einem – wörtlich – „Umbruch“ im Verhältnis von Lohn und Leistung, indem sie selber den Lohn ins Verhältnis zum Mangel an „Beschäftigung“ setzt und statt der üblichen „Anpassungen“ – wg. Inflation etc. – tarifvertragliche „Beschäftigungssicherung“ verlangt, durch Umverteilung von weniger Arbeitszeit und Lohn auf alle.
Angesichts der Krise setzt VW als Nutznießer des Standorts auf eine sozialverträgliche Methode der Senkung seiner Lohnkosten: Arbeitszeit- und Lohnkürzung zwecks Einbindung in die Betriebsheimat statt Massenentlassung. Gemäß der Logik des ‚Instruments‘ Zeitlohn wird Unterbeschäftigung zur Normalbeschäftigung, damit die Trennung von Arbeit und Arbeitslosigkeit, von Arbeit und Pauperismus aufgehoben.
Angesichts der Krise antizipiert die Gewerkschaft mit ihren Lohnforderungen das Marx‘sche Gesetz, nach dem die Reservearmee auf den Lohn drückt. Mit Tausch-Vorschlägen à la ‚Lohn gegen Beschäftigung‘, dem Einklagen erfolgreicher Unternehmens- und Staatsführung, Vereinbarungen über ‚Lohnsenkung für Beschäftigung‘ und dem Werben mit tarifvertraglich zugesicherter Aufweichung der Tarifverträge empfiehlt sie sich als Instanz zur Sicherung des Standorts D – gegenüber Regierung und Unternehmern, die sie in dieser Funktion zunehmend für überflüssig erklären.
Der gewerkschaftliche „Kampf um Arbeitsplätze“ feiert einen Erfolg nach dem anderen: Massenentlassungen gehen über die Bühne – weil unvermeidlich, dafür sozial abgewickelt; der Kampf um die 35-Stunden-Woche – der Einsatz der Arbeiter wird rechnerisch verkürzt, zugleich flexibler und intensiver; Rheinhausen wird gerettet – mit Massenentlassungen; im Osten Massenentlassungen, aber mit sozialstaatlicher Ersatzbeschäftigung; und die Unternehmer werden aufgefordert, mehr für den Standort zu tun – Wirtschaftsimperialismus als Beschäftigungsprogramm.
Mit den Produkten der Arbeit, die sie verrichten lassen, müssen die kapitalistischen Unternehmer „am Markt“ bestehen, also den Konkurrenzkampf gegen ihresgleichen um die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft gewinnen. Darüber regelt sich die „Versorgung“ der „Konsumgesellschaft“; umgekehrt entscheidet sich am marktwirtschaftlichen Erfolg, welche Produktion gesellschaftlich überhaupt notwendig war.
Zur Effektivierung ihres Konkurrenzmittels, der Arbeit, setzen die Arbeitgeber nicht bloß eigene Geschäftserlöse ein, sondern Schulden. Mit geliehenem Geld verschaffen sie sich die Freiheit, über das Maß ihres Vermögens und der jeweils erwirtschafteten Überschüsse hinaus ihre Produktion kontinuierlich fortzuführen, sie auszuweiten und ihre Rentabilität zu steigern. Zum eigenen Geschäftszweig verselbständigt, befähigt der Kredit die Unternehmer dazu, für ihre Konkurrenz um Marktanteile gewaltige Investitionen zu tätigen und alle Schranken zu ignorieren, auf die sie dabei stoßen.
Die „soziale Frage“ ist gelöst: Der moderne Arbeitnehmer ist die Antwort. Jahrzehnte lang haben Sozialpolitiker und Unternehmer, Gewerkschaften und Parteien, Volksseelsorger und Sozialforscher ans Proletariat hingearbeitet, damit es nicht dauernd störend im Weg herumsteht, wenn die kapitalistische Produktionsweise und die dafür zuständige politische Gewalt ihren fortschrittlichen Gang gehen. Sie haben es geschafft.