Orbáns „Friedensmission“ und eine „Hochrangige Konferenz zum Frieden in der Ukraine“

Gegensätzliche diplomatische Klarstellungen zum Frieden in Europa

Der ungarische Regierungschef begibt sich direkt nach der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes auf eine „Friedensmission“. Die führt ihn zuallererst in die Ukraine und nach Russland, um auf künftige Verhandlungen zwischen den kriegführenden Parteien hinzuwirken. Wohin auch sonst?! In der Wahl der Adressaten unterstellt seine Vermittlungsmission eine diplomatische Banalität: Letztlich findet ein Friedensschluss logischerweise zwischen den staatlichen Feinden statt, die gegeneinander Krieg führen; die Bedingungen, unter denen die Kriegsparteien ihre Waffen auch wieder schweigen lassen, müssen schließlich die miteinander ausmachen.

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Orbáns „Friedensmission“ und eine „Hochrangige Konferenz zum Frieden in der Ukraine“ 
Gegensätzliche diplomatische Klarstellungen zum Frieden in Europa 

Der ungarische Regierungschef Victor Orbán begibt sich direkt nach der Übernahme des EU-Ratsvorsitzes auf eine „Friedensmission“. Die führt ihn zuallererst in die Ukraine und nach Russland, um auf künftige Verhandlungen zwischen den kriegführenden Parteien hinzuwirken. Wohin auch sonst?! In der Wahl der Adressaten unterstellt seine Vermittlungsmission eine diplomatische Banalität: Letztlich findet ein Friedensschluss logischerweise zwischen den staatlichen Feinden statt, die gegeneinander Krieg führen; die Bedingungen, unter denen die Kriegsparteien ihre Waffen auch wieder schweigen lassen, einander anerkennen und auf die zivilen Waffen ihrer Konkurrenz zurückkommen, müssen schließlich die miteinander ausmachen.

Das Unterfangen des ungarischen Regierungschefs wird seitens führender Politiker der EU von Anfang an mit Relativierungen, empörter Kritik und Ausgrenzungsversuchen begleitet: Da reise keine offizielle Stimme Europas, sondern bloß ein unbedeutender nationaler Vertreter; ein verirrter Russlandfreund, der mit seiner angeblichen „Friedensmission“ das glatte Gegenteil bewirke und der russischen Aggression Vorschub leiste. Die Vehemenz, mit der die Reise Orbáns angefeindet wird, zeugt in erster Linie vom unerbittlichen Standpunkt seiner Kritiker: Politiker der EU und ihrer maßgeblichen Mitglieder beharren auf ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss mit Russland und erteilen daher jeder Friedensdiplomatie, die auf Vermittlung aus ist, eine klare Absage.

Ein Widerspruch dazu, dass auch sie als Teil der westlichen Unterstützer der ukrainischen Kriegspartei zu einer „Hochrangigen Konferenz zum Frieden in der Ukraine“ einladen, ist das keineswegs. Der Friedensgipfel in der Schweiz, dem die ukrainische „Friedensformel“ zugrunde gelegt und zu dem Russland gar nicht erst eingeladen wird, demonstriert allein vermittels seiner Präliminarien, dass Friedensdiplomatie schlicht ausgeschlossen ist, die in irgendeiner Weise russische Interessen, überhaupt den Standpunkt des Gegners, geschweige denn faktisch hergestellte Kriegsergebnisse in Rechnung stellen und damit Russland als Verhandlungspartner anerkennen würde. Die Veranstalter, die dem Ersuchen der Ukraine eine weltöffentliche Bühne verschaffen, bekunden durch das Veranstaltungsformat ihren offensiven politischen Willen, alle Friedensverhandlungen mit der russischen Kriegspartei bis auf Weiteres kategorisch abzulehnen.

Für diese diplomatische Absage benötigt die Allianz der Staaten, die militärisch ohnehin am antirussischen Krieg ‚ihrer‘ Ukraine festhält, eigentlich keinen eigenen Gipfel; dass echte Friedensgespräche mit Russland eine nicht hinnehmbare „Kapitulation“ darstellen würden, betonen sie bei jeder Gelegenheit. Aber ausgehend von ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss ist ihnen an der diplomatischen Veranstaltung einer „Hochrangigen Konferenz zum Frieden in der Ukraine“ offenkundig sehr gelegen: Ihr Interesse daran, Russland in der und vermittels der Ukraine eine nachhaltige Niederlage zuzufügen, wollen sie als gutes Recht, als Wahrung internationalen Völkerrechts verstanden, nämlich von der geladenen Staatenwelt anerkannt wissen. Da bietet ihnen der Rahmen ihres Gipfels die diplomatische Möglichkeit, mit heuchlerischen Willens- und Anspruchsbekundungen auf die politische Willensbildung anderer Staaten Einfluss zu nehmen. Darum interessiert die westlichen Partner nicht nur, wer von den geladenen Staaten überhaupt kommt oder gleich absagt, sondern auch, wer sich womöglich zur ukrainischen „Friedensformel“ bekennt oder zumindest die Abschlusserklärung mit ihren diplomatischen Relativierungen unterzeichnet oder aber die Unterschrift gänzlich verweigert. Dem entnehmen die staatlichen Vertreter der westlichen Kriegsfront den aktuellen Stand in dem Bemühen, die Staatenwelt zu einer antirussischen Parteilichkeit und zur Anerkennung ihres militanten Ordnungsanspruchs gegen Russland zu drängen. Klar, die praktische Durchsetzung dieser Forderung findet auf anderen Feldern als diplomatischen Gipfeln und in anderen Formen als mehr oder weniger heuchlerischen, auf jeden Fall berechnenden Stellungnahmen statt: Sie wird mit einer Mischung aus Angeboten und Erpressung, nicht zuletzt mit Sekundärsanktionen, vorangetrieben und entschieden. Das macht einen Friedensgipfel für die maßgeblichen Akteure nicht etwa überflüssig oder zu einer bloßen Show, sondern notwendig: Sie artikulieren ihre imperialistischen Ansprüche in diplomatischer Form, also ihre Erwartung, dafür Anerkennung vonseiten der Staatengemeinschaft zu verdienen, und sondieren, inwieweit dem entsprochen wird. Solange die westlichen Ukraine-Freunde an ihrer doppelten antirussischen Kriegsfront festhalten, haben sie Bedarf an der laufenden Erneuerung dieser Bestandsaufnahme. Deswegen gehört zum letzten die Planung des nächsten Friedensgipfels.