Noch einige Lehren aus Trumps Amerika über die Demokratie
Kampf gegen die etablierte Presse und für die Etablierung einer neuen

„Die Fake-News-Media sind der Feind des amerikanischen Volkes“ (D. Trump, ca. einmal pro Woche) – gemeint sind die „scheiternde“ New York Times, „Amazon“ Washington Post, „Fake News“ CNN sowie noch einige andere Organe der etablierten Öffentlichkeit in den USA. Ihr Vergehen: Sie wollen nicht anerkennen, schon gar nicht als feste Prämisse ihrer Berichterstattung und Kritik, dass Trump Recht hat, der Richtige ist – der größte Wahlsieger und Präsident aller Zeiten. Sie verbreiten also Lügen, betreiben zusammen mit Trumps vielen politischen Konkurrenten sogar einen Sturz des Präsidenten. Also gehören sie fertiggemacht. Trump lässt zwar ihre verfassungsrechtlich verbriefte Freiheit unangetastet, beteuert aber immer wieder sein Recht, gewisse Beschränkungen zu erlassen. Auf jeden Fall bestreitet er ihnen die Kompetenz und Legitimität als glaubwürdige Quellen von Information und respektablen Meinungen, damit ihren Status als berufene Repräsentanten des Rechts der Bürger auf eine rechenschaftspflichtige Führung. Er schränkt ihren gewohnten offiziellen ‚Zugang‘ zu den Korridoren der Macht, ihren täglichen Einblick in die Beweg- und Hintergründe des Regierungshandelns ein.

Andere Medienorgane wertet Trump erheblich auf...

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Noch einige Lehren aus Trumps Amerika über die Demokratie
Kampf gegen die etablierte Presse und für die Etablierung einer neuen

I. Trump und seine Öffentlichkeit

1. Die Fake-News-Media sind der Feind des amerikanischen Volkes (D. Trump, ca. einmal pro Woche) – gemeint sind die scheiternde New York Times, Amazon Washington Post, Fake News CNN sowie noch einige andere Organe der etablierten Öffentlichkeit in den USA. Den fälligen Kampf gegen sie führt der oberste Volksvertreter seit zwei Jahren. Ihr Vergehen: Sie wollen nicht anerkennen, schon gar nicht als feste Prämisse ihrer Berichterstattung und Kritik, dass Trump Recht hat, der Richtige ist – der größte Wahlsieger und Präsident aller Zeiten. Sie verbreiten also Lügen, betreiben zusammen mit Trumps vielen politischen Konkurrenten sogar einen Sturz des Präsidenten. Also gehören sie fertiggemacht – moralisch bankrott, wie sie schon sind, sollen sie pleitegehen. Trump lässt zwar ihre verfassungsrechtlich verbriefte Freiheit unangetastet, beteuert aber immer wieder sein Recht, gewisse Beschränkungen zu erlassen. Auf jeden Fall bestreitet er ihnen die Kompetenz und Legitimität als glaubwürdige Quellen von Information und respektablen Meinungen, damit ihren Status als berufene Repräsentanten des Rechts der Bürger auf eine rechenschaftspflichtige Führung. Er schränkt ihren gewohnten offiziellen ‚Zugang‘ zu den Korridoren der Macht, ihren täglichen Einblick in die Beweg- und Hintergründe des Regierungshandelns ein.

Andere Medienorgane wertet Trump erheblich auf. Als positiver Gegenpol der ‚Fake News‘ der anderen wird Fox News – das Propagandaorgan der republikanischen Partei mit dem ausgewogenen Motto fair and balanced und immerhin der erfolgreichste Nachrichtensender der USA – regelmäßig mit Lob überschüttet: Fox kapiert’s! Manchen im Fox-News-Team gewährt der Chef beispiellose Nähe und beachtlichen Einfluss auf die Weise, wie er sein Regieren vermittelt und seine Gegner angreift: Sean Hannity, der derzeit beliebteste Moderator beim Sender, telefoniert diesbezüglich offenbar mehrmals wöchentlich mit seinem Freund Donald – was mit einer bestimmenden Einflussnahme auf Trumps Politik selbst gern und ganz zu Unrecht verwechselt wird. Kenner der Materie verweisen auf eine auffällige Konkordanz zwischen den Bemerkungen des Fox-Morgenmagazins („Fox & Friends“) und den anschließenden Tweets aus dem Weißen Haus sowie auf die auffällig direkte Ansprache an den Präsidenten, die die Moderatoren der Sendung pflegen – wohl wissend, wie aufmerksam der Fan im Oval Office zuschaut. Für die Interviews, die er beinah exklusiv Fox-Journalisten gewährt, bedanken sie sich mit entsprechend wohlwollenden Fragen, Antwortvorschlägen und unterwürfiger Kumpelhaftigkeit. Daneben kommen diverse Rechtsradikale im Netz, die in Trump ihren Mann sehen, sowie einige Verschwörungstheoretiker vom rechten Rand in den Genuss einer offiziellen Anerkennung, mit der sie vermutlich selbst nie gerechnet hätten.[1] Schließlich hat Trump den ehemaligen Chef des rechtsradikalen Breitbart News Network, Steve Bannon, zu seinem ‚campaign manager‘ im Endspurt des Wahlkampfs und anschließend zum Chefberater im Weißen Haus gemacht; der durfte dann wirklich – ein halbes Jahr lang jedenfalls – Einfluss auf die offizielle Politik nehmen.

Trump ist es aber eigentlich am liebsten, wenn er alle Profis der Öffentlichkeit, feindliche wie freundliche, einfach umgeht. So kann er jederzeit unvermittelt, also unverzerrt zu seinem Volk twittern – eine Sorte Nähe zwischen Herrschaft und Untertan, die nur die großartige Netzwelt bietet. Die Art, wie Trump sich da äußert, geht mit den diskursiven Gepflogenheiten der Netzgemeinde auch absolut konform: Auch in seinem neuen Beruf als Chef der Supermacht pflegt Trump den Gestus und die Wortwahl einer Privatperson unterwegs im Netz, die entsprechend frei und direkt aus dem Herzen, also recht kumpel- und rüpelhaft zu den Gleichgesinnten und Opponenten ihrer Community spricht. Das kleine Format reicht auch allemal aus – für Trumps ‚Likes‘ und ‚Dislikes‘, also für die Freundschafts- und vor allem Feindschaftserklärungen an die Gegner, die diese Community überhaupt erst zu einer so geschlossenen Gemeinschaft machen. Andererseits: Trump verzichtet in seiner persönlichen Mitteilungsfreude kein bisschen auf die Inanspruchnahme der politischen Autorität, die ihm das höchste Amt im Staate verleiht. Wenn er zu seinen Followers und seinem Volk von Gleich zu Gleich spricht, dann allemal mit herrschaftlichen Ansagen und Ansprüchen, die von ganz oben kommen. So treibt Trump mit seiner offenherzig selbstherrlichen Art und seinem Handy die zynische Natur der demokratisch hochrespektablen Tour namens ‚Volksnähe‘ auf die Spitze – und bringt sie damit auf den Punkt: eine Nähe, die ganz vom Herrschaftsverhältnis lebt, das sie in eine bloße Frage der Distanz umlügt. Diese Distanz ist zwar durch keinen twittermäßigen kommunikativen Brückenschlag jemals zu überwinden, aber damit wird eine Ebene geschaffen, auf der Verständnis gedeihen kann – für politische Maßnahmen und Vorgaben, die zwar laufend zur Diskussion, aber keine Sekunde lang zur Disposition gestellt werden.

2. Aus alledem geht überdeutlich hervor, was Trump von der Presse verlangt, nämlich genau das, was ihm auch dauernd vorgeworfen wird: Propaganda pur. Und zwar in der schönsten Form für die Herrschaft – als freie Tat einer unabhängigen Instanz, die weder lügen noch dem Präsidenten in jedem Punkt Recht geben, dafür klar hinter ihm stehen muss, weil und damit das Volk es tut. Die tägliche journalistische Stärkung des mächtigsten Manns im Staate – so lautet der klare Auftrag aus dem Weißen Haus.

Das mag in der Öffentlichkeit auch hierzulande für viel Empörung gut sein – eine Verfehlung ist das nicht. Denn Trump spendiert gerade mit seinem besonderen Auftreten eine Klarstellung von allgemeinem Wert, und zwar über das Verhältnis zwischen Politik und Presse in der Demokratie: Die vielbeschworene ‚vierte Gewalt‘, ihr Status als Quasi-Bestandteil der Staatsgewalt im Auftrag des regierten Volkes, ist und bleibt eine hoheitlich genehmigte. Der Respekt, auf dem die Presse besteht, beruht auf ihrer Unterordnung – schließlich lässt sich hier nicht irgendwer, sondern eine herrschaftliche Gewalt kritisch befragen. Diese Genehmigung unterliegt deshalb einer Bedingung, die der inoffiziellen, vierten Gewalt von der offiziellen, genehmigenden Gewalt gesetzt wird – und die Bedingung enthält wiederum einen hoheitlichen Auftrag, dem die Presse nachzukommen hat: Ihre Kritik hat konstruktiv zu sein, was sich vielleicht für eine moderne und verantwortliche demokratische Presse von selbst versteht, aber überhaupt nicht selbstverständlich ist. Denn das bedeutet immerhin die allgemeingültige Verpflichtung von Kritikern auf Verbesserungsvorschläge gegenüber der Herrschaft, die zugleich den Hauptgegenstand und überhaupt den ganzen Grund für ihr kritisches Ethos als Wächter des Volkes gegenüber den Machthabern abgibt. In ihrem kritischen Drängen auf die Zustimmungsfähigkeit der Politik hat sich die Presse um die Zustimmung des Volkes verdient zu machen – nur sachgemäß ist es, dass die Herrschaft selbst über die Einhaltung der Bedingung und die Erfüllung des Auftrags befindet. Nichts als diese allgemeine Wahrheit über das Verhältnis zwischen demokratischer Herrschaft und demokratischer Presse ist es, was Trump in seiner besonders zugespitzten Tour auf den Punkt bringt: Die Zustimmung des Volkes zur Herrschaft – die Wirkung, die vom Standpunkt der Herrschaft schon immer von den Institutionen der Öffentlichkeit ausgehen soll, wenn sie frei berichten und kritisieren – verlangt Trump der Presse als deren eigene Tat ab; sie soll die Zustimmung vorleben, die sie beim Volk erzeugen soll, und zwar zu ihm persönlich. Sonst wird ihr, wie gesagt, ihre Arbeitsgrundlage entzogen, ihr gewohnter Zugang zu den Hauptmachern der Politik eingeschränkt.

Das ist für die Presse hierzulande ein großer Skandal, für die dort betroffenen Presseorgane auch ein schwerer Schlag, weil sie – das geben sie lauthals zu Protokoll – von diesem privilegierten Austausch mit den Mächtigen und dem Mächtigsten im Lande überhaupt leben. Auch das versteht sich überhaupt nicht von selbst, auch wenn das offenbar als selbstverständlich gilt. Das gibt jedenfalls einen recht klaren Einblick in das Selbstverständnis der etablierten, als ‚seriös‘ geltenden Öffentlichkeit: Sie mag zwar in dem Bewusstsein zu Werke gehen, dass sie einer herrschaftlichen Gewalt gegenübertritt, deren Machtausübung sie unparteilich und unbestechlich objektiv, ‚unbequem‘ und konträr beurteilt und kritisiert. Doch das allein würde offenbar viel zu viel Ferne von den Mächtigen bedeuten, von deren Treiben die Presseleute berichten und das sie kommentieren; eine solche Herabstufung zu einer bloßen Meinung käme einer Verurteilung zur Unmaßgeblichkeit gleich, die ihrem ganzen Selbstverständnis und Geschäftsbedürfnis als Instanzen des verantwortlichen demokratischen Journalismus widerspricht. Wenn sie sich mit all ihrer objektiven Berichterstattung und ihrer distanzierten Kritik gegenüber den Machthabern als Vertreter des Rechts der Bürger auf Wahrheit aufbauen, geht es ihnen darum, die Nähe zwischen oben und unten wirklich herzustellen, die Politiker bloß als mehr oder weniger raffinierte Tour pflegen. Sie wollen zwischen Herrschaft und Volk vermitteln, in dessen Namen über es geherrscht wird, dem Volk die Politik nahebringen und umgekehrt – die Bürger sollen Verständnis haben können für die Taten der Herrschaft, und die Herrschaft Verständnis für die Lage der Betroffenen. Zwischen beide Seiten schalten sich die Profis der Öffentlichkeit daher als die Instanz ein, die aus diesem Verhältnis der Unterordnung überhaupt erst ein Vermittlungsverhältnis macht. Und genau darum – um die bessere, schnellere, umfassendere und verlässlichere Bedienung der Nachfrage auf beiden Seiten nach diesem Vermittlungsangebot – konkurrieren die diversen journalistischen Anbieter auch: Sie machen ihr Geschäft mit einem stellvertretenden Dialog zwischen Machthabern und ihren Untertanen, je direkter desto besser, müssen also im möglichst direkten und umfassenden Austausch gerade mit den Machern der Politik bleiben, die mit ihren Vorgaben den Stoff für diesen Dialog überhaupt schaffen. Das bestimmt dann auch die Sicht der Agenten der demokratischen Öffentlichkeit auf die Herrschaft: Wo sie der Presse Zugang gewährt, ihr regelmäßig Rechenschaft über das Regieren ablegt, ihren wichtigen Status und ihre Kritik respektiert – gewöhnlich in der Form, dass sie einen respektvollen, privilegierenden Umgang mit einer kritischen Presse beim Zurückweisen ihrer Kritik pflegt –, liegt Unterwerfung in dem Sinne gar nicht mehr vor. Wenn sich die gewählte Führungsmannschaft von den Kritikern vom Dienst regelmäßig befragen lässt, dann steht sie im Dienst des Publikums, als Auftragnehmer des auftraggebenden Volks, das in der Presse einen kompetenten Berater und Vertreter hat, der den ermächtigten Auftragnehmern auch stets auf die Finger schaut.

Kein Wunder also, dass die angefeindeten Medien mit Trumps Klarstellung nichts anfangen können, dass sie in diesem Machthaber, der von einer solchen Bedingtheit seiner Autorität und seines Rechts auf Zustimmung nichts wissen will, eine ernsthafte Gefahr sehen. Und zwar nicht nur für ihr eigenes Geschäft, sondern für das schöne volksherrschaftliche System überhaupt, das von ihnen angeblich voll und ganz abhängt. Dabei wird die Presse von Trump gar nicht gefeuert, im Gegenteil: Gerade dieser Präsident nimmt die Funktion der freien Presse in der Demokratie denkbar ernst; mit all seinen Polemiken gegen sie besteht er ja – wie gesagt – auf Erfüllung ihres Auftrags, auf Zustimmung zu seiner Person als Volksführer.[2] Und gerade mit seiner Beharrlichkeit in dieser Frage stellt der herrschende Medienschreck das grundlegende Ideal des journalistischen Geschäfts eindeutig vom Kopf auf die Füße: Nicht die freien Medien entscheiden über die Legitimität der Herrschaft, die ihnen ihre Freiheit gewährt, sondern umgekehrt. Sie haben eine affirmative Funktion für die Macht, wenn sie sich ihr in einem kritisch-kommentierenden und mahnenden Verhältnis gegenüberstellen. Mit ihrem ganzen kritischen Selbstverständnis sind sie die besserwisserischen Diener der Herrschaft.

3. Trump hat für seine Forderungen an und seine Feindschaft gegen die etablierten Medien ein denkbar starkes, weil offiziell gültiges demokratisches Argument auf seiner Seite, das er bei jeder Gelegenheit auch einsetzt: die Stimme des Volkes. Wie sehr diese Stimme nach Trump ruft, hat die Wahl neulich bewiesen; wie wenig die Presse diese Stimme hören will, hat sie schon mit ihrer Gewissheit bewiesen, Trump würde die Wahl niemals gewinnen, dann erst recht mit ihrem dauernden Herummeckern an seinen Maßnahmen, seiner Art, seiner Vergangenheit etc., obwohl das Volk ihn nachweislich liebt. Es mag den kritisierten Kritikern wie eine einzige himmelschreiende Anmaßung vorkommen, dass Trump gerade in seinem Kampf gegen die journalistischen Vertreter des Volkes den Willen eben dieses Volkes mit Verweis auf seinen Wahlsieg umzusetzen beansprucht. Doch immerhin ist ein anderer verbindlicher Sprechakt des Volkes in der Demokratie überhaupt nicht vorgesehen. Und die Kunst, im Herzen der Hauptstadt, als gewählter Chef, für ‚the American people‘, ‚the heartland‘ oder die ‚schweigende Mehrheit‘ zu sprechen, die eine kritik- und skandalwütige Presse nicht genug zu Wort kommen lässt, hat er ja wirklich nicht erfunden.

Die Vehemenz, mit der Trump gegenüber der Presse auf Zustimmung besteht, hat jenseits seiner berüchtigten Eitelkeit einen politischen Grund und Gehalt: Trump ist sich sicher, dass, wenn ein Volk spricht, das amerikanische schon gleich, es eigentlich immer den Ruf nach einem starken Führer ertönen lässt. Volk braucht Führung, die sich durchsetzt, sich weder Sachzwänge noch Abhängigkeiten noch irgendwelche fremde Ansprüche, also schon gar nicht die Frechheit der einheimischen Kritiker gefallen lässt. Und das ist ein Bedürfnis, das eine verantwortliche demokratische Presse bei aller demonstrativen Abneigung gegen autoritäre Figuren nicht nur sehr gut kennt, sondern auch anerkennt. Genau das beweist die US-Presse übrigens, wenn sie Trump an genau diesem Kriterium einer starken Führung misst und schlechte Noten verteilt: zu empfindlich gegenüber Kritik, nicht souverän, im Ausland isoliert, vielleicht sogar kompromittiert, also insgesamt ein denkbar schwacher Mann an der Spitze – womit die Medien natürlich erst recht die Feindschaft des Chefs auf sich ziehen. Sie vergeigen damit ja ihren ganzen Auftrag: Beiträge zu seiner Stärke zu liefern.

II. Die rechte Gegenöffentlichkeit und ihr Trump

Es mag ein historischer Treppenwitz sein, dass ausgerechnet Donald Trump, ehemaliger Reality-TV-Star, langjähriger Darling der etablierten Medien und verlässliche Quotengarantie für deren Sensationsabteilungen, jetzt als deren ärgster und mächtigster Feind auftritt, geht sachlich aber voll in Ordnung. Die rechte Bewegung, die ihn an die Macht gebracht hat, versteht sich schon immer als Gegen-Öffentlichkeit, als Verteidiger der wahren Volksgesinnung gegen die Mainstream-Medien: Die [etablierten] Medien sind unsere wahre Opposition. (Steve Bannon, kurz nach Trumps Wahlsieg, noch in seiner Position als Chefberater). Dass Trump das Motto dieser Bewegung zu seinem Programm macht, feiert sie als ihren Sieg über ihren Hauptfeind.

1. Das Verdikt der rechten Gegenöffentlichkeit über die etablierten Medien lautet schlicht: Sie machen die Nation schwach. Die beklagte Schwäche ist dabei von einer Sorte, wie sie nur die amerikanische Supermacht erleiden könnte: das Unvermögen, der restlichen Staatenwelt den Willen Amerikas lückenlos aufzudrücken und dabei die eigene Geschäftswelt so freizusetzen, dass sich Gewinnzahlen bei den Unternehmen, schwarze Zahlen in der staatlichen Haushaltsbilanz und viele Jobs einstellen, während die Sozialfälle dabei nicht weiter stören, weil sie nicht zu viel kosten. Man hat es also mit einem patriotischen Selbstbewusstsein zu tun, das zum Davonlaufen, also der Supermacht durchaus würdig ist: eine Liebe zur Nation, die dem Dreiklang aus konkurrenzloser militärischer Machtentfaltung gegenüber einer gehorsamen Staatenwelt, erstklassigem Geschäftserfolg für die einen und einem Lebensunterhalt nebst harter Arbeit für die anderen gilt. Und das alles auch noch zum Ausdruck eines großartigen Menschenschlags idealisiert, der frei, also zum kapitalistischen und imperialistischen Erfolg geboren ist. Von diesem hohen patriotischen Selbstbild zur scharfen Selbstkritik an der Lage der Nation lautet der ganz kleine, konsequente Schritt: Wo ausgerechnet diese Nation Schwächen zeigt, ist der typisch starke amerikanische Wille offensichtlich geschwächt worden. Schuld daran sind natürlich zunächst die da oben: schwache Politiker, zum allergrößten Teil in der demokratischen Partei, die nach außen zu viel Rücksicht auf Freunde und Feinde nehmen, nach innen zu nachlässig sind gegenüber dem Besitzstandsdenken der einen, zu misstrauisch gegen die Freiheit der anderen, der Unternehmer. Aber das Problem reicht um einiges tiefer: Die Moral des Volkes liegt offensichtlich im Argen, wenn es so schwache Politiker erst ins Amt hievt und ihnen nicht einmal dann den Rücken kehrt, wenn sie die Stärke der Nation untergraben.

Und auch sonst häufen sich im Lande Anzeichen dafür, dass sich eine verhängnisvolle Abkehr von einer traditionellen Gesinnung der politischen, ökonomischen und moralischen Stärke vollzieht. Also werden die Verfehlungen der dafür zuständigen Autoritäten ins Visier genommen: die Instanzen der demokratischen Öffentlichkeit. Dass die so etwas wie Autoritäten mit einer quasihoheitlichen Funktion in puncto korrektes Denken und Leben sind, gilt dabei als selbstverständlich. Die Ausübung ihrer Freiheit, mit Information, Kommentar und Unterhaltung ihr Geschäft zu machen, hat deswegen aber auch in einer Gesinnung zu münden, die die Nation für ihre Stärke braucht. Insofern wird über Rolle und Macht dieser Institutionen im demokratischen Machtgefüge eine recht dicke Einbildung gepflegt. Für diese Rechten ist die Öffentlichkeit viel mehr als das, was sie ist – die Sphäre, in der über die Politik und die von ihr regierte Konkurrenzgesellschaft zwar gerechtet, aber gewiss nicht bestimmt wird. Um es mit Andrew Breitbart, Gründervater von Breitbart News, zu sagen: Politics is downstream from culture (sinngemäß: Wer die Kultur beherrscht, beherrscht die Politik). Die Sphäre, in der das Volk auf allen Ebenen seine Einstellung zu Staat und kapitalistischer Konkurrenz bildet und sich bilden lässt, ist für diese Moralisten überhaupt die Grundlage aller Politik selbst. Dort, wo das Volk sich geistig austobt und seine Meinung bildet, entscheidet sich für sie, was aus einer Nation in der materiellen Welt der Konkurrenz überhaupt wird – die ganze Welt aus Kapitalismus und Imperialismus ein einziger ‚clash of cultures‘. Wer die amerikanische Nation zu ihrem kapitalistisch und imperialistisch Besten wenden will, muss daher das amerikanische Volk von seinen geistigen Entführern befreien und zu sich selbst zurückführen.

Die Volksverderber finden sich in der Akademie und unter den Intellektuellen, aber viel schlimmer als diese Gefährder, die immerhin zum großen Teil in ihren Elfenbeintürmen bleiben, sind die sogenannten mainstream liberal media. In Hollywood und vor allem in der etablierten Presse des Landes wird – im propagandistischen Auftrag der demokratischen Partei – eine Politik der Schwäche durch die Beförderung einer Moral der Schwäche befördert, die das starke Volk im Innern aushöhlt. Dort pflegt man nämlich zu viel kritische Distanz zu den Kriegen der Nation und zu den sozialen Folgen der Konkurrenz, zu viel Anerkennung für diverse Minderheiten als Opfer der amerikanischen Lebensart, die daher besonderen Respekt und eine gewisse Sonderbehandlung beanspruchen können, und zu viel Offenheit oder gar Unterstützung für Abweichungen von den ‚family values‘, die die Nation so stark gemacht haben. Auf all diesen Feldern, die für das Leben und Gedeihen der Nation so entscheidend sind, werden sowohl die Großartigkeit als auch die notwendigen, von ehrenhaften Bürgern freiwillig gezahlten Kosten der Freiheit kleingeredet: die vorbildlichen Opfer der weltweiten militärischen Durchsetzung, des selbstverantwortlichen Zurechtkommens mit den Härten der Konkurrenz, die bloß die abhärtende Kehrseite der wunderbaren Chancen des Markts sind, und eines Familienlebens, bei dem nicht der schnöde Egoismus eigener Präferenzen, sondern – der Gott, der Amerika segnet, hat’s befohlen – Pflichtbewusstsein gefordert ist. Noch schlimmer vom Standpunkt dieser Rechten ist die Idee, dass ausgerechnet in der Anerkennung abweichender Haltungen und Lebensweisen die wahre Verwirklichung der Freiheit liegen soll, die allen Bürgern verfassungsgemäß versprochen ist und die das Land wirklich so großartig macht. So kommt es dann zur historischen Ironie, dass ausgerechnet stramm rechte Bürger eines Landes, in dem die Freiheit wie nirgends sonst gefeiert und zur Nationalmoral erhoben wird, den ‚Liberalismus‘ als Schimpfwort gebrauchen – für den unmoralischen und gefährlichen Sumpf, der sich in der Nation dank der verkommenen Medienlandschaft breitmacht.

2. Den fälligen Kulturkampf gegen die etablierte, ‚liberale‘ Öffentlichkeit führen die Aktivisten der rechten Gegenöffentlichkeit inzwischen seit gut dreißig Jahren, und zwar wortwörtlich auf allen Kanälen. Sie tun das von Anfang an in der Gewissheit, dass sie auch neue Kanäle ausnutzen müssen, um an den etablierten Medien vorbeizukommen. Nicht nur darin, sondern auch in ihrem Auftritt erinnert diese Gegenöffentlichkeit stark an die Gepflogenheiten, die man aus den ‚neuen Medien‘ des Internets kennt.[3] Und sie bietet – um das Mindeste zu sagen – ein wunderbares Beispiel für die Harmonie von Nationalismus und Liebe zur Meinungsfreiheit. Dazu einige historische Etappen dieses Aufstiegs.

a) Ende der 80er Jahre – nach einer Lockerung der US-Rundfunkgesetze, wonach politische Sender nicht mehr gezwungen sind, ein gewisses Gleichgewicht der Meinungen zu bieten – wird eine aus der Mode gekommene Funkwelle wiederbelebt, um ein pendelndes, also stundenlang täglich im Stau sitzendes Publikum auf sein Bedürfnis nach starker Führung und einer starken Sittlichkeit anzusprechen. Rush Limbaugh, der als Pate des ‚conservative talk radio‘ und überhaupt der rechten Gegenöffentlichkeit gilt, wird schnell zum beliebtesten Talker eines Genres, das in seinem Schlepptau immer beliebter wird. Seine Talksendungen bestreitet er zu Beginn mit einer Offensive gegen Zweifler am ersten amerikanischen Golfkrieg und gegen Befürworter einer Sonderbehandlung von Frauen und Minderheiten in der Konkurrenz um Bildung und im Beruf. Und weil es Limbaugh und Konsorten um die Durchsetzung eines gültigen, uramerikanischen Prinzipienkatalogs geht, wird gleich darauf verzichtet, gegen die Gegner und für die Zumutungen, die das schöne amerikanische System nun einmal mit sich bringt, in eigentlichem Sinne zu argumentieren. Sie bieten vielmehr eine selbstbewusste Demonstration einer rechtschaffenen Gesinnung – und das geht in einer lebendigen Demokratie seit jeher so: Die Gegner, die die Moral für sich und ihren Standpunkt in Anspruch nehmen, entlarvt man als Heuchler. Eine kleine Kostprobe dieser in der Demokratie äußerst beliebten Kunst: Wer am Sinn, Zweck und Nutzen von amerikanischen Kriegen zweifelt, die unsere guten republikanischen Präsidenten für nötig halten, inszeniert sich als Friedensengel, verrät aber bloß unsere tapferen Jungs drüben in der Wüste; er, nicht der Commander-in-Chief, lässt andere für sich kämpfen und sterben und erkennt die Opfer nicht einmal an. Wer die drastische soziale Lage der Armen beklagt, gerade unter den Minderheiten, sich für einen Ausbau ihrer sozialen Betreuung oder für eine Sonderbehandlung ausspricht, inszeniert sich als Mutter Teresa, verrät aber bloß hart arbeitende Amerikaner mit oder ohne Arbeitsplatz, die sich doch täglich gemäß dem Prinzip der ‚Selbstverantwortung‘ aufopfern, ohne zu meckern; er, nicht irgendein gieriger Unternehmer oder geiziger Staatsmann, beutet die Leute aus und lässt sich durch andere, steuerzahlende Amerikaner durchfüttern. Wie sehr man selbst auf der Seite der guten, amerikanischen Moral steht, lässt sich eben am besten durch die moralische Verdorbenheit der Moralapostel der Gegenseite zeigen – weswegen übrigens die sexuellen Eskapaden und Zwielichtigkeit des ‚liberalen‘ Oberchefs Bill Clinton noch genug Stoff für mindestens ein Jahrzehnt Sendezeit hergeben.

Das Ganze wird vorgeführt mit lauter Glanzleistungen im Fach „Das wird man wohl sagen dürfen!“, als Kampf für eine unterdrückte Wahrheit gegen unpatriotische Gedankenverbote liberaler Despoten. Das Gefühl der Unterdrückung kommt nicht von ungefähr – und liegt nur zur Hälfte daran, dass diese Rechten die in der Verfassung versprochene Freiheit als die Lizenz verstehen, genau die altehrwürdigen Überzeugungen und Sitten zu pflegen, die nach ihrer Einschätzung die Nation in ihrem geschäftlichen und gewaltsamen Umgang mit dem Rest der Welt so frei machen. Zur anderen Hälfte liegt das an der Weise, wie die ‚Liberalisierung‘ der nationalen Sittlichkeit in der demokratischen Öffentlichkeit tatsächlich vonstattengeht, nämlich in Form von lauter Ge- und Verboten, den Respekt für Minderheiten, Abweichler, Opfer betreffend. Gegen diese in modernen Demokratien fest etablierte Tour, ein nationales Gemeinschaftsgefühl durch vorgeschriebene Heuchelei unter rechtsbewussten Konkurrenten zu verordnen – auch als ‚political correctness‘ bekannt –, setzen rechte Talker ein eigenes heuchlerisches Stilmittel, das hierzulande genauso etabliert ist: den ‚Tabubruch‘. So präsentieren sie nationalistische Bigotterie, sittliche Borniertheit und Fanatismus der Konkurrenz als mutige Prinzipientreue im Angesicht eines totalitären Verbots, auszusprechen, was Sache ist.

Die täglich wiederholte Aufdeckung und Anklage der Unanständigkeit und der Heuchelei der ‚liberalen‘ Tugendbolzen belegen dabei vor allem, was für eine tugendhafte Figur da Anklage erhebt. Ein schöner Kreisverkehr von vortrefflicher Person und vorbildlicher Gesinnung in Gestalt einer öffentlichen Meinungspersönlichkeit: Mit der rücksichtslosen Demonstration der eigenen rechten Gesinnung wird die Glaubwürdigkeit der Person über alle Zweifel erhoben; umgekehrt wird mit der Glaubwürdigkeit der Person die Vorbildlichkeit der demonstrativ gepflegten rechten Gesinnung bewiesen, also auch die Wahrheit von allem, was der glaubwürdige Gesinnungstäter von sich gibt. Auch die Zuhörer können sich an dieser Veranstaltung gerne beteiligen; sie können beim Sender anrufen und ihren persönlichen Senf zur Sache öffentlich machen – eine Gelegenheit, die sie in der Regel dazu nutzen, sich als fanatische Anhänger aufzuführen, dem Chef-Talker und einander reihum Recht zu geben. Bei den Zuhörern/Anrufern der Rush-Limbaugh-Show nimmt das übrigens die zeitsparende Form an, dass sie schlicht Ditto! ins Telefon rufen, sich selbst gleich als ‚dittoheads‘ bezeichnen und das Motto – unter Ausnutzung der schönen Doppeldeutigkeiten, die die englische Sprache bietet – Rush is right auf T-Shirts und Autoaufkleber drucken lassen. Ein analoges Vorbild für die berühmt-berüchtigten ‚Echokammern‘ in der Netzwelt also: Hier finden selbstbewusste, meinungsstarke Bürger, die sich nichts vormachen und -schreiben lassen, zu einer sittlichen Gemeinschaft um einen starken Meinungsführer zusammen, der ihnen täglich zuruft, was sie einander wechselseitig bestätigen.

b) Bei dieser mobilen Echokammer bleibt es nicht – nicht nur deswegen, weil ein politisch ambitionierter Geldsack namens Rupert Murdoch sich Mitte der 90er vornimmt, den bis dahin von CNN beherrschten Bereich der ‚cable news‘ für die Rechten zu erobern. Das Angebot einer konsequenten Moral der Stärke und einer Feindschaft gegen Zweifel an der kriegerischen Durchsetzung der Nation ist nämlich genau das, was eine Nation im weltweiten Krieg offenbar braucht. In diesem Sinne setzt sich Fox News nach dem 11. September an die Spitze des allgemeinen patriotischen Aufschwungs im Zuge des weltweiten ‚war on terror‘ und der gewaltigen inneren Aufrüstung des Landes – und wird unter Anwendung aller oben erwähnten Mittel und Methoden der konservativen Radio-Talker zum beliebtesten Nachrichtensender des Landes, also zum denkbar schweren Gegengewicht und zugleich Stachel im Fleisch der etablierten Öffentlichkeit. Und auch wenn der Kandidat des Gegners das Weiße Haus erobert, baut Fox seine Spitzenposition auf dem entscheidenden Kriegsschauplatz der Öffentlichkeit unter dem verhassten Obama noch weiter aus. Verhasst deswegen, weil er mit seiner gesamten Außen- und Innenpolitik, seinem Charakter und seiner Rhetorik die Selbstschwächung verkörpert, an der die Nation zugrunde geht: Er schämt sich für Amerikas Macht in der Welt, verachtet die Freiheit der Konkurrenz, führt sich auf wie ein Intellektueller und missachtet die hart arbeitende Mehrheit zugunsten von lauter Minderheiten, die er in seiner Person auch noch verkörpert. Da stellt sich für amerikanische Patrioten schon die Frage, ob der schwarze Mann im Weißen Haus überhaupt Amerikaner ist. Auch das wird man wohl noch fragen dürfen.

c) Mit der Konzentration auf den fragwürdigen Charakter der Mächtigen feiert eine andere Fraktion der rechten Gegenöffentlichkeit – im Internet, wo die Mission einer Befreiung von der Vorherrschaft der ‚liberal media‘ ihr formvollendetes Medium findet – ihren besonderen Triumph. Der Aufstieg dieser Fraktion beginnt schon zu der Zeit, da Fox zu seinem Eroberungsfeldzug im Fernsehen ansetzt: Da fangen findige rechte Aktivisten an, die Freiheiten und Möglichkeiten des Netzes auszunutzen, um mit sehr viel revolutionärem Selbstbewusstsein ein autonomes journalistisches Programm zu verfolgen.

Den erfolgreichen Anfang macht ein gewisser Matt Drudge, inzwischen auch zum Paten der rechten Medienkrieger avanciert, mit einem sogenannten Nachrichten-Aggregator namens Drudge Report. Er bietet seinen Online-Abonnenten seine eigene, nach eigenen Kriterien zusammengesuchte und täglich neu gelieferte Sammlung von Meldungen, die andere Nachrichtenorgane täglich veröffentlichen. Technisch gesehen ist das zu seiner Zeit sehr neu, die Zielsetzung könnte traditioneller nicht sein. Denn das ist schon das erste Kerngeschäft des demokratischen Journalismus, der hier aufgemischt werden soll, von der Boulevard- bis zur Börsenzeitung: die Sortierung und Selektion der vielen ‚Themen‘, die die Herrschaft und die von ihr beherrschte Gesellschaft auf die Tagesordnung setzen, im Lichte der sich zugeschriebenen Verantwortung für die Meinungsbildung ihrer Leser. In diesem Fall erfolgt eine Sortierung in wichtig und unwichtig – auch das ziemlich traditionell – streng gemäß dem Bedarf anständiger Patrioten nach starker Führung durch anständige Führer. Und im Sinne dieses Bedürfnisses macht die Webseite mit einem anderen journalistischen Kerngeschäft erst so richtig Furore, nämlich mit der Aufdeckung von Skandalen bzw. dem Skandal des Jahrzehnts – der sogenannten Lewinsky-Affäre. Man schnüffelt so lange herum und reitet auf den Meldungen der anderen Schnüffler so lange herum, bis die etablierte Öffentlichkeit im Interesse ihres eigenen Vermittlungsauftrags nicht darum herumkommt, das Thema ganz oben auf ihre Tagesordnung zu setzen, und das auch noch einige Jahre lang. Mit dieser Sternstunde journalistischer Aufdeckungsarbeit ist für die Aktivisten der rechten Gegenöffentlichkeit ein großer Beweis erbracht – jenseits der nochmaligen Bestätigung der moralischen Verkommenheit der Demokraten: ein Beweis der Macht ‚alternativer‘ Medien, die etablierten Organe vor sich herzutreiben, sie zur konsequenteren Verfolgung ihres eigenen Geschäfts zu zwingen. Durch die direkte Ansprache an eine interessierte Lesergemeinschaft, die wegen ihrer schieren Anzahl nicht zu ignorieren ist, schafft man es, das thematische Angebot der etablierten Presse und damit die Gegenstände öffentlicher Meinungsbildung bzw. politmoralischer Aufregung maßgeblich mitzubestimmen – wozu die Anständigkeit der Herrscher, größtes Recht demokratischer Untertanen, ja ganz prominent dazugehört.

Diese Kunst, ‚von unten‘ und mit den Mitteln der Netzwelt Themen zu setzen, also die ‚news‘ zu machen, anhand derer das Volk seine patriotische Meinung bilden soll, lebt unter der Präsidentschaft Obamas noch einmal richtig auf, zum erheblichen Teil dank den Leistungen von Breitbart News – einer mit dem Aufstieg des Chefredakteurs Steve Bannon zum Chefberater Trumps auch hierzulande berühmt-berüchtigten rechten Webseite. Dabei erzielt ‚Breitbart‘ mit seinem Geschäft einen kleineren und einen größeren Fortschritt gegenüber seinen Mitstreitern und Vorgängern. Der kleinere Fortschritt betrifft die Methode: Man geht dazu über, skandalöse Anlässe so freihändig wie freimütig zu erfinden und – mit der mehr oder weniger organisierten Mobilisierung einer ganzen Armee von ‚Trollen‘ im Internet – so lange auf ihnen herumzureiten, bis die jeweiligen Geschichten zwar widerlegt, aber endgültig ‚in der Welt‘, also für die Bestärkung von vorhandenen Feindbildern frei verfügbar sind – z.B. ganz prominent mit dem Befund, Obama sei eigentlich kein Amerikaner, sondern ein kenianischer Muslim. Um es mit Breitbart/Bannon/den gesamten modernen Gesellschaftswissenschaften zu sagen: Das Narrativ ist alles. Der größere Fortschritt betrifft das Ziel: Hier geht es nicht mehr bloß um die Destruktion der ‚liberalen‘ Demokraten und deren geistiger Anhänger und Helfershelfer zugunsten der anderen, republikanischen Partei, sondern um einen Kampf gesinnungsfester rechter Bürger gegen die gesamte, als ‚Establishment‘ angefeindete Parteienlandschaft im Staate – also auch gegen die Republikaner, die sich, heißt es, immer wieder bloß zu faulen Kompromissen mit den gottlosen Demokraten durchringen. Mit der bewiesenen Macht autonomer Medien gilt es, von den Kommandohöhen der Kultur aus auf die wirkliche Macht im Lande zuzugreifen: Man unterstützt mit den bewährten Methoden nach Kräften einige Jahre lang eine ‚Tea-Party-Revolution‘ [4] und befördert damit eine konsequent rechte Fraktion der Republikaner in den Mainstream, bis man dann im Zuge des Wahlkampfs 2016 in Donald Trump den richtigen ‚man for the job‘ findet: Der besticht aus Sicht dieser Rechten zwar auch durch seinen festen nationalistischen Vorwärtsstandpunkt, der später in dem Motto America first! zusammengefasst wird, aber vor allem mit seiner Bereitschaft, sich über alle Gepflogenheiten und ungeschriebenen Regeln der Parteienkonkurrenz und des Umgangs mit den Medien hinwegzusetzen und die politische Konkurrenz, Republikaner wie Demokraten, sowie die ‚liberal media‘, die ihn verhöhnen, rhetorisch zu vernichten. Das stellt er schon Jahre zuvor mit seinem eigenen Aktivismus in der rechten Gegenöffentlichkeit unter Beweis: Früh setzt er sich – dies der Einstieg in seine politische Karriere – an die Spitze der Zweifler an Obamas Staatsbürgerschaft und lässt nie richtig locker, auch dann nicht, nachdem sogar Fox News dem Gerücht keinen Platz mehr einräumen mag. Dass man in Trump den Richtigen gefunden hat, um der nationalen moralischen Selbstschwächung durch Zerstörung eines von den Liberalen aufoktroyierten Meinungs- und Verhaltenskorsetts ein Ende zu setzen, belegt dann endgültig der Erfolg seines Wahlkampfs, den er zum expliziten Kampf gegen das politische und journalistische Establishment stilisiert. In ihm findet offenbar auch das geliebte Volk den Richtigen.

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Das Ganze ist auch Anlass für das in Amerika verbreitete Gerücht, Trump wäre – jedenfalls zu Beginn seiner Administration – am Ende nichts als das zwar selbstherrliche, aber ahnungslose Vehikel, gar die Marionette finsterer geistiger Hintermänner, die die Macht im Lande von der Sphäre der Öffentlichkeit her erobern wollen. So sieht es nicht zuletzt Steve Bannon selbst, der sich mit seinem rechten Programm und der Macht der Medien anschickt, nun auch Europas Rechte zu seinen Adepten zu machen. Aus seiner Sicht ist Trump wirklich bloß ein schlagkräftiges Mittel, ein ‚Avatar‘ für einen ‚clash of cultures‘, in dem die Herrscher der rechten Kultur am Drücker sind. Die Wahrheit über das Verhältnis zwischen Trump und dieser Öffentlichkeit ist allerdings ziemlich genau umgekehrt: Trump hat in den diversen Organen und Aktivisten der rechten Öffentlichkeit sein Mittel, von den wirklichen Kommandohöhen aus die Macht der Medien für sich wirken zu lassen, als Vermittler des Programms, das er der Nation verordnet. Soweit hat in der amerikanischen Demokratie also alles noch seine Ordnung.

[1] Beispielsweise die Webseite „Info-Wars“ von Alex Jones, der zum glühendsten Verteidiger Trumps im Internet geworden ist. Laut Jones wurde das World Trade Center von der amerikanischen Regierung gesprengt und der Amoklauf an der Sandy-Hook-Grundschule von Waffengegnern innerhalb und außerhalb der Regierung inszeniert; außerdem führt Hillary Clinton einen Kinderprostitutionsring und Trump wird von einem tiefen Staat aus Demokraten/Kommunisten, nicht zuletzt in den Geheimdiensten, bedroht. Jones über Trump: Was du machst, ist episch – du bist auf dem Niveau von George Washington. Trump über Jones: Dein Ruf ist fantastisch.

[2] Darin liegt auch der Grund für Trumps berüchtigtes Beharren auf dem, was seine Beraterin irgendwann ‚alternative Fakten‘ getauft hat – etwa die Anzahl der Besucher seiner Inauguration betreffend. Trump setzt sich damit nicht einfach über die demokratische Öffentlichkeit hinweg, mit deren Treiben er sich ziemlich obsessiv beschäftigt, sondern besteht auf den richtigen Resultaten ihrer ‚Berichterstattung‘.

[3] Siehe dazu den Artikel Netz- versus ‚seriöse‘ Öffentlichkeit in diesem Heft.

[4] Vgl. GegenStandpunkt 4-11:Die neue Tea Party: Eine zweite amerikanische Revolution für gesunde Verhältnisse im Land of the Free.