Der Markt, nach dem die kapitalistische Produktionsweise von ihren Akteuren wie von ihren Statisten benannt zu werden pflegt, hat bisweilen einen ganz schlechten Ruf. Normalerweise gilt er als das Feld, auf dem Produktion und Bedürfnis in Gestalt von Angebot und Nachfrage wunderbar zwanglos übereinkommen, Gleichgewichtspreise für Versorgung und Fortschritt sorgen, Gewinne und Verluste ganz von selbst gerecht verteilt werden.
Im April 2021 legt Sahra Wagenknecht ihr Buch „Die Selbstgerechten. Mein Gegenprogramm – für Gemeinsinn und Zusammenhalt“ vor, das zum Bestseller avanciert. Die Kandidatin der Linken präsentiert eine grundlegende Abrechnung mit ihrer eigenen erfolglosen Partei sowie dem „linksliberalen“ Milieu im Allgemeinen.
Die meisten Leute, die sich heute über soziale und andere Missstände empören, suchen und finden in diesen als gemeinsamen Nenner nur den, eben Missstände zu sein, Fälle von Versagen der Verantwortlichen vor ihren Aufgaben oder generell von einem Mangel an Menschlichkeit. Derart Empörte brauchen keine Theorie.
Noam Chomsky ist schon ein seltener Fall: einerseits Teil der respektierten akademischen Elite, Unterabteilung Sprachwissenschaft; andererseits ein weltweit bekannter linksradikaler Kritiker; einerseits ein bekennender Anarchist, der mit seiner Kritik den üblichen Rahmen anteilnehmender Verbesserungsvorschläge sprengt; andererseits ein Intellektueller, der darauf besteht, mit seinen anarchistischen Ansichten genau das zu vertreten, worum es jedem Menschen von Natur aus geht – um die Freiheit nämlich.
Heinz Dieterich gibt sich nicht damit zufrieden, mit seiner programmatischen Abhandlung über einen „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“, der den Kapitalismus sowohl hinsichtlich ‚Effektivität‘ alt aussehen lässt wie auch endlich ‚Leistungsgerechtigkeit‘ stiftet, der linken Hoffnung auf Weltverbesserung eine neue Zukunftsperspektive zu eröffnen.
Heinz Dieterich gilt als Chefideologie der linken südamerikanischen
Bewegungen. Mit seinem Programm eines ""Sozialismus des 21.
Jahrhunderts"" nimmt er die Rolle eines Beraters lateinamerikanischer
Linksregierungen wahr und findet als Theoretiker des dortigen
""Linksrucks"" Anklang unter hiesigen Linken.
Eigentlich ist das Kapital von Karl Marx ein luzides Werk, das seine Urteile und Beweise an sehr viel Stoff entwickelt und keines auslegenden Kommentars bedarf. Allerdings sind da 150 Jahre politisch inspirierter Missverständnisse von Seiten zweifelhafter Freunde und eindeutiger Feinde des Werkes, die dann doch Aufklärung darüber geboten erscheinen lassen, was im ‚Kapital‘ steht und was die Stoßrichtung von Marx‘ „Kritik der politischen Ökonomie“ ist; zumal Beiträge zur Kapitalexegese auf den Markt kommen, die das entschuldigende Prädikat Missverständnis einfach nicht mehr verdienen.
Thomas Kuczynski (Klassen haben keine Wahl), Sebastian Gerhardt (Gut gemeint – schlecht gemacht), Jörg Roesler (Rahmenbedingungen verunmöglichen Klassenkampf) und Robert Steigerwald (die Zyniker) sind sich nur in ihrer Ablehnung des Buches einig.
Kapitalismuskritik auf der Bestsellerliste – Wie geht das? Kapitalismus – der Irrsinn einer Produktion um ihrer selbst willen, von niemand gewollt und doch durch und durch verachtenswert – müsste nicht sein: Wenn er selbst das erkennen würde, wäre der Weg nicht weiter als 800 Seiten zur Selbstheilung der Gesellschaft. Also Unterhaltungsstoff für ein gar nicht so seltenes abstrakt anti-kapitalistisches Ressentiment.