Um überleben zu können, mussten die Lohnarbeiter rebellisch werden. Zu arbeiten, wie es von ihnen verlangt wird, und sich mit dem gezahlten Lohn zu bescheiden – das langt nicht; mit Dienst nach dem Geschmack der Eigentümerklasse und Fügsamkeit nach Vorschrift der politischen Ordnungsmacht liefern sie sich bloß dem Zerstörungswerk aus, das ihre Arbeitgeber gemäß den Sachgesetzen ihres Metiers und ihrer Konkurrenz an ihrer Arbeitskraft vollziehen.
"Die Deutsche Bundesbank wird alleinige Zentralbank im gemeinsamen Währungsgebiet. In der DDR werden zwei Landeszentralbanken eingerichtet . .. Ostberlin entsendet zwei Vertreter in das Direktorium der Bundesbank; die Präsidenten der neuen LZB bekommen Sitz und Stimme im Zentralbankrat ... mitwirken darf die Regierung der DDR auch im Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, das über das Geschäftsgebaren der privaten Banken im gemeinsamen Währungsgebiet wachen wird ...
Die Gesellschaft der DDR wird nicht einfach "angegliedert" und so, wie sie geht und steht, in den Kreis der Bundesländer übernommen. Das, wofür "wir" sie brauchen können, leistet sie nämlich gar nicht. Deswegen wird sie erst einmal kuriert. Denn ihre Wirtschaft ist "krank", was eine Pflege ganz besonderer Art nötig macht.
Wenn sich die Bürger der DDR die Eingemeindung in die Bundesrepublik wünschen, so ist das ihre Sache. Wenn sie sich den Anschluß so vorstellen, daß sie vom Bürger zweiter Klasse zum Herrn über echtes Geld befördert werden, so zeugt das von ihrer optimistischen Grundhaltung, ihre Zukunft betreffend. Wenn sie ihre Erwartungen mit Sorgen verbinden, in denen sie sich allerlei "soziale Probleme" ausmalen und prophezeien lassen, beweisen sie, daß sie als aufgeweckte Weltbürger auch schon von den Schattenseiten der großen Freiheit gehört haben.
Der SED-Staat ist kaputt . Und die Getreuen der alten Herrschaft, die Leute mit einer geschulten Meinung und einem "sozialistischen Weltbild", für die der "reale Sozialismus" auf deutschem Boden immerhin die zukunftsweisende Verwirklichung aller fortschrittlichen Tendenzen der deutschen Geschichte und ein Schritt zum Kommunismus war, - die haben im Handumdrehen lauter sinntriefende Nachrufe auf Lager. Nicht bloß, daß keiner für die verlorene Sache kämpft. Nicht nur, daß keiner mehr für die bislang gültige Auffassung von der ersten sozialistischen Republik auf deutschem Boden eintritt.
Karl Marx hat seinen Genossen noch eingeschärft, daß die Parole "Ein gerechter Lohn für ein gerechtes Tagewerk" nichts taugt, daß es vielmehr heißen müsse: ,,Nieder mit dem Lohnsystem!" Es hat nichts genützt. Auch im realen Sozialismus, dessen Veranstalter sich gerne auf Karl Marx berufen haben, ist der Lohn die ärgerliche Geldsumme, von der der normale Mensch leben muß.
Sie war immer der ganze Stolz der "realen Sozialisten", der Inbegriff ihrer Volksfreundlichkeit; eine Zeitlang wurde sie noch als unveräußerliches Erbstück der alten DDR hochgehalten; aber das war schon der Auftakt dazu, sie preiszugeben: die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik", realisiert in einem System der zugleich gerechten und sozialen Preise. Schade ist es darum nicht; denn der Kunstgriff, "Wirtschaft" und "Soziales" erst zu trennen und in Gegensatz zueinander zu bringen, um dann ihre unauflösliche Verbindung als Glanztat im Kampf ums Arbeiterwohl zu fei
Jahrzehntelang waren sie stolz auf ihr "System der Planung und Leitung". Sie wollten die Anarchie des kapitalistischen Marktes überwunden haben; das bewußte Herbeiführen hochwertiger gesellschaftlicher Ergebnisse sollte den Vorzug ihres Wirtschaftens ausmachen. Und jetzt? Ein Abgrund von Selbstkritik. Die Planer und Leiter von gestern bezichtigen sich der Bürokratie und des Zentralismus, mit dem sie ein erfolgreiches Wirtschaften verhindert hätten.
Kapitalisten hören es gern, wenn man ihre Geschäftemacherei in fremder Herren Länder "Hilfe" nennt . Das ist verständlich. Denn sie wissen es besser; durch das freundliche Etikett lassen sie sich bei nichts stören; schon gar nicht in ihrer strikten Forderung nach garantiertem Profit als unerläßlicher Voraussetzung ihrer Hilfsbereitschaft. Am Ende sammeln sie mit dem Reichtum auch noch die Komplimente ein.
In der freien Marktwirtschaft hat alles seinen Preis, vom Badewasser über die Kinokarte bis zum Krankenhausaufenthalt. Die Freiheit, die jedermann zuteil wird, besteht darin, daß man mit Geld prinzipiell zu allen Notwendigkeiten und Genüssen Zugang hat, die der Markt bereithält; ihre Schranke hat diese Freiheit freilich an der Menge Geldes, über die einer verfügt.