Abweichende Meinungen zum Krieg in der Ukraine

Mitten in unserem schönen Europa mit seiner wunderbaren Friedensordnung auf einmal wieder Krieg? Wie konnte es bloß dazu kommen? Ja, wie nur? Auf einmal, mitten im schönsten Frieden, ist da jedenfalls nicht ein Krieg ausgebrochen. Er ist auch nicht aus unerfindlichen Gründen von irgendeinem durchgeknallten russischen Autokraten vom Zaun gebrochen worden. Auch in dem Fall gilt: Die Gründe für den Krieg werden im Frieden geschaffen. Von Staaten, die es in ihrem Verkehr untereinander wieder einmal so weit gebracht haben, dass sie meinen, sich wechselseitig eine vernichtende Niederlage beibringen zu müssen. Im vorliegenden Fall sind die Gründe lange herangereift. Und dass es nun in der Ukraine losgeht, ist auch kein Zufall.

Wir verweisen an dieser Stelle auf die diversen Aufsätze, die bislang in unserer Zeitschrift zur Osterweiterung der EU, der NATO, dem Krieg in der und um die Ukraine sowie zur Entmachtung Russlands erschienen sind. Einschlägige Aufsätze aus der Zeit seit dem Umsturz in der Ukraine 2014 bis zum aktuellen Krieg und seinen Gründen finden sich in diesem Dossier.

Die sechs älteren Ausgaben unserer Zeitschrift, die die genannten Artikel zu den Ereignissen zwischen 2014 und dem Kriegsbeginn 2022 enthalten, sind in der Druckausgabe als Paket zum Sonderpreis von 18 Euro beim Verlag erhältlich (der Rabatt erscheint nicht im Bestellformular, wird Ihnen aber auf der Rechnung gewährt). Die GegenStandpunkt-Ausgaben ab der Ausgabe 1-22 befassen sich fast alle mit dem Krieg in der Ukraine, sind in dem Paket jedoch nicht enthalten; sie können auf Wunsch separat für jeweils 15 Euro dazu bestellt werden.

Zum Thema

Es läuft nicht gut für die Ukraine. Ihr Kriegsziel, die Rückeroberung ihres gesamten Territoriums, rückt immer weiter in die Ferne, vielleicht sogar endgültig außer Reichweite. Es gelingt ihr umgekehrt seit Monaten immer weniger, dem Vormarsch der russischen Übermacht in der Ukraine standzuhalten. Vom Standpunkt der ukrainischen Führung muss es aber weitergehen. Eine Alternative zum Töten und Sterben für das Überleben der eigenen Herrschaft auf ukrainischem Boden sieht diese für ihr Volk nicht vor.

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Im dritten Kriegssommer tut Selenskyjs Ukraine auch weiterhin, wofür sie vom Westen ausgerüstet wird: Sie verschleißt auf Befehl ihres Führers ihr nationales Menschenmaterial an der Ostfront und hält auch im Hinterland die zunehmenden Verwüstungen tapfer aus, damit Russland jede Aussicht auf ein anderes Kriegsende als eine russische Niederlage weiter verwehrt bleibt.

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Die NATO feiert ihr 75-jähriges Bestehen als Kriegsbündnis und findet, dass sie notwendiger und lebendiger ist als je zuvor. Sie befindet sich zwar gar nicht unmittelbar im Krieg, bezieht aber den Krieg in der Ukraine als „größte Sicherheitskrise seit Generationen“ auf sich. Der gewaltsam geltend gemachte Einspruch Russlands gegen die NATO-Ostausdehnung hat dem Bündnis wieder die einende Feindschaft zurückgegeben, die ihm mit dem Abdanken seines Systemrivalen abhandengekommen war.

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Russen töten und sterben für den Status ihres Heimatlandes als weltpolitisch ernst zu nehmende militärische Weltmacht; einen Status, den das große Militärbündnis der USA mit Europa nicht duldet, gegen den die NATO gerichtet ist und ausgebaut wird.

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Die Frage, worum es im Ukraine-Krieg geht, was dort auf dem Spiel steht, wird in der demokratischen Öffentlichkeit des Westens, vorbildlich in der deutschen, nicht gestellt, sondern durch die politmoralische Antwort überrundet: Dem Kreml geht es um Eroberung, Unterdrückung der Demokratie in der Ukraine und überhaupt, den Einstieg in einen neuen russischen Imperialismus, dem Oberbefehlshaber um seine persönliche Macht. Der Ukraine geht es um Verteidigung gegen illegale Aggression und den Schutz der demokratischen Werte.

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In der Ukraine sind die drei aktiven Kriegsparteien mit der zielstrebigen Eskalation des kriegerischen Tötens und Verwüstens befasst; alle nach der Maxime, den Feind darin immer wieder zu überbieten, bis der nicht mehr mitgehen will oder kann – und auf keinen Fall derjenige zu sein, der irgendwann einlenkt. Dabei machen Russland und die USA mit ihren wechselseitigen Warnungen vor dem Einsatz von Atomwaffen deutlich, welche letzten Konsequenzen sie sich vorbehalten.

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Nach einem Jahr Krieg in der Ukraine sieht das Land entsprechend aus.

Zu Beginn des letzten Quartals sind zum bisherigen Zerstörungswerk der beiden Seiten flächendeckende russische Raketen- und Drohnenangriffe auf die ukrainische Infrastruktur dazugekommen. Sie zielen auf die Kampf- und Widerstandsfähigkeit der Ukraine und treffen oft genug, um die Bewohnbarkeit etlicher Teile des Landes, die Funktionsfähigkeit seiner Ökonomie wie seiner Herrschaft infrage zu stellen.

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Russland führt eine „militärische Spezialoperation“ mit Ziel Kiew und im Osten der Ukraine durch mit dem erklärten Ziel, die dem Westen – der EU und der NATO – willfährige Regierung zu entmachten und durch eine russlandfreundliche zu ersetzen; die Okkupation von Gebieten, die an die Moskau treuen Volksrepubliken im Osten des Landes angrenzen, soll die gegen permanente Über- und Angriffe ukrainischer Kräfte schützen und die Annexion der Krim militärisch absichern.

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Den Krieg in der Ukraine führen drei Beteiligte: Russland als Angreifer unter dem Titel einer „militärischen Spezialoperation“; die angegriffene Staatsgewalt in Kiew mit ihrem Kommando über eine von den USA und der NATO gedrillte und ausgerüstete Armee; der Westen nicht direkt als Kriegspartei, dafür doppelt: als Finanzier des ukrainischen Staates, als Organisator seiner Militärmacht; sowie, und das wiederum ganz direkt, mit einem Wirtschaftskrieg, der diesen Namen verdient, weil er auf die Zerstörung der kapitalistischen Grundlage der russischen Staatsmacht zielt.

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Dass die NATO-Staaten ihren Krieg gegen die militante Selbstbehauptung Russlands von der Ukraine führen lassen, die Ukraine dafür mit Waffen und Geld ausstatten und deren Gegenangriffe auf russische Truppen orchestrieren, ist das eine. Das andere ist, dass sie ihre ökonomische Macht als Waffe gegen Russland in Anschlag bringen, durch deren Einsatz „die russischen Möglichkeiten zur Fortsetzung der Aggression wirksam vereitelt werden“. Das präzisieren sie schnell dahingehend, dass Sanktionen nur langfristig wirken können.

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Mitten in unserem schönen Europa mit seiner wunderbaren Friedensordnung auf einmal wieder Krieg? Wie konnte es bloß dazu kommen? Ja, wie nur? Auf einmal, mitten im schönsten Frieden, ist da jedenfalls nicht ein Krieg ausgebrochen. Er ist auch nicht aus unerfindlichen Gründen von irgendeinem durchgeknallten russischen Autokraten vom Zaun gebrochen worden. Auch in dem Fall gilt: Die Gründe für den Krieg werden im Frieden geschaffen.

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Im Winter dieses Jahres beginnt die Ukraine mit umfassenden Kriegsvorbereitungen. Der ukrainische Armeechef Ruslan Chomtschak erklärt, „auf dem Ausbildungsprogramm der gesamten ukrainischen Armee stünden in diesem Frühjahr Straßen- und Häuserkämpfe in städtischer Umgebung“. Verletzungen der Waffenstillstandsabkommen an der Demarkationslinie finden ohnehin regelmäßig statt, dazu kommt laut einer Meldung der OSZE die zunehmende Vorverlegung schwerer Waffen, die gemäß einer Einigung im Minsk-Format zurückverlegt worden waren.

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Im Artikel über die Ukraine wird erklärt, was die Karriere dieses Landes zum gigantischen ‚failed state‘ mit den Bemühungen zu tun hat, es zum kapitalistisch wirtschaftenden antirussischen Frontstaat zu machen – und warum die Folgen der Pandemie so katastrophal ausfallen, wie der Zustand des ganzen Landes längst ist.

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In der öffentlichen Wahrnehmung hierzulande finden die strategischen Planungen der USA eher wenig Beachtung. Als Trump den INF-Vertrag kündigt, werden kurzzeitig Befürchtungen laut, es könnte da etwas außer Kontrolle geraten und ein neues Wettrüsten beginnen – so als hätten die USA in ihren Rüstungsanstrengungen jemals nachgelassen. Dabei ist allgemein bekannt, dass sie Jahr für Jahr astronomische Summen für ihre Verteidigung ausgeben. Man registriert auch Trumps Botschaft an Putin, dass er gar nicht erst zu versuchen brauche, mit Amerikas Aufrüstung mitzuhalten.

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Was man über dieses Vertragswerk zu hören bekommt, sind in erster Linie Elogen auf die deutsche Kanzlerin und ihren Außenminister, die den Frieden für Europa zu retten unternehmen, während die Russen ihnen die Sache schwer machen. Ein übersichtliches, aber nicht ganz zutreffendes Bild. Vielmehr handelt es sich um eine Sorte Friedenssicherung, an der zu studieren ist, dass Krieg und Frieden keineswegs unverträgliche Gegensätze sind, sondern ganz gut zusammenpassen...

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Am Anfang hat nur eine Unterschrift gefehlt unter einem Vertrag, von dem die Europäer behaupten, dass er für alle Seiten nur das Beste gewollt hat. Jetzt zerlegt sich die Ukraine in einem Bürgerkrieg. Und NATO und Russland lassen Truppen aufmarschieren. Die Öffentlichkeit überholt die Politik bei weitem mit ihren Imperativen, was „wir“ an russischem Benehmen keinesfalls dulden können.

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Der Streit um die Ukraine eskaliert. Und alle Welt weiß, dass es da allein um die Frage geht, wohin die Ukraine gehört: zu uns, nach Europa oder zu Russland. Was dieses „Gehören“ so alles einschließt, braucht nicht weiter zu interessieren, nachdem das Geschehen komplett unter die nützliche Abstraktion Gewalt gegen friedliche Demonstranten, also wieder einmal Freiheit gegen Unterdrückung subsumiert worden ist.

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