Wirtschaftskrieg
Die zweite Front, die die USA und ihre Verbündeten zur Zerstörung Russlands aufmachen

Dass die NATO-Staaten ihren Krieg gegen die militante Selbstbehauptung Russlands von der Ukraine führen lassen, die Ukraine dafür mit Waffen und Geld ausstatten und deren Gegenangriffe auf russische Truppen orchestrieren, ist das eine. Das andere ist, dass sie ihre ökonomische Macht als Waffe gegen Russland in Anschlag bringen, durch deren Einsatz „die russischen Möglichkeiten zur Fortsetzung der Aggression wirksam vereitelt werden“. Das präzisieren sie schnell dahingehend, dass Sanktionen nur langfristig wirken können. Damit bekennen sie sich dazu, dass ihr Ziel eine Ruinierung der russischen Wirtschaft unabhängig vom laufenden Krieg und über ihn hinaus ist.

Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung

Wirtschaftskrieg
Die zweite Front, die die USA und ihre Verbündeten zur Zerstörung Russlands aufmachen

Klare Ansagen

Dass die NATO-Staaten ihren Krieg gegen die militante Selbstbehauptung Russlands von der Ukraine führen lassen, die Ukraine dafür mit Waffen und Geld ausstatten und deren Gegenangriffe auf russische Truppen orchestrieren, ist das eine. Das andere ist, dass sie ihre ökonomische Macht als Waffe gegen Russland in Anschlag bringen, durch deren Einsatz die russischen Möglichkeiten zur Fortsetzung der Aggression wirksam vereitelt werden. [1] Das präzisieren sie schnell dahingehend, dass Sanktionen nur langfristig wirken können. Damit bekennen sie sich dazu, dass ihr Ziel eine Ruinierung der russischen Wirtschaft unabhängig vom laufenden Krieg und über ihn hinaus ist: Wir werden den Kollaps der russischen Wirtschaft provozieren (Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire), Stück für Stück die industrielle Basis Russlands abtragen (Ursula von der Leyen), Russland ruinieren (Annalena Baerbock). Es geht ihnen um Zerstörungsleistungen, die hinter denen von Bomben und Raketen nicht zurückbleiben: In ihrer Gesamtheit sind diese Wirtschaftssanktionen eine neue Art wirtschaftlicher Staatskunst, die die Potenz entfaltet, Schäden zuzufügen, die der Anwendung militärischer Macht gleichkommen. (Biden in Warschau am 28.3.22) USA und EU radikalisieren die bereits seit der Krim-Annexion laufend verhängten Sanktionen [2] und eskalieren sie zu einem Wirtschaftskrieg, in dem sie sich nicht damit begnügen, auf den Willen des Gegners einzuwirken, indem sie ihm durch angedrohte und zugefügte wirtschaftliche Schäden eine neue Kalkulationsgrundlage aufmachen, sondern durch umfassende Angriffe auf seine wirtschaftlichen Potenzen die ökonomischen Grundlagen seiner Macht zu vernichten streben. [3] Auf dem Feld des Ökonomischen bekennen sie sich unumwunden dazu, Kriegspartei zu sein.

Für das Niederringen ihres Gegners machen die westlichen Weltwirtschaftsmächte Gebrauch von ihrer politischen Hoheit und verbieten den Kapitalisten ihrer Länder per Gesetz Geschäfte mit dem Feind. Ihr Wirtschaftskrieg ist asymmetrischer Natur: Nur die eine Seite führt ihn, entscheidet frei über die Eskalationen, die sie will, und bilanziert die Wirkungen, die sie damit erzeugt – beim Feind und bei sich. Die andere Seite ist – erst einmal und im Wesentlichen – betroffen, unternimmt Versuche, die zugefügten Schäden zu kompensieren, und ergreift Gegenmaßnahmen vor allem, um die Angreifer zur Abkehr von ihrem Konfrontationskurs zu nötigen. Dass die Sanktionsmächte ihrerseits mit Schäden zu kalkulieren haben, ist der Logik ihres Mittels geschuldet: Indem sie die zivilen, aufs Geldverdienen gerichteten Wirtschaftsbeziehungen unterbinden, die sie im Frieden selbst als Beitrag zu Wirtschaftswachstum und Konkurrenzfähigkeit ihrer Nationen angebahnt und gefördert haben, stellen sie neben ganz viel an Russland zu verdienendem und verdientem Geldreichtum auch Bestandteile der materiellen Reproduktion ihrer eigenen Wirtschaft zur Disposition. Sie nehmen ja keinen Geringeren ins Visier als das flächenmäßig größte Land der Erde samt seinen gewaltigen Rohstoffreserven. Mit allen Maßnahmen, die sie gegen den Feind ergreifen, schaden sie unmittelbar sich selbst. Die Wirtschaft, die allemal die Basis ihrer Macht ist, wird zum Instrument der jetzt auf die Tagesordnung gesetzten Gewaltkonkurrenz: Die eigene Wirtschaft wird zum Mittel darüber, dass man sie beschädigt.

Der Kriegsverlauf stellt sich deshalb dar als dauerndes Ringen mit den Schäden, die die sanktionierenden Staaten zwecks Schädigung des Gegners sich selber zufügen. Jede Maßnahme, die sie ergreifen, stellt sie vor die Frage, wie weit sie gehen wollen und gehen können; entscheidendes Kriterium der Beantwortung ist, ob sie beim Feind mehr Schaden erwarten als bei sich selbst. Das bedeutet Streit im antirussischen Lager. Denn die Beteiligten sind durch die Sanktionsmaßnahmen ganz unterschiedlich betroffen. Gerade die Länder, auf die es für das Zerstörungswerk in besonderer Weise ankommt, weil sie die russische Ökonomie am wirkungsvollsten als Bereicherungsquelle für ihre Kapitalisten und Finanzinstitute hergerichtet haben, haben eben auch am meisten zu verlieren. Also äußert sich die Einigkeit im Zweck im beständigen Rechten um das Was und Wieviel der Schädigung, in Vorwürfen an zögerliche Bündnispartner, es mit dem Kampf gegen die russischen Kriegsverbrecher wohl nicht ernst genug zu meinen, aber auch im Bemühen, den Streit im Sinne einer Rücksichtnahme auf die kapitalistischen Potenzen der für den Kampf benötigten Waffenbrüder zu moderieren. Auf diese widersprüchliche Weise verständigen sich die westlichen Alliierten auf eine wahre Kaskade von Wirtschaftssanktionen.

Nord Stream 2

Nach der Anerkennung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk durch Präsident Putin stoppt Bundeskanzler Scholz das Genehmigungsverfahren für die Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2. Gekündigt ist damit die in einer bereits fertiggestellten Infrastruktur materialisierte Perspektive des Ausbaus der strategischen Energiepartnerschaft Deutschlands und Russlands: Deutschland hat nicht zuletzt mit dem Bau der beiden Gasröhren unter der Ostsee die beiderseitigen Abhängigkeiten gezielt ausgebaut, um sich einerseits durch den preisgünstigen und zuverlässigen Energieimport aus Russland ein Stück überlegener Konkurrenzfähigkeit des damit betriebenen deutschen Kapitals zu verschaffen und die eigenen Energieversorger zu Zentralen der europäischen Gas- und Energieversorgung zu machen, und andererseits durch seine Stellung als ziemlich alternativloser Kunde die Großmacht im Osten an Deutschland zu binden und sich Einflusshebel auf die Willensbildung im Kreml zu verschaffen. Die Kündigung des Ausbaus dieser Partnerschaft ist nicht nur gleichbedeutend mit einem milliardenschweren Investitionsgrab, das hauptseitig Gazprom, aber auch deutschen und anderen europäischen Unternehmen größere Verluste beschert, sondern auch mit dem Bekenntnis, dass den deutschen Sonderbeziehungen zu Russland durch die gewaltsame Behauptung von dessen Sicherheitsinteressen in der Ukraine die Grundlage entzogen ist. Mit der von US-Seite und Teilen Osteuropas schon lange verlangten Beendigung dieser strategischen Energiepartnerschaft setzt Deutschland die Frage auf die Tagesordnung, wie Europa seine für beide Seiten bedeutenden Energieimporte zum Kriegsmittel gegen Russland umwidmen kann. [4] Indem es nun auch seine „Abhängigkeit“ von russischem Öl und Gas als Stärkung einer feindlichen Macht verbucht, die es nicht mehr hinnehmen will und die in ihr Gegenteil verkehrt gehört, reiht es sich als europäische Führungsmacht vorwärtstreibend in die amerikanische Anti-Russland-Front ein. Unter diese deutsche Wende setzt die US-Regierung ihr Siegel, indem sie einen Tag später die Sanktionierung der Betreibergesellschaft von Nord Stream 2 beschließt, und entzieht sie damit dem deutschen Gutdünken.

Finanzsanktionen

a) Schon vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine haben die USA und die EU Finanzsanktionen vorbereitet, die dazu taugen sollen, dass Russland im Prinzip abgeschnitten wird von den internationalen Finanzmärkten (von der Leyen). [5] Ohne Umschweife reklamieren die Weltwirtschaftsmächte „die internationalen Finanzmärkte“ als ihren Besitzstand: Sie entscheiden darüber, wer daran teilnehmen darf und wer nicht. Was ihnen diese Entscheidungskompetenz verschafft, ist der Umstand, dass sich die globalen Zentren des Finanzkapitalismus auf ihrem Territorium befinden, also unter ihrer politischen Hoheit und Aufsicht. Um diese Aufsicht in einen Ausschluss Russlands – immerhin einer Nation, die zu den G20-Staaten zählt – von den Weltfinanzmärkten zu überführen, brauchen sie einander. Die Beanspruchung des internationalen Finanzmarkts als einer ihrer politischen Hoheit zur Verfügung stehenden Waffe gibt es nur als Einheitsfront der diesen Markt dominierenden Mächte. Das schließt ein, dass sie ihre Konkurrenz um Gewicht und Dominanz auf den Weltfinanzmärkten dem gemeinsamen Zweck subsumieren, Russland ökonomisch kaputtzumachen, und auch die Schädigungen, die sie mit den für zweckmäßig erachteten Maßnahmen sich selbst und ihren Partnern zufügen, zum Gegenstand gemeinsamer Beratung machen. Insofern verlangt die „Vorbereitung“ der Finanzsanktionen, in denen sie den Weltfinanzmarkt als kollektiven Besitzstand in Anschlag bringen, ganz viel „Abstimmung“. [6]

b) Mit ihrem ersten Sanktionspaket, auf das sich die EU, die USA und Großbritannien noch vor der Invasion Russlands in die Ukraine verständigen, starten sie einen Angriff auf die russische Finanzmacht: Beschlossen werden

„Beschränkungen der Fähigkeit des russischen Staates und der russischen Regierung zum Zugang zu den Kapital- und Finanzmärkten und -dienstleistungen der EU. Dies betrifft vor allem russische Staatsanleihen, um eine Refinanzierung des russischen Staates zu erschweren.“ [7]

Was sie dabei als ihr politisches Machtmittel geltend machen, ist die Hoheit über einen Gutteil der weltweit führenden Finanzinstitute, denen sie das Aufkaufen neu herausgegebener russischer Staatsanleihen schlicht verbieten. Dass sie damit dem unter ihrer Jurisdiktion und Aufsicht akkumulierenden Geldkapital lukrative Anlagemöglichkeiten entziehen, nehmen sie in Kauf, um den russischen Staat auf den westlichen Weltkreditmärkten auf den Status eines Schuldners ohne Kredit zurückzuwerfen. Indem sie Russland der Fähigkeit berauben, seinen Auslandsverbindlichkeiten durch Herausgabe neuer Anleihen nachzukommen, bringen sie es in eine Zwangslage: [8]

„Moskau habe die Wahl zwischen dem langsamen Auszehren seiner wertvollen Devisenreserven und der Erklärung des Staatsbankrotts.“ [9]

c) Nach Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine verbieten die westlichen Staaten ihren Banken und Börsen den Handel mit Aktien und anderen Wertpapieren russischer Unternehmen, die sie als staatsnah definieren: vor allem Unternehmen des industriell-militärischen Komplexes, staatliche Transportunternehmen sowie Betreiber der materiellen Infrastruktur wie die Russische Eisenbahn und Banken, die unmittelbar mit der russischen Regierung zusammenarbeiten, dem Staat gehören oder unter Treuhandverwaltung der russischen Zentralbank stehen. [10] Diese Sanktionen richten sich gegen 70 % des russischen Bankenmarkts und gegen wichtige staatseigene Unternehmen.[11] Was die westlichen Staaten mit dem Verbot des Aktienhandels unterbinden, also als Waffe gegen den russischen Staat benutzen, ist der Umstand, dass auch für russische Unternehmen der Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten das Mittel ihrer Konkurrenz und darüber ihrer Leistungen für den russischen Staat ist. Auf diesem Weg können sie sich Zugang zu Kapital in einer Größenordnung verschaffen, die sie zu ihren geschäftlichen Engagements allererst befähigt, und weisen sich als international kreditwürdige Global Player aus. Für diesen Ausschluss bedeutender Teile der russischen Wirtschaft vom amerikanisch-europäischen Finanzmarkt nehmen die westlichen Staaten in Kauf, dass dieser selbst geschädigt wird, weil ihm nicht nur Anlagemöglichkeiten entzogen werden, sondern auch bereits in russische Wertpapiere angelegtes Geldkapital entwertet wird.

Darüber hinaus schließen die westlichen Staaten die als staatsnah definierten Banken und Unternehmen sowie Unternehmen, deren (Teil-)Inhaber auf Sanktionslisten stehen, [12] vom Kreditgeschäft mit den amerikanischen und europäischen Finanzinstituten aus, indem sie diesen die Neuvergabe von Darlehen und Krediten an die sanktionierten juristischen Personen, Einrichtungen und Organisationen verbieten. [13] Angriffspunkt ist die Angewiesenheit russischer Geschäftsleute auf in westlichen Währungen denominierte Kredite: Außenhändler benötigen sie zur Vorfinanzierung ihrer Geschäfte, russische Banken zur Refinanzierung ihrer Ausleihungen fürs Außengeschäft oder überhaupt ihres Kreditgeschäfts. Davon werden sie jetzt im Hoheitsgebiet der Sanktionsmächte abgeschnitten. Da die Maßnahme darauf zielt, große Teile des russischen Außenhandels zu unterbinden und russische Banken in Zahlungsnöte zu bringen, dies aber auch die Schädigung ihrer westlichen Geschäftspartner einschließt, werden Ausnahmen für den Handel mit Waren und Dienstleistungen definiert, der weiter stattfinden soll. Weil russische Banken Niederlassungen im Euro-Raum haben und damit Teil des europäischen Finanzsystems sind, sehen die EU-Staaten Ausnahmeregelungen für Liquiditätshilfen an diese Banken vor, um den Zahlungsausfällen bei der eigenen Bankenwelt entgegenzuwirken, die sie durch ihre Sanktionen selbst einleiten.

d) Ein weiterer Schlag gegen die internationale Geschäftsfähigkeit russischer Banken ist der als nukleare Option (von der Leyen) gefeierte Ausschluss vom Zahlungsverkehrssystem SWIFT. [14] Als globale Infrastruktur zum Austausch von Informationen zu Finanztransaktionen in standardisierter Form[15] bietet SWIFT einen sicheren digitalen Kommunikationsweg zwischen Finanzinstituten, der Absender und Empfänger ebenso eindeutig identifizierbar macht wie den Typ der getätigten Transaktion. Als dieser relativ sichere und zeitunaufwendige, kostensparende Übermittlungsdienst etabliert, ist es der Weg, über den Finanztransaktionen weltweit laufen und zu laufen haben; ein SWIFT-Ausschluss ist identisch damit, internationale Zahlung weder empfangen noch tätigen zu können. So sind die sanktionierten russischen Banken mitsamt ihrer Kundschaft durch einen einzigen Beschluss der westlichen Verbündeten vom internationalen Zahlungsverkehr und damit vom Weltmarkt in all seinen Formen abgeschnitten. Zur Rettung von Geschäften sind sie auf Finanzinstitute aus den paar Staaten angewiesen, die sich den Sanktionen nicht anschließen und bereit sind, sich auf teure und komplizierte Umwege einzulassen.

Was die westlichen Staaten da benutzen, ist einerseits der Umstand der Zentralisierung und Standardisierung des internationalen Zahlungsverkehrs durch ein privatwirtschaftliches Subjekt, andererseits und vor allem, dass dieses Subjekt ebenso ihrer territorialen Hoheit und Jurisdiktion unterliegt wie die von ihm mit Kommunikationsdienstleistungen versorgten Zentralen des internationalen Zahlungsverkehrs. Dass beide, die Banken und SWIFT, Bestandteile ihres nationalen Finanzwesens sind, darauf gründen sie die internationale Regelungskompetenz, die sie gegen Russland in Anschlag bringen, um es durch den Ausschluss vom gesamten internationalen Geld-, also Geschäftsverkehr zu schädigen.

Der sehr grundsätzliche Charakter eines Ausschlusses aus der Weltwirtschaft via SWIFT führt zu Kontroversen im Lager der Alliierten. Vor allem Deutschland gibt zu bedenken, dass diese Maßnahme dem Schädiger selbst mehr schade als den anderen; [16] sie führe dazu, dass heimische Exporteure kein Geld mehr aus Russland bekämen und der Import von Rohstoffen, zum Beispiel Gas, nicht mehr bezahlt werden könnte, also unterbliebe. [17] Die Befürworter verweisen auf die wuchtige Schädigung des Feindes, die sich so erreichen lässt. Rücksichtnahmen auf die eigene Wirtschaftsmacht und gesellschaftliche Reproduktionsnotwendigkeiten brandmarken sie als Einknicken vor dem Feind: Diejenigen EU-Regierungen, die harte Entscheidungen blockiert haben, haben Schande über sich selbst gebracht.[18] Nach mehrtägigem Streit halten die Sanktionsmächte fest: Erstens, der SWIFT-Ausschluss wird vollzogen; zweitens, es gibt Ausnahmen, die dafür sorgen, dass bleibend benötigte Energielieferungen von den darauf Angewiesenen weiterhin bezahlt und Schulden von Russland weiter bedient werden können.[19]

e) Die westlichen Sanktionsmächte greifen die internationale Geschäftsfähigkeit Russlands dadurch an, dass sie die Inkarnation der staatlichen wie privaten ökonomischen Macht, das Geld selbst, ins Visier nehmen: [20] Mit einem Überraschungsschlag, [21] für den es nur ein paar neue Verordnungen braucht, berauben sie die russische Zentralbank eines Großteils ihrer Reserven, damit auch ihrer Fähigkeit, die Finanzsanktionen gegen den russischen Staat und russische Unternehmen abzufedern, [22] und verbieten den staatlichen und privaten Institutionen unter ihrer Hoheit alle Transaktionen mit der Bank. Dabei benutzen sie den Umstand, dass mehr als die Hälfte der russischen Devisenreserven in Form von Guthaben und Anlagen bei westlichen Finanzinstituten deponiert ist, also als Zahlungsversprechen dieser Institute gegenüber Russland existiert: Das staatliche Machtwort reicht aus, um zu unterbinden, dass diese ihren Pflichten als Schuldner den russischen Gläubigern gegenüber nachkommen. Natürlich ist dieses Verbot eine flagrante Verletzung internationaler Verträge über das Geld- und Finanzwesen – hier: eine Verletzung der zwischenstaatlichen Eigentumsgarantie, wie Putin kritisiert. [23] Nur beharren die Sanktionsmächte darauf, dass die Sache, die in diesen Verträgen geregelt ist, als Produkt ihrer politischen Lizenz auch unter ihrem politischen Vorbehalt steht, und verlassen sich darauf, dass ihnen in Sachen internationaler Verbindlichkeit dieser „Rechtsauffassung“ schlicht die ökonomische Wucht ihrer weltweit genutzten und nachgefragten Gelder recht gibt. Putin mag das Sistieren fälliger Zahlungen durch die Dollar- und Euro-Mächte polemisch ein Eingeständnis der Zahlungsunfähigkeit nennen. Er wird damit konfrontiert, dass die ökonomische Lage einer Nation, die über Weltgeld nicht verfügt, sondern es verdienen muss, zum politischen Hebel wird, wenn die Weltfinanzmächte es wollen. Seiner Zentralbank fehlen einerseits die Mittel, andererseits überhaupt die Möglichkeit, für die Konvertibilität des eigenen Geldes praktisch einzustehen und dafür zu sorgen, dass der Rubel international verwendbarer, also anerkannter Repräsentant des in der Welt zu verdienenden Reichtums ist. Was die Hoheiten über das Weltfinanzsystem gegen Russland in Anschlag bringen, ist, dass der Rubel, der russische Repräsentant des abstrakten Reichtums, international Geld nur durch ein geregeltes Verhältnis zu US-Dollar und Euro ist, letztlich selbst ein Derivat des Kredits der Weltgeldnationen, und dass damit seine internationale Geltung deren politischem Zugriff unterliegt. So benutzen sie ihre politische Hoheit und den Status ihrer Gelder als unbestrittene Zahlungsfähigkeit der Welt, um Russland in ziemlich fundamentaler Weise zu enteignen und auch gegenüber Drittnationen geschäftsunfähig zu machen.

Handelsbeschränkungen

Als moderner marktwirtschaftlich verfasster Staat eröffnet Russland seinen Geschäftsleuten den Zugang zum Geldverdienen weltweit. Russische Produkte werden auf dem Weltmarkt mit Gewinn verkauft; Produkte, die im Inland nicht, weil nicht konkurrenzfähig, produziert werden, werden auswärts eingekauft, um im Inland gewinnbringend eingesetzt – verkauft oder für die heimische Produktion verwendet – zu werden. Diese Eingebundenheit der russischen Ökonomie in den kapitalistischen Weltmarkt machen die westlichen Metropolen jetzt zum politischen Hebel gegen Russland. Mit der Unterbindung des grenzüberschreitenden Handels schädigen sie die Plusmacherei, die in Russland ebenso Zweck jeder Wirtschaftstätigkeit ist wie in den Feindnationen, und untergraben, so gut es geht, das Wachstum, das der russische Staat will und braucht.

Mit der Unterbindung von Geschäft zielt das Sanktionsregime darauf, Unternehmen zu schädigen, im Extremfall Pleiten zu erzeugen und über die Verkettung von Geldströmen und Schuldverhältnissen – idealerweise – eine nationale Krise herbeizuführen. Aber das ist nicht alles. Die Exportgüter, die nur hergestellt und nach Russland verkauft worden sind, um damit ein Plus zu machen, entfalten, wenn man den Käufer, der sie benötigt, davon abschneidet, eine Wirkung, die sich nicht auf entgangenes Geschäft reduziert: Über die Plusmacherei wickeln kapitalistische Nationen die materielle Reproduktion ihrer Länder und den Lebensunterhalt ihrer Völker ab; wenn die nötigen Geschäfte entfallen, kann die nationale Industrie materiell nicht aufrechterhalten und fortgeführt werden. Und vor allem dieser Effekt ist es, dem die Handelssanktionen ihren guten Ruf als schnelle Erfolge versprechendes Kriegsmittel verdanken: Die Unterbindung von Exporten führt zum Mangel an Gütern, die der Staat, sein Militär, die Unternehmen und der russische Konsument benötigen und die durch heimische Produktion nicht – zumindest nicht schnell – ersetzt werden können.

Die Sanktionsmächte machen sich zunutze, dass entscheidende materielle Mittel der erfolgreichen Bewirtschaftung der russischen Nationalökonomie unter ihrer Hoheit produziert werden. Den privaten Handel mit diesen Produkten, der immer unter dem Vorbehalt ihrer politischen Lizenz stand, unterbinden sie jetzt. Eine ständig fortgeschriebene Liste erfasst Schlüsselgüter, die Russland bislang aus dem Ausland bezogen hat und zu denen ihm jetzt der Zugang verwehrt wird.

  • Lange bevor sich die EU-Staaten auf Energieembargos einigen können, verschärfen sie die seit 2014 verhängten Exportverbote für Equipment zur Erdölexploration, insbesondere zur Tiefseeölexploration. Sie verfügen weitere Exportverbote für Maschinen, Anlagen und Technologien, die der Modernisierung von Ölraffinerien dienen, und zielen damit auf die mindestens mittelfristige Beschädigung einer russischen Haupteinnahmequelle. [24]
  • Ihren Schiffs- und Flugzeugbauunternehmen verbietet die EU, Ausrüstung und Technologien nach Russland zu liefern, um den Transport von Mensch und Material durch das riesige Feindesland und darüber hinaus so schwierig und riskant wie möglich zu machen.
    Drei Viertel der derzeitigen russischen Verkehrsflugzeugflotte wurden in der EU (Airbus), den USA (Boeing) und Kanada gebaut. Dies bedeutet, dass Russland nicht in der Lage sein wird, seine Flotte nach internationalen Standards zu warten.[25] Das Ausfuhrverbot für Güter und Technologien ... die für die Verwendung in der Luft- und Raumfahrt geeignet sind, wird passend ergänzt um ein Verbot der Erbringung von Versicherungs-, Rückversicherungs- und Wartungsdienstleistungen in Bezug auf diese Güter und Technologien.[26]
  • Die Liste der High-Tech-Exportprodukte, denen man, obwohl zivilen Charakters, die Einsetzbarkeit für militärische Zwecke – Dual Use – nachsagt und die zu einem guten Teil schon vor dem Krieg nicht nach Russland geliefert werden durften, wird erweitert. In den Blick rücken alle „Güter der Spitzentechnologie, die dazu beitragen könnten, dass Russland technologische Verbesserungen in seinem Verteidigungs- und Sicherheitssektor erzielt“; fortschrittliche Elektronik zählt allemal dazu. [27]
  • Elementare Voraussetzungen einer modernen Infrastruktur für Datenverarbeitung und Kommunikation werden unter amerikanischer Hoheit geschaffen und dem Rest der Welt geschäftsmäßig zugänglich gemacht, aber eben auch verweigert, wenn der US-Staat das wegen seiner Selbstbehauptung als Weltmacht so will. US-Sanktionen verlangen von allen Halbleiter-Unternehmen nicht nur der USA, sondern weltweit, die Lieferung nach Russland zu blockieren, wenn sie bei der Herstellung US-Software verwenden. [28] Die Androhung von Sekundärsanktionen lässt auch potenzielle chinesische Lieferanten nicht kalt. [29] Der Aufbau einer eigenen Halbleiterproduktion, zu dem Russland dadurch genötigt wird, ist schwierig, teuer und nur mit Abstrichen an gewohnten Standards zu bewerkstelligen. [30]
  • Usw.

Russland dokumentiert sein Angewiesensein auf die vorenthaltenen Produkte, indem es die Einfuhr von Originalwaren im Rahmen von Parallelimporten (Grauimporten) legalisiert. [31] Erste westliche Erfolgsmeldungen geben, mit aller gebotenen Häme, Auskunft darüber, auf welche Schäden die Sanktionen berechnet sind:

„Sozusagen ‚vorbeugend‘ veröffentlichte die russische Regierung einen Erlass, wonach im Land künftig die Herstellung von PKWs ohne ABS und Airbags möglich sein soll, auch die Umweltnormen wurden ‚angepasst‘. Grund dafür: Wegen des Chipmangels dürfte es in der nächsten Zeit schwer werden, in Autos die üblichen Steuerungssysteme unterzubringen. Auf Klimaanlagen wird auch verzichtet. All das soll durch ‚Patriotismus‘ ersetzt werden, spotten bereits Kritiker wie der russische Autoexperte Sergei Aslanjan.“ [32]

„Wir müssen sicherstellen, dass uns nach drei Monaten nicht die Puste ausgeht.“

Worin der entscheidende Schlag gegen Russland als Exportnation besteht, ist keine Frage. Ganz im Sinne der mit dem Nord-Stream-2-Ausstieg eingeleiteten Unterordnung der bisherigen Energiepartnerschaft unter die nun für fällig erachtete Gewaltkonkurrenz gegen Russland verkündet Scholz am 27. Februar im Bundestag, es müsse jetzt perspektivisch darum gehen, die Importabhängigkeit von einzelnen Energielieferanten zu überwinden. Scholz fasst damit die bisherigen Energieversorgungsbeziehungen zu Russland in doppelter Weise als Waffe ins Auge: Zum einen ist der Umstand, dass Russland der wichtigste Exporteur für Gas und Erdöl nach Deutschland und überhaupt in die EU ist, eine wuchtige Waffe gegen diesen Staat: Die Steuern auf die Exporterlöse machen etwa ein Drittel des russischen Staatshaushalts aus; die Deviseneinnahmen, die durch die Energieexporte erzielt werden, tragen wesentlich zur internationalen Kreditwürdigkeit Russlands bei. Speziell Deutschland hat da mehr in die Waagschale zu werfen als alle anderen. Dieses gewaltige Schädigungspotenzial, das es vor allen NATO-Verbündeten hat, will es auch nutzen. Es will sich als europäische Zentralmacht dadurch bewähren, dass es einen entscheidenden Beitrag zum Fertigmachen der Russen leistet – allerdings nach eigenem, autonomem Kalkül, in einer Weise, die seine Wirtschaftsmacht nicht grundsätzlich infrage stellt. Angesichts des bedeutenden Umfangs, in dem Deutschland die billigen und zuverlässigen Energielieferungen aus Russland genutzt hat, gibt das den Regierenden einiges zu tun. Dabei vergessen sie nicht, dass auch der Feind – dies die zweite von Scholz ins Auge gefasste Seite des Handels als Kampfmittel – die Waffe einsetzen und Deutschland und Europa gewichtige Schäden zufügen kann. Ihren Energiekrieg zerlegen sie in Teilschritte und bestehen den Partnern und ihrer antirussisch aufgewühlten Öffentlichkeit gegenüber darauf, dass man das Niederringen eines bis vor kurzem heftig in Anspruch genommenen G20-Staats auch durchhalten muss. Schließlich müssen wir, so Baerbock, sicherstellen, dass uns nicht nach drei Monaten die Puste ausgeht, sondern diese Sanktionen müssen das System Putin im Kern treffen (Bundestagsrede am 27.2.22).

Was die Außenministerin damit zu Protokoll gibt, ist vor allem anderen ihre vorwärtstreibende Risikobereitschaft. Denn was heißt da schon „sicherstellen“? Wie sich durch Sanktionen unterbrochene Lieferketten auf das Wirtschaftswachstum im eigenen Land und bei der westlichen Konkurrenz auswirken; wie die Börsenspekulation auf schon eingetretene oder erst erwartete Verknappung von Rohstoffen reagiert; wie lange die Russen sich noch als zuverlässige Lieferanten für ihre Feinde hergeben mögen – all das hat die deutsche Regierung dann doch nicht in der Hand. Dass sie die Schäden, die sie durch ihren Wirtschaftskrieg auf der eigenen Seite anrichtet, kalkulierbar machen kann, wenn sie ihn nur hinreichend durchdacht und abgewogen führt, ist der praktizierte Idealismus von Politikern, die ihn jedenfalls führen wollen.

Bündnispartner mit stramm antirussischer Staatsräson vermissen die nötige Entschiedenheit auf deutscher Seite. Polen und die baltischen Staaten verlangen schnell schärfere Sanktionen, und Selenskyj geht schon gleich alles nicht schnell genug. Ihnen gegenüber besteht die deutsche Regierung auf der kriegerischen Vernunft ihrer Politik des langen Atems. Eine sofortige Einstellung aller Energieimporte lehnt sie ab, weil das die Wirtschaft in eine Krise stürzen würde.

Die Waffe wird scharf gemacht: Ersatz für russische Energielieferungen

Dafür, dass „uns“ nicht die Puste ausgeht, braucht es die beschleunigte Umstellung der Energieversorgung – bislang abgelehnte Optionen rücken in den Blick:

„Bundeskanzler Olaf Scholz hat als Reaktion auf den Ukraine-Krieg und die Abhängigkeit von russischem Erdgas den Bau von zwei Terminals für Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland angekündigt. Scholz nannte am Sonntag im Bundestag als Standorte Brunsbüttel und Wilhelmshaven.“ [33]

Habeck reist derweil durch die Welt, um Lieferanten für den Stoff aufzutun, für den die Terminals gebaut werden. Die Bürger werden damit vertraut gemacht, dass elementare Wirtschaftsgüter wie Energie unter strategischen Gesichtspunkten zu beurteilen sind – auch gegen die neuen Lieferanten gilt es schließlich sicherzustellen, dass die Geschäftsbeziehung als einseitig verfügbare Waffe eingesetzt werden kann. Die Öffentlichkeit übersetzt sich das einfühlsam in die Frage, ob und inwieweit der Umstieg gelingt, ohne dass „wir“ in neue Abhängigkeiten von fragwürdigen Regimes geraten. Fest steht, dass der Preis erst mal keine Rolle spielen darf, sodass für den Krieg gegen Putin eben jeder und jede ein Opfer bringen muss.

Auf schlagende Weise macht die Regierung bei dieser Gelegenheit die Wahrheit der Klimapolitik deutlich: Sie ist Kalkulationsgröße der strategischen Aufstellung Deutschlands als politischer und ökonomischer Macht. Einerseits wird die Energiewende jetzt zum Kriegsmittel aufgewertet, das macht sie auf neue Weise unwidersprechlich:

„Wir planen eine wirkliche nationale Kraftanstrengung, um die Erneuerbaren schneller voranzubringen, in die Fläche zu bekommen“, [34] denn: „Eine verantwortungsvolle Energiepolitik ist entscheidend nicht nur für Wirtschaft und Klima, sondern auch für unsere Sicherheit.“ [35]

Statt bis 2050 soll der Strom in Deutschland bereits 2035 nahezu vollständig aus erneuerbaren Energien kommen. Für die nationale Sicherheit sind die Regenerativen andererseits doch bloß ein Mittel: Weil es darum geht, die Abhängigkeit von Russland loszuwerden, braucht es – rasch – fossile Energieträger von anderen Lieferanten; auch der Ausstieg aus Atomkraft und Kohle bei der Stromerzeugung steht wieder zur Diskussion.

*

Bei der Emanzipation vom russischen Lieferanten setzt man darauf, dass sich die Russen ihrerseits den Ausstieg aus den Lieferbeziehungen nicht leisten können: Man sagt ihnen an, dass ihre Exportschlager demnächst umfassend entwertet sein werden; zudem, dass der Kampf um ihre wirtschaftliche Ruinierung unabhängig vom Verlauf des militärischen Kräftemessens in der Ukraine auf Dauer angelegt ist. Bis es so weit ist, sollen sie aber zuverlässig liefern.

Wirtschaftlicher Zermürbungskrieg

Während die Voraussetzungen für den entscheidenden Schlag im Wirtschaftskrieg geschaffen werden, bleibt „Europa“ nicht untätig und demonstriert seinen Willen zur Dauereskalation. Das Sanktionsregime ist work in progress, jedes verabschiedete „Paket“ der Auftakt zu weiteren Sondierungen, welche Maßnahmen unter den Sanktionsmächten konsensfähig und welche Außenhandelsalternativen verfügbar sind.

Auf die nukleare Option des SWIFT-Ausschlusses verlässt sich die EU jedenfalls nicht und durchforstet alle Abteilungen des russischen Kapitalismus nach Störpotenzial. Von Anfang an die russischen Energieexporte als den größten Sanktionshammer vor Augen, treibt sie die Prospektion von Schäden voran, die dem Feind zuzufügen die Mitgliedstaaten in der Lage und ihrerseits hinzunehmen bereit sind. Russland entzogene Einfuhrkontingente für Stahlprodukte lassen sich auf andere Lieferländer verteilen. [36] Den Verzicht auf russisches Aluminium, Nickel, Palladium und Titan dagegen will man der heimischen Produktion – betroffen wären die Automobil- und Elektronikindustrie und der Maschinenbau – erst einmal nicht zumuten; den Verzicht auf die Lieferungen des weltweit zweitgrößten Holzexporteurs aber schon – usw. [37] Fest steht, dass sich die russischen Lieferanten auf nichts verlassen können. Mit viel bürokratischer Akribie arbeiten sich die Sanktionierer voran und verschmähen Importverbote für russischen Kaviar ebenso wenig wie Exportverbote für europäischen Schmuck.

Am 9. März ist das dritte Sanktionspaket fertig. Weitere Personen und Organisationen werden mit Sanktionen belegt, immer mehr wirtschafts- und kriegswichtige Güter entdeckt und mit Exportverboten belegt (diesmal: Seenavigations- und Funkkommunikationstechnologie). Schlupflöcher im System der Sanktionen werden ausfindig gemacht und gestopft, noch bevor sie erkennbar genutzt werden (expliziter Einschluss von Krypto-Assets in die Finanzsanktionen).

Schon am 15. März wird nachgelegt – mit neuen Transaktions-, Ein- und Ausfuhrverboten und einem Verbot von Neuinvestitionen im gesamten Energiesektor: Während sich alte Investoren gerade aus Russland zurückziehen, wird der wichtigste russische Wirtschaftsbereich vom Zugang zu EU-Kapital abgeschnitten. Dem unerträglichen Zustand, dass der Feind seit Sanktionsbeginn von westlichen Ratingagenturen immer noch als grottenschlechter Schuldner qualifiziert wird (Fitch 9.3.: Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bevorstehend), machen die Europäer für ihren Zuständigkeitsbereich ein Ende. Indem sie es EU-Ratingagenturen verbieten, den feindlichen Staat und seine Unternehmen überhaupt zu bewerten, bestehen sie auf Russlands Status als Nicht-Geschäftspartner. [38] Alle russischen Exporte, die sie noch nicht unterbunden haben, stellen die EU-Staaten schon einmal unter den Generalvorbehalt ihrer Sanktionswillkür: Nach amerikanischem Vorbild beschließen sie, Russland den Status einer meistbegünstigten Nation zu entziehen. Sie behalten sich alle Freiheiten für Zollerhöhungen und weitere Handelsbeschränkungen vor und machen den Außenhandel für russische Unternehmen unkalkulierbar.

Gut drei Wochen später – 5. Paket – wird, unter anderem, die physische Unterbindung des zwischenstaatlichen Handels beschlossen: Verwehrung des Hafenzugangs für russische Schiffe; Verbot für russische und belarussische Straßentransportunternehmen, Waren innerhalb der EU auf dem Straßenweg zu befördern. Weiter verlängert wird die Liste der mit Transaktionsverboten belegten Banken und der Ein- und Ausfuhrverbote – letztere unter besonderer Berücksichtigung von Russland dringend benötigter Produkte des westlichen Hochtechnologiebereichs. Vor allem aber erfolgt der Einstieg in das entscheidende Feld der Energiesanktionen.

Kohle- und Ölembargo

„Endlich“ – nach ein paar Wochen Krieg – ist es so weit. Mit dem Beschluss eines Einfuhrverbots für Kohle und andere feste fossile Brennstoffe kann die EU ihren ersten Schlag gegen das russische Energiegeschäft führen. Wirtschaftsminister Habeck, der zunächst noch vor einem schwierigen Winter gewarnt hat, sieht Deutschland Anfang April jedenfalls schon mal für einen Kohle-Importstopp im Herbst gerüstet. Der Umfang der russischen Lieferungen ist bei der Kohle geringer als bei anderen Energieträgern, neue Handelspartner und -wege zu finden deutlich leichter. Weil beides umgekehrt auch auf die Russen zutrifft, gilt die Verabschiedung des Embargos zwar einerseits als fälliger erster Schritt ins Hauptkampffeld des Handelskriegs, andererseits aber doch als ziemlich matte Sache.

Also setzt die EU-Kommission als nächstes Projekt das Ölembargo auf die Tagesordnung, den Angriff auf die russische Cashcow, der eine maximal asymmetrische Schadensbilanz verspricht: hohe Einnahmeausfälle bei den Russen bei verkraftbaren Mehrkosten der Sanktionsmächte. So sieht das jedenfalls die Kommissionspräsidentin, wenn sie kluge Mechanismen ankündigt, damit im nächsten Sanktionsschritt auch Öl einbezogen werden kann. So sieht das Ende April auch der Bundeswirtschaftsminister, der ja seit Wochen unterwegs ist, um Deutschland einer Unabhängigkeit von russischen Ölimporten sehr, sehr nahe zu bringen – kaum ist das geschafft, verlangt Deutschland den Importstopp auch von seinen EU-Partnern.

Aber einige Staaten im Osten der Union sehen es anders. Bulgarien z.B. hat seine Zustimmung zu diesem Schritt schon früh in aller Demut von nationalen Ausnahmeregelungen abhängig gemacht –

es „würde alle Arten von Maßnahmen unterstützen, weil wir wirklich gegen den Krieg sind, aber für diese beiden (Öl und Gas) würden wir vielleicht um eine Ausnahme bitten... Wir haben im Moment keine Alternativen. Wir sind zu abhängig.“ [39] –,

und solche Bedenken finden in den Verhandlungen zum sechsten Sanktionspaket durchaus auch Gehör. Dass „uns die Puste nicht ausgehen“ darf, bezieht die deutsche Außenministerin eben auch auf das europäische Wirtschaftsbündnis, das sie gegen Russland in Stellung bringen will:

„So ein Schritt, jetzt auch im Ölbereich komplett auszusteigen als Europäische Union, das ist kein einfacher. Das bedeutet für unterschiedliche Länder unterschiedliche Herausforderungen, weil die Abhängigkeiten ja auch sehr unterschiedliche sind.“ [40]

Die ungarische Regierung ist es einmal mehr, die den innereuropäischen Streit auf eine grundsätzliche Ebene hebt. Nachdem sie ihre Sonderbeziehungen zu Russland zunächst nicht zum Argument gegen die EU-Sanktionen gemacht hat – Dies ist die Zeit, um vereint zu sein, es ist ein Krieg. (Orbán)[41] –, verweist sie jetzt auf die umfassende Abhängigkeit Ungarns vom russischen Lieferanten – und das in einer Weise, die Sanktionsregime und ungarisches Nationalinteresse (in Gestalt der Familien, die Öl und Gas bezahlen müssen) unmittelbar gegeneinanderstellt:

„Wir verurteilen zwar Russlands bewaffnete Offensive und wir verurteilen auch den Krieg, aber wir werden nicht zulassen, dass ungarische Familien den Preis dafür zahlen müssen.“ (Orbán)[42]

Weil es im Wirtschaftskrieg auf Formierung und Erhaltung der westlichen Einheitsfront entscheidend ankommt, dulden die europäischen Führungsmächte nicht, dass ein Partner ausschert. Ministerin Baerbock hält es für eine schlechte Idee, ein Öl-Embargo ohne Ungarn durchzusetzen. Die EU dürfe sich keinen Millimeter spalten lassen.[43] Gerungen wird darum, ob und inwieweit sich Ungarn doch irgendwelche Lasten aufnötigen lässt, ob die EU und ihre Führungsmächte bereit sind, sich die praktische Beteiligung Ungarns am Embargo fürs Erste abhandeln zu lassen, wenn Orbán sich mit seiner Unterschrift zum Embargo-Programm bekennt, und zu welchen Kompensationsmaßnahmen sie sich gegebenenfalls bereitfinden. Ende Mai ist eine Variante gefunden, die den allgemeinen Charakter (keine Ölimporte auf dem Seeweg) mit völliger Nichtbetroffenheit Ungarns (es bezieht sein Öl über die Druschba-Pipeline) verbindet und so von Orbán unterschrieben wird.

Rückzug der Unternehmen: die Konkurrenzmacht des Kapitals als Waffe im Wirtschaftskrieg

Bereits am 27. Februar hat der in Russland weit mehr als andere Unternehmen engagierte Energiekonzern BP seinen Rückzug aus Russland angekündigt. Seinen Anteil an Rosneft (knapp 20 %) will das Unternehmen jetzt loswerden. Dieser Rückzug aus dem Schlüsselsektor der russischen Wirtschaft kommt zwar nicht ohne politischen Druck zustande – der britische Wirtschaftsminister bestellt den BP-Chef ein und bringt große Zweifel an der Rosneft-Beteiligung von BP zum Ausdruck –, wird aber auch nicht durch staatliche Sanktionen erzwungen. Die Rückzugsentscheidung werde für das erste Quartal zu Abschreibungen im Umfang von bis zu 25 Milliarden Euro führen, sei aber langfristig für die Interessen aller unserer Aktionäre am besten, erklärt ein Vertreter des BP-Managements. So sieht man das auch in anderen Unternehmen: sei es, dass Niederlassungen geschlossen oder dass einfach Lieferungen eingestellt und damit den russischen Käufern benötigte Produkte entzogen werden. Binnen eines Monats kündigt in den Bereichen IT, Banken, Versicherungen, Baustoffe, Transport, Automobilproduktion ... ein Global Player nach dem anderen seinen Rückzug aus Russland an oder leitet ihn ein – vom Sportartikelhersteller, der seine Läden schließt, bis zum Autobauer Renault, der auf seinen zweitgrößten Markt verzichtet und im März ankündigt, die von ihm gehaltene 68-Prozent-Beteiligung am Lada-Hersteller AvtoVAZ für einen symbolischen Rubel an den russischen Staat zu übergeben.

Zu tun haben es auch die in Russland präsenten ausländischen Kapitale zunächst einmal mit den Wirkungen des Sanktionsregimes auf ihre Geschäftstätigkeit. Nicht nur verschlechtern sich die Bedingungen des Einkaufens und Verkaufens, wird die Kontinuität der Produktion im Land durch die Sanktionen massiv infrage gestellt etc.; die westlichen Regierungen machen auch unmissverständlich klar, dass der Wirtschaftskrieg auf Dauer und immer neue Eskalationsstufen angelegt und nicht an eine etwaige Beendigung der Kampfhandlungen in der Ukraine gebunden ist. Durch ihre doppelte Eskalation des Ukraine-Kriegs sorgt die antirussische Allianz nach Kräften dafür, dass Anlagen in Russland längerfristig – mindestens – unattraktiv sind, der Geldmaterialismus der die ganze Welt prospektierenden Kapitale also seine Gründe hat, das Land zu meiden. [44]

Auch so wird die Weise, wie Russland in die kapitalistische Weltwirtschaft eingebaut ist, zur Potenz im Wirtschaftskrieg:

„Die Wirtschaft“, das sind zunächst einmal die privaten und staatlichen Betriebe, die mit einem eng begrenzten Kreis strategischer Exportgüter – neben energetischen und mineralischen Rohstoffen und Vorprodukten vor allem Getreide und moderne Waffen – auf dem Weltmarkt die Devisen verdienen, mit denen das Land sich für die Erzeugung dieser Produkte und die übrige Reproduktion des Landes nötige Waren kauft. In weiten Bereichen hat Russland darauf gesetzt, die überlegene Produktivität ausländischer Unternehmen für den Aufbau des nationalen Kapitalismus zu nutzen, und dem internationalen Kapital dafür billige Arbeit, Energie, Grundstoffe und einen großen Markt geboten. Die Abhängigkeit, in die es sich damit hineingewirtschaftet hat, wird jetzt, jenseits staatlich verfügter Handelsverbote, unmittelbar zum Kriegsmittel: Teile der industriellen und kommerziellen Aktivitäten im Land befinden sich in der Hand von ausländischen Kapitalen, die in der Lage sind, diesem ihre Kapitalmacht zu entziehen. Für sie ist Russland ein mehr oder weniger wichtiger Markt unter vielen, den sie jetzt, angesichts des entschiedenen westlichen Kampfwillens, erst einmal abschreiben müssen. Immer mehr Unternehmen lassen also den Vorwurf, durch ihre Russland-Geschäfte Putin zu finanzieren, nicht auf sich sitzen und vollziehen ihren Abgang mit öffentlichkeitswirksamen patriotischen Bekenntnissen.

Überlegene Produktivität, eine technisch avancierte, umfassende Produktpalette und viel investitionswilliges Kapital, alle Mittel erfolgreicher kapitalistischer Gewinnmaximierung, werden so zu strategischen Kampfstoffen gegen ein Land, das auf solche Produkte und Kapitalimport schlecht oder gar nicht verzichten kann. Arbeitslosigkeit und Ausfall von weiteren Teilen der ökonomischen Reproduktion des Landes sind die Konsequenz. Politik und Öffentlichkeit verfolgen interessiert, ob und inwieweit das zu einer Spaltung von Volk und Regierung führt.

Die Sanktionen brauchen eine geschlossene Front, also den Kampf gegen „Schlupflöcher“ und nicht zuletzt gegen diejenigen, die sie eröffnen

„Wir“ müssen Ersatz für russische Energielieferungen finden, und – das ist für die Erreichung des Kriegsziels mindestens ebenso wichtig – dafür sorgen, dass Russland keine Ersatzabnehmer für seine Rohstoffe – und damit neue Einkommensquellen findet. Es gilt zu verhindern, dass andere die Gelegenheit ergreifen, vielleicht sogar eine Verkaufsnot russischer Lieferanten besonders günstig ausnutzen, auf jeden Fall aber den Russland zugefügten Schaden relativieren. Das radikale Ziel einer Annullierung der ökonomischen Potenz Russlands verlangt ein im Prinzip globales und lückenloses Sanktionsregime: Russland muss vom Weltmarkt ausgeschlossen werden. Dafür müssen alle ökonomisch potenten Staaten mitmachen. Nach Verhängung der ersten Sanktionen beginnt also ein weltweites Monitoring, das Ausreißer ebenso identifiziert wie Staaten, die sich in die Pflicht nehmen lassen. Kandidaten beider Art werden bekniet, gekauft, [45] an ihre eigenen Abhängigkeiten von den westlichen Weltwirtschaftsmächten erinnert und erpresst. Manche Staaten sind aber einfach zu groß und bedeutend, um sich für den Wirtschaftskrieg gegen Russland verhaften zu lassen. China, [46] Indien und die OPEC [47] weisen gute Worte und Drohungen zurück, durchlöchern das Sanktionsregime und beschränken seine Wirksamkeit. Vor allem gegen private Firmen anderer Länder werden Sekundärsanktionen verhängt. [48]

Ein klarer Fall sind die erklärten Freunde des Feindes: Sie werden ebenfalls als Feinde behandelt. Belarus, ohnedies längst zum Paria-Staat erklärt, wird von der EU mit Finanzsanktionen belegt, die die gegen Russland verhängten im Wesentlichen spiegeln, inkl. SWIFT-Ausschluss.

„Energieinfrastrukturen nicht willkürlichen Entscheidungen des Kremls aussetzen“

Am 1.4. versucht Gazprom, sich von seiner Tochter Gazprom Germania zu trennen, um einem Zugriff deutscher Behörden zuvorzukommen.[49] Daraufhin übernimmt

„die Bundesregierung per Anordnung die Aufsicht über bislang von Russland geführte Teile der deutschen Gasversorgung... Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzte die Bundesnetzagentur vorübergehend als Treuhänderin für die deutsche Tochter des russischen Staatskonzerns Gazprom ein. Habeck begründete dies mit unklaren Rechtsverhältnissen und einem Verstoß gegen Meldevorschriften. Ziel sei es, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Gazprom ist nach wie vor der größte Gaslieferant Deutschlands. Die Gazprom Germania GmbH betreibe in Deutschland selbst und durch Tochtergesellschaften kritische Infrastrukturen, sagte Habeck. ‚Sie ist im Bereich Gashandel, Gastransport und -speicher tätig und für die Gasversorgung in Deutschland von überragender Bedeutung.‘“ [50]

Eines ist klar: Deutschland darf nicht einmal ansatzweise in die Lage kommen, mit der es seinen russischen Feind konfrontiert hat: erleben zu müssen, dass Teile seiner nationalen Wirtschaft von Eigentümern betrieben werden, die unter feindlicher Hoheit stehen, deren Gesetzen gehorchen und so einiges Störpotenzial entfalten. Also verhindert die Regierung russisches Eigentum in sensiblen Bereichen:

„Dazu zählt auch, dass wir Energieinfrastrukturen in Deutschland nicht willkürlichen Entscheidungen des Kremls aussetzen. Die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Geschäfte in Deutschland muss gesichert sein.“ (Habeck)[51]

Gazprom Germania wird schlicht enteignet, ihr Betrieb unter deutsche Treuhandverwaltung gestellt; ein schon genehmigter Verkauf weiterer Anteile der Ölraffinerie in Schwedt/Brandenburg an Rosneft wird noch im Februar von höchster Stelle durch ein Investitionsprüfverfahren gestoppt. Was als illegaler Übergriff auf deutsche Firmen gilt, wenn es Putin verordnet, geht umgekehrt natürlich vollkommen in Ordnung, wenn Habeck nach allen Regeln des deutschen Rechtsstaats eine entsprechende Novellierung des Energiesicherungsgesetzes auf den Weg bringt.

Putins Konter

Und dann kommt der lang beschworene, also erwartete Gegenangriff Putins:

„... es hat keinen Sinn für uns, unsere Waren in die EU und in die USA zu liefern und dafür Zahlungen in Dollar, Euro und einigen weiteren Währungen zu akzeptieren. Deshalb habe ich entschieden, möglichst schnell die Zahlungsmethoden bei unseren Gaslieferungen in die so genannten unfreundlichen Länder auf Rubel umzustellen, also bei diesen Transaktionen auf alle Währungen zu verzichten, die sich kompromittiert haben.“ [52]

Der russische Präsident will sich die Zumutung der westlichen Länder nicht länger bieten lassen, Russland mit einem Geld zu bezahlen, dessen internationalen Gebrauch sie zugleich zu verhindern suchen, für Lieferungen, mit denen sie weiterhin ihre Wirtschaft am Laufen halten. Gegenüber Importeuren aus unfreundlichen Ländern versteht auch er es, sich über geschlossene Verträge zu stellen und die Konditionen zu ändern: Wer künftig in Russland Gas oder Öl kaufen will, muss in Rubel bezahlen, also das russische Geld selbst als internationales Zahlungsmittel verwenden und damit als solches anerkennen sowie direkt oder indirekt einen Geschäftsverkehr mit der russischen Zentralbank aufrechterhalten und bei ihr Dollar bzw. Euro gegen Rubel tauschen. Russland setzt darauf, dass insbesondere europäische Unternehmen – allen voran die deutschen – ohne russisches Öl und Gas (zumindest noch) nicht auskommen und sich genötigt sehen, die Sanktionen zu unterlaufen.

Letzteres will die europäische Union keinesfalls zulassen: Die Zeit ist vorbei, wo man mit Energie erpressen konnte (von der Leyen). In diesem Fall ist unbedingt an den geschlossenen Verträgen festzuhalten, bezahlen sollen die westlichen Käufer, wie vereinbart, in Dollar oder Euro – basta! Mit der Macht der wichtigsten russischen Energiekunden im Rücken geht die Führerin der EU davon aus, dass Putin es sich nicht leisten kann, seine Lieferungen einzustellen.

Putin schwächt daraufhin seine Forderung ab: Die Importeure könnten weiterhin in ihren Währungen zahlen, allerdings über ein Konto der in Russland ansässigen Gazprom-Bank, und müssten bei dieser ein zweites, auf Rubel lautendes Konto unterhalten, von dem Gazprom, Rosneft etc. dann in Rubel Zahlungen erhalten würden. Die Gazprom-Bank würde so den Währungsumtausch für die EU-Kunden erledigen. Mit dieser „Umstellung der Zahlungsmethode“ sorgt der russische Präsident dafür, dass die gezahlten Euros oder Dollar schon einmal als Guthaben im Land existieren, so dem direkten Zugriff der russischen Zentralbank unterliegen und zumindest an der Moskauer Börse Rubel und Dollar getauscht werden. [53] Dass er dahinter nicht zurück will, macht Putin mit einer erneuten Drohung klar:

„‚Wenn solche Zahlungen nicht geleistet werden, betrachten wir dies als Verzug der Käufer mit allen daraus resultierenden Konsequenzen‘, erklärte Putin. ‚Niemand verkauft uns etwas umsonst, und wir werden auch keine Wohltätigkeit tun – das heißt, bestehende Verträge werden gestoppt.‘“ [54]

Es wird dann auch ein Exempel an Staaten statuiert, die ihren Importeuren verboten haben, Rubelkonten einzurichten: Polen und Bulgarien bekommen kein Gas mehr geliefert.

Deutsche Unternehmen hingegen lassen sich auf Putins Forderung ein und wickeln die Zahlungen für Gas über das doppelte Konto bei der russischen Gazprom-Bank ab. [55] Die EU-Kommission und die deutschen Behörden werten diese „Umstellung der Zahlungsmethode“ nicht als Verstoß gegen die verhängten Sanktionen – so viel Einlenken ist ihnen das Weiter-Beliefert-Werden durch den russischen Feind dann doch wert. [56]

*

Mit einer widersprüchlichen Wirkung ihrer Kampfmaßnahmen werden die Sanktionsmächte ganz ohne Putins Zutun konfrontiert: Je entschiedener sie die Abnahme russischer Energielieferungen einschränken und ihren Partnern verbieten, desto mehr Knappheit erzeugen sie an den Energiemärkten, samt schärferer Konkurrenz um die verfügbaren Mengen und damit die Gelegenheit, höhere Preise zu verlangen. Auch wenn sie Russland weitgehend vom Finanzverkehr des Weltmarkts abgeschnitten haben, kassiert das sanktionierte Land nun mit weniger materiellen Exporten höhere Einnahmen dank der durch die Sanktionen gestiegenen Preise; und der Rubel, der ruiniert werden sollte, hat sein Vorkriegsniveau wieder erreicht.

Neuaufstellung der Staatsgewalt für Aufsicht und Zugriff im Wirtschaftskrieg

Sanktionen zu beschließen ist eines, sie durchzusetzen ein anderes. Was das betrifft, stellt sich bei den Regierenden in Deutschland schnell Unzufriedenheit ein. Während andere EU-Staaten schnell Erfolge z.B. bei der Beschlagnahme von Oligarchen-Vermögen melden können, verweisen deutsche Behörden auf unklare Zuständigkeiten und kommen beim Zugriff auf russischen Reichtum nicht so voran, wie es dem politischen Willen zum ökonomischen Kampf gegen Russland und seine Führungsmannschaft entspricht.

„Haben wir alle notwendigen Instrumente, um aktiv so handeln zu können, wie wir das gerne wollen? Und die Antwort darauf lautet: nein.“ (Olaf Scholz am 6. April im Bundestag) Eine „Taskforce“ zur Umsetzung der Sanktionen kommt zu dem Ergebnis, „dass es keine eigenständigen Rechtsgrundlagen für die Vermögensermittlung im Sanktionsbereich gibt“, weshalb die Behörden „auf allgemeine Rechtsgrundlagen zugreifen müssen, die nicht für den Sanktionsbereich ausgelegt sind“. [57]

Also bereiten Bundesfinanz- und Bundeswirtschaftsministerium ein „Sanktionsdurchsetzungsgesetz“ vor, das die Rechtslage den Anforderungen des jetzt gewollten Wirtschaftskriegs gemäß macht. Von der Sicherstellung von Vermögensgegenständen bis zur Aufklärung der Eigentumsverhältnisse über die Erweiterung der Datenübermittlungsbefugnisse beteiligter Behörden, z.B. Deutsche Bundesbank an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bis zur Verankerung einer spezialgesetzlichen Befugnis der BaFin zur Anordnung sämtlicher Maßnahmen zur Durchsetzung von Handelsverboten bei Sanktionsbezug[58] werden alle erforderlichen Befugnisse zu Schnüffelei und Zugriff erteilt. Sanktionierte Personen werden einer Anzeigepflicht unterworfen: Sie haben Vermögensgegenstände gegenüber dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle offenzulegen – widrigenfalls drohen Bußgelder und Strafen. Damit schafft sich der deutsche Staat eine Rechtsgrundlage dafür, Vermögensgegenstände nicht nur einzufrieren, sondern auch einzuziehen. [59]

*

Nach drei Kriegsmonaten haben sich die politischen Chefs bereits zu der Idee vorgearbeitet, das Vermögen russischer Oligarchen und auch den russischen Staatsschatz nicht mehr nur einzufrieren, sondern zu enteignen und der Ukraine zu schenken. [60] Damit wäre er dann fertig: der denkbar härteste Angriff im globalen Kapitalismus und auf seine Geschäftsordnung. Wenn es um das Niedermachen ihres mächtigen Feindes geht, wollen die Wächter der regelbasierten Weltordnung von deren fundamentaler Regel, der Anerkennung bestehender Eigentumstitel, nichts mehr wissen, auf die sich der gesamte materielle Konnex der marktwirtschaftlich verfassten, Waren und Kapital im- und exportierenden Nationen gründet. Dann gilt ihnen das Heiligste nichts mehr, und sie verweigern den Respekt vor verdientem Geld, weil es die Falschen verdient haben. Bis zu diesem Extrem haben die Führungsmächte und Nutznießer des globalisierten Kapitalismus ihren Aufsichtsanspruch jetzt getrieben. Wenn sie einen Machtkonkurrenten nicht mehr aushalten wollen, dann sind glatt sie es, die die Prinzipien ihrer Weltordnung zur Disposition stellen.

[1] Rat der EU / Europäischer Rat, EU-Sanktionen gegen Russland: ein Überblick, consilium.europa.eu.

[2] Zur Logik des bereits damals anvisierten Wirtschaftskriegs siehe GegenStandpunkt 3-14: Wirtschaftskrieg gegen ein Russland, das sich aus seinem ‚nahen Ausland‘ nicht verdrängen lässt.

[3] Diese internationalen Sanktionen zehren an der Stärke Russlands, an seiner Fähigkeit, sein Militär zu erneuern und instand zu halten, und an seiner Fähigkeit, Macht zu entfalten. (Biden in Warschau am 28.3.22)

[4] Dass die europäische Führungsmacht sich mitbestimmend an die Spitze der antirussischen Front stellen will, weiß die US-Regierung zu würdigen – in der Lesart, dass Deutschland als Mittel amerikanischer Politik funktioniert: Ein leitender Beamter aus dem Außenministerium teilt mit, Deutschlands Entscheidung nach der Invasion, die Nord Stream 2-Pipeline wegzuwerfen, sei entscheidend dafür, zaudernde Europäer ins Boot zu holen. Es sei ‚ein sehr wichtiges Signal an andere Europäer, dass nun heilige Kühe geschlachtet werden müssten‘. (Valentina Popp / Sam Fleming, Weaponisation of finance: how the west unleashed ‚shock and awe‘ on Russia, Financial Times, ft.com, 6.4.22)

[5] Im Gespräch mit Anne Will in der ARD am 20.2.22.

[6] Eine der auffälligsten Besonderheiten des Krieges in der Ukraine ist, wie eng Europa mit den USA zusammenarbeitete. Die Planungen für Sanktionen begannen im November, als die westlichen Geheimdienste starke Beweise dafür sammelten, dass Wladimir Putins Streitkräfte sich entlang der ukrainischen Grenze aufbauten. Biden beauftragte Yellen, Pläne dafür zu entwerfen, welche Maßnahmen ergriffen werden könnten, um auf eine Invasion zu antworten. Ab diesem Zeitpunkt fingen die USA an, sich mit der EU, Großbritannien und anderen zu koordinieren. Ein leitender Beamter aus dem Außenministerium erzählt, zwischen diesem Zeitpunkt und dem Tag der Invasion am 24. Februar hätten Mitglieder der Regierung Biden ‚durchschnittlich 10 bis 15 Stunden die Woche aufgewendet für abhörsichere Telefon- oder Videokonferenzen mit der EU und ihren Mitgliedstaaten‘, um die Sanktionen zu koordinieren. (Popp / Fleming, a.a.O.)

[7] Karin Appel, Chronologische Übersicht über EU-Sanktionen gegenüber Russland, Germany Trade & Invest, gtai.de, 8.4.22.

[8] Daneben zielen die USA direkt auf einen „technical default“ des russischen Staates, und zwar dadurch, dass es Russland unmöglich gemacht wird, Zinsen an seine Gläubiger zu überweisen. Nach einer gewissen Frist wäre dann das Eintreten eines „technical default“ erreicht, d.h. die offizielle Erklärung der Zahlungsunfähigkeit Russlands, wodurch die gesamten Forderungen gegen Russland schlagartig fällig gestellt würden. Mit einer Ausnahmeregelung, die vorsah, dass der russische Staat Dollar-Überweisungen an US-Bürger und ‑Institutionen über US-Banken tätigen konnte, wurde zunächst noch Rücksicht auf das Eigentum amerikanischer Bürger geübt (USA forcieren Zahlungsausfall Russlands, dw.com, 25.5.22). Mittlerweile ist es Gläubigern untersagt, Zinszahlungen und Tilgungen des russischen Staates anzunehmen (Nur noch in Rubel – Russland muss Schuldendienst umstellen, FAZ, 31.5.22). Um seine Zuverlässigkeit als Schuldner unter Beweis zu stellen und seine internationale Kreditwürdigkeit zu retten, will Russland versuchen, die Maßnahmen der US-Regierung dadurch zu unterlaufen, dass es – analog zur Umstellung der Zahlungen für Energielieferungen (siehe unten das Kapitel „Putins Konter“) – die Gläubiger verpflichtet, ein Konto bei einer russischen Bank [zu] eröffnen, auf das der russische Staat die fälligen Beträge in Rubel ein[zahlt], die dann von dem Institut in Dollar oder Euro umgerechnet werden. (Ebd.)

[9] Jen Psaki, Sprecherin von US-Präsident Joe Biden, am 6.4.22 nach stern.de, 13.4.

[10] Auf der Liste der EU stehen die Rossiya Bank, die Alfa Group, die Bank Otkritie und die Promsvyazbank, auf der Liste der USA die Sberbank, die VTB Bank, die Bank Otkritie, die Novikombank und die Sovcombank. (russland.ahk.de, Übersicht Sanktionen)

[11] Militärische Aggression Russlands gegen die Ukraine: EU verhängt Sanktionen gegen Präsident Putin und Außenminister Lawrow und verabschiedet weitreichende gegen Einzelpersonen gerichtete und wirtschaftliche Sanktionen. Pressemitteilung des Europäischen Rates vom 25.2.22, consilium.europa.eu.

[12] Seit dem ersten Sanktionspaket nehmen die USA, die EU und Großbritannien – in Anknüpfung an die seit 2014 betriebene Sanktionspolitik – russische Politiker, hohe Staatsbeamte, Militärs und Wirtschaftslenker ins Visier und vergessen auch Repräsentanten der öffentlichen Meinungsbildung und Kulturschaffende nicht. Die nicht nur in Russland existierende Symbiose zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht fest im Blick, verbieten die Sanktionsmächte allen Abteilungen der nationalen Elite Reisen in ihre Hoheitsgebiete und frieren ihre Privatvermögen ein. Russische Geschäftsleute werden aber eben nicht nur von ihren im Westen erworbenen Luxusobjekten getrennt, sondern auch von ihren Geldanlagen – die Übergänge sind da ohnedies fließend. Auch die persönlichen Sanktionen leisten ihren Beitrag, die Vermehrung von Reichtum in russischer Hand zu behindern. So ist es Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen der EU verboten, den Sanktionierten finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen (EU verhängt restriktive Maßnahmen gegen 160 Personen infolge der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine, Pressemitteilung des Rats der EU, consilium.europa.eu, 9.3.22). Bei den Wirtschaftsführern erstreckt sich dieses Verbot auch auf die Unternehmen, die ihnen ganz oder teilweise gehören.

 Eine Sonderstellung nimmt dabei Großbritannien ein, das die Brexit-resistente Stützung des Immobilien- und Finanzmarkts durch russische Oligarchen bislang ebenso zu schätzen wusste wie das Pushen der Premier League. Diese Sonderbeziehungen nutzt der britische Staat jetzt dazu, russische Oligarchen besonders zu schädigen, indem er den Rückbau von „Londongrad“ einleitet und ihnen Anlagemöglichkeiten entzieht.

[13] Amtsblatt der Europäischen Union vom 25.2.22, S. 34, eur-lex.europa.eu.

[14] Die westlichen Staaten haben sich auf eine gemeinsame Liste geeinigt: Rossiya Bank, Bank Otkritie, Promsvyazbank, VTB Bank, Vnesheconombank (VEB), Novikombank und Sovcombank. (russland.ahk.de)

[15] SWIFT, bundesbank.de, Unbarer Zahlungsverkehr

[16] Jürgen Trittin nach: Warum beim SWIFT-Ausschluss einige zögern, tagesschau.de, 25.2.22.

[17] Albert Füracker nach: Unabsehbare Folgen bei SWIFT-Ausschluss Russlands, br.de, 25.2.22.

[18] Donald Tusk nach: tagesschau.de, 25.2.22, a.a.O.

[19] „Drei Arten von Banken werden aktuell noch vom SWIFT-Ausschluss ausgenommen:

– Banken, die für die Abwicklung von Zahlungen für Energielieferungen benötigt werden
– Banken, die für die Bezahlung der russischen Schulden wichtig sind
– Banken, deren europäische Partner-Kreditinstitute ansonsten in gravierende finanzielle Schieflagen geraten könnten.“
(Appel, a.a.O.)

[20] Gegen die Zentralbank eines Landes wie Russland vorzugehen, ist vielleicht der mächtigste Schritt, den man gehen kann im Bereich der Finanzsanktionen. (Stuart Levy, ehemaliger Staatsekretär des US-Finanzministeriums für Terrorismus und Nachforschungen im Bereich Finanzwesen, nach Popp / Fleming, a.a.O.)

[21] Die ‚last-minute‘-Natur der Gespräche war entscheidend, um sicherzustellen, dass Moskau kalt erwischt wurde: Wäre es informiert gewesen, hätte Moskau angefangen, seine Devisenreserven in andere Währungsräume zu bewegen. (Ebd.)

[22] In Europa war es Draghi, der vehement die Idee der Sanktionierung der russischen Zentralbank auf dem Sondergipfel der EU in der Nacht der russischen Invasion vertrat... Der italienische Regierungschef argumentierte, dass Russlands Vorrat an Devisenreserven verwendet werden könnte, um den Schlag der anderen Sanktionen abzufedern. (Ebd.)

[23] Wie Sie wissen, haben in den vergangenen Wochen einige westliche Länder russische Vermögenswerte rechtswidrig gesperrt. Dieser kollektive Westen hat de facto die Zuverlässigkeit der eigenen Währungen durchkreuzt. Im Kern haben sich die USA und die EU für zahlungsunfähig in Bezug auf ihre Verpflichtungen gegenüber Russland erklärt. (Kremlin.ru, 24.3.22)

[24] Karin Appel / Edda Wolf, EU-Sanktionen gegenüber Russland, Germany Trade & Invest, gtai.de, 26.4.22.

[25] Ebd.

[26] Verordnung (EU) 2022/328 des Rates vom 25. Februar 2022 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, L 49/5.

[27] Appel / Wolf, a.a.O.

[28] Lisa Mayerhofer, Russland-Sanktionen zeigen Wirkung – Jetzt stockt auch der Panzer-Nachschub, merkur.de, 23.5.22.

[29] China könnte Russland retten, und es ist sehr wichtig, dass es dies nicht tut. Bisher sieht es nicht danach aus. Große chinesische Firmen und Banken verstoßen nicht gegen amerikanische Sanktionen... Der chinesische Telekommunikationskonzern Huawei hat bekannt gegeben, keine neuen Verträge mit Russland zu unterzeichnen: Das bedeutet, dass es in Russland keinen Mobilfunkstandard 5G geben wird. (Interview mit dem russischen Ökonomen Sergej Gurijew, FAZ, 1.6.22)

[30] Dmitry Lakontsev, Leiter des NTI-Kompetenzzentrums für drahtlose Kommunikationstechnologien und das Internet der Dinge, im Interview, Gespräche mit Ivan Survillo, TASS, 13.4.22.

[31] Edda Wolf, Russland Gegensanktionen: Warenverkehr und sektorale Maßnahmen, Germany Trade & Invest, gtai.de. Unter Parallelimport wird die Einfuhr von Originalwaren in ein Land ohne die Zustimmung des Rechteinhabers für die Einfuhr dieser Waren verstanden. Die Produkte werden auf alternativem Wege und nicht über einen offiziellen Händler bezogen. (Ebd.)

[32] Peter Jungblut, Patriotismus statt Airbag: Russlands Rückkehr zum Sowjet-Auto, br.de, 18.5.22.

[33] BR24-Newsticker, br.de, 27.2.22.

[34] Franziska Brantner, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Zitiert nach: Spiegel Online, Russland meldet stetige Gaslieferungen nach Europa, 1.3.22.

[35] Scholz im Bundestag, BR24-Newsticker, br.de, 27.2.22. Das alles muss schnell passieren – am besten in Lichtgeschwindigkeit. Weil man selbst Energie als Waffe nutzt, der Feind das aber auch kann, stellt sich die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren als Gebot der nationalen Sicherheit dar. Im politmoralischen Urteil dreht sich alles um: „Putin“ will „uns“ den Gashahn zudrehen, und dem gilt es zuvorzukommen!

[36] Kollateralschäden bleiben nicht aus. So ist zu lesen, dass in der Folge die europäischen Holzpaletten-Hersteller händeringend nach alternativen Lieferanten für Spezial-Stahlnägel suchen müssen. (Hans-Jürgen Wittmann, Ukrainekrieg: Engpass für Rohstoffe und globale Lieferketten, gtai.de, 20.5.22)

[37] Manches ist – zumindest kurzfristig – gar nicht ersetzbar. Die nötigen Prospektionen laufen – Beispiel Palladium: Als Ersatzlieferant könnte Südafrika einspringen, der neben Russland wichtigste Produzent von Palladium. Jedoch wird es einige Monate dauern, bis die Produktionsmenge erhöht werden kann. (Ebd.)

[38] Das Rating-Verbot ist auch deshalb von besonderer Tragweite, weil insbesondere institutionelle Investoren wie beispielsweise Versicherungsgesellschaften vielfach verpflichtet sind, die Kreditwürdigkeit bei ihren Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen. (AssCompact. Fachmagazin für Risiko- und Kapitalmanagement, Russland: Ratingagenturen müssen wegsehen, asscompact.de, 17.3.22)

[39] Ministerpräsident Petkov im Interview mit Reuters, 8.3.22.

[40] Ungarn bleibt bei Blockade. EU vertagt Öl-Embargo gegen Russland, tagesschau.de, 16.5.22.

[41] Nach: Deutschland für gezielte Einschränkung von SWIFT, Zeit Online, 26.2.22.

[42] Nach: Frédéric Simon, EU-Rundblick: Uneinigkeit über russisches Öl- und Gasverbot, euractiv.de, 11.3.22.

[43] Ungarn bleibt bei Blockade. EU vertagt Öl-Embargo gegen Russland, tagesschau.de, 16.5.22.

[44] Der deutsche Staat setzt als eine der ersten Sanktionsmaßnahmen die Bewilligung von Hermes-Bürgschaften und Investitionsgarantien für Russland aus, sichert also deutsche Russland-Exporteure nicht mehr gegen Risiken ab, für deren Eintreten er tut, was er kann.

[45] Venezuela zum Beispiel: Die USA versuchen, das von ihnen selbst einem Sanktionsregime unterworfene Land von seiner Russland-Freundschaft abzubringen, indem sie ihm gegen Öllieferungen vage einen Wiederaufbau seiner maroden Ölindustrie durch amerikanisches Kapital anbieten. Um das ruinierte Land dahin zu bringen, sprechen die USA zum Entsetzen „ihres Interimspräsidenten“ Guaidó sogar mit der chavistischen Regierung. Venezuela setzt zwei inhaftierte US-Bürger auf freien Fuß und Washington – so viel gilt schon als sicher – stellt in Aussicht, die Sanktionen zu lockern, falls die Linksnationalisten in Caracas bereit sind, Öl direkt in die USA zu liefern. (Frankfurter Rundschau, USA und Venezuela nähern sich an: Der Feind von gestern ist der Partner von morgen, fr.de, 13.3.22)

[46] China ist nicht bereit, den Einsatz von Sanktionen zu unterstützen. Das chinesische Außenministerium zitiert Außenminister Wang Yi auf Twitter mit den Worten: ‚China unterstützt den Einsatz von Sanktionen zur Lösung von Problemen nicht und ist gegen einseitige Sanktionen, die keine Grundlage in internationalem Recht haben.‘ In einem Telefongespräch mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock habe Minister Wang gesagt, der UN-Sicherheitsrat solle zu einer Lösung der derzeitigen Krise beitragen, anstatt neue Konfrontationen anzuzetteln. Baerbock hatte in dem Gespräch auf die besondere Verantwortung Chinas als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates hingewiesen. (Ticker vom Sonntag: EU beschließt neue Sanktionen gegen Russland, 6:30 Uhr: China lehnt einseitige Sanktionen ab, mdr.de, 27.2.21)

[47] Die von Saudi-Arabien und Russland dominierte Ölallianz Opec+ hält an ihren vorsichtigen Produktionserhöhungen trotz des Kriegs in der Ukraine fest. Im April wollen die 20 Länder ihre tägliche Fördermenge wie geplant um 400 000 Barrel (1 Barrel = 159 Liter) ausweiten, hieß es am Mittwoch aus Kreisen der Opec+ (RedaktionsNetzwerk Deutschland, Trotz Krieg in der Ukraine: Ölallianz Opec+ hält an Produktionserhöhungen fest, rnd.de, 2.3.22)

[48] Am 9.3. kündigen die USA an, Unternehmen in China, die Exportbeschränkungen nach Russland umgehen, auf eine schwarze Liste zu setzen. Die Unternehmen werden von amerikanischen Equipment und Software abgeschnitten, die sie für die Herstellung ihrer Produkte benötigen, erklärt US-Handelsministerin Gina Raimondo der Zeitung ‚New York Times‘. Die USA könnten demnach beispielsweise die Semiconductor Manufacturing International (SMIC) oder andere chinesische Unternehmen, die weiterhin Chips oder andere fortschrittliche Technologien nach Russland liefern, ‚im Wesentlichen stilllegen‘. (Ereignisse im Russland-Ukraine-Krieg im Rückblick bis KW 10, 9.3.22, 00:23 Uhr: USA könnten Produktion chinesischer Firmen bei Lieferungen an Russland blockieren, br.de, 14.3.22)

[49] FAZ, Damoklesschwert Embargo, 7.4.22.

[50] Bundesnetzagentur übernimmt Regie bei Gazprom-Tochter, sueddeutsche.de, 4.4.22.

[51] Bundesnetzagentur vorübergehend als Treuhänderin eingesetzt, bundesregierung.de, 4.4.22.

[52] Kremlin.ru, 24.3.22.

[53] Roland Götz, Sanktionen und Reaktionen, in: Osteuropa, 72. Jahrgang, 1-3/2022, S. 26.

[54] Putin unterzeichnet Rubel-Dekret, tagesschau.de, 31.3.22.

[55] Rubel-Forderungen: Uniper will Zahlungen für Gas auf russisches Konto umstellen, manager-magazin.de, 28.4.22.

[56] Lösung im Rubel-Streit um russisches Gas in Sicht, FAZ, 18.5.22.

[57] Sanktionen gegen Russland. Bessere Umsetzung dank neuem Gesetz? tagesschau.de, 14.4.22.

[58] Deutscher Bundestag, Drucksache 20/1740, 10.5.22.

[59] Eine europäische „Mission“ zur Unterstützung der Mitgliedstaaten durch die europäische Polizeibehörde Europol, die EU-Justizbehörde und Frontex befindet sich im Aufbau.

[60] Eliza Collins, Bill Would Require Seized Oligarchs’ Assets to Benefit Refugees, Reconstruction, The Wall Street Journal, wsj.com, 29.3.22; EU friert bislang zehn Milliarden Euro Oligarchenkapital ein, Spiegel Online, 25.5.22.