Das erste Halbjahr Ukraine-Krieg
Von einer Spezialoperation gegen einen antirussischen NATO-Vorposten zum Zermürbungskrieg: Selbstbehauptung vs. Zerstörung der russischen Militärmacht

Den Einmarsch der russischen Truppen deklariert der russische Präsident als „Spezialoperation“ in dreifacher Absicht.

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Das erste Halbjahr Ukraine-Krieg
Von einer Spezialoperation gegen einen antirussischen NATO-Vorposten zum Zermürbungskrieg: Selbstbehauptung vs. Zerstörung der russischen Militärmacht

Der Auftakt: Die russische Invasion und ihre Kriegsziele

Den Einmarsch der russischen Truppen deklariert der russische Präsident als „Spezialoperation“ in dreifacher Absicht:

  • Es geht erstens um die Demilitarisierung des Nachbarstaats:

    „Der weitere Ausbau der Infrastruktur der Nordatlantischen Allianz, die begonnene militärische Erschließung der Gebiete der Ukraine ist für uns nicht hinnehmbar... Das Problem ist, dass in den an uns angrenzenden Gebieten ... ein uns feindlich gesinntes ‚Anti-Russland‘ geschaffen wird, das unter vollständiger externer Kontrolle steht und von den Streitkräften der NATO-Staaten intensiv besiedelt wird und mit modernsten Waffen ausgestattet ist.“ [1]

    Das erste militärische Ziel ist die Zerstörung der militärischen Infrastruktur der NATO, mit der das Land als Kriegsraum hergerichtet und als Aufmarschbasis für eine permanente Bedrohung präpariert wird. Zudem droht nach der Verabschiedung Amerikas aus dem INF-Vertrag [2] die Benutzung der Ukraine als Stationierungsort für nukleare Mittelstreckenraketen, also eine unmittelbare Bedrohung der russischen Abschreckungsmacht. [3]

  • Unter dem Stichwort Entnazifizierung präsentiert der Präsident der Russischen Föderation den Einmarsch als notwendige politische Säuberungsaktion. Er evoziert die Erinnerung der ehemaligen Sowjet-Völker, die im Zweiten Weltkrieg besonders unter den Verwüstungen der deutschen Wehrmacht und ihrer einheimischen Hilfstruppen gelitten haben, in deren Sittlichkeit und nationaler Identitätspflege der Widerstand und Sieg über den Faschismus bis heute eine überragende politmoralische Bedeutung besitzt. Die Ukrainer sollen den Einmarsch nicht als feindlichen Akt begreifen, sondern als Befreiung von einem Regime annehmen, das in der schlimmsten volksfeindlichen Tradition steht. Diese Aufforderung ergeht vor allem auch an die Armee; sie soll sich nicht von einer in den Händen von Vaterlandsfeinden befindlichen Regierung, die Land und Volk ruiniert, missbrauchen lassen:

    „Ich muss mich auch an die Streitkräfte der Ukraine wenden. Verehrte Kameraden! Eure Väter, Großväter und Urgroßväter haben nicht gegen die Nazis gekämpft und unser gemeinsames Vaterland verteidigt, damit die heutigen Neonazis die Macht in der Ukraine übernehmen können. Ihr habt einen Eid auf das ukrainische Volk geschworen und nicht auf die volksfeindliche Junta, die die Ukraine ausraubt und ebendieses Volk schikaniert. Führt ihre kriminellen Befehle nicht aus. Ich fordere Euch auf, die Waffen sofort niederzulegen und nach Hause zu gehen. Um es klar zu sagen: Alle Angehörigen der ukrainischen Armee, die dieser Forderung nachkommen, werden das Kriegsgebiet ungehindert verlassen und zu ihren Familien zurückkehren können.“

    Der Zweck der Sache, die Beseitigung eines russlandfeindlichen Regimes an Russlands Grenze und die Einsetzung einer russlandfreundlichen, mindestens zur Kooperation mit Moskau bereiten Herrschaft, soll verstanden werden als Absetzung einer Regierung, die keine Loyalität verdient, vom Einsatz des eigenen Lebens ganz zu schweigen.

  • Drittens geht es um die Verhinderung eines Völkermords im Donbass:

    „Wir sehen, dass die Kräfte, die 2014 einen Staatsstreich in der Ukraine durchgeführt haben, die Macht ergriffen haben und sie mit Hilfe von eigentlich dekorativen Wahlverfahren halten, die friedliche Beilegung des Konflikts endgültig aufgegeben haben. Es war notwendig, diesen Albtraum sofort zu stoppen – den Völkermord an Millionen von Menschen, die dort leben, die sich nur auf Russland verlassen.“

    Moskau bemüht den höchsten Rechtstitel für gute Gewalt, von Russlands westlichen Feinden bei ihrem Krieg gegen Jugoslawien reichlich erprobt, um sein Einschreiten gegen den Dauerkrieg, den die ukrainische Regierung seit Jahr und Tag gegen die abtrünnigen Republiken im Donbass führt, ins Licht einer einfach nicht länger aufzuschiebenden Ahndung eines Verbrechens gegen die heiligen Gebote des Völkerrechts zu rücken. Alle Welt soll einsehen, dass die militärische Konsolidierung der Volksrepubliken durch die weitere Eroberung des gesamten Territoriums der beiden Oblasti ein Gebot der allerhöchsten moralischen Güteklasse darstellt.

Der Feldzug wird wie eine militärisch durchgeführte Überzeugungskampagne präsentiert: Die Russen daheim sollen wahrnehmen, dass man nicht Krieg führt, sondern einem befreundeten Volk zu Hilfe kommt, und die Ukrainer, dass man nicht sie bekriegt, sondern – gewissermaßen in einer Polizeioperation – ein Stück amerikanischer Fremdherrschaft beendet. Die Berufung auf höchste Werte und auf grenzenloses Unrecht der ukrainischen Regierung dient zwar offensichtlich der Rechtfertigung des Einmarsches, dem ist aber ebenso zu entnehmen, was Russland mit seiner Operation zu erreichen gedenkt:

Was die Regierung in Moskau damit ins Werk setzt und bezweckt, ist ganz ohne Anführungsstriche eine militärische Spezialoperation mit dem Inhalt, das Land von antirussischen Nationalisten in Regierung und Staat, Teilen der Armee und organisiert in Freiwilligenbataillonen zu säubern und mit der Einsetzung einer prorussischen Regierung die Aufgabe der Karriere als Frontstaat des westlichen Kriegsbündnisses zu erzwingen, indem auch die Kriegsstützpunkte von USA und NATO zerstört werden. Man will die Bedrohung an der eigenen Grenze beseitigen, sich ein mindestens neutrales, im besten Fall prorussisch konstruktives Regime im Nachbarland schaffen, damit ein Stück militärische Verlässlichkeit zurückgewinnen und die zermürbende, erhebliche russische Kräfte bindende und obendrein auch noch kostspielige Auseinandersetzung im Donbass beenden.

Diese russischen Vorhaben werden dann auf folgende Art ins Werk gesetzt:

  • Der vordringliche Kriegszweck ist die Beseitigung der feindlichen Regierung in Kiew. Der Feldzug der ersten Tage ist darauf ausgerichtet, eine Art Enthauptungsschlag durchzuführen und den Rest des Landes sowie auch die westlichen Schutzmächte der Ukraine vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dafür werden militärische Risiken in Kauf genommen: Der Vormarsch der Truppe geht, vorbei an bevölkerungsreichen Zentren, die nicht zum Kriegsziel werden sollen, tief in ukrainisches Territorium, ohne ausreichenden Flankenschutz und unter weitgehendem Verzicht auf die Sicherung der langen Nachschubwege und des Hinterlands. Bei dem von Luftlandeoperationen flankierten Vorstoß von drei Seiten auf die Hauptstadt kommt es vor allem auf Geschwindigkeit an: Die politische Führung des Feindes soll im Handstreich kaltgestellt werden. Mit der Beseitigung des politischen wie militärischen Zentrums der militanten Russlandfeindschaft soll die Kooperation mit Washington und seinen Alliierten beseitigt, das Kommando über Armee und Sicherheitskräfte zerschlagen, der Widerstandswille unter den Militärs und der sonstigen Bevölkerung im Land, auch angesichts der russischen Übermacht, weitestgehend gebrochen werden – sofern vorhanden.

    Die Führer im Kreml rechnen nämlich mit einiger Zustimmung vonseiten der Mehrheit der russischsprachigen Bevölkerung jenseits der Volksrepubliken, die trotz gegenteiliger Wahlversprechen auch in den Jahren der Selenskyj-Regierung immer weiterreichender politischer Ausgrenzung und Verfolgung ausgesetzt ist, deren politische Parteien bekämpft, verfolgt und verboten werden ebenso wie der Gebrauch der russischen Muttersprache in Schule, Amtsverkehr und Gottesdienst. Putin und Konsorten gehen auch davon aus, dass das ganze ukrainische Volk aufgrund seiner Enttäuschungen über den Ruin der Nation unter den Nach-Maidan-Regierungen keine Veranlassung hat, sich der russischen Macht entgegenzustellen. Seine gesamten Lebensverhältnisse sind ja durch die unverdrossen betriebene Anbindung an den Westen, die politischen Spaltungen und Kämpfe um die verbleibenden Reichtumsquellen der Nation seit Jahr und Tag mehr und mehr verwüstet worden, [4] sodass es sich also genauso gut, wenn nicht besser, mit einer von Russland eingesetzten Regierung arrangieren können sollte. [5] Der russische Feldzug ist als mit überlegener Kriegsgewalt demonstrierter Beweis angelegt, dass sich eine russlandfeindliche Herrschaft im Dienste amerikanischer Eindämmungsinteressen in der russischen Nachbarschaft nicht halten kann, dass sich alle diesbezüglichen Ambitionen für Volk und Eliten der Ukraine nicht lohnen, sodass kein Zweifel bleibt, dass eine Kooperation mit dem mächtigen Nachbarn die einzig taugliche nationale Perspektive ist.

  • Gleichzeitig mit dem Marsch auf die Hauptstadt findet ein Einsatz der Luftwaffe sowie der land- und seegestützten Raketen und Marschflugkörper gegen die militärische Infrastruktur von USA und NATO im übrigen Land jenseits des Donbass statt, der ganz darauf ausgerichtet ist, die kriegsrelevanten Ziele im Sinne der russischen Operation im Land zu treffen und zu zerstören.

  • Die Kampagne im Osten und Süden des Landes verbindet schließlich den Kampf um die Volksrepubliken mit der Eroberung einer Landverbindung zur Krim und perspektivisch bis nach Odessa, um dort eine militärisch gesicherte russische Einflusszone zu schaffen, die Ukraine von ihren Zugängen zum Schwarzen Meer abzuschneiden, wesentliche Nachschublinien des Gegners zu unterbinden und das Land auch von Einnahmequellen abzuschneiden.

Bei alldem achtet die russische Kriegsführung genauestens darauf, durch das Ausmaß der Kampagne selbst, die eingesetzten Kriegsmittel oder die Verletzung des Hoheitsgebiets der angrenzenden NATO-Staaten die westliche Kriegsallianz nicht zu einem Kriegseintritt zu provozieren:

„Russland ... hat auch darauf geachtet ... die NATO nicht zu provozieren... Bei den Angriffen in der Westukraine wurde darauf geachtet, den NATO-Luftraum zu meiden. So wurde z.B. der ukrainische Luftwaffenstützpunkt Luzk, Heimat des 204. Fluggeschwaders und nur 70 Meilen südlich von Weißrussland gelegen, am 13. März von Langstreckenbombern angegriffen. Die Raketen wurden von Süden aus über dem Schwarzen Meer abgeschossen.“ („Putin’s Bombers Could Devastate Ukraine But He’s Holding Back. Here’s Why“, newsweek.com, 22.3.22)

Gleichzeitig und daneben aber droht die russische Führung für den Fall, dass der Westen Russland bei seiner „Säuberungsaktion“ in den Arm fällt, mit der allerhöchsten Eskalationsstufe: ihren Atomwaffen.

Einerseits möchte Moskau also in einer Art Blitzaktion die ukrainische Führung aus dem Verkehr ziehen, um gewissermaßen durch einen umgekehrten Staatsstreich das zerrüttete Staatswesen, den failed state Ukraine umzudrehen und auf seine Seite zu bringen. Andererseits ergeht eine Atomkriegsdrohung an eine ganz andere Adresse, an die der NATO bzw. der USA, woran abzulesen ist, welche inkommensurablen Kriegsziele da zusammenfallen sollen: Der Krieg ist gegen die NATO gerichtet, wird aber am Fall der Ukraine durchexerziert.

Dass das Ganze eine sehr spezielle Operation ist, fällt auch Russlands westlichen Gegnern auf – die Experten für Kriegsführung und Regime-Change nach dem Muster „shock & awe“ geben sich verblüfft über den russischen Militäreinsatz. Gemessen an ihren erprobten Prinzipien eines in jeder Hinsicht überlegenen militärischen Terrors gegen unerwünschte Machthaber und ihren Gewaltapparat wollen sie eine strategisch-taktische Unfähigkeit der russischen Armeeführung, überhaupt ordentlich Krieg zu führen, entdeckt haben:

„‚Es ist, als ob sie dies als eine militärische Polizeiaktion und nicht als eine tatsächliche Invasion gegen ein modernes Militär betrachten würden‘, sagte ein westlicher Offizier.“ (ft.com, 12.3.22)

Gekommen ist es dann ja auch ganz anders.

Ein Stellvertreterkrieg neuen Typs

Womit Russlands Invasion konfrontiert wird, ist ein von den USA und ihren westlichen Verbündeten inszenierter Stellvertreterkrieg der besonderen Art, der Moskaus Berechnungen zu einer Fehleinschätzung macht.

Die Ukraine kommandiert ihr Volk zum „totalen Verteidigungskrieg“

Der ukrainische Präsident ruft das ganze Land zum Widerstand auf gegen einen drohenden „Völkermord“. Er will den Angriff auf die von ihm ausgeübte Staatsgewalt, auf deren territoriale Reichweite, auf deren Ausrichtung auf EU und NATO unmittelbar gleichsetzen mit der Perspektive der Ausrottung seiner Untertanen, um ebendieser seiner menschlichen Manövriermasse mitzuteilen, wofür er sie jetzt einzusetzen gedenkt: Mit dem Appell an den in den Jahren zuvor aufgehetzten antirussischen Nationalismus nimmt er seine Volksgenossen in die Pflicht, den Invasoren „keinen Zentimeter“ zu überlassen, „bis zur letzten Patrone, bis zum letzten Blutstropfen“ zu kämpfen. Vom Volk verlangt ist also bei weitem nicht nur die Mobilisierung der passenden Gesinnung, sondern sein umfassendes praktisches Mittun bei der Organisation des Krieges als Volkskrieg: beim totalen Verteidigungskrieg (Alexej Arestowitsch, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, nach washingtonpost.com, 28.3.22).

Angeordnet wird die Generalmobilmachung; Männer im wehrfähigen Alter, zwischen 18 und 60 Jahren, dürfen das Land nicht verlassen. Zusätzlich zur Armee werden die bereits bestehenden „Territorialen Verteidigungskräfte“ auf bis zu zwei Millionen Mann aufgestockt, um neben den Freiwilligen-Verbänden und Strafgefangenen zu kämpfen. Darüber hinaus ruft der Präsident zur allgemeinen Volksbewaffnung auf: In Kiew werden Waffen ausgegeben an jeden, der eine haben will; Hausfrauen-Kollektive lassen sich stolz dabei filmen, wie sie Batterien von Molotow-Cocktails und Tarndecken verfertigen. Dazu erlässt der Staatschef das passende Dekret, nach dem jeder Ukrainer Russen töten darf, dass also bei dieser Sorte totaler Krieg die Unterscheidung von Zivilist und Kombattant grundsätzlich zu entfallen hat. Zusätzlich erklären die Kommandeure in Kiew, sich überhaupt von den Bestimmungen der Genfer Konvention, des humanitären Völkerrechts für den Kriegsfall, freizusprechen:

„Alexej Arestowitsch, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sagte, die vom Parlament verabschiedete Militärdoktrin des Landes sehe das Prinzip der ‚totalen Verteidigung‘ vor... Darüber hinaus argumentierte er, dass das humanitäre Völkerrecht oder die Kriegsgesetze in diesem Konflikt keine Anwendung finden, weil ‚die Hauptaufgabe von Putins Militärkampagne die Zerstörung der ukrainischen Nation ist‘. Er sagte, der russische Präsident Wladimir Putin habe wiederholt die Existenz der Ukraine als unabhängige Nation geleugnet. ‚Deshalb ist das, was hier geschieht, kein Wettstreit europäischer Armeen nach festgelegten Regeln, sondern ein Überlebenskampf des Volkes angesichts einer existenziellen Bedrohung.‘“ (Ebd.)

Das verbreitete Bild von der heldenhaften Verteidigung des Vaterlands durch die gesamte Bevölkerung ist dabei nur ein Teil der Wahrheit: Ganz ohne Gewalt findet diese Verwandlung des Volks in einen einzigen großen Kampfverband denn auch nicht statt. Mit Beginn der Kampagne wird dazu aufgerufen, Feinde, Kollaborateure, Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und sonstige verdächtige Subjekte im Inneren ausfindig zu machen und zu eliminieren. Neben den entsprechenden Säuberungsaktionen im Volk und in den Apparaten wird die Parteien- und Medienlandschaft politisch gleichgeschaltet. Das gebietet die Unbedingtheit der Feindschaft: Auch im Inneren verlangt sie, die Scheidung in echtes Volk und die anderen zu vollstrecken, durch inneren Terror ein durchgreifendes Kommando über das Volksmaterial herzustellen.

Dafür, dass das Volk – sofern es nicht, wie immerhin ein ganzes Drittel der ukrainischen Bevölkerung, davongelaufen ist – ins Kriegsgeschehen umfassend einbezogen wird, sorgt auf der anderen Seite auch die Strategie der ukrainischen Kräfte: Die verschanzen sich in den Städten, gewissermaßen hinter großen menschlichen Schutzschilden, sodass die russische Artillerie mit den militärischen Stellungen auch Zivilisten treffen muss und trifft, womit Selenskyj die Gelegenheiten, den russischen „Genozid“ anzuprangern, nicht ausgehen.

„Praktisch jedes Viertel in den meisten Städten ist militarisiert worden ... was sie zu potenziellen Zielen für russische Streitkräfte macht, die versuchen, die ukrainische Verteidigung auszuschalten. Es gibt viele Orte, an denen militärische Kräfte in zivilen Einrichtungen koexistieren. In vielen Wohnvierteln wurden Büros, Wohnhäuser oder sogar Restaurants in Stützpunkte der ukrainischen Territorialen Verteidigungskräfte umgewandelt, einer bewaffneten Miliz, die hauptsächlich aus Freiwilligen besteht, die sich zum Kampf gegen die Russen gemeldet haben.“ (Sudarsan Raghavan, washingtonpost.com, 28.3.22)

Einen Höhepunkt dieses Volkskrieges darf die Weltöffentlichkeit bei der wochenlangen Schlacht um Mariupol miterleben, wo sich, nach der Devise eines der Führer des Asow-Regiments Kapitulation ist keine Option (theguardian.com, 8.5.22), die dort stationierten Asow-Kämpfer im Namen ihrer Aufgabe, russische Kräfte zu binden, bis auf wenige aufreiben lassen. In der Ukraine ist die Stadt Symbol unermesslicher Opferbereitschaft, meldet die Tagesschau am 17.5.22 unter Absehung von der eher unfreiwilligen Bereitschaft großer Teile der Stadtbewohner, deren Flucht über die eröffneten „humanitären Korridore“ von den heldenhaften Verteidigern mehrmals verhindert wird. [6]

Die USA: Eine neue Form und gewaltige Steigerung des „leading from behind“

Die USA haben sich von vornherein nicht auf die unendliche Tapferkeit und den unerschöpflichen Opfergeist der Ukrainer verlassen – die wären nichts ohne die Sicherheitsunterstützung, die wir, auch in Abstimmung mit unseren Verbündeten und Partnern, leisten. (Press Briefing, Psaki, whitehouse.gov, 8.4.22)

  • Russland trifft zum einen darauf, dass Amerika die Ukraine, vor allem mit Hilfe des britischen Bündnispartners, [7] zu einem so kriegsfähigen wie -willigen Staat aufgerüstet hat. Der seit 2016 laufende Umbau der Armee umfasst die Ausbildung in allen Truppenteilen, die Umstellung von deren Ausstattung auf westliche Standards, den Ausbau von Marinestützpunkten und Flughäfen unter Einbeziehung diverser NATO-Verbündeter, die Modernisierung der Kommandostrukturen und Kommunikationssysteme. Kurzum: Aus der militärischen Hinterlassenschaft der Sowjetunion in der Ukraine wird Zug um Zug ein interoperabler Bestandteil der NATO-Kriegsführung, der in ständigen Manövern in allen Waffengattungen praktisch beweisen darf, was er kann. Und, nebenbei bemerkt, auch in den acht Jahren Krieg im Donbass. Den haben alle ukrainischen Regierungen der letzten Jahre, von Jazenjuk bis Selenskyj, dafür genutzt, so viele Soldaten wie möglich unter Realbedingungen kriegstauglich zu machen. Die zunehmenden Eskalationen und Provokationen an der Kontaktlinie im Südosten sind nach Russlands Ultimatum im Dezember des Vorjahres noch einmal intensiviert worden.

  • Zum anderen führt Amerika Regie über diesen Krieg:

    Die USA praktizieren mit ihren Verbündeten unter Mobilisierung ihrer gemeinsamen Kapazitäten eine bislang nie dagewesene Aufklärungshoheit vom Weltraum bis hinunter aufs Schlachtfeld in der Ukraine. Sie liefern nicht nur die benötigten Aufklärungsdrohnen, Nachtsichtgeräte und was sonst noch für die Aufklärung des Gefechtsfelds vor Ort benötigt wird; sie betreiben „ISTAR“ [8] in großem Stil: aus dem All via Satellit sowie mit ihren hochspezialisierten Fliegern für die Spionage von oben, die selbstverständlich außerhalb des Kriegsgebiets im Luftraum der Alliierten unterwegs sind, aber glücklicherweise bis in den letzten Winkel der Ukraine hineinschauen können; die Kommunikation aufseiten der Russen wird abgehört und die jeweilige Position der russischen Truppen, ihres Nachschubs, der Munitionsdepots usw. auch mit mobilen Radarstationen ermittelt. Damit schaffen sie die Basis für den Einsatz der ukrainischen Einheiten auf dem Schlachtfeld, die sie mit den gesammelten Erkenntnissen in Echtzeit versorgen.

    „‚Von Beginn an haben wir uns beim Austausch strategischer und verwertbarer Informationen mit der Ukraine ziemlich kräftig reingehängt‘, sagte ein mit der Angelegenheit vertrauter US-Beamter. ‚Das hat sich sowohl auf taktischer als auch auf strategischer Ebene als sehr wirkungsvoll erwiesen. Es gibt Beispiele, bei denen man ganz klar sagen kann, dass dies einen großen Unterschied gemacht hat.‘ ... ‚Es wurden viele Informationen in Echtzeit ausgetauscht, die für die gezielte Bekämpfung der russischen Streitkräfte genutzt werden konnten‘, sagte ein ehemaliger hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter... Zu den Informationen gehören kommerzielle Satellitenbilder, aber auch eine Menge anderer Informationen, zum Beispiel darüber, wo bestimmte russische Einheiten aktiv sind.“ („U.S. intel helped Ukraine protect air defenses, shoot down Russian plane carrying hundreds of troops“, nbcnews.com, 26.4.22)

Dass die USA damit Russlands Bereitschaft, Amerika und die Allianz nicht als Kriegspartei ins Visier zu nehmen, arg strapazieren, ist kein Geheimnis:

Die ausgefeilte Geheimdienstoperation verlangt der Biden-Administration eine Gratwanderung ab, auf der ein falscher Schritt eine Katastrophe bedeuten könnte: der Ukraine so viel Hilfe wie möglich zukommen zu lassen, ohne ein aktiver Kriegsbeteiligter zu werden und einen direkten Konflikt mit dem atomar bewaffneten Russland zu riskieren. Das Gleichgewicht beruht auf der Annahme, dass Russland die Einhaltung der Regeln, die sich die Vereinigten Staaten selbst auferlegt haben, anerkennen und respektieren wird. (The Intercept, 17.3.22)

Aber so ist es schließlich auch gemeint: ‚Disclosure as a Deterrent‘ ist die eine Seite des kriegsdiplomatischen Umgangs, indem Amerika seine geheimdienstlichen Erkenntnisse an die Öffentlichkeit bringt. Diplomatisch bedeutet das, Moskau einem prekären Dauertest in der Frage zu unterziehen, wie weit und ab wann das in russischer Optik der Kriegseintritt ist, den nach offizieller Leitlinie weder Washington noch die NATO im Sinn haben. Die andere Seite ist die bis auf Weiteres erfolgende Zurückhaltung, was die Lieferung schwerer Waffen oder auch von Flugzeugen betrifft, wie im Fall der Ablehnung der polnischen Forderung, die ukrainische Luftwaffe mit Kampfflugzeugen aus Polen auf dem kleinen Umweg über Ramstein, das heißt unter amerikanischer Verantwortung zu versorgen – eine solche Zurückhaltung halten die amerikanischen Kriegsplaner dann im Folgenden, siehe unten, fortschreitend immer weniger für erforderlich.

Mit der aufklärungstechnischen Beherrschung des gesamten Kriegsschauplatzes stellt Amerika seine Stellvertretermannschaft in einzigartiger Weise auf. An erster Stelle steht für die Weltmacht die Versorgung ihres Partners mit Kriegsgerät, das den mit noch so viel Herzblut verfertigten Molotow-Cocktails in Sachen Schlagkraft eindeutig überlegen ist, auch wenn da nicht gleich und nur hochmodernes Zeug, sondern Haubitzen, Panzer und Granaten aus den vergangenen Zeiten des Warschauer Pakts zum Einsatz kommen. Rund um die Uhr und in rauen Mengen liefern die USA und ihre Verbündeten:

Mobile Waffensysteme, die es den ukrainischen Einheiten erlauben, sich nach eigenen Schlägen sofort wieder der überlegenen Feuerkraft des Gegners zu entziehen; Drohnen modernster Machart, vor allem aber schultergestützte panzerbrechende Waffen und tragbare Boden-Luft-Kampfsysteme – passend einsetzbar gegen die Art des russischen Vorrückens in Gestalt großer Verbände, mit denen die russische Armee einmarschiert. [9]

Dabei werden auch die Alliierten mit ihren Arsenalen und der Produktivkraft ihrer Rüstungsindustrie in Anschlag gebracht: Wir arbeiten rund um die Uhr daran, die vorrangigen Forderungen der Ukraine zu erfüllen, indem wir Waffen aus US-Beständen liefern, wenn sie verfügbar sind, und die Lieferung von Waffen durch Verbündete und Partner zu erleichtern, wenn deren Systeme den Bedürfnissen der Ukraine besser entsprechen. (Press Briefing, Psaki, whitehouse.gov, 8.4.22) – wo nötig über Bande: Deutschlands Kehrtwende bei der militärischen Unterstützung der Ukraine ermöglichte es auch anderen Ländern, Waffen aus deutscher Produktion in die Ukraine zu schicken. (overtdefense.com, 8.3.22)

Ein erfreulicher Nebeneffekt: Waffen aus sowjetischen Zeiten, mit denen der Ukrainer schon vertraut ist, werden von Polen, Balten und Konsorten gern recycelt – sie sollen den Widerstand der Ukraine stärken und gleichzeitig den Mitgliedern der Europäischen Union eine Möglichkeit bieten, sich aus dem direkten Konflikt herauszuhalten. [10]

Die kontinuierliche Versorgung der ukrainischen Armee mit der gesammelten Intelligence in Kombination mit dem ebenso kontinuierlichen Zustrom an Waffen und Munition entfaltet ihre ganze Wucht durch die Anleitung mit Hilfe des geschulten westlichen Personals, das, wie die Biden-Regierung fortwährend glaubhaft versichert, gar nicht vor Ort ist. [11]

Von Beginn des Einmarsches an ist damit jedes Überraschungsmoment des russischen Angriffs passé, [12] und das ganze Projekt „Regime-Change“, Angelpunkt der Spezialoperation Moskaus, scheitert im ersten Akt. Was als Demonstration der militärischen Überlegenheit Russlands geplant war, entwickelt sich zu einem militärischen Desaster, weil die ukrainische Armee immer schon präpariert ist: Sie reibt die besten Luftlandetruppen auf bei deren Versuch, strategisch wichtige Flughäfen bei Kiew zum Brückenkopf für die Invasion der Hauptstadt zu machen, holt Transportflugzeuge mit Truppen zu deren Unterstützung aus der Luft und zwingt sie zum Rückzug, während sie gleichzeitig den Vormarsch der russischen Panzerkolonnen und Nachschubkonvois aufhält, die zur Unterstützung der Luftlandeoperationen und für die Einnahme Kiews insgesamt gebraucht werden. Der Versuch, die Lufthoheit auf dem Kriegsschauplatz zu erringen, scheitert an der Beweglichkeit der vom Westen unterstützten und angeleiteten ukrainischen Flugabwehr und nötigt der russischen Führung die Berechnung auf, dass unter diesen Voraussetzungen die Verluste der eigenen Luftwaffe einfach unannehmbar würden.

Insgesamt verwickelt die Ukraine damit auf breiter Front die russischen Truppen, entgegen Moskaus ursprünglichen Kriegsplänen, in einen Städtekrieg, für den dieser Vorstoß nicht gemacht war:

„Aufgrund des Erfolgs der Verteidiger und ihrer eigenen Unzulänglichkeiten waren die Russen gezwungen, zu einem beschränkten konventionellen Angriff überzugehen – die absolut schlechteste Art, ein städtisches Gebiet anzugreifen. Dieser Ansatz ist zeitaufwendig, ermöglicht eine gründliche Vorbereitung der Verteidigung und ist oft kostspielig für den Angreifer, den Verteidiger, die Zivilbevölkerung und die Infrastruktur. Bislang ist es mit diesem Vorgehen nicht gelungen, Kiew, Charkiw und Odessa einzunehmen, und es führte zu der kostspieligen Belagerung von Mariupol.“ („Urban Operations in Ukraine: Size, Ratios, and the Principles of War“, mwi.usma.edu, 20.6.22)

Obendrein gelingt es dem perfekten Zusammenspiel zwischen USA, Alliierten und der Ukraine bei der Aufklärung, über ein Dutzend russische Generäle in ihren mobilen Kommandozentralen durch präzise Schläge zu eliminieren. Die oberste Führung des russischen Militärs wird in einem für die moderne Kriegsführung einzigartigen Ausmaß dezimiert, was Kampfkraft, Kompetenz und Moral der Armee in Mitleidenschaft zieht und Moskau immer weitergehend mit der Frage konfrontiert, wie lange diese Verluste hinnehmbar sind. [13]

Nicht nur, dass das entscheidende politische Kriegsziel für die Russen schon nach wenigen Tagen nicht mehr zu haben ist – Nach drei Tagen war die russische Armee gezwungen, ihren Plan für einen Blitzkrieg aufzugeben, ihre Kräfte neu zu gruppieren und ihre Invasionspläne zu ändern.[14] –; der russischen Armee werden riesige Verluste an Panzerfahrzeugen, Helikoptern und Flugzeugen, Geschützen, Nachschub und nicht zuletzt an Soldaten zugefügt. Russlands Fähigkeiten zur konventionellen Kriegsführung werden substanziell geschädigt.

Angesichts der ersten Erfolge dieses Stellvertreterkriegs auf dem Schlachtfeld ist es schließlich auch kein Wunder, dass die anfängliche Bereitschaft Selenskyjs zu Waffenstillstandsverhandlungen, auch durch entsprechende Interventionen der USA und vor allem Großbritanniens, [15] schnell verschwunden ist.

Die nächste Etappe: Übergang zum größten Landkrieg der neueren Zeit in Europa

Die russische Führung hat in dieser verlustreichen ersten Phase ihrer „Spezialoperation“ lernen müssen, was es heißt, in der Ukraine gegen einen ganz anderen Gegner, gegen USA und NATO, Krieg zu führen. Der bisherige politische Kurs ist der Einsicht gewichen, dass es Russland mit einem feindlichen, von einer potenten Westallianz alimentierten und ausgerüsteten Nachbarn zu tun hat und mit einer wachsenden Bedrohung durch die NATO selbst dazu. Zwar bekräftigt man ein ums andere Mal die ursprüngliche Fassung, dass es darum geht, dem ukrainischen Volk [zu] helfen, ein absolut volksfeindliches und antihistorisches Regime abzuschütteln. [16] Aber jetzt wird das Brudervolk mit einem veritablen Krieg überzogen mit einem neuen Ziel:

„Jetzt ist die Geographie anders. Es handelt sich nicht nur um die DVR und die LVR, sondern auch um die Regionen Cherson und Saporischschja und eine Reihe anderer Gebiete. Dieser Prozess geht weiter, konsequent und beharrlich... Wir können nicht zulassen, dass der Teil der Ukraine, den Wolodymyr Selenskyj kontrolliert, über Waffen verfügt, die eine direkte Bedrohung für unser Territorium oder für die Republiken darstellen, die ihre Unabhängigkeit erklärt haben und ihre Zukunft selbst bestimmen wollen.“ (Sergej Lawrow, a.a.O.)

Die russische Führung ändert ihre Strategie, zieht ihre Kräfte aus dem Norden der Ukraine zurück, verlagert sie an die Front im Südosten und zielt darauf, sich mit verstärkten Kräften im Donbass und im Idealfall an der Schwarzmeerküste bis nach Odessa eine durchgängige russische Einflusszone zu schaffen, das Gebiet gegebenenfalls – mit Volksreferenden oder ohne – auch zu annektieren, um es gewissermaßen in eine große erweiterte Sicherheitszone vor der russischen Grenze zu verwandeln.

Der Krieg ist seitdem ein anderer, der größte Landkrieg der jüngeren Militärgeschichte wird mit schwerer Artillerie geführt und ist eine fortgesetzte monströse Abnutzungsschlacht – für beide Seiten, für deren Waffen- und menschliches Material, mit Todesraten, die manchmal sogar gestandene ehemalige NATO-Generäle dazu bewegen, die Sinnfrage aufzuwerfen.

  • An der hunderte Kilometer langen Front bringt Russland die immer noch vorhandene Größe, Masse und Reichweite seiner konventionellen militärischen Potenzen in Anschlag, [17] sodass zwischenzeitlich Sorgen über eine mögliche ukrainische Niederlage aufkommen: Erkleckliche Teile der Elitekämpfer, Führungskräfte und kampferfahrene Infanteristen sind im bisherigen Krieg dezimiert und werden in dem sich jetzt entwickelnden Stellungskrieg weiterhin ausgedünnt. In den verbleibenden Truppenteilen bröckelt die Moral, Fälle von Befehlsverweigerung und Desertionen mehren sich. Die an die Front geschickten territorialen Verteidigungskräfte, nicht mehr als eine Art Bürgerwehr, können die fehlenden Kräfte in Umfang und Qualität nicht ersetzen. Zudem entziehen sich viele als wehrfähig Definierte der von Selenskyj angeordneten Generalmobilmachung und tauchen ab.

  • Neben dem Vormarsch im Südosten setzt Russland die „Demilitarisierung“ auf dem gesamten Territorium der Ukraine unvermindert fort: Vorrangig ist nach wie vor die militärisch relevante Infrastruktur im Visier. Die Schläge richten sich gegen Ausbildungszentren, Verkehrsknotenpunkte, Bahnhöfe, Flughäfen, Hangars, Werkstätten zur Instandsetzung von Panzern usw., um die militärisch nutzbare Infrastruktur des Landes zu zerstören und so den Nachschub aus dem Westen zu unterbinden – die Zerstörung der produktiven Grundlagen der Nation und die Demoralisierung der Bevölkerung durch den intensivierten Kriegsterror sind dabei eingeschlossen. Die russische Führung verzichtet auch nicht darauf, immer wieder darauf hinzuweisen, welches russische High-Tech-Gerät dabei zum Einsatz kommt, was Russland da alles noch in der Hinterhand hat und wie wenig es sich von den Waffenlieferungen der westlichen Seite beeindrucken lässt. [18]

Dass sich Russland auf diese Art der Kriegsführung umstellt, bringt die USA nicht im geringsten in Verlegenheit – weil sie unbedingt dazu bereit sind, das Risiko einzugehen, dass sich Russland in der Lage, in die man es durch immer weiterreichende Waffenlieferungen bringt, dazu entscheidet, USA und NATO zur Kriegspartei zu erklären und den Krieg entsprechend zu eskalieren.

Der amerikanische Verteidigungsminister spricht der ukrainischen Armee Mut zu: Sie können gewinnen, wenn sie die richtige Ausrüstung und die richtige Unterstützung haben (FAZ, 26.4.22), und die entsprechenden Taten folgen gemäß dem Diktum des US-Außenministers: Wir schauen ganz genau hin, was sie brauchen.

Großbritannien kümmert sich neben der Lieferung von immer mehr schwerem Gerät, unter anderem Kriegsschiffen, darum, die Ukraine gewissermaßen mit einer neuen Armee auszustatten, und startet ein Programm zur militärischen Ausbildung tausender Ukrainer... Eine erste Gruppe von insgesamt bis zu 10 000 unerfahrenen Freiwilligen aus der Ukraine habe nun erste Übungen absolviert, teilte das britische Verteidigungsministerium am Samstag mit. (BZ, 9.7.22) Die eignen sich nach ihrem Schnellkurs zumindest als Kanonenfutter, da tut es ja auch die Masse.

Die USA liefern weitere Mittel, v.a. die Mehrfachraketenwerfer HIMARS, mit denen die Ukraine gegnerische Munitionsdepots und Führungseinrichtungen im Hinterland, Brücken und sonstige Verkehrsverbindungen zerstört. In ihrer Rolle als diplomatisch anerkanntes bedauernswertes Opfer wagt sie bzw. das amerikanische Fachpersonal vor Ort sich inzwischen auch weiter vor: Unter anderem werden die Angriffe inzwischen auf die Krim ausgedehnt, also auf von Russland offiziell als eigenes Gebiet deklariertes Territorium, sowie ebenfalls auf grenznahe Einrichtungen in Russland. [19]

Die Eskalation auf dem Schlachtfeld kommt also zügig voran; vieles an Waffenlieferungen, Panzer, Flugzeuge etc., was zu Beginn noch verweigert wurde, wird in die Wege geleitet. Auch mit dem bisherigen Resultat ihres Austestens, ab wann Russland die amerikanische Kriegsunterstützung als direkte Kriegsbeteiligung wertet und mit entsprechenden Maßnahmen reagiert, zeigt sich die amerikanische Führung zufrieden. Sie scheut immer weniger davor zurück, ihre Leistungen als „Nicht-Kriegspartei“ öffentlich bekannt werden zu lassen und mit einem ihrem Nationalstolz angemessenen Triumphalismus die diesbezüglichen Erfolge mehr oder weniger direkt zu feiern. [20]

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Auf diese Weise führen USA und NATO ihren Krieg in der Ukraine, definieren aber ihrerseits keine konkreten Kriegsziele. Auf mehr als auf die negative Vorgabe, dass Putin nicht gewinnen darf, legt man sich nicht fest. Dass die Ukraine ihren Kriegszweck mit der Rückeroberung des Donbass und auch der Krim erklärt, wird ihr zwar konzediert. Aber in der verlogenen Art, dass man ja wohl der Ukraine nicht vorschreiben kann, wann der Krieg zu einem Ende gekommen ist, dass das die Ukraine selber zu entscheiden hat – Scholz: Es darf keinen Diktatfrieden geben –, kommt schon auch die Differenz der westlichen und der ukrainischen Kriegsziele zur Sprache. Schließlich entscheiden ja die Schutzmächte mit ihrer Ausstattung und Organisation darüber, wie weit es die Ukraine auf dem Schlachtfeld bringt und bringen kann. Was sich als Respekt vor der ukrainischen Souveränität vorträgt, ist der Standpunkt des Westens, der sich ganz frei zum Kriegsverlauf stellt, unabhängig von den ukrainischen Zielen seine Intentionen verfolgt, die über das Kriegsziel der Ukraine weit hinausgehen.

Deren zu jedem Opfer bereiter nationaler Fanatismus wird für etwas ganz anderes benützt als für die glorreiche Unabhängigkeit der Ukraine: Das russische Kriegsziel soll gründlich vereitelt werden. Und wenn Biden & Blinken alle Welt immer wieder wissen lassen, dass sie mit einem langen Krieg in der Ukraine rechnen, ist das keine Prognose, sondern eine Absichtserklärung: Nachdem Russland sich von der Invasion der Ukraine nicht hat abschrecken lassen, soll seine Fähigkeit zu einem derartigen Militäreinsatz zunichtegemacht werden; in der Ukraine und überhaupt. Dass aus der „Spezialoperation“ ein großer konventioneller Krieg geworden ist, bietet eine bisher nie dagewesene Chance, Russland als Militärmacht entscheidend zu treffen. Das westliche Programm ist auf Dauer angelegt, um die russische Unterlegenheit auf dem Schlachtfeld praktisch herzustellen, diese Ohnmacht Russlands auch weltöffentlich zu dokumentieren und Russlands weltpolitischen Status als ernstzunehmender strategischer Rivale zu beschädigen.

Selenskyjs „Volkskrieg“ erfüllt somit von vorneherein eine doppelte Aufgabe: Sein Volk darf sich zum Opfer für die eigene Nation und deren heilige Grenzen machen, ein Extremfall von Kampf um die eigene Souveränität, weil die großflächige Vernichtung der sachlichen und menschlichen Ausstattung der eigenen Nation zur Durchsetzung der antirussischen Staatsräson in Kauf genommen wird. Ein Extremfall, der klarstellt, dass Staaten, wenn sie zu dem Schluss kommen, dass es in existentieller Weise um sie, um ihre Souveränität geht, darauf bestehen, dass alle Nutzenberechnungen dahinter zurückzustehen haben.

Das ukrainische Volksmaterial darf sich dabei aber gleichzeitig auch – und das ist letztlich das Entscheidende – zum Opfer für diejenigen machen, die die Ukraine überhaupt erst für diesen Krieg ausstatten und instand setzen. Und so sehr die ukrainische Führung darauf beharrt, dass beides zusammenfällt, so sehr macht der Kriegsverlauf klar, wie zynisch sich das Kriegsziel des Westens zum Nationalismus verhält, mit dem die Ukrainer ans Werk gehen. Der totale Verteidigungskrieg, wie ihn die Ukraine führt, übersteigt um ein Vielfaches die eigenen Fähigkeiten – ohne die Vorbereitung, Ausstattung, Finanzierung, laufende Belieferung und praktische Anleitung im Gefecht hätten die ukrainischen Kräfte längst eine Niederlage erlebt, ohne diese Betreuung wäre der inzwischen schon monatelange Krieg gar nicht zu haben gewesen. Aber den hat der Westen ja zu seiner Sache gemacht. So stiftet er einerseits die Bedingungen dafür, dass die Ukraine überhaupt so lange aushalten und Land und Leute verheizen kann. Aber andererseits ist das vorgebliche Schutzobjekt des Westens, eine intakte, unabhängige Ukraine, nur der Rechtstitel, die Legitimation seines eigenen und ganz anderen Kriegsziels: abzuschmettern, zunichtezumachen, was USA und NATO als Bruch der Weltfriedensordnung, nämlich ihres mit abschreckender Gewalt untermauerten prinzipiellen Gewaltverbots definieren, und so die Infragestellung ihrer Weltordnung durch die Schwächung und Deklassierung des russischen Rivalen zu korrigieren. Aber davon brauchen die ukrainischen Kämpfer ja auch nichts zu wissen, wenn sie meinen, sich nur für ihr Vaterland aufzuopfern. Dabei wird Selenskyj, auch wenn er sich wie ein Auftraggeber gegenüber der westlichen Welt geriert, immer wieder darauf gestoßen, dass die Schutzmächte, das heißt vor allem natürlich die USA, ihr eigenes Programm verfolgen; er beschwert sich ja beständig darüber, dass die Waffenlieferungen aus dem Westen immer nicht schnell genug ankommen und dass nicht die schlagkräftigsten Gattungen geliefert werden. Zwar ist die Ukraine nur dank dieser Protektion dazu in der Lage, ihren totalen Verteidigungskrieg zu führen – aber sie bekommt dabei eben auch zu spüren, dass der Westen ihre Ertüchtigung zum Kriegführen gemäß seinen Kalkulationen und eben auch seinen Vorbehalten dirigiert, wer also das entscheidende Subjekt in diesem Gemetzel ist, wer hier wen instrumentalisiert. Zuweilen kommt dann doch das eigentliche Kriegsziel der USA zur Sprache. US-Verteidigungsminister Austin:

„Wir wollen, dass Russland so weit geschwächt wird, dass es zu so etwas wie dem Einmarsch in die Ukraine nicht mehr in der Lage ist.“ (FAZ, 26.4.22)

[1] Wie die folgenden Zitate aus der Botschaft des Präsidenten der Russischen Föderation, en.kremlin.ru, 24.2.22

[2] Das Abrüstungsabkommen zwischen den USA und der UdSSR über die Vernichtung aller boden-/landgestützten Flugkörper mit mittlerer und kürzerer Reichweite – zwischen 500 und 5500 Kilometer.

[3] Zur ausführlichen Darstellung der strategischen Lage vgl. GegenStandpunkt 3-19: Nicht erst unter Trump, unter Trump aber in neuer Entschiedenheit: Die amerikanische Weltmacht treibt die Entmachtung ihres russischen Rivalen voran und GegenStandpunkt 1-22: Russland ringt um seine Behauptung als strategische Macht – Amerika um deren Erledigung

[4] Vgl. GegenStandpunkt 2-20: Die Ukraine in den Zeiten von Corona – Von Russland befreit, bis zum Ruin verwestlicht, von Krisen überrollt und GegenStandpunkt 4-16: Unsere Ukraine – ein einziger großer Fall von ‚Korruption‘: Friktionen bei der Herrichtung eines failed state zum Frontstaat

[5] Ein russischer Generaloberst, Wladimir Schamanow, fasst das Desaster nachträglich polemisch zusammen: Wir haben uns geirrt, als wir annahmen, man würde uns mit Blumen begrüßen. (junge Welt, 20.8.22)

[6] Sowohl in Mariupol wie in anderen umkämpften Gebieten wird überdies die regierungsamtliche Definition praktiziert, dass ein Fluchtkorridor nur dann ein humanitärer ist, wenn er nicht nach Russland oder Belarus führt: Flüchtlinge, die sich unter russische Hoheit in Sicherheit bringen, verraten ihren Daseinszweck als ukrainisches Volk, das seine Erfüllung im Opfer für die Nation findet.

[7] „Das Vereinigte Königreich leistete im gleichen Zeitraum einen entscheidenden Beitrag, indem es bis zum 20. Januar [dieses Jahres] 2000 leichte Panzerabwehrwaffen der nächsten Generation (NLAW) zusammen mit einem Team von Ausbildern lieferte. Die weithin sichtbaren Bilder von britischen C-17-Flügen, die in letzter Minute Waffen in die Ukraine flogen und dabei den deutschen Luftraum umgingen, fanden in ganz Europa großen Widerhall... Der wachsende Druck trug dazu bei, dass die Niederlande zustimmten und Kanada kurz vor der Invasion letale Hilfe [die subtile Unterscheidung „tödlicher“ von „bloßen“ Verteidigungswaffen] leistete. Frankreich, das mit bewusster Diskretion handelte, lieferte ebenfalls vor der Invasion Milan- und Javelin-Panzerabwehrsysteme und Mistral-MANPADs zusammen mit Ausbildern.“ („Military Assistance to Ukraine: Rediscovering the Virtue of Courage“, The Royal United Services Institute, the UK’s leading defence and security think tank, rusi.org, 17.5.22)

[8] ISTAR steht für geheimdienstliche Überwachung, Zielerfassung und -aufklärung. Im makroskopischen Sinne ist ISTAR ein Verfahren, das mehrere Gefechtsfeldfunktionen miteinander verbindet, um eine Kampftruppe beim Einsatz ihrer Sensoren und der Verarbeitung der von ihnen gesammelten Informationen zu unterstützen. (Wikipedia, s. v. Intelligence, surveillance, target acquisition, and reconnaissance)

[9] Dazu gehören Panzerabwehrlenkwaffen, z.B. die amerikanische FGM-148 Javelin, eine immer größere Vielfalt von Artilleriegeschossen und Drohnen... Darüber hinaus ist die Javelin eine ‚Fire-and-Forget‘-Rakete mit Lock-on vor dem Start und automatischer Selbstlenkung, die es der Besatzung ermöglicht, sich nach dem Abschuss zu verlagern, um zu überleben. Auch hier handelt es sich um eine relativ billige, leicht zu bedienende Waffe, die das teure Prunkstück einer gegnerischen Armee ausschaltet. („The Tank is dead ...“, War on the Rocks, 18.4.22)

[10] „Ukraine weapon switcheroos are flushing Soviet arms out of Europe“, Joe Gould und Sebastian Sprenger, defensenews.com, 28.4.22

 Diese Weiterverwertung des sowjetischen Erbes tut gute Dienste gegen die Russen und sorgt für die Erneuerung der Arsenale der edlen Lieferanten mit High-End-Ware made in USA, die ihrerseits damit die dauerhafte strategische Ausrichtung ihrer Partner sichern: Washington bemüht sich seit Jahren darum, ehemalige Warschauer-Pakt-Staaten dazu zu bewegen, ihre Ausrüstung aus der Sowjetzeit durch NATO-kompatible Ausrüstungen zu ersetzen. Eine am Montag angekündigte Hilfstranche in Höhe von 713 Mio. USD für die Ukraine und ihre Nachbarländer soll genau das bewirken. Mit dem neuen Paket profitieren die USA sowohl in strategischer Hinsicht – indem sie Partner und Verbündete von russischer Ausrüstung wegbringen, um die Interoperabilität zu verbessern und Moskau Geld zu entziehen – als auch in finanzieller Hinsicht, da amerikanische Waffen im Ausland subventioniert werden. (Ebd.)

[11] Amerikanische und andere ‚boots on the ground‘ der NATO unterstützen die Kriegsanstrengungen der ukrainischen Regierung, darunter ist ... auch das Personal von Geheimdiensten und vom US-Militär selbst. Einen seltenen Einblick in diese Operationen gewährte die New York Times, die darauf hinwies, dass die USA innerhalb der ukrainischen Grenzen ‚ein verdecktes Netzwerk von Kommandos und Spionen aufgebaut haben, die sich beeilen, Waffen, Geheimdienstinformationen und Ausbildung bereitzustellen... Mitarbeiter der CIA operieren weiterhin heimlich im Land, vor allem in der Hauptstadt Kiew, und steuern einen Großteil der enormen Mengen an Informationen, die die Vereinigten Staaten mit den ukrainischen Streitkräften austauschen.‘ Berichten zufolge wurden Mitarbeiter der CIA und des Pentagons zwar nicht für Kampfeinsätze eingesetzt, aber sie haben von ihren Hauptquartieren in anderen Teilen der Ukraine aus Einheiten an der Front beraten. Die ‚Anzeichen für ihre heimliche logistische, schulungstechnische und geheimdienstliche Unterstützung sind auf dem Schlachtfeld spürbar‘, so die Zeitung. Kommandotruppen aus anderen NATO-Ländern, darunter Großbritannien, Frankreich, Kanada und Litauen, haben ebenfalls in der Ukraine gearbeitet, unter anderem ‚bei der Ausbildung und Beratung ukrainischer Truppen und bei der Bereitstellung von Waffen und anderen Hilfsgütern vor Ort‘, heißt es in dem Bericht, der das schiere ‚Ausmaß der geheimen Bemühungen um die Unterstützung der Ukraine‘ hervorhebt. („The CIA and NATO’s ‚Stealth Network‘ in Ukraine: American Boots on the Ground Coordinating a Proxy War Against Russia“, militarywatchmagazine.com, 28.6.22)

[12] Als Russland seine Invasion startete, gaben die USA den ukrainischen Streitkräften detaillierte Informationen darüber, wann und wo genau russische Raketen und Bomben einschlagen sollten, was die Ukraine dazu veranlasste, ihre Luftabwehr und Flugzeuge aus der Gefahrenzone zu bringen. („U.S. intel helped Ukraine protect air defenses, shoot down Russian plane carrying hundreds of troops“, nbcnews.com, 26.4.22)

[13] Die Sache ist umso wirkungsvoller, weil die präzisen Angriffe auch die unteren Ränge der Offiziere im Feld lichten – an denen schließlich das reibungslose Zusammenspiel der einzelnen Abteilungen der Truppen im Feld hängt. „‚Diese Offiziere sind noch wichtigere Rädchen in der russischen Militärmaschinerie, weil sie die Details ihrer Kampfeinheiten kennen. Ich denke, dass die schweren Verluste unter den russischen Bataillons-, Regiments- und Brigadekommandeuren ein noch größeres Problem darstellen als die Verluste unter den Generälen‘, meint Rob Lee vom King’s College London. ‚Es ist wirklich schwierig, diese Verluste zu ersetzen.‘“ („Why are so many Russian generals dying in Ukraine?“, The Economist, 31.3.22)

[14] „Russia’s Ill-Fated Invasion of Ukraine: Lessons in Modern Warfare“, csis.org, 1.6.22

[15] Großbritannien hat nach einem Bericht der Londoner Times die Ukraine davor gewarnt, zu schnell Frieden mit Russland zu schließen... Premier Boris Johnson habe den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einem Telefongespräch aufgefordert, nicht um eines schnellen Friedens willen nachteilige Bedingungen in Kauf zu nehmen. Die Zeitung zitierte einen hohen Regierungsbeamten mit der Aussage, London befürchte, dass die USA, Frankreich und die BRD ‚übereifrig‘ seien, einen Friedensschluss zu erreichen, auch wenn dies zu Lasten der Ukraine gehe... Die Statements decken sich auch mit halböffentlichen Einschätzungen britischer und US-Militärs, wonach die Ukraine nach ihrer Aufrüstung durch den Westen Chancen habe, Russland militärisch zu besiegen und so ‚dem russischen Imperialismus den Todesstoß zu versetzen‘. (junge Welt, 2.4.22)

[16] Interview des Außenministers der Russischen Föderation Sergej Lawrow mit dem Fernsehsender RT, der Agentur Sputnik und der internationalen Nachrichtenagentur Rossija Segodnja, Moskau, 20.7.22

[17] Die Artillerie ist eine der wichtigsten Komponenten russischer Operationen... Die im Allgemeinen mäßige Leistung der russischen Bodentruppen wird zunehmend dadurch ausgeglichen, dass sie durch massiven Artilleriebeschuss einen langsamen und systematischen Vormarsch ermöglichen. Anhaltende Bombardierungen haben die örtliche Bevölkerung nach und nach vertrieben und die zu verteidigenden Siedlungen und Infrastrukturen dem Erdboden gleichgemacht, sodass das ukrainische Militär gezwungen war, das zerstörte Gebiet aufzugeben. Darüber hinaus hat die russische Artillerie die ukrainischen Streitkräfte daran gehindert, sich für einen Gegenangriff zu formieren, und den Einheiten, die die Stellung hielten, insbesondere in Sjewjerodonezk, beträchtliche Verluste zugefügt, wodurch die ukrainischen Streitkräfte daran gehindert wurden, den Spieß im Nahkampf umzudrehen, wie sie es in der Schlacht um Kiew vor dem russischen Rückzug aus dieser Achse getan hatten. (The Royal United Services Institute, Special Report, 4.7.22, S. 4 f.)

[18] Putin vor der Föderationsversammlung der Russischen Föderation: Heute hören wir, dass sie uns auf dem Schlachtfeld besiegen wollen. Nun, was soll ich sagen? Sollen sie es doch versuchen. Wir haben schon viel darüber gehört, dass der Westen uns ‚bis auf den letzten Ukrainer‘ bekämpfen will. Das ist eine Tragödie für das ukrainische Volk, aber es scheint in diese Richtung zu gehen. Aber jeder sollte wissen, dass wir im Großen und Ganzen noch gar nicht richtig angefangen haben. (president.kremlin.ru, 7.7.22)

[19] Das ukrainische Militär kann sich auch noch weitere solche Aktionen vorstellen. Generalmajor Dmitri Martschenko: Die Ukraine sollte die Brücke, die die Krim über die Straße von Kertsch mit dem russischen Festland verbindet, ins Visier nehmen, sobald sie die erforderlichen Waffen vom Westen erhält. Die Brücke von Kertsch ist absolut unser wichtigstes Ziel. Als Hauptweg für die Zufuhr von Reserven müssen wir ihn einfach abschneiden. („Ukraine droht mit Zerstörung der längsten Brücke Europas“, katehon.com, 15.6.22)

[20] Die US-Tageszeitung Politico berichtete, die jüngsten Explosionen auf russischen Einrichtungen in der Krim seien wahrscheinlich nicht durch ukrainische Partisanen verursacht worden, sondern durch den Einsatz weitreichender US-Raketen, deren Lieferungen offiziell nicht bekanntgegeben worden seien. Das Blatt beruft sich auf ehemalige US-Geheimdienstler, die mit den Vorgängen vertraut seien. Ein Pentagonsprecher hatte letzte Woche eingeräumt, dass Washington Kiew mehr und andere Waffen geliefert hätte als nach außen mitgeteilt. Insbesondere gehe es, so Politico, um US-Antiradarraketen des Typs ‚HARM‘ und andere weitreichende Waffen. (junge Welt, 24.8.22)

 Samuel Charap, ein US-Experte mit dem eigentümlichen Humor professioneller Kriegsbeobachter: Die USA haben mit Waffenlieferungen an die Ukraine erfolgreich ‚den Frosch gekocht‘... Es ist eine Metapher: Wenn man das Wasser langsam zum Kochen bringt, merkt der Frosch, der ins Wasser geworfen wird, nichts davon. Vor sechs Monaten hätte man wahrscheinlich nicht geglaubt, dass es keine russische Reaktion geben würde, wenn Amerika die HIMARS an die Ukraine ausliefern würde. Aber da die Dinge allmählich vorankommen, kann man sagen, dass es in gewissem Maße ein Erfolg ist. („Strana sprach mit einem der Autoren des Berichts der Rand Corporation über die Wahrscheinlichkeit eines Krieges zwischen der NATO und Russland“, strana.news, 9.8.22)