Trumps Lateinamerika und die Troika der Tyrannei
Die Regierung der USA verkündet am US-Feiertag der Völker Panamerikas die aktuell geltende Fassung des in Washington herrschenden Verständnisses von unserer Hemisphäre
vulgo Hinterhof der USA
. Im Rahmen ihrer gemeinsamen Mission für den Fortschritt der Freiheit auf dem Doppelkontinent sind nach Auffassung der Vormacht die Aufgaben zwischen den Völkern Amerikas eigentlich klar verteilt: Die im Süden sollen einfach ihre Armut, ihre Drogen und all das Verbrechen, das damit verbunden ist und sich an den USA mit Milliarden Dollars vollsaugt, bei sich behalten. Vor allem sollen sie ihre elenden Massen nicht einfach migrieren lassen, wohin sie wollen. Bei ihrer Wanderung aus dem Elend des Südens zu den Arbeitsmärkten des Nordens schleppen sie alle denkbaren Übel in die USA ein und verbreiten nichts als Probleme und Unsicherheit. Im Gegenzug ist auch die Führungsnation des Weltkapitalismus bereit, das Ihre zum Zusammenleben aller Amerikaner beizutragen: Sie radikalisiert unter dem Kommando eines eigenen neuen Immigrationszaren
nach Kräften das Grenzregime, wirft möglichst viele Illegale aus dem Land, sorgt für ein neues Einwanderungsrecht für die besten Köpfe auch aus Lateinamerika und stärkt mit der Androhung von Strafzöllen für Einfuhren aus Mexiko den Willen des südlichen Nachbarn, die illegale Migration über die gemeinsame Grenze in die USA zu stoppen
. Ansonsten melden sich die Amis rechtzeitig bei den Zuständigen, wenn es in Sachen trade and investment
jenseits der Südgrenze etwas zu dealen gibt. Was Kuba, Venezuela und Nicaragua im speziellen betrifft, proklamiert Trump die Pflicht, die Völker der drei Tyrannen-Staaten weiterhin in ihrem Kampf für die Wiederherstellung von Demokratie und Freiheit zu unterstützen
.
Aus der Zeitschrift
Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Trumps Lateinamerika und die Troika der Tyrannei
I. Weltweit und im eigenen Hinterhof – überall Gefahren
für America first!
Seit Donald Trump beschlossen hat Politiker zu werden und sein großartiges Land auf der Agenda der Weltpolitik endlich wieder auf den ersten Platz zu setzen, der ihm zusteht, ist ihm bekanntlich beim Blick in die Welt viel Unerfreuliches aufgefallen: Vor allem eine Welt-Unordnung, die mit grotesk nachteiligen Bündnisverträgen, Abkommen über Handel und Abrüstung und einem Völkerrecht, das noch nicht einmal von den USA gemacht ist, die USA daran hindert, ihre politischen und ökonomischen Interessen ihren Potenzen, also ihrem Recht gemäß sicherzustellen; in der traditionelle Gegner der USA, weit weniger mächtig als sie, sie ökonomisch durch das Verdienen von amerikanischen Dollars ausbeuten und ihnen auch noch den politischen Respekt versagen; in der auch traditionelle Verbündete US-Arbeitsplätze stehlen, sich an amerikanischer Kaufkraft mittels ungerechter Handelsbilanzen bereichern und sich dann noch von den USA kostenlos beschützen lassen; in der also überhaupt und überall die USA durch erbärmlich schlechte Deals über Welthandel und Weltpolitik gefesselt und ihrer Chancen beraubt werden. Dagegen hat Trump seit Amtsantritt, immer entlang der Leitlinie, ein US-Präsident sei zuerst amerikanischen Interessen und sonst zu nichts und niemandem verpflichtet, einiges ins Werk gesetzt und sich aus Abrüstungsverträgen, Handelsabkommen und der Rolle des pflichtschuldigen Garanten der imperialistischen Weltordnung alten Schlages verabschiedet; hat UN und NATO in Frage gestellt ebenso wie alte Feindschaften und vor allem alte „Freundschaften“, um dergestalt befreit mit Zollschranken und nie dagewesener Aufrüstung die Jobs hart arbeitender Amerikaner und die Grenzen von Gottes eigenem Land zu verteidigen, dessen – endlich! – rücksichtslos gerechte Vorteilsrechnung und überwältigende Macht alle tunlichst in Rechnung stellen sollten, die etwas von den und gegen die USA wollen.
1. Die USA und die panamerikanische Völkergemeinschaft: Gute Zäune machen gute Nachbarn
Und derer gibt es allzu viele. Nicht nur in Asien und Europa in Gestalt berechnender Staatsführer, die die inzwischen nicht mehr so neuen Ansagen Washingtons und ihre Umsetzung immer noch nicht wahrhaben und ihre für die USA schädliche Politik fortsetzen wollen. Sondern auch direkt an der südlichen Haustüre der Nation in der ganz anderen Gestalt bedrohlicher Flüchtlingskarawanen aus ganz Lateinamerika, die illegal die Grenzen überqueren, sich in ihrer Armut frech auf dem gar nicht für sie veranstalteten US-Arbeitsmarkt einnisten und mit Drogen- und Menschenhandel und jeder anderen Sorte Verbrechen die nationale Sicherheit gefährden.
Diese Not zu wenden, hat Trump seinen begeisterten Wählern eine wunderschöne Mauer zur Sicherung der Südgrenze versprochen. Die ist zwar bislang wegen der Obstruktion der linksradikalen Demokraten im Kongress und gleichgesinnter Richter, was den Baufortschritt betrifft, noch nicht entscheidend vorangekommen; dafür hat sich die Debatte darüber und über alle Fragen der Grenzsicherung Verdienste um die Klarstellung erworben, wie die Vormacht auf der nördlichen Seite der Grenze die mehrheitlich armseligen Gemeinwesen auf der Südseite in den Blick nimmt.
Die Yankee-Macht pocht auf ihre Art auf die
Zusammengehörigkeit aller Amerikaner und proklamiert seit
1930 jedes Jahr aufs Neue, vertreten durch ihren Chef,
den 14. April 2019 als Pan American Day und die
folgende Woche als ebensolche Week. [1] Aus diesem Anlass
erklärt der Präsident seinen Mit-Panamerikanern auf einer
knappen Textseite gleich fünfmal, dass sie alle schon
seit dem 19. Jahrhundert zur western hemisphere
gehören, die er mal realitätsnah „unsere“, aber auch
hemisphere united in democracy, prosperity and
security
nennt, was offensichtlich eher der
Festtagsstimmung geschuldet ist als irgendeiner
lateinamerikanischen Wirklichkeit. Und die „Proklamation“
greift einmal mehr die aus Sicht der USA wichtigsten
„Probleme“ auf, bei denen Trump größten Wert auf
„substantielle Fortschritte“ in der panamerikanischen
Zusammenarbeit legt, und die eben, wie jeder an den
aufgezählten Problemlagen sehen kann, dringend nach
seiner fabelhaften Grenzmauer verlangen, ohne dass man
die, das verlangt das Feingefühl, an so einem Feiertag
der kontinentalen Gemeinsamkeit eigens erwähnen müsste:
„... Probleme wie Drogenhandel und Verbrechen, Armutsbekämpfung und Sicherheit. [Es geht darum,] transnationale Verbrechensorganisationen zu unterminieren, Drogen- und Menschenhandel zu unterbinden, die Sicherheit der Bürger zu verbessern und die Grenzsicherheit zu befestigen.“
Mit Erfolgen auf diesen Feldern könnten the nations of
the Americas
dann auch die common mission of
advancing freedom
erneuern, deren Gelingen der
geschäftserfahrene Präsident vor allem an unmatched
levels of trade and investment
bemisst.
So verkündet die Regierung der USA am Feiertag der Völker
Panamerikas einmal mehr die aktuell geltende Fassung des
in Washington herrschenden Verständnisses von unserer
Hemisphäre
vulgo Hinterhof der USA
. Im Rahmen
ihrer gemeinsamen Mission für den Fortschritt der
Freiheit auf dem Doppelkontinent sind nach Auffassung der
Vormacht die Aufgaben zwischen den Völkern Amerikas
eigentlich klar verteilt: Die im Süden sollen einfach
ihre Armut, ihre Drogen und all das Verbrechen, das damit
verbunden ist und sich an den USA mit Milliarden Dollars
vollsaugt, bei sich behalten. Vor allem sollen sie ihre
elenden Massen nicht einfach migrieren lassen, wohin sie
wollen. Bei ihrer Wanderung aus dem Elend des Südens zu
den Arbeitsmärkten des Nordens schleppen sie alle
denkbaren Übel in die USA ein und verbreiten nichts als
Probleme und Unsicherheit. Im Gegenzug ist auch die
Führungsnation des Weltkapitalismus bereit, das Ihre zum
Zusammenleben aller Amerikaner beizutragen: Sie
radikalisiert unter dem Kommando eines eigenen neuen
Immigrationszaren
nach Kräften das Grenzregime,
wirft möglichst viele Illegale aus dem Land, sorgt für
ein neues Einwanderungsrecht für die besten Köpfe auch
aus Lateinamerika und stärkt mit der Androhung von
Strafzöllen für Einfuhren aus Mexiko den Willen des
südlichen Nachbarn, die illegale Migration über die
gemeinsame Grenze in die USA zu stoppen
(n-tv, 31.5.19). Ansonsten melden sich
die Amis rechtzeitig bei den Zuständigen, wenn es in
Sachen trade and investment
jenseits der Südgrenze
etwas zu dealen gibt.
Aus der Sicht der US-Regierung müsste es doch zu haben
sein, dass jedes Land in Panamerika in aller Freiheit auf
dem Weltmarkt, den die USA so großzügig mit ihren Dollars
versorgen, den Lebensunterhalt für die Bedürfnisse seiner
Staatsgewalt und der zugehörigen Völker verdient; und,
wenn manche lateinamerikanischen Staaten das nicht so
richtig hinbekommen, wäre es den USA sehr recht, nicht
fortwährend mit Problemen belästigt zu werden, die die
betreffenden Nationen tunlichst selbst lösen sollten.
Natürlich ist es ein Teil der Lösung, sich in ein
gedeihliches politisches und geschäftliches Verhältnis zu
den USA zu begeben, sich für Investments des US-Kapitals
herzurichten und darauf zu setzen, durch Dienste am
nordamerikanischen Geschäftsgang fair und fleißig den
Bedarf der eigenen Nation zu erwirtschaften. Ganz falsch
wäre es aber, im immer wieder vorkommenden Fall
anhaltenden Misslingens solch nationaler Aufstiegs- oder
Überlebensprojekte, die ausländische Geschäftswelt oder
gar die Stifter des Geldes verantwortlich zu machen, das
man ja immer verdienen wollte, und auf das man doch als
Staatswesen immerhin angewiesen ist. Für die Härten, die
mit dem Kampf um den Dollar für die armen Staaten des
Südens verbunden sind, immer der Großmacht nördlich des
Rio Grande die Verantwortung zuzuschieben ist aus Sicht
der USA ein Verstoß gegen den Gemeinschaftsgeist der
gesamtamerikanischen Hemisphäre und ein in Lateinamerika
verbreiteter und traditionsreicher Fehler: Grund und
Inhalt für haltlosen Antiamerikanismus und Yankee-Hass,
der in den letzten eineinhalb Jahrzehnten eine traurige
Sonderkonjunktur erlebte, zwischenzeitlich aber infolge
von Wahlerfolgen realistischer Kräfte in Ländern
wie Brasilien und Argentinien an Schwung verliert. Der
Präsident jedenfalls wünscht sich die alten Zeiten nicht
zurück, in denen die Zuständigkeit für die Hemisphäre der
antikommunistischen Freiheit von den USA als permanente
Einmischung in jedem antiamerikanischen,
sozialismusverdächtigen Latino-Shithole
praktiziert wurde: mit US-finanzierten Folterregimen,
großen und kleinen CIA- und Militäraktionen, sündteuren,
amerikanisch organisierten Bürgerkriegen und immer wieder
aufs Neue nötigem und dann doch wieder unbefriedigendem
nation building
, mit immer neuen korrupten
Regimen, die es an Respekt fehlen lassen, und undankbaren
Völkern. Diesen hinterhoftypischen Sumpf an unerwünschter
imperialistischer Verantwortung und Kosten soll Trumps
America first!
-Politik endgültig trockenlegen, und
die lateinamerikanischen Staaten auf eine
panamerikanische Gemeinschaftlichkeit festlegen, die
ihnen als einzig realistische nationale Perspektive den
Dienst an der Vormacht offeriert und letztere auf nichts
als auf den eigenen Vorteil verpflichtet.
2. Die Außenseiter – und wie sie sich die Feindschaft der USA verdient haben
Das nehmen die meisten Staaten des südlichen
Halbkontinents inzwischen als Angebot, das man lieber
nicht ablehnen sollte, und Trump lobt in seiner
Pan-America-Erklärung die Fortschritte, die Nord
und Süd gemeinsam schon gemacht haben. Und das
trotz der noch verbliebenen current
challenges
in der Region, worunter er die
widerspenstige, deswegen illegitime und schon viel zu
lange andauernde Existenz der Regime in Kuba, Venezuela
und Nicaragua versteht: Diesen störenden Außenseitern der
amerikanischen Völkerfamilie fehlt es seit langem an so
Sachen wie tiefem Respekt vor der Freiheit
, der
unverzichtbaren repräsentativen Demokratie
,
wichtigen Werten also, die in der Charta der Organisation
Amerikanischer Staaten eigens verpflichtend niedergelegt
– enshrined
– wurden, während es bei ihnen im
Überfluss Tyrannei und Autoritarismus
nebst
Brutalität
, Korruption
und wirtschaftlichem
Ruin
gibt, weshalb der Präsident am neuen Feiertag
aller Amerikaner gleich die Pflicht mitproklamiert, die
Völker der drei Tyrannen-Staaten weiterhin in ihrem
Kampf für die Wiederherstellung von Demokratie und
Freiheit zu unterstützen
.
Durch diesen in seiner „Proklamation“ gewürdigten Kampf
between dictatorship and democracy, between oppression
and freedom
in diesen Ländern fühlt Trump sich stark
an dieses alte Sozialismus-Ding erinnert, und die
Selbstauskünfte aus Havanna und Caracas bestätigen ihn
darin. Zum Glück aber verfügt er über Informationen
darüber, dass the twilight hour of socialism and
communism ... in our hemisphere
gerade gekommen ist,
wie er als Redner vor einer venezolanischen Exilgemeinde
in Florida zu berichten weiß. Der Präsident will aber den
Abgang der dreifach falschen Troika der Tyrannei
nicht dem historischen Sonnenstand überlassen, sondern
mit den nicht unbeträchtlichen Mitteln der Weltmacht
dabei ordentlich nachhelfen. Dass die Mitglieder dieser
Dreierbande die Feindschaft der USA verdient haben, steht
außer Frage, auch wenn sie am dauerhaften Versand von
Drogen und Migranten in die Vereinigten Staaten, der so
vielen anderen südlichen Nachbarn anzukreiden ist, kaum
beteiligt sind. Sie spielen die Rolle der ewigen
Störenfriede, die sich der Zusammenarbeit in einer
Win-win-Situation zu Gunsten der USA verweigern,
auf eine andere, empörende und eigentlich seit langem
unerträgliche Weise: An die Stelle einer dienstbaren
Kooperation setzen sie bei ihren politischen
Unternehmungen auf Distanz zur und Emanzipation von der
Vormacht. Die Mittel dafür wollen sie dem Weltmarkt – in
Dollar-Devisen natürlich! – abringen, um damit ihre
politische Souveränität und ihren ökonomischen Bestand zu
sichern, für dessen Fortentwicklung sie sich daran
versuchen, ihre traditionell zu großen Teilen
überflüssigen Volksmassen zu Ressourcen ihrer Nationen zu
entwickeln. Was damit notwendig an Entzug gegenüber den –
ihrer imperialistischen Natur nach berechtigten –
Ansprüchen der USA verbunden ist, an kritischer
Zurückweisung amerikanischer Anträge auf Korrektur derart
falscher Politik, also an respektlosem Widerstand gegen
die Führer der Hemisphäre in Washington, das alles
erfüllt den Tatbestand des flagranten Missbrauchs der
freien Wirtschaftsordnung und ihres guten Weltgeldes in
Tateinheit mit der fortgesetzten Verletzung des
Menschenrechts der USA auf gute Deals, die ihnen in ihrer
ureigenen panamerikanischen hemisphere
vielleicht
noch mehr zustehen als sonst wo auf der Welt. Zu alledem
kommt zu Lasten der drei Länder, die sich nun schon seit
Jahrzehnten dem wohlmeinenden Druck der imperialistischen
Freiheitsmacht widersetzen, erschwerend hinzu, dass diese
Störfälle einige Jahre lang nicht ohne Erfolg auf die
Bildung antiamerikanischer Vereinigungen auf ihrem
Halbkontinent hingewirkt und darüber hinaus, nur um ihres
Vorteils willen, strategischen Konkurrenten der USA,
insbesondere Russland und China, Gelegenheiten geboten
haben, unweit der US-Grenzen politisch und wirtschaftlich
Fuß zu fassen. Dass diesen Umtrieben ein Ende gemacht
werden muss, liegt für die Trump-Administration auf der
Hand angesichts dessen, dass in der imperialistischen
Welt diese seltsamen „Sozialisten und Kommunisten“, auch
wenn sich einer von ihnen in Managua als christgläubiger
Unternehmerfreund tarnt, nun wirklich niemand braucht,
die aber umgekehrt immer weiter darum kämpfen, in ihr und
von dem, was sie dieser Welt abringen, zu überleben. Dass
dieses überfällige Ende nicht schon längst mit den
überwältigenden Machtmitteln der USA herbeigeführt wurde,
ist ein ganz eigener Skandal, den die derzeit im Weißen
Haus Regierenden kritisch gegen ihre Vorgänger wenden.
Sie jedenfalls wollen nicht den gleichen Fehler machen
und endlich erledigen, was sie und weil sie es doch schon
immer konnten.
3. Unwiderstehliche Kapitulationsangebote an die Störer
Dafür setzen sie auf ein Programm, das Wirtschaftsleben
der drei Länder, ohnehin von langjährigen früheren
Wirtschaftsrestriktionen geschädigt, mit umfassenden
Sanktionen endgültig abzuwürgen, die alle darauf
hinauslaufen, sie so vollständig wie möglich als
Verkäufer und Einkäufer von auswärtigen Märkten und
überlebenswichtigen Dollar-Einkünften abzuschneiden. So
sollen sie über kurz oder lang zur Kapitulation gezwungen
werden, sei es aus Einsicht in die Ausweglosigkeit ihrer
Lage, sei es unter dem Druck randalierender hungernder
Massen oder unter dem der heimischen Militärs. Vor länger
anhaltender Uneinsichtigkeit angesichts des nicht
verhandelbaren Ziels der Beseitigung der angefeindeten
Regime und vor Angriffen auf eine, soweit vorhanden,
innere Opposition warnen die USA mit dem Verweis auf ihre
erdrückende Militärmacht, die ihnen die Freiheit gibt,
alle Optionen auf den Tisch
zu legen. Die, in
Kombination mit der kapitalistisch unverzichtbaren
politischen Lizenz für den Zugang zum amerikanischen
Waren- und Finanzmarkt, stellt auch die Grundlage dar für
Washingtons Nötigung gegenüber anderen Staaten, wie im
Fall Venezuela, eine schnell bereitgestellte alternative
Herrschaftsfigur anzuerkennen, und vor allem für die
lückenlose Verhinderung kompensatorischer Waren- und
Finanzgeschäfte der drei inkriminierten Staaten. So
weitet die US-Regierung ihr nationales Sanktionsregime
zur globalen Rechtslage aus, deren Anerkennung sie von
der Staatenwelt einfordert.
Die Drohung mit der kriegerischen Intervention macht die
wirtschaftliche Erpressung ausweglos, weshalb auch Trump,
der für das Erreichen der Kapitulation kein neues teures
Kriegs-Szenario für nötig hält, – we seek a peaceful
transition of power...
– nicht darauf verzichtet,
immer wieder darauf zu verweisen: All options are
open.
Währenddessen erteilt er seiner hauseigenen
Präsidentenkreatur, die in Caracas auf einen
militärischen Eingriff drängt, wegen des Wunsches nach
einer solch verfrühten Aktion
eine Abfuhr. Und der
immer noch regimetreuen venezolanischen Armee droht er
zunächst nicht mit militärischer Vernichtung, sondern mit
dem langen Arm der amerikanischen Strafgewalt – you
will find no safe harbour ...
– einschließlich der
für Trump größten annehmbaren Strafe für die Militärs,
denen er Bereicherung auf Kosten von Volk und Staatskasse
vorwirft: You will lose everything!
Trump gilt das Schlagwort von der amerikanischen
Hemisphäre
als ganz verantwortungsfreier
Anspruchstitel auf die Dienstbarkeit der dort
beheimateten Staatenwelt am US-Interesse. Er soll sich
frustriert
geäußert haben, weil er weder in
Lateinamerika mit dem Verweis auf imperialistische Zwänge
und auch nicht im Iran von seinen Beratern überstürzt
in eine militärische Konfrontation gedrängt werden
wolle. (Washington Post, zit. nach FAZ, 17.5.19) Die
„Falken“ im Weißen Haus um Bolton & Co, die wegen ihrer
notorischen Begeisterung für saubere militärische
Lösungen so heißen, nützen die immer wieder erneuerten
Kriegsdrohungen dafür, Trumps Politik einen anderen
Spin zu geben: Bolton kündigt an, der Sturz
Maduros [sei] nur das erste Gefecht in einem viel
umfassenderen Ringen um demokratische Verhältnisse auf
dem amerikanischen Doppelkontinent
(NZZ, 5.2.19), und verschiebt damit
Trumps Bemühungen, die Störenfriede im Hinterhof mit
unberechenbarer, aber stets glaubwürdiger Gewaltandrohung
kostengünstig, also ohne Aufwand von Dollars und
precious american lives
, zur Kapitulation zu
zwingen, in Richtung einer mit allen wirtschaftlichen und
militärischen Mitteln betriebenen Mission. Die
begründet er ausdrücklich damit, dass sich ‚die Troika
der Tyrannei‘ in der amerikanischen Hemisphäre
befindet
(Bolton, ebd.)
und knüpft durchaus ideologiegeleitet
(FAZ, 6.5.19) angesichts der
chinesisch-russischen Aktivitäten in der Region an den
alten Kampf gegen das Kommunistisch-Böse in der
Hemisphäre an.
II. Das dreifache Sanktionsregime – entschlossener Würgegriff im Dienst der Freiheit
Mit derlei imperialistischen Deutungs-Unschärfen
innerhalb einer geteilten Administration
(ebd.) macht sich die
US-Regierung daran, sich die Mitglieder der bösen Troika
nacheinander und alle zugleich vorzunehmen, um sie zügig
auf dem berühmten Misthaufen der Geschichte zu entsorgen,
auf den sie schon lange gehören.
1. Das reiche Venezuela
Venezuela, den wichtigsten und zugleich angreifbarsten
Fall, kennt Trump als ehemals wealthiest nation, by
far in South America
, mit den größten Ölreserven der
Welt und deswegen auch mit great potential
. Als
solche zumindest dem Potential nach an Öl-Dollars reiche
Nation, die sich damit von den anderen
lateinamerikanischen Armenhäusern unterscheidet und bis
zum krisenhaften Einbruch ihres Ölgeschäfts und dem
Zusammenbruch ihres „bolivarisch“ kommandierten
Versorgungskapitalismus über Mittel verfügte, um
befreundete Nationen zu subventionieren, nimmt Trump
Venezuela ins Visier. Denn angesichts der bestehenden
ökonomischen Abhängigkeiten von Kuba und Nicaragua von
den venezolanischen Öllieferungen zu Vorzugspreisen ist
Trump sich sicher: Wenn Venezuela fällt, fällt auch der
Rest. [2]) In
seiner Entschlossenheit das Maduro-Regime zu stürzen,
findet er in zweifacher Hinsicht im Land die Bedingungen
vor, um das Regime zur Aufgabe zu zwingen. Erstens
ökonomisch: Mit der Verwendung der Dollareinnahmen aus
dem Ölgeschäft und der darauf gestützten Verschuldung für
sein nationales Aufbauprogramm hat sich das Land, zumal
seit dem Preisverfall seines Exportschlagers im Zuge der
weltweiten Krise, an den Rand des Ruins gewirtschaftet.
Die Abhängigkeit von seinen Ölexporten liefert den USA
als Hauptabnehmern des Öls und zugleich bestimmender
Macht der internationalen Finanzmärkte und der damit
verbundenen globalen Kapital- und Zahlungsströme die
entscheidende Waffe, das Land von seinen
überlebenswichtigen Devisenquellen abzuschneiden.
Zweitens politisch: Die ökonomische Krise stärkt die
Opposition, die vor Ort bereits seit vielen Jahren mit
Umsturzversuchen gegen die Chavisten befasst ist und
jetzt endgültig die Gelegenheit gekommen sieht, die Lage
in eine von den USA intensiv betreute politische Krise
der Staatsführung umzumünzen.
Das muss sein, denn das venezolanische Volk braucht eine
neue Herrschaft. Es hat nämlich in dem mit allen Tricks,
die demokratische Wahlmethoden hergeben, geführten Kampf
um die Macht schon jede Menge Fehler gemacht: Es hat erst
der Opposition die Mehrheit im Parlament verschafft, dann
den chavistischen Präsidenten wiedergewählt und damit zur
Entscheidung des tobenden Streits zwischen den
verfeindeten Institutionen um die Legitimität nicht das
Seine beigetragen. Also entscheiden die USA die
Legitimitätsfrage, einer muss es ja machen, anstelle des
Volkes und erklären die Präsidentenwahl für ungültig und
die Wahl zur verfassunggebenden Nationalversammlung
gleich mit, die sich die Chavisten-Mannschaft wegen der
falschen Mehrheit im Parlament eingerichtet hat. Der
beherzte Zugriff der Amis klärt die Rechtslage, sodass
nur mehr ein total legitimes Parlament übrig ist und nur
mehr ein neuer Präsident fehlt. Der findet sich schnell
in der Figur des Parlamentspräsidenten und wird von
Washington nebst einem halben Hundert befreundeter
Staatenlenker beglaubigt. So wäre jetzt eigentlich alles
in bester Ordnung, wenn Maduro und die Seinen den Verlust
ihrer Legitimität einsehen würden. Da dies leider nicht
der Fall ist, müssen sie mit gebotenem Ernst vor
Übergriffen auf die von den USA ins Recht gesetzte neue
Führung und ihre diversen Veranstaltungen zur
Durchsetzung ihres Machtanspruchs im Land gewarnt werden,
denn merke: Alle Optionen liegen auf dem Tisch.
Das Sanktionsregime wird vervollkommnet, um die alte Herrschaft auch sicher von wirklich allen Finanzmitteln abzuschneiden. Die Sanktionen gegen Personen – Offiziere, Funktionäre, den Chavisten nahestehende Unternehmer – werden ausgedehnt, sie werden geschäftlich isoliert und ihre Vermögenswerte in den USA eingefroren. Ab 2017 wird die Refinanzierung alter Staatsschulden durch neue verhindert mittels Drohungen gegen alle Banken mit Geschäftssitz in den USA und der Handel mit Staatsanleihen Venezuelas, Anleihen der Zentralbank und Titeln des staatlichen Ölkonzern PDVSA unterbunden. [3] Washington verknüpf sein ökonomisches Zerstörungswerk mit einer konstruktiven Perspektive: Nach der Selbstproklamation Guaidós zum Interimspräsidenten erweitern die USA die Sanktionen auf die staatliche Ölindustrie, wobei der Kauf von venezolanischem Öl erlaubt bleibt – nicht zuletzt mit Rücksicht auf die auf venezolanisches Erdöl spezialisierten US-Raffinerien – die Zahlungen aber auf Sperrkonten in den USA erfolgen sollen, zu denen lediglich der von Washington legitimierte Gegenpräsident Guaidó Zugriff hat. Ein dual-use des Sanktionsregimes, der das Abschneiden der bestehenden Herrschaft von ihren Einnahmen mit der Ausstattung der alternativen Regierung mit eben diesen Mitteln kombiniert – und das unter Wahrung der ökonomischen Eigeninteressen der USA am weiteren Fluss des venezolanischen Öls in die USA. [4]
Der dritte Nutzen des Sanktionsregimes gegen Venezuela besteht darin, die bisherigen Nutznießer venezolanischer Öllieferungen zu Sonderkonditionen – Nicaragua und Kuba – endgültig von dieser Hilfsleistung abzuschneiden und so die ohnehin aus Not reduzierte materielle Kooperation innerhalb der Troika zu zerstören. Die USA erweitern das Sanktionsregime auf alle Schiffe, die der staatlichen venezolanischen Ölgesellschaft gehören oder von ihnen betrieben werden, sowie auf auswärtige Schiffe und Reedereien, die in ihrem Auftrag Venezuelas Erdöl nach Kuba transportieren, indem sie deren Vermögen in den USA einfrieren und ihren Zugang zum Finanzsystem blockieren.
Das US-Sanktionsregime zeigt Wirkung im Land: Der venezolanische Staat kann seine Versorgungsleistungen und staatliche Infrastruktur nicht mehr aufrechterhalten, das öffentliche Leben bricht weitgehend zusammen, und die Notlage wird durch gezielte Sabotageakte in der Stromversorgung des Landes verschärft. Die USA spekulieren auf die produktiven Wirkungen des Chaos und der wachsenden Not auf die Moral des Volkes: Ein normales Leben in Venezuela soll derart verunmöglicht werden, dass der Wunsch, es möge endlich einfach wieder Ruhe einkehren, schon ein halbwegs funktionierendes Gewaltmonopol wie eine positive Lebensbedingung erscheinen lässt. An den Grenzen des Landes, dem jede Versorgung verunmöglicht wird, lässt die US-Regierung Hilfslieferungen vorzeigen und demonstriert so dem Volk, dass sie nicht nur die Macht hat, es zu drangsalieren, sondern auch, es aus der Not zu befreien. [5] In erster Linie dienen die Hilfslieferungen aber zur Provokation von Auseinandersetzungen an der Grenze, um die alles entscheidende Gewaltfrage aufzuwerfen: Das Militär soll vor die Entscheidung gestellt werden, gegen die Massen bei ihrem Versuch, Hilfsgüter über die Grenze zu schaffen, vorzugehen oder sich gegen ihre Regierung und ‚auf die Seite des Volkes zu stellen‘. Denn letztlich ist der Machtwechsel eben eine Frage der Gewalt, also ob und wann das Militär den alten Präsidenten fallen lässt. Weil dessen Loyalität aber nur langsam abbröckelt, zieht sich die Sache, Wochen vergehen und der von der Opposition gewünschte Militärschlag des großen Verbündeten lässt immer noch auf sich warten, sodass sich irgendwann im Mai die beiden venezolanischen Lager auf eine Vermittlungsveranstaltung der bislang ziemlich ausgemischten Europäer einlassen und sich in Norwegen zu Gesprächen treffen, die aber von Washington prompt als uninteressant und grundfalsch eingeordnet werden... [6]
2. Nicaragua, der unerträgliche Niemand
Anders als Venezuela verfügt Nicaragua über keine bedeutende Weltgeldquelle, mit der sich eine grundlegende Befreiung aus den für die Staaten der Region üblichen ärmlichen Verhältnissen bewerkstelligen ließe. Dennoch hat es das Land in den letzten Jahren mit seinem schäbigen inländischen Kapitalismus zu überdurchschnittlichen Wachstumsraten gebracht und mit sozialen Vorkehrungen Lebensverhältnisse im Land hergestellt, die seine Bevölkerung, zumindest im Vergleich zu den höllischen Verhältnissen in den umliegenden Staaten, irgendwie halbwegs zufriedenstellten. Nicaragua stellt zumindest kein nennenswertes Kontingent für den Marsch derer, die es in den Nachbarländern nicht mehr aushalten und gegen deren Ansturm sich Trump an der mexikanischen Grenze vehement aufstellt. Das Volk bleibt bisher mehrheitlich im Land und sorgt seit Jahren mit demokratischen Wahlsiegen für eine relativ stabile Machtbasis von Daniel Ortega, trotz aller amerikanischen Anfeindungen, denen die Herrschaft der Sandinisten seit der Beseitigung des US-freundlichen Terrorregimes der Somoza-Familie nun schon vierzig Jahre lang ausgesetzt ist.
Dass Nicaragua in der Region einen solchen Ausnahmestatus gegenüber etwa Honduras, Guatemala oder El Salvador nicht nur aus eigener Kraft zustande gebracht hat, ist auch bekannt: Seit den Zeiten des Ölbooms in Venezuela unter Chávez wird Nicaragua als politischer Bundesgenosse aus Caracas unterstützt, weil das inländische Geschäft für die Bedürfnisse der sandinistischen Staatsmacht nicht genug abwirft. Dementsprechend gerät die nicaraguanische Regierung in heftige Haushaltsnöte, sobald der fortschreitende Ruin Venezuelas zum Ausfall der zusätzlichen Dollareinkünfte aus dem Weiterverkauf der verbilligten Öllieferungen führt.
Damit steht für Trump fest, dass und wie in diesem Land ein Umsturz der Herrschaft auf den Weg gebracht werden kann. Die Bekämpfung des chavistischen Venezuela, dank dessen sich Nicaragua überhaupt nur seine Distanz zu Washington leisten konnte, komplettiert durch speziell auf das Land zugeschnittene Sanktionen, soll dem Land seine ökonomischen Lebensmittel nehmen. Washington rechnet damit, dass mit der Verschärfung der ökonomischen Lage durch die USA die bislang schwache politische Opposition gegen die eigene Regierung im Land gestärkt und mit ihrem wohlwollend geförderten Aktivismus den Fortbestand des sandinistischen Regimes in Frage stellen würde, [7] und wird darin durch verstärkten Protest seit der Eskalation des Sanktionswesens bestätigt. Vor allem lebt die Gegnerschaft der Geschäftswelt im Land wieder auf, die sich zum eigenen Nutzen jahrelang mit der Ortega-Regierung arrangiert hatte. Sie macht die eigene Regierung dafür verantwortlich, dass Washington nun die von Ortega respektierte Freiheit des Geschäftemachens in Nicaragua untergräbt, und setzt sich an die Spitze der regierungskritischen Unruhen.
3. Kuba – der wahre Imperialist in Lateinamerika
Im Urteil über Kuba ist man sich in den USA einig: Kuba ist die eigentliche Zentrale des Antiamerikanismus in Lateinamerika:
„Seit Jahrzehnten unterstützen sich die sozialistischen Diktaturen von Kuba und Venezuela gegenseitig in einem sehr korrupten Geschäft. Venezuela gab Kuba Öl. Im Gegenzug gab Kuba Venezuela einen Polizeistaat direkt aus Havanna.“ (Trump vor venezolanischen Emigranten, whitehouse.gov) „Kuba ist die wahre imperialistische Macht in Venezuela.“ (Außenminister Pompeo, zit. nach CNN, 11.3.19) „Die Führer Kubas sind die tatsächlichen Imperialisten in der Region. Während die normalen Länder Güter exportieren, exportiert Kuba Tyrannei. Der Moment ist gekommen, Venezuela von Kuba zu befreien.“ (US-Vizepräsident Pence, zit. nach amerika21.de, 9.4.19)
Mit dieser leicht paranoiden, hauseigenen Imperialismustheorie fasst Washington den aktuellen Stand der kubanischen Verbrechen auf eine Weise zusammen, dass sich daraus allein schon die Unmöglichkeit einer weiteren Duldung dieser Umtriebe ergibt, die schon seit 60 Jahren trotz aller US-Feindschaft andauern. Die Herrschaft ist nach wie vor im Inneren politisch so konsolidiert, dass es im Unterschied zu Venezuela und Nicaragua keine nennenswerte Opposition im Land gibt, an die die USA anknüpfen könnten. Stattdessen unterstützt das Land seit je „sozialistische Revolutionen“, also nationale Emanzipationsbestrebungen in seinen Nachbarstaaten und ist so bis heute für Washington ein bleibendes Ärgernis.
Dass dieses Regime alle Anfeindungen der USA überlebt hat und auch heute noch nicht ans Aufgeben denkt, legt Trump vor allem seinem Vorgänger Obama zur Last: Der hatte, angesichts einer unter dem Druck von US-Sanktionen stattfindenden Neuausrichtung Kubas auf mehr ökonomische Privatinitiative und Dollarfreiheiten, die Beziehungen zu Kuba ein Stück weit „normalisiert“ und Sanktionen abgeschwächt. Durch Ausweitung der diplomatischen, wirtschaftlichen und zwischenmenschlichen Kontakte, die alle auf die freiere Entfaltung einer zersetzenden Dollarökonomie in Kuba abzielten, sollte nach und nach das politische Kommando der Staatspartei untergraben werden, um so die amerikanische Variante eines „Wandels durch Annäherung“ voranzubringen. [8]
Die Trump-Regierung entnimmt dem nur, dass die USA den
Feindstaat haben überleben lassen, und macht Schluss mit
dieser Politik der zivilen Eroberung: Die Macht des
Dollar wird zur Geltung gebracht – aber nicht, indem man
ihn der kubanischen Herrschaft zwecks ihrer
Unterminierung zugänglich macht, sondern dadurch, dass
man Kuba den Zugang zu Dollar und Weltmarkt, von dem sich
das Land dank seiner Öffnung mehr denn je abhängig
gemacht hat, so radikal wie möglich verwehrt. [9] Trump setzt die
meisten der von Obama aufgehobenen bzw. abgeschwächten
Sanktionen wieder in Kraft und verschärft sie: Mit der
erstmaligen Inkraftsetzung des Teils III des 1996
verabschiedeten Gesetzes für die Demokratische
Solidarität und die Kubanische Freiheit
, bekannt
unter den Namen seiner Autoren Helms und Burton, wird den
ehemaligen Eigentümern von in Kuba enteigneten
Besitztümern das Recht zugesprochen, ihre Ansprüche gegen
den kubanischen Staat und alle, die mit ihm Geschäfte zu
Lasten ihrer alten Eigentumstitel machen, vor
US-Gerichten geltend zu machen. Dem kubanischen Staat
wird so das Recht bestritten, über wesentliche Teile
seiner Reichtums- und Geschäftsquellen ohne Rücksicht auf
die in den USA gesetzlich verfügten Eigentumsverhältnisse
zu verfügen; und er sieht sich wie seine Geschäftspartner
den Drohungen mit der US-Gerichtsbarkeit ausgesetzt. Die
amerikanische Staatsmacht definiert kubanisches Vermögen
und die darauf bezogene kubanische Eigentumsordnung nach
ihrem feindseligen Ermessen und garantiert mit ihrer
Gewalt den Vollzug der restituierten Ansprüche. Damit
wird die bislang schon praktizierte Bestrafung von
Firmen, die dem US-Embargo zuwiderhandeln, entscheidend
verschärft: Unternehmen aus aller Herren Länder, die sich
geschäftlich in Kuba engagieren, werden kriminalisiert
und damit konfrontiert, dass sie mit konfisziertem
Eigentum
[10] handeln. Damit übergeht
Trump demonstrativ die Interessen der Staaten, die sich
mittels ihrer Unternehmen bzw. direkt als ökonomische
Nutznießer oder als politische Unterstützer des Regimes
betätigen. Vor allem Russland und China, aber auch die EU
und Kanada sind nicht nur betroffen, sondern ausdrücklich
aufgefordert, ihre erworbenen Eigentumsansprüche, ihre
ökonomischen und sonstigen Beziehungen mit Kuba den von
den USA definierten Eigentumsrechten unterzuordnen und
gegebenenfalls aufzugeben.
III. Durchsage an alle
Die praktische imperialistische Kritik, mit der die Trump-Regierung gegen die Bösen Drei antritt, offenbart, mit der Bitte um Kenntnisnahme in der Hemisphäre, die hohen Ansprüche, die sie an ein aus ihrer Sicht gedeihliches Zusammenleben der amerikanischen Staaten stellt: Entscheidungen souveräner Staaten der Region über den politischen und ökonomischen Entwicklungsweg ihrer Nationen unterliegen grundsätzlich einem Genehmigungsvorbehalt der USA. Nicht in dem positiven Sinn, dass ihnen im Einzelnen vorgeschrieben würde, wie sie ihre Massen zur Räson zu bringen und den Lebensunterhalt ihrer Staatsgewalt zu verdienen hätten. Wohl aber in einem, der ganz allgemein statuiert, dass solche Staatsunternehmungen in irgendeinem förderlichen, keinesfalls aber schädlichen Zusammenhang mit ökonomischen oder politischen Interessen der USA zu stehen hätten. Dieser strenge Beurteilungsmaßstab bringt es mit sich, dass nationale Bemühungen wie die der drei „Troika“-Staaten um einen „eigenen“, also an nationalen und nicht an US-amerikanischen Interessen orientierten Weg in Politik und Wirtschaft [11] wegen ihrer Unvereinbarkeit mit dem Gedanken eines fairen, also für die USA vorteilhaften Deals, nicht nur als unverständlich, sondern als eindeutig feindselig eingestuft werden.
Derlei Bestrebungen, die die Geschichte Lateinamerikas nach dem Ende der Kolonialzeit prägen, begegnen die USA schon von jeher mit großem Misstrauen. Das traditionsreiche Hin und Her vieler süd- und mittelamerikanischer Staaten zwischen dem Kampf um den Aufbau einer nationalen Wirtschaftsbasis mit Förderung der inneren Produktion, Importsubstitution und Volksentwicklung einerseits und der radikalen Öffnung für ausländisches Kapital und dem politischen Dienst daran andererseits, steht die erstere Art des lateinamerikanischen Nationalismus zu Trumps Zeiten unter dem Generalvorbehalt, den USA in die Quere zu kommen, unkooperativ, antiamerikanisch und respektlos zu sein. Die Trump-Regierung besteht darauf, dass die nationalen Interessen und Ambitionen der Länder der Hemisphäre zusammenfallen mit ihrem Dienst an und ihrer Unterordnung unter die Ansprüche der USA, solange deren politischer und ökonomischer Zugriff auf diese Länder gesichert ist, [12] und zwar unabhängig davon, wie sie als Nationen davon und damit leben können. Ein darüber hinausgehendes positives Angebot an ihren Nationalismus hat die Weltmacht dabei nicht im Programm. Wer wie die Troika-Staaten auf dem eigenen Programm insistiert, muss mit der unversöhnlichen Feindschaft der Weltmacht rechnen, also damit, dass die den Widerspruch fügsamer und dienstbarer Souveräne von Fall zu Fall mit ihrer überlegenen Gewalt einseitig auflöst. Und dass die sich genau merkt, wer dabei im Hinterhof ausreichend kooperiert oder für die Falschen Partei ergreift. [13]
Im Gefolge des Kampfes gegen die Troika erledigen sich
dann auch die Restbestände der vormaligen Bemühungen
lateinamerikanischer Staaten, durch gemeinsame Bündnisse
ein Gegengewicht gegen den Einfluss und die Dominanz der
USA zu schaffen und sich ökonomisch und politisch mehr
Freiheiten zu erobern. Für deren Zerfall haben
insbesondere Argentinien und Brasilien seit dem Sieg
rechtsnationaler Regierungen schon weitgehend selbst
gesorgt und arbeiten jetzt mit wohlwollender
Unterstützung Washingtons weiter daran. [14] So kommt die
Neuausrichtung Lateinamerikas nach der Devise Nuestro
Norte es el Norte
(Unser Kompass
zeigt nach Norden) voran.
Die Politik der USA gegen die „Troika der Tyrannei“ betrifft auch die imperialistischen Konkurrenten. Vermögenswerte, Benutzungsverhältnisse und politische Kooperationen, zu denen es die auswärtigen Mächte unter den bestehenden Herrschaften in den Troika-Ländern gebracht haben, werden umstandslos für irrelevant erklärt und übergangen, denn Trump steht den ökonomischen und politischen Verbindungen der drei falschen Herrschaften mit Russland und China und der damit verbundenen Präsenz konkurrierender Großmachtinteressen in Lateinamerika entschieden ablehnend gegenüber. Das alles fällt unter die politischen Verirrungen der drei Tyrannen-Staaten, die zu korrigieren sind, weshalb Trump und seine Boltons in aller imperialistischen Unverschämtheit davon ausgehen, dass mit den drei Regimen dann auch die von Chinesen und Russen erworbenen Positionen abgeräumt werden. Die Bolton-Fraktion erinnert an die Aktualität der alten, von früheren Regierungen schon für überholt erklärten ‚Monroe-Doktrin‘ über den von den USA – endlich wieder – durchzusetzenden Ausschluss fremder Mächte aus Südamerika und spricht damit eine Grundsatzfrage des amerikanischen Hemisphären-Imperialismus an: In dieser Lesart haben auswärtige Mächte in Lateinamerika nichts mitzureden; [15] die USA müssen die Kontrolle behalten und allein in ihre Zuständigkeit fällt das letzte Wort dazu, „was hier vor sich geht“. Wie das an den drei uneinsichtigen Regimen zu exekutieren ist, darüber wird man sich im Weißen Haus zu einigen wissen: Ob sich die USA eine ultimative Demonstration ihrer Vormacht in der Hemisphäre schuldig sind, worauf die einen drängen; oder ob man wie der Präsident von der Selbstverständlichkeit der überlegenen US-Macht ausgeht, die alle Freiheiten im Umgang mit den Störenfrieden eröffnet, und wegen der zerstörerischen Potenzen ihrer ökonomischen Waffen vielleicht ohne den Einsatz der militärischen auskommt.
[1] Mit dem „Pan American Day“ wird seit dem Jahr 1930 in den USA und fast allen südlich von ihnen gelegenen Staaten an die erste internationale Konferenz amerikanischer Staaten im Jahr 1890 erinnert, aus der die Vorläuferorganisation der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) entstand. Anlässlich dieses Tages bekräftigen und präzisieren die amtierenden US-Präsidenten in einer Proklamation den jeweils aktuellen politischen Standpunkt der Nation zu ihren südlichen Nachbarn.
[2] „[Bolton] sagt, kubanische Sicherheitskräfte würden Maduros Regime aufrechterhalten, um weiterhin Öl zu Vorzugspreisen zu beziehen. Wenn diese Beziehung einmal aufgebrochen ist, wird das erheblichen Druck auf Kuba ausüben. Denn wenn dieses autoritäre Regime Öl zum Weltmarktpreis kaufen müsste, statt subventioniertes Öl wie von Chávez und Maduro, dann hätte es auch drastische ökonomische Probleme.“ (Bolton im Breitbart-Interview, 21.3.19)
[3] Das
Lateinamerikanische Strategiezentrum für Geopolitik
(Celag) schätzt die direkten und indirekten Schäden der
Sanktionen gegen Venezuela schon für die Jahre
2013-2017 auf ca. 350 Milliarden US-Dollar. Der
venezolanische Außenminister Jorge Arreaza bilanziert
vor der UN allein die Vermögenswerte, die dem
venezolanischen Staat aktuell von ausländischen Banken
vorenthalten werden, auf mehrere Milliarden US-Dollar.
Da hilft Venezuela die Diversifizierung seiner
Dollarguthaben außerhalb der USA also nichts.
Besonderen Schaden habe aber die widerrechtliche
Beschlagnahmung der sich auf knapp 30 Milliarden Dollar
belaufenden Vermögenswerte von Citgo, der US-Tochter
des venezolanischen Erdölkonzerns PDVSA, durch die
nordamerikanischen Behörden angerichtet. Citgo werde
zudem schon seit 2007 verweigert, in den Vereinigten
Staaten erwirtschaftete Gewinne nach Venezuela zu
transferieren. Das seien weitere zig Milliarden Dollar
gewesen, die auch für Investitionen zur Modernisierung
der Erdölindustrie und Infrastruktur gefehlt
hätten.
(Junge Welt,
3.5.19)
[4] Maduro kappt daraufhin seinerseits die Öllieferungen an die USA – bis dato Hauptabnehmer. Seitdem geht der Hauptteil der Exporte nach Indien, China und Singapur als Lager- und Umschlagplätze für den Re-Export. Das russische Staatsunternehmen Rosneft fungiert als Großabnehmer und Vermittler bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs der Öllieferungen. Die Trump-Administration droht seitdem offen mit Sanktionen gegen Rosneft und gegen Staaten und Firmen aus Drittstaaten, die weiterhin mit Venezuela Handel treiben, um auch die letzten Schlupflöcher im Sanktionsregime zu schließen.
[5] Maduro beantwortet den Kampf um die Loyalität des Volkes mit der spiegelbildlichen Gegenagitation und schickt zunächst demonstrativ Hilfslieferungen nach Kolumbien, muss dann allerdings doch eingestehen, dass er unter den bestehenden Umständen die Versorgung des venezolanischen Volkes nicht mehr gewährleisten kann und schließt ein Abkommen mit den als unabhängig eingestuften internationalen Hilfsorganisationen. Was bleibt, ist der ideologische Abwehrkampf gegen die Einmischung aus dem Norden, damit das Volk weiterhin seiner Führung die Treue hält und für die ‚Errungenschaften der Revolution‘ kämpft, von denen längst nichts mehr übrig geblieben ist.
[6] ‚Freie Wahlen
können nicht von einem Tyrannen überwacht werden‘,
erklärte das Außenministerium in Washington... In Oslo
könne mit Maduro deshalb einzig und allein ‚über die
Bedingungen seines Abgangs‘ verhandelt werden.
(Junge Welt, 27.5.19)
[7] Ausführlichere Erläuterungen dazu in: Der Sandinismus in Nicaragua kommt zu seinem erzwungenen Ende in dieser Nummer.
[8] Siehe GegenStandpunkt 1-15: Amerika
reicht dem kubanischen Volk die Hand zur
Freundschaft
(Obama) –
Die USA besinnen sich auf ihren Dollar-Imperialismus
[9] Die kubanischen
Militär- und Geheimdienste dürfen nicht von den
Vereinigten Staaten, ihrer Bevölkerung, ihren Reisenden
oder ihren Unternehmen profitieren... Wichtig ist, dass
unsere Politik konkrete Maßnahmen beinhaltet, um zu
verhindern, dass US-Dollar die kubanischen Militär-,
Sicherheits- und Nachrichtendienste erreichen.
(US-Sicherheitsberater
Bolton)
[10] Wir müssen
Kuba zur Rechenschaft ziehen, und alle US-Kläger
sollten die Vermögenswerte zurückfordern, die von der
kubanischen Regierung beschlagnahmt wurden. Geschäfte
mit Kuba sind es nicht wert, mit konfisziertem Eigentum
gehandelt zu haben
, so US-Außenminister Pompeo am
4. März. (zit. Nach RT, 7.3.19) Ein hoher Beamter im
US-Außenministerium
: Wir werden nicht zulassen,
dass diejenigen, die mit enteigneten Gütern handeln,
ungeschoren davonkommen. Jedes Unternehmen, das mit
solchem fremden Eigentum handelt, könnte nach diesem
Gesetz haftbar gemacht werden.
(euractiv.de, 18.4.19)
[11] Ausführliche Darstellungen der Absichten dieser Linksregierungen in Lateinamerika, gegen welche Verhältnisse sie aufbegehren, an welchen Widersprüchen sie sich abarbeiten und was aus ihren nationalen Aufbruchsprogrammen geworden ist, finden sich in den Artikeln: ‚Linksruck‘ in Lateinamerika – Venezuelas Aufstand im Hinterhof der USA in GegenStandpunkt 1-07; Venezuela – Der Niedergang des ‚bolivarischen Sozialismus‘ und seine Gründe in GegenStandpunkt 2-18; Kubas jüngster ‚Aufbruch zum Sozialismus‘ – Staatlich organisierter Drittweltkapitalismus in GegenStandpunkt 1-12
[12] Im Fall
Venezuelas z.B., so Trumps Sicherheitsberater, liegt es
im unmittelbaren strategischen und ökonomischen
Interesse der USA, sich die Kontrolle über den Öl-Staat
und damit den ungehinderten geschäftlichen Zugriff auf
dessen Ölquellen zu sichern. Wir sind derzeit in
Gesprächen mit großen amerikanischen Unternehmen... Es
würde einen erheblichen ökonomischen Unterschied für
die Vereinigten Staaten bedeuten, wenn amerikanische
Ölunternehmen in die venezolanischen Ölkapazitäten und
die Ölproduktion investieren könnten.
(Bolton im Fox-News-Interview, 29.1.19)
So gehen Gewalt und Geschäft zusammen.
[13] In Bolivien steht
im Oktober womöglich die Wiederwahl der linken
Regierung Morales an. Die dortige Opposition hat sich
schon mit der Bitte an die US-Regierung gewandt, zu
intervenieren, um die erneute Kandidatur von Morales zu
verhindern
(amerika21.de,
25.4.19).
[14] Unter dem Applaus
von US-Außenminister Pompeo – So wird Wohlstand
geschaffen, so werden Demokratien gestärkt – durch
Wähler, die für mutigere Visionen optieren; durch
Länder, die ihre eigenen internen Feinde bekämpfen und
sich für neue Außenbeziehungen öffnen. Wir dürfen nicht
unterschätzen, wie bedeutsam dieser Moment ist für
unsere Hemisphäre
(US-Außenminister Mike Pompeo, 12.4.19)
– gründet sich Ende März das neue rechtsnationale
Staatenbündnis Prosur als erklärtes Gegenmodell zu dem
damit endgültig erledigten linksgerichteten Unasur.
Venezuela wird die Aufnahme verweigert, Guaidó aber
bereits ein Aufnahmeangebot unterbreitet.
[15] Unser Ziel ist
es sicherzustellen, dass diese ausländischen Einflüsse
keine Kontrolle über Venezuela ausüben und dass sie die
Vereinigten Staaten und unsere Interessen in unserer
eigenen Hemisphäre nicht beeinträchtigen... Wir reden
hier also davon, eine sozialistische Autokratie zu
entmachten und die Monroe-Doktrin in der westlichen
Hemisphäre am Leben zu erhalten, damit Mächte außerhalb
der Hemisphäre nicht diktieren, was hier vor sich geht.
Ich denke, es ist eine sehr wichtige Angelegenheit für
die Vereinigten Staaten und wirklich für alle anderen
in der Hemisphäre.
(Bolton im
Breitbart-Interview, 21.3.19)