„Rocket Man“ vs. „dementer US-Greis“
Nordkoreanisch-amerikanische Fortschritte in Sachen Souveränität und Weltmacht
Im Frühsommer 2017 eskaliert zwischen Nordkorea und den USA der (atom-)kriegsträchtige Konflikt, von dem die professionellen Beobachter des Zeitgeschehens einerseits wissen, dass er Tradition hat, andererseits, dass diesmal die Dinge doch etwas anders, viel gefährlicher liegen als bisher. Anders nimmt sich heuer auf jeden Fall die von ihnen vorgenommene Verteilung von Schuldsprüchen aus, die sie, ihrer eigenen Tradition folgend, schon für das vollgültige Urteil über die Sache halten. In dieser Hinsicht ist ein neuer Trend zu etwas mehr Ausgewogenheit zu vermelden: Nordkorea wird bisweilen tatsächlich so etwas wie ein – zynisches, aber immerhin – „nachvollziehbares Kalkül“ attestiert; umgekehrt müssen sich die USA, die ja seit Jahresbeginn der bei uns nicht so gut beleumundete D. Trump regiert, von ihnen „wenig hilfreiche Scharfmacherei“ bis hin zu „bewusster Eskalation“ und gar „eine für die ganze Welt gefährliche Kriegstreiberei“ vorwerfen lassen.
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Systematischer Katalog
Länder & Abkommen
Gliederung
- I. Nordkorea: Antiamerikanische Souveränität als Staatsraison
- II. USA: Doppelter Kampf gegen einen alten Störfall und einen neuen Rivalen an der pazifischen Gegenküste
- 1. Der US-amerikanische Ärger über Nordkorea: ein unzeitgemäßer staatlicher Störfall, der seinen Exitus verweigert
- 2. Die eigentliche pazifische Herausforderung für Amerika: Chinas Aufstieg zum strategischen Rivalen
- 3. Amerikas Strategien für die Lösung seiner beiden pazifischen Ordnungsprobleme: den einen Problemfall zum Mittel der Lösung des jeweils anderen machen
- 4. Die widersprüchliche Bilanz der amerikanischen Doppelstrategie gegen Nordkorea und China
- III. Amerikanische Korea-Politik unter Trump: „America first!“ in Nordost-Asien
„Rocket Man“ vs. „dementer
US-Greis“
Nordkoreanisch-amerikanische
Fortschritte in Sachen Souveränität und Weltmacht
Im Frühsommer 2017 eskaliert zwischen Nordkorea und den
USA der (atom-)kriegsträchtige Konflikt, von dem die
professionellen Beobachter des Zeitgeschehens einerseits
wissen, dass er Tradition hat, andererseits,
dass diesmal die Dinge doch etwas anders, viel
gefährlicher liegen als bisher. Anders nimmt sich heuer
auf jeden Fall die von ihnen vorgenommene Verteilung von
Schuldsprüchen aus, die sie, ihrer eigenen Tradition
folgend, schon für das vollgültige Urteil über die Sache
halten. In dieser Hinsicht ist ein neuer Trend zu etwas
mehr Ausgewogenheit zu vermelden: Nordkorea wird
bisweilen tatsächlich so etwas wie ein – zynisches, aber
immerhin – nachvollziehbares Kalkül
attestiert;
umgekehrt müssen sich die USA, die ja seit Jahresbeginn
der bei uns nicht so gut beleumundete D. Trump regiert,
von ihnen wenig hilfreiche Scharfmacherei
bis hin
zu bewusster Eskalation
und gar eine für die
ganze Welt gefährliche Kriegstreiberei
vorwerfen
lassen.
Auf diese Weise kommt weder zur Sprache, was der weltpolitische Gehalt des mehr als 60 Jahre andauernden Konfliktes war und ist, noch das, was die wirklichen Neuerungen des Jahres 2017 sind.
I. Nordkorea: Antiamerikanische Souveränität als Staatsraison
1. Das Programm: Sicherheit und Unabhängigkeit für (ganz) Korea – von den USA und überhaupt
Was das Regime in Pjöngjang mit seinen Bomben und Raketen politisch will, warum es sie für nötig und berechtigt hält, verraten die diplomatischen Verlautbarungen, ohne die auch die permanent der Geheimniskrämerei geziehenen nordkoreanischen Betonköpfe keinen Kernwaffen- oder Raketentest über die Bühne gehen lassen:
„Die nuklearen Abschreckungswaffen der Demokratischen Volksrepublik Korea sind Mittel legitimer Selbstverteidigung, deren Anwendung nur als letzte Option gedacht ist...
Unsere nationale Nuklearstreitmacht soll von einem Krieg gegen uns abschrecken; sie soll der nuklearen Bedrohung durch die USA ein Ende setzen und eine militärische Intervention verhindern. Unser Endziel ist ein Machtgleichgewicht zwischen uns und den USA...
Für den Fall, dass die USA und ihre Vasallen irgendwelche Anzeichen für einen ‚Enthauptungsschlag‘ gegen unsere Kommandozentralen oder einen anderen militärischen Angriff auf unser Land zu erkennen geben, werden wir dem mit gnadenlosen Präventivschlägen zuvorkommen. Wir haben jedoch keinerlei Absicht, Nuklearwaffen gegen Länder einzusetzen oder damit zu drohen, die sich nicht an amerikanischen Militäraktionen gegen Nordkorea beteiligen.“ (Außenminister Ri Yong Ho vor der UNO-Vollversammlung am 23.9.17)
Auffällig daran ist einerseits die Beschränktheit in der
Zwecksetzung des nationalen Atompotenzials, die für die
imperialistischen Atommächte der ersten Garnitur nie und
nimmer in Frage käme: Nordkorea erklärt, dass sich seine
Atomstreitmacht gegen einen einzigen, ganz
konkreten Gegner richtet: Amerika nebst Vasallen.
Dem droht es präventive Gegenschläge an, die es ohne jede
Beschönigung selbst als gnadenlos
bezeichnet. Die
andere Seite dieses sehr speziellen Zwecks der
nordkoreanischen Atomstreitmacht ist also der Anspruch
darauf, dass diese eben niemand geringeren als die mit
Abstand größte atomare und konventionelle Militärmacht
der Welt davon abzuschrecken habe, per Invasion
oder Enthauptungsschlag
Nordkorea militärisch zu
besiegen, um es unter amerikanische Oberherrschaft zu
bringen.
Denn dass Amerika das vorhat, dessen ist sich die nordkoreanische Führung absolut sicher. Das lehrt sie ein Blick in die Geschichte:
„Die USA haben vom ersten Tag der Staatsgründung an Sanktionen gegen unser Land verhängt, und die über 70-jährige Geschichte der DVRK kann man mit Recht als die Geschichte eines hartnäckigen Kampfes um eigenständige Entwicklung unter der Last der härtesten Sanktionen der Welt bezeichnen.“ (Ebd.)
„Während des Koreakriegs in den 1950-er Jahren drohten die USA mit dem Einsatz von Nuklearwaffen gegen die DVRK und stationierten nach dem Krieg als Erste Atomwaffen auf der Koreanischen Halbinsel. Während des Kalten Krieges begannen die USA mit groß angelegten Militärmanövern gegen die DVRK, die sie nach dem Ende des Kalten Krieges in Umfang und Aggressivität noch steigerten, indem sie die Manöver mehrmals im Jahr durchführten und immer mehr strategische Nuklearwaffen mobilisierten. Was könnte eine größere Bedrohung sein als das brutale Gerede, uns mit ‚Feuer und Zorn‘ oder mit ‚totaler Zerstörung‘ zu überziehen, und das vom höchsten Amtsträger der größten Nuklearmacht der Welt.“ (Ebd.)
Was diese Verweise auf die Geschichte tatsächlich belegen, ist der Umstand, dass die USA mit dem von ihnen während des Korea-Krieges großflächig zerstörten, aber nicht besiegten Nordkorea nie ‚normale‘ Beziehungen aufgenommen haben: Den Übergang dazu, die Existenz Nordkoreas anzuerkennen und als positiven Ausgangspunkt des Umgangs mit ihm zu nehmen, haben sie nie gemacht. Was diese negative Stellung zu Nordkorea genau bedeutet, war vierzig Jahre lang entschieden: Amerika respektierte die Schutzgarantie der Sowjetunion und behandelte die Halbinsel mit ihren beiden Staaten als Bestandteil der globalen Konfrontation mit dem Ostblock; eine militärische Revision des Ergebnisses des Korea-Krieges war ohne das Risiko eines Atomkrieges mit der Sowjetunion nicht zu haben, in den Kalkulationen der US-Strategen ein solcher Versuch darum nicht lohnend. Die entscheidende Wende trat mit dem Ende des Kalten Krieges ein: Seitdem steht Nordkorea ohne eine Schutzmacht vom Schlage der weltkriegsbereiten Sowjetunion da, und die USA praktizieren – mit unterschiedlicher Dringlichkeit und unterschiedlichen Methoden – den Standpunkt, dass sie sich nicht mit der souveränen Existenz Nordkoreas abfinden müssen.
Dieser Weigerung Amerikas, Nordkorea als respektablen
Souverän anzuerkennen, setzen dessen sozialistische
Führer ihren kongenialen Standpunkt unerfüllter
nationaler Souveränität, also den Kampf um die
nationale Souveränität als Programm entgegen.
Von daher besteht für das nordkoreanische Regime die
eigentliche Auseinandersetzung mit Amerika im Ringen um
nationale Würde
und Souveränität
Koreas;[1] und
die sind ohne Befreiung der Koreanischen Halbinsel von
unmittelbarer amerikanischer Besatzung und überhaupt von
amerikanischer wie von jeder anderen ausländischen
Bevormundung, letztlich ohne die staatliche Vereinigung
Koreas gegen alle spalterischen Kräfte im Süden, die sich
zum Helfershelfer der US-Politik machen, nicht zu haben.
Das ist die nach wie vor verfochtene Gründungsraison,
zugleich das höchste, in den aufeinanderfolgenden Kims
personifizierte, durch die staatliche Existenz eines von
Kim und der Partei geführten nördlichen Rumpfkorea
staatspolitisch verbürgte, perspektivisch durch einen von
Nordkorea bestimmten und dominierten Vereinigungsprozess
zu verwirklichende Recht des koreanischen Volkes.[2]
Ganz sicher ergibt sich auch dieser nationalistische Wiedervereinigungsfanatismus nicht aus der Geschichte oder der Geschichte seiner Bestreitung. Es war und ist schon die patriotische Leistung der nordkoreanischen Führungen, ihr Regiment über den nördlichen Teil der Halbinsel und seine Einwohner, früher ihre Integration ins sowjetische Lager, heute ihre von Amerika sehr weitgehend ge- und zerstörten Beziehungen zu irgendwie an Nordkorea interessierten Auslanden entschlossen diesem Zweck zu subsumieren. Mit dieser Entschlossenheit ordnen sie allen staatlichen Materialismus dem entsprechenden Programm unter, organisieren also ihren Sozialismus im Innern einschließlich der Beziehungen zum Rest der Staatenwelt dafür, legitimieren sich damit zugleich gegenüber ihrem für diesen Zweck beherzt verwendeten und verschlissenen Volk und agitieren überdies die Brüder und Schwestern im Süden nach Kräften für diese Perspektive koreanischer Volkseinheit.[3]
Nur liegt es eben offenbar auch in der Logik dieses von den Kims und ihrer Partei verfochtenen Standpunktes, dass der sich an jedem Moment der Bestreitung von Seiten Amerikas bestätigt sieht und schärft. Dass dieser auf ganz Korea gerichtete Zweck mit der Kapitulation des Ostblocks eine entscheidende Grundlage verloren und sich seine Praxis innerhalb einer historischen Sekunde in einen Überlebenskampf der nördlichen Rumpfnation gegen das Exitus-Gebot der USA verwandelt hat, macht ihren Kampf in der vaterländischen Logik der nordkoreanischen Führer nur umso nötiger und legitimer. Und dass die USA ihre Präsenz im Süden Koreas als Basis für die militärische Bedrohung des Nordens und damit als eine entscheidende Grundlage für ihr auf Brechung des widersetzlichen Staatswillens zielendes Sanktionsregime benutzen und ausbauen, beweist den Führern Nordkoreas Notwendigkeit und Legitimität ihres Standpunkts, dass die Souveränität ihres Staates mit ihrem Wiedervereinigungsprogramm zusammenfällt, welches auf die Befreiung ganz Koreas von amerikanischer Präsenz zielt. An Amerika stellen sie immer wieder fest, wie wenig es auch in Phasen ‚diplomatischer Annäherung‘ gewillt ist, die nordkoreanische Souveränität samt ihrem anti-amerikanischen gesamtkoreanischen Inhalt hinzunehmen, wie sehr es umgekehrt auf die materielle Schwäche, letztlich die Unhaltbarkeit des nordkoreanischen Staatswillens kalkuliert. Gerade darum brauchen und verlangen sie jenseits aller bis dato noch stets feindseligen Kalkulationen mit ihrem Staat unbedingte Existenzgarantien von Amerika, die in ihrer Unbedingtheit als berechnende Konzession Amerikas nicht zu haben, also in diesem Sinne per se unrealisierbar sind.
Das erklärt den unerbittlichen Willen der Nordkoreaner zu einer Atomstreitmacht als einem Mittel, das die amerikanische Anerkennung ihres souveränen Regimes über Land und Leute im Norden einschließlich ihrer weitergehenden Ansprüche auf den Süden per Abschreckung erzwingt. Eine Waffe, die die USA womöglich sogar auf ihrem eigenen Territorium beschädigen kann, ist die beanspruchte Existenzgarantie, die Nordkorea von keiner alternativen Schutzmacht – weder von Russland noch von China – erhält. Zwar garantiert die Verfügung über Nuklearwaffen praktisch nicht mehr als ein neues Maß an Skrupeln vor kriegerischen Zerstörungsaktionen beim Gegner;[4] zugleich ist die Beschaffung dieser Waffe für Nordkorea ohne ziemlich weitgehende Ausrichtung aller nationalen Anstrengungen auf das Atom- und Raketenprogramm, einschließlich der Inkaufnahme aller zusätzlichen Schwierigkeiten durch die amerikanischen Bestrafungsaktionen für dieses Programm, nicht zu haben. Aber das verbuchen die vaterländisch gesinnten Nordkoreaner als Preis dafür, sich keiner fremden Macht beugen zu müssen, den sie darum nur an sich selber zahlen und der sich darum – egal wie hoch – per se lohnt. Weil der nordkoreanische Staatswillen ausgehend von der nie bereinigten Feindschaft Amerikas seine Souveränität zum positiven Programm erhoben hat, ist das ultimative Mittel der Souveränität mehr als bloßes, nach Kosten und Nutzen zu kalkulierendes Mittel – es wird selber Bestandteil der Raison, der es eine für niemanden hintergehbare Geltung verschaffen soll.[5] Auf diese Weise behauptet sich Nordkorea gegen alle diplomatisch mal mehr als Erpressung, mal mehr als Angebot vorgetragenen Entwaffnungsversuche der USA. Damit nervt es auch den Rest der Welt, gerade seine verbliebenen ‚Partner‘, insbesondere die chinesischen, denen es den Gefallen einfach nicht tut, wegen seiner existenziellen Abhängigkeit von ihnen einzusehen, dass es um der Pflege der Partnerschaft willen auf deren Drängen in Sachen nuklearer Abrüstung eingehen muss, um von Amerika irgendwann einmal die verlangte ‚Normalisierung‘ konzediert zu bekommen.[6] Es liegt wiederum in der Logik der Sache, dass sich dieser Standpunkt in seinem Inhalt und in seiner Intransigenz mit jedem praktischen Fortschritt in der Ausrüstung bestätigt sieht und irgendwann von Pjöngjang auch die formelle Bereitschaft außer Verkehr gezogen wird, dass es in der Atomfrage irgendetwas zu verhandeln gäbe.[7]
2. Die große, aber begrenzte Errungenschaft: eine offensichtlich wirksame Abschreckung gegen die USA, die diese nicht zur Anerkennung Nordkoreas bringt
Tatsächlich hat es Nordkorea dahin gebracht, dass den USA die beanspruchte Freiheit des Kriegführens in Bezug auf diese asiatische Nation abhandengekommen ist; es hat sich das entscheidende Mindestmaß an Existenzsicherheit verschafft: Seinen antiamerikanischen Standpunkt kann es sich leisten, weil es inzwischen glaubwürdig dazu in der Lage ist, den USA die Kalkulation aufzunötigen, ob sie sich einen Krieg gegen Nordkorea angesichts der damit verbundenen Zerstörungen bei amerikanischen Truppen in und um Korea, im weiteren Pazifik, womöglich auf dem heiligen Boden des amerikanischen Kernlandes selbst leisten wollen. Es kann die USA atomar verwunden, baut sich selbst, wie beschränkt und unter welchen Gegendrohungen auch immer, als Bedrohung auf und nötigt den übermächtigen Gegner daher zu einer neuen Qualität von Kalkulationen – zu solchen eben, die gegenüber einer zwar kleinen, aber veritablen Atommacht fällig sind.
Genau das charakterisiert zugleich den begrenzten Charakter des strategischen Erfolges Nordkoreas: Von einem Invasionskrieg, womöglich irgendwelchen Äquivalenten dazu, hat es die USA zwar abgeschreckt, womit aber umgekehrt gesagt ist, dass die angedrohte Gegenzerstörung einstweilen das einzige ist, was die Weltmacht von der Zerstörung Nordkoreas abhält. Dass sich deren globale Militärmacht und der mit ihr verbundene Unverwundbarkeitsanspruch an der atomaren und Raketenbewaffnung Nordkoreas relativieren, hat für das asiatische Land nicht dazu geführt, von den USA als legitime Macht, als in diesem Sinne ihresgleichen respektiert zu werden. Den Übergang von der erfolgreichen Selbstbehauptung seiner praktisch und umfassend angefeindeten Existenz zur Anerkennung als souveränes Subjekt, das Quelle und höchste Instanz seines Rechts ist und sein soll und mit dem sich auf dieser Basis politisch und ökonomisch ins Benehmen zu setzen ist, verweigern die USA nach wie vor. Von einer solcherart gestrickten ‚Normalisierung‘ ist Nordkorea im Verhältnis zu Amerika heute sogar weiter entfernt als je innerhalb der letzten fünfundzwanzig Jahre, was von den USA aus ganz selbstverständlich die Bemühung einschließt, eine solche ‚Normalisierung‘ auch für die Beziehungen zu den anderen Staaten der Welt zu verhindern.
Die Gründe dafür, dass sich die USA angesichts der jüngsten Erfolge Nordkoreas bei seiner Ausstattung mit nuklearen Abschreckungskapazitäten so hartnäckig weigern, sich mit der Existenz eines tatsächlich autonomen Korea abzufinden, und dass sie inzwischen sogar offen mit einem atomaren Krieg drohen und den auch vorbereiten, liegen ganz bei der Weltmacht selbst, ihrer Definition der Verbrechen Nordkoreas und dem neuen Standpunkt, den sich die USA unter Trump – nicht nur – in Bezug auf diesen traditionellen Feind Amerikas und den passenden Umgang mit ihm zugelegt haben.
II. USA: Doppelter Kampf gegen einen alten Störfall und einen neuen Rivalen an der pazifischen Gegenküste
1. Der US-amerikanische Ärger über Nordkorea: ein unzeitgemäßer staatlicher Störfall, der seinen Exitus verweigert
Mit dem Abgang der Sowjetunion als Weltmacht und der Auflösung ihres sozialistischen Blocks haben die USA ihren Anspruch auf die Botmäßigkeit aller Staaten: darauf, dass die Souveränität dieser Subjekte und deren Gebrauch für die von ihnen gestaltete und garantierte Weltordnung nützlich zu sein habe oder nicht gelten darf, auch auf alle Bestandteile des aufgelösten östlichen Lagers ausgeweitet. Was für Nordkorea vor etwas mehr als einem Vierteljahrhundert den Wegfall ihrer bis dahin entscheidenden Lebensgrundlage und Existenzversicherung bedeutete, kam daher für die USA dem endgültigen Unrechtsurteil über das Regime in Nordkorea gleich. Mit der Existenz des von ihnen nie anerkannten, immer nur als Teil der atomar hochgerüsteten Weltkriegsfront hingenommenen nordkoreanischen Staates wollten sie sich nun endgültig nicht mehr abfinden. Wie es sich für die Weltmacht gehört, konnten ihre Führer diesen Anspruch auf Bereinigung des koreanischen Restpostens aus dem Kalten Krieg zu keinem Zeitpunkt von der Diagnose staatlichen Niedergangs und der damit verbundenen Prognose alsbaldigen Zusammenbruchs unterscheiden.
Umso ärgerlicher war und ist daher für die USA
erstens die Tatsache, dass sich das von ihnen
für unzeitgemäß, also für illegitim erklärte Regime
keineswegs in der geforderten Weise von seiner Raison
staatlicher Unabhängigkeit verabschiedet und die
nordkoreanische Art, Staat, Ökonomie und Volk zu
organisieren, als großen historischen Fehler
weggeschmissen und bei den USA angefragt hat, wie es sich
nach dem Geschmack der Supermacht fürderhin in deren
Weltordnung einfinden dürfe. Noch viel ärgerlicher ist
darum zweitens der Umstand, dass dieses Regime
den Willen und die Fähigkeit aufbringt, dem eigenen gegen
das amerikanische Abdankungsgebot und die entsprechende
amerikanische Politik gerichteten Überlebenswillen auch
die nötigen ökonomischen und militärischen Mittel zu
verschaffen und auch sein Volk auf Linie zu halten.
Tatsächlich hat es diese Nation nicht nur gewagt, sondern
geschafft, sich militärisch soweit auszustatten, dass die
USA insofern abgeschreckt sind, als der Gegner
mit seinen Atomwaffen einen Sieg der USA dramatisch zu
verteuern droht. Und das stellt drittens
überhaupt einen Einspruch gegen den Status und die
Fähigkeiten dar, die Amerika für sich und alle seine
wirklichen oder potenziellen Vorhaben beansprucht: Für
ihre allemal kriegsträchtige und oft genug kriegerische
globale ‚Machtprojektion‘ als Schutzmacht ihrer
Weltordnung beanspruchen sie die garantierte
Unverwundbarkeit, weswegen sie deren Relativierung durch
den Feindstaat Nordkorea als Angriff definieren, gegen
den sie sich zur Wehr setzen müssen. Diese untragbare
Potenz Nordkoreas wiederum verweist die USA
viertens auf das Ärgernis, dass der Störfall
Nordkorea mit seinen widersetzlichen nationalen
Souveränitätsansprüchen offensichtlich bloß ein Exempel
dafür ist, dass überhaupt zu viel un- und
anti-amerikanische Politik in der von Amerika
beaufsichtigten Staatenwelt betrieben wird – sonst hätte
sich dieser Störenfried ja nicht halten können.
Und angesichts dessen ist es fünftens schon
gleich nicht hinnehmbar, dass Nordkorea sich den von
Amerika traktierten Staaten der dritten bis vierten Liga
nicht nur als ein eben solches Exempel erfolgreichen
Widerstands anpreist, sondern mit dem Verkauf der
Produkte nordkoreanischer Könnerschaft bezüglich
konventionellen Waffen- und Raketenbaus und der
Atomtechnologie dafür sorgen will, dass diese es ihm
gleichtun. Und das alles – sechstens – in einer
Region, in der die USA Probleme und Herausforderungen zu
bewältigen haben, denen sie unter Titeln wie Amerikas
pazifisches Jahrhundert
selbst die Bedeutung
zusprechen, dass sich an denen entscheidet, was die
amerikanische Weltmacht demnächst überhaupt noch vermag.
Fest steht also: Dieser Staat muss weg.[8]
2. Die eigentliche pazifische Herausforderung für Amerika: Chinas Aufstieg zum strategischen Rivalen
Das renitente, sich in die Welt- bzw. asiatisch-pazifischen Regionalordnungsvorstellungen der USA partout nicht einordnende Nordkorea stört die Kreise Amerikas ausgerechnet in einer Region, die die Sorgen amerikanischer Weltpolitiker und Strategen aus dem ganz anders gearteten Grund auf sich zieht, dass dort die Staatenkonkurrenz um Geld und Macht gemäß den Freiheiten und Regeln, die Amerika der Welt verordnet hat, zu prekären Resultaten geführt hat, die es als Supermacht des Weltkapitalismus und seiner Ordnung herausfordern.
„Die USA sind und bleiben eine pazifische Macht, und sie werden es bleiben. Über die nächsten fünf Jahre gerechnet, erwarten wir, dass fast die Hälfte des Wachstums außerhalb der Vereinigten Staaten aus Asien stammt. Daher besteht für die Entwicklung der Sicherheitslage in der Region – einschließlich umstrittener maritimer Gebietsansprüche und eines provozierend auftretenden Nordkorea – ein Risiko weiterer Eskalation und Konflikte. Amerikanische Führerschaft wird für die Gestaltung der langfristigen Perspektiven für die Region entscheidend bleiben, um Stabilität und Sicherheit zu verbessern, freie und transparente Geschäfts- und Handelsbeziehungen zu ermöglichen und die Achtung universeller Freiheitsrechte zu gewährleisten.“ („National Security Strategy“, Februar 2015)
Aus Sicht amerikanischer Strategen ist der Zusammenhang
von erfreulicher kapitalistischer Prosperität der Region,
an der sie ihre Nation angemessen beteiligen wollen, und
damit einhergehenden strategischen Risiken in Sachen
regionaler Stabilität und Sicherheit
, die nach
amerikanischer Führerschaft
verlangen, glasklar.
Womit ebenfalls klar ist, dass die Volksrepublik China
die eigentliche pazifische Herausforderung für die USA
darstellt: Sie ist nämlich erstens der Hauptposten des
riesigen kapitalistischen Wachstums Asiens, das nach
Ausnutzung durch Amerika schreit. Und sie spielt zweitens
die Hauptrolle bei der von Amerika besorgt beobachteten,
sich in Richtung Eskalation
bewegenden
Sicherheitsdynamik
, weil sie mehr als alle anderen
dort Konflikte eskaliert
– nicht zuletzt durch
ihre immer neuen maritimen Territorialansprüche
.
Zu dieser herausgehobenen Bedeutung in der strategischen Betrachtung der Region seitens der USA hat es China durch einen Aufstieg qualitativ eigener Art gebracht. Untergeordnet unter die Ansprüche der USA an wohlverstandene Eigeninteressen im Rahmen der von ihnen beaufsichtigten kapitalistischen Welt war China noch nie. Amerika hat die große Volksrepublik vielmehr schon seit Jahrzehnten als eigenständige strategische Macht mit eigenen Atomwaffen und Sitz im Sicherheitsrat anerkannt. Die als nationalen Aufbruch souverän vollzogene kapitalistische Wende Chinas haben die USA prinzipiell begrüßt und zum Auftakt für den hoffnungsfrohen Versuch genommen, China in ihre Weltordnung einzubauen: Unter der doppelten Losung und Zielstellung, ‚keinen neuen Kalten Krieg gegen den Aufsteiger in Asien‘ führen und doch auch ‚nie wieder einen gleichrangigen Rivalen hochkommen lassen‘ zu wollen, hat Amerika sich daran gemacht, Chinas kapitalistischen Ein- und Aufstieg ökonomisch für sich auszunutzen und ihm zugleich mit beherzt und besonnen ausgeübter US-Leadership strategisch die Spitze einer neuen Konfrontation auf Weltmachtebene abzubrechen. Die Zeichen, soweit die amerikanischen Weltmachtstrategen sie zur Kenntnis genommen und gelesen haben, standen für diesen Versuch ja auch nicht ganz schlecht.
Seinen Auftritt auf dem Weltmarkt hat China schließlich zu den geltenden Konditionen praktiziert, allen voran nämlich derjenigen, dass auf dem Weltmarkt Dollars zu verdienen sind. Mit seinen Erfolgen auf dem Dollarweltmarkt und der Anlage der verdienten Milliarden in US-Schatzpapiere hat es zugleich den Dollarkredit ökonomisch beglaubigt, den Amerika: seine Finanzkapitale und sein Staat permanent in die Welt setzen. Zudem haben amerikanische Kapitale an den Exporterfolgen Chinas bestens mitverdient und sich über die noch viel besseren Perspektiven einer gänzlichen Öffnung der Volksrepublik für ihre mit Dollarkredit gerüsteten Erschließungsvorhaben gefreut. Dass die Herrscher in Peking stets darauf geachtet haben, ihr Land nur so weit dem Weltmarkt zu öffnen, dass es ihrem nationalen Aufbruchsprojekt nützt und ihre Kontrolle darüber nicht gefährdet, hat die amerikanische Freude und Zuversicht lange Zeit nicht prinzipiell trüben können, sondern ist in einen seitdem geführten Dauerstreit über die Konditionen für Handel und Investitionen überführt worden. Obendrein waren sich die amerikanischen Weltpolitiker lange Zeit sehr sicher, dass die immer weiter gehende Einführung der freiheitlichen Marktwirtschaft in einer Nation über kurz oder lang dazu führen müsse, dass auch die politische Herrschaft über das Volk auf die von Amerika für die ganze Welt vorgesehenen Prinzipien freiheitlicher Demokratie umgepolt wird, also der nationale Kapitalismus die Herrschaft der Partei zersetzen und Amerika die nötigen Mittel und Hebel zuspielen werde, auf die Willensbildung der chinesischen Führung konstruktiv einzuwirken.
Was daneben und darüber hinaus den zunehmenden Ehrgeiz
Chinas anbelangt, auch eigene Sicherheitsbedürfnisse
immer ausgreifender zu definieren und sich als
Ordnungsmacht in die regionale Sicherheitsdynamik
einzuklinken: Auch auf diesem Feld waren die USA davon
überzeugt, dass es ihnen als einzig verbliebener und
einzigartiger Weltmacht gelingen könne, die durchaus als
Herausforderung, perspektivisch gar ein echtes Problem
für ihren Monopolanspruch auf regionale und globale
Ordnungsstiftung begriffene Umtriebigkeit der neuen Macht
sowohl einzuhegen als auch nützlich zu machen. Die
Verknüpfung zum Störfall Nordkorea hat sich für sie ganz
von selbst ergeben.
3. Amerikas Strategien für die Lösung seiner beiden pazifischen Ordnungsprobleme: den einen Problemfall zum Mittel der Lösung des jeweils anderen machen
Eine solche Verknüpfung lag und liegt für Washington aus doppeltem Grund nahe. Denn was immer China von bzw. auf der Koreanischen Halbinsel will, für den Blick amerikanischer Strategen liegt Nordkorea erstens strategisch interessant exponiert im Osten der chinesischen Landmasse: Es hat mit China eine 1000 km lange Landgrenze und ist daher – je nachdem – ein Puffer für oder eine Aufmarschbasis gegen China; zudem bildet es im Westen des Japanischen Meeres die Gegenküste zu Japan, versperrt bzw. eröffnet – je nach strategischer Zuordnung – also den Zugang zu diesem Meer. Der Süden der Koreanischen Halbinsel ist mit ca. 30 000 anwesenden US-Soldaten ein großer US-Stützpunkt; Südkorea ist ein Staat, den die USA voll und ganz zu ihren strategischen Besitzständen rechnen – eine Basis also, auf der sich aufbauen lässt. Zweitens hängt Nordkoreas ökonomischer und politischer Bestand an der Zusammenarbeit mit China.
Nordkorea hatten die USA, wie gesagt, für überlebt und eigentlich nicht lebensfähig erklärt, nachdem seine als solche agierende sowjetische Schutzmacht abgetreten war. Darauf, dass sich diese Diagnose und Prognose von selbst erfüllt, haben die USA natürlich nicht gewartet, sondern das Ihre getan, um darauf hinzuwirken. Sie haben sich tatsächlich alle Optionen für eine Beseitigung des widersetzlichen nordkoreanischen Staatswillens offenhalten wollen, wobei den amerikanischen Strategen stets klar war, dass ohne eine glaubwürdige militärische Drohkulisse kein wirksamer Druck auf das uneinsichtige Regime in Richtung Selbstaufgabe auszuüben ist. Also haben die USA über die Jahre hinweg ihre ohnehin vorhandene militärische Präsenz vor Ort aufrechterhalten, modernisiert, ausgebaut. Regelmäßig haben sie zusammen mit Südkorea großangelegte Manöver abgehalten, die – insbesondere während der Obama-Ära – für die nordkoreanische Militärführung den Übergang zum wirklichen Krieg bewusst unscharf machen sollte. Nordkoreanischer Rüstung haben sie ihre immer elaborierteren Abwehrmittel entgegengesetzt und so insgesamt für Nordkorea peu à peu eine dauerhafte Vorkriegslage geschaffen.
Dabei hatten Amerikas Strategen durchaus auch China im Auge: Der gegen Nordkorea gerichtete Aufmarsch des US-Militärs und seiner Verbündeten war von Amerika auch darauf berechnet, die absehbar wachsenden militärstrategischen Ambitionen Chinas vor seiner Haustür einzudämmen und damit perspektivisch kontrollierbar zu halten.
Die Stärkung der amerikanischen Präsenz samt demonstrierter Kriegsbereitschaft gegen Nordkorea, also in der unmittelbaren Nachbarschaft Chinas, war zugleich die Basis für eine zweite Verknüpfung der beiden amerikanischen Ordnungsanliegen:[9] China sollte – immer mit Blick auf die Betroffenheit von der anti-nordkoreanischen Konfrontationspolitik der Amerikaner – sein Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit der eigenen wachsenden Größe und Wichtigkeit dadurch unter Beweis stellen, dass es an prominenter Stelle an der Sorte Erledigung Nordkoreas mitwirkt, die die USA als Alternative zu einem nicht für opportun gehaltenen Krieg projektiert haben. Durch politische Isolation und wirtschaftliche Strangulation wollten die USA Nordkorea in eine Situation versetzen, in der sich Staaten ansonsten nur nach einem verlorenen Krieg befinden: zu den Bedingungen der Gegenseite kapitulieren zu müssen. Für eine solche ‚friedliche‘ Abwicklung des Falles Nordkorea brauchte Amerika China – und die restlichen relevanten Mächte der Region. Vor allem aber hat es sie dafür gebrauchen wollen, um die Einschnürung Nordkoreas bis zum Exitus für die strategische Einbindung Chinas und der anderen Anrainer zu benutzen, also die Frontbildung gegen Nordkorea zum Ausgangspunkt und ersten Fall einer „stabilen“, d.h. amerikanisch dominierten „asiatisch-pazifischen Regionalordnung“ zu machen. In die sollte sich China mit seiner – darin anerkannten – strategischen Bedeutung „einbringen“. Mit einer Nachfrage, was China denn so für Interessen in der Region und insbesondere in Bezug auf Korea verfolgen will, war dieses Angebot nie zu verwechseln; zum Zuge kommen durften und sollten die aus Sicht der amerikanischen Weltmacht ‚wohlverstandenen‘ Eigeninteressen Chinas, die damit als passend und nützlich für die amerikanischen Interessen an Chinas Rolle definiert waren.
Für diese Strategie haben die USA seinerzeit die
‚Sechs-Parteien-Gespräche‘[10] für das passende
diplomatische Forum gehalten, an denen die USA, China,
Japan, Südkorea, Nordkorea und Russland beteiligt waren.
Titel und Stoff dieser Diplomatie war das Atomprogramm
des von Bush jr. seinerzeit offiziell auf der Achse des
Bösen verorteten Nordkorea. Den Verzicht darauf sollten
die drei, vier anderen Mächte den Nordkoreanern
aufnötigen, indem sie ihre politischen und ökonomischen
Beziehungen zu dem Land als Erpressungshebel gegen es
geltend machen, über die die USA mangels Handelsaustausch
nicht verfügten. Das Angebot, Mitverantwortung
für
die Lösung des nordkoreanischen Atomproblems
zu
übernehmen, haben China und Russland gerne an- und
bewusst gegen den Zweck wahrgenommen, den Amerika damit
verbunden hat: Sie haben den Titel der
Veranstaltung – atomare Entwaffnung Nordkoreas, die für
die USA zugleich das Mittel dafür hat sein
sollen, Nordkorea seine Souveränitätspotenzen abspenstig
zu machen – für die Sache genommen, um die sie
sich kümmern wollten, was für sie eingeschlossen hat, die
USA zu einem Geben und Nehmen mit Nordkorea zu drängen,
das die letztlich nie im Programm hatten.
Die Bilanz, die die USA bezüglich ihrer Bekämpfungspolitik gegen Nordkorea und Einbindungspolitik gegenüber China während der Präsidentschaften von Clinton über Bush jr. bis zu Obama ziehen müssen, sieht entsprechend durchwachsen aus.
4. Die widersprüchliche Bilanz der amerikanischen Doppelstrategie gegen Nordkorea und China
Unwirksam ist die amerikanische Linie auf keinen Fall geblieben:
- Schöne Erfolge konnten die USA vor allem in Bezug auf die Isolation und Beschädigung Nordkoreas erzielen, die dessen Außenminister als die am längsten währenden, drakonischsten, umfassendsten, am besten überwachten Sanktionen in der Geschichte der zivilisierten Menschheit bezeichnet. Die Handelsbeziehungen, die Nordkorea – insbesondere zu China, das in Nordkorea inzwischen diverse Geschäftsgelegenheiten für sich gefunden hat, zu Staaten, die mit Nordkorea in Rüstungsfragen zusammenarbeiten usw. – unterhält, widerlegen nicht, sondern belegen, wie weitreichend es den USA gelungen ist, ihre Feindschaft gegen Nordkorea zur international zu beachtenden Rechtslage zu machen. Was den feinen Nebeneffekt hat, dass die von den USA jeweils heftigst inkriminierten Ausnahmen insbesondere beim Handel mit Rüstungsgütern als diplomatisch nützliche Beweise dafür herhalten dürfen, dass sich dieses Verbrecherregime auch beim Sanktioniert-Werden an keine internationalen Regeln hält und damit immer neue Gründe liefert, gegen Nordkorea mit aller Härte vorzugehen.
- Auch die Versuche der USA, die strategischen Weltmachtkonkurrenten China und Russland in ihr Vorgehen gegen Nordkorea einzubinden, sind nicht ohne Erfolg geblieben. Beide Nationen haben sich bedingt auf eine sanktionsbewehrte Atomabrüstungsdiplomatie eingelassen, weil ihnen an einem amerikanischen Aufwuchs vor ihren Grenzen tatsächlich nicht gelegen ist. Mit der Beteiligung an diesem Forum haben sie – natürlich aus strategischem Kalkül – die herausgehobene Rolle der USA anerkannt, also deren Kompetenz, solch ein weltpolitisches Forum überhaupt zu stiften und ihm die Agenda vorzugeben. Aus ihren Berechnungen heraus haben sie das Angebot an- und damit auch hingenommen, dass, wenn sie sich als anerkannt mitbestimmende Mächte in die regionale Ordnungsstiftung einschalten wollen, der von ihnen keineswegs geteilte amerikanische Unwille, sich mit der Existenz des feindlichen Regimes in Pjöngjang abzufinden, die gültige Vorgabe ist, an der sie sich abzuarbeiten haben.
- Und ganz nebenbei haben sich die USA während all der
Jahre erfolgreich als pazifische Militärmacht in neuer
Weise aufgestellt: Sie haben ihre dauerhafte militärische
Präsenz an den Grenzen ihres großen Rivalen China
insbesondere in den letzten zehn Jahren erheblich
verstärkt. Der findet sich inzwischen inmitten einer von
den USA nicht nur als strategisch wichtig, sondern als
strategischer Krisenherd definierten Region wieder, hat
also damit zu tun, dass die US-Militärmacht das Recht
beansprucht und die entsprechenden Mittel für das
Unterfangen auffährt, seine auf die Region und darüber
hinaus gerichteten Abschreckungspotenziale militärisch
wirksam zu beschränken. Dazu gehört auch, dass die USA
ihre beiden Verbündeten Südkorea und Japan nicht nur mit
Kriegsmaterial ausgerüstet, sondern inzwischen – auch
gegen gewisse Vorbehalte der beiden Nationen und
unbeschadet der Gegensätze zwischen ihnen – in eine
gemeinsame Front eingereiht haben, und Japan sich zu
einem Auftritt als kriegsbereite Ordnungsmacht in der
Region entschlossen hat, den die USA als Beitrag für ihr
Programm verbuchen.
Freilich ist die Beschränktheit der amerikanischen Erfolge nicht zu übersehen, am wenigsten für Amerikas Politiker selbst.
- Nordkorea hat sich seinen nationalistischen Schneid samt atomarem Schild nicht abkaufen lassen; nicht zuletzt darum, weil ein irgendwie akzeptabel gearteter, zu seinen fundamentalen Anliegen auch nur annähernd passender Kaufpreis von Seiten Amerikas nie wirklich im Angebot war. Die USA selbst haben der Auseinandersetzung mit Nordkorea – unbenommen aller zwischenzeitlichen, wie auch immer ernst oder von vornherein unernst gemeinten ‚Annäherungsdiplomatie‘ – einen derart fundamentalen Charakter verliehen, dass sich für Nordkorea eine allemal auf irgendeine Form von positiver Berechnung gemünzte Diplomatie erledigt hat. Dem Land bleibt nur die Alternative zwischen totaler Kapitulation und kriegsbereitem, atomkriegsfähigem Gegenhalten um jeden Preis. Und weil sich obendrein vor allem mit China eine Macht gefunden hat, die dem Selbstbehauptungs- und Souveränitätsprogramm Nordkoreas – unter Vorbehalten zwar, aber trotzdem – für sich so viel hat abgewinnen können, dass sie seinen Exitus per Strangulation verhindert, ist den USA die Eliminierung des inzwischen zu eigener defensiver Abschreckung fähigen Nordkorea nicht gelungen.
- Das verweist die US-Strategen auf einen zweiten Punkt
dessen, was sie nicht erreicht haben. Die von ihnen ins
Auge gefasste Funktionalisierung der chinesischen Macht –
für ihr projektiertes Äquivalent zu einem Krieg, der den
Problemfall Nordkorea definitiv löst, und überhaupt – ist
ihnen nicht gelungen. Zwar hat sich China – und mit ihm
Russland – zum Ziel einer
denuklearisierten Koreanischen Halbinsel
bekannt und darauf eingelassen, die atomare Bewaffnung der Kim-Regimes als Rechtsbruch zu definieren. Zugleich bestehen beide Großmächte aber auf diesem Buchstaben der UN-Rechtslage gegen den Geist, aus dem heraus, also gegen den Zweck, für den die USA diese Rechtslage geschaffen und durchgesetzt haben. Sie bestehen darauf, dass mit jedem Fortschritt bei der Beseitigung der nordkoreanischen Atomwaffen auch Gegenleistungen der USA fällig sind; ihr diplomatisches Argument dafür lautet, dass sich Nordkorea nun einmal nur auf eine Abrüstung einlasse, soweit auch die Kriegsbereitschaft der USA und ihrer Verbündeten im Gegenzug zurückgefahren werde. Ihr politischer Zweck ist weniger freundlich gegenüber der amerikanischen Politik: Tatsächlich sind sie daran interessiert, den Bestand Nordkoreas zu sichern [11] und die Präsenz der USA in der Region, die ihre strategischen Anliegen und Ansprüche beschränkt bzw. bestreitet, so weit wie möglich in Grenzen zu halten. Dafür nutzen sie das von den USA ganz anders gemeinte Angebot, sich ‚verantwortlich einzubringen‘: Sie wollen durch ihre ‚Mitwirkung‘ das Ziel untergraben, für das die USA diese Mitwirkung brauchen und wollen. Die unter Obama vollzogene deutliche Verschärfung der amerikanischen Politik gegen Nordkorea, die er zur neuen Vorgabe für die 6er-Gespräche gemacht hat, konnte daran nichts ändern, im Gegenteil: Obamas Linie, die nukleare Entwaffnung Nordkoreas vom Gegenstand und Ziel zur Vorbedingung der 6er-Diplomatie zu machen, hat die von ihm nach wie vor als wichtige Mitwirkende umworbenen Mächte erst recht nicht dazu bewegen können, sich als Erfüllungsgehilfen einer amerikanischen Linie herzugeben, die sich immer offener als eine Politik der mit Kriegsdrohungen unterstützten Ultimaten zu erkennen gegeben hat. - Auch insgesamt ist es den USA nicht im beanspruchten Maße gelungen, den politökonomischen Aufstieg Chinas für die Sicherung und Beförderung ihrer Weltherrschaft produktiv zu machen. Ökonomisch ist das Land längst mehr als ein billig exportierender Konkurrent auf dem Warenmarkt und wachsender Binnenmarkt, an dem sich verdienen lässt; er ist ein ökonomischer Rivale in fast allen Wirtschaftsbereichen geworden, der den USA Wachstum streitig macht, der sich inzwischen mit eigener Kreditmacht in auswärtige Ökonomien einkauft und dabei ist, einen riesigen, auf chinesischen Kredit gegründeten Staatengürtel politökonomisch auf sich, also von Amerika weg, auszurichten.[12] Als strategische Macht, als Rivale in den Ordnungsfragen der Region und über sie hinaus, steht China heute stärker und fordernder da als zu Beginn der amerikanischen Versuche, die aufstrebende Macht konstruktiv in ihre bestehende Weltordnung einzufügen. Im Pazifik, in Asien und anderen Teilen der Welt definiert China immer offensiver abweichende Sicherheitsbedürfnisse und Ordnungsanliegen, arbeitet also heftig an der Untergrabung des Monopols, das die USA in diesen Fragen für sich beanspruchen, und untermauert das zunehmend mit eigener militärischer Präsenz und Ankündigungen sowie praktischen Ansätzen zu einer Aufrüstung neuer Art.[13]
*
Diese objektive und objektiv widersprüchliche Bilanz amerikanischer Strategien in Bezug auf Nordkorea und China ist der Stoff für Trumps Generalkritik an seinen Vorgängern, die er zum Ausgangspunkt und Leitfaden für eine neue Linie der USA in der Region macht.
III. Amerikanische Korea-Politik unter Trump: „America first!“ in Nordost-Asien
1. Trumps fundamental-kritische Analyse: Wir haben Rücksicht genommen – auf Feind und Freund
Bekanntlich ist Trump auch mit der Nordkorea-Politik seiner Vorgänger hart ins Gericht gegangen und hat an der kein gutes Haar gelassen. Stellvertretend dafür eine Einlassung ganz in seinem Stil:
„Man liest das Buch von Clinton, in dem er schreibt: ‚Oh, wir haben so einen tollen Friedensvertrag geschlossen‘, und es war ein Witz. Man schaut sich alles Mögliche an aus den Jahren von Präsident Obama – jeder wurde überlistet. Alle wurden ausgetrickst von diesem Gentleman [Kim].“ [14]
Diese Gehässigkeiten gegenüber Obama und Clinton verraten zweierlei.
Zum einen legt er an die Strategien der Vorgänger-Administrationen in Bezug auf Nordkorea keinen anderen Maßstab an als den Zweck, dem die sich selbst verschrieben haben und der es an Deutlichkeit und Schärfe nie hat fehlen lassen: Das nordkoreanische Regime hat mitsamt seinem Anspruch auf ein von amerikanischer Vormundschaft freies Korea auf dem Misthaufen der Geschichte zu landen, jegliche Mittel der Selbstbehauptung sind ihm ein für allemal abzuknöpfen. An dieser unter Obama noch einmal in jeder Hinsicht verschärften Feindschaft misst er die Resultate der nunmehr über 25-jährigen US-Politik gegenüber einem Nordkorea ohne Ostblock, und daran gemessen hält er diese Politik für rundum und grundsätzlich gescheitert. Insofern ist für ihn der Fall Nordkorea der zwar brennendste, aber letztlich nur ein Fall seiner viel allgemeineren Feststellung, dass die USA nirgendwo, wo sie Feinde ausgemacht haben und zu deren Bekämpfung geschritten sind, neben Nordost-Asien vor allem im Mittleren Osten, diese Feinde wirklich in den Griff bekommen, geschweige denn definitiv besiegt haben. Im Gegenteil: Überall werden Amerikas Feinde nur immer stärker und frecher. Und so viel ist daran allemal richtig: Ihren Zweck hat die amerikanische Anti-Nordkorea-Politik tatsächlich nicht erreicht.
Etwas anderes aber ist die Radikalität, die Trumps negativer Bilanz innewohnt. Offensichtlich zieht er diese Bilanz von einem Standpunkt aus, für den jegliche Diskrepanz zwischen dem, und sei es noch so hohen, Niveau des Anspruchs der US-Macht auf Unterordnung und Botmäßigkeit anderer Nationen und dem Stand des praktischen Vollzugs schlichtweg ein Unding ist, nichts anderes als ein totales Scheitern. Er sieht nicht ein, warum die USA bei entschlossener Handhabung ihrer doch wohl unbestreitbar totalen Überlegenheit [15] mit der um Dimensionen minderbemittelten und minderwertigen Macht Nordkorea nicht endlich einmal fertig werden sollten. Er denkt ganz vom unbefriedigenden Resultat her, und das verrät ihm, was alles falsch gelaufen ist: Die – erklärtermaßen auf nukleare Entwaffnung und regime change ausgerichtete – Strategie seiner Vorgänger, die die wirtschaftlichen Notlagen Nordkoreas als Erpressungshebel angesetzt haben, stellt sich ihm als Zurückhaltung gegenüber dem Feind dar, die der nur als Schwäche fehldeuten konnte.[16] Den amerikanischen Willen, andere relevante Mächte in die entschiedene Feindschaft der USA gegen Nordkorea einzureihen, ihnen darin einen Platz, insofern also weltpolitische Bedeutung zuzuweisen, interpretiert er selber als Schwäche gegenüber diesen Mächten, von deren Erlaubnis sich Amerika abhängig gemacht habe. Der objektive Widerspruch der zwischenzeitlichen, schon von Obama aus dem Verkehr gezogenen US-Strategie, eine definitive Feindschaftserklärung samt dem festen Vorhaben, den Feind abzuräumen, dann doch per kollektiver 6er-Diplomatie zum Gegenstand von allseits interessiert geführten Verhandlungen gemacht zu haben, ist für Trump kein widersprüchlicher Versuch der unkriegerischen Verwirklichung des kriegsträchtigen Zwecks, sondern alles in allem eine Abstandnahme davon. An den Versuchen der letzten drei Präsidentschaften entdeckt er nicht die Entschlossenheit, den nordkoreanischen Gegner zu erledigen, das als regionalpolitische Ordnungsvorgabe allen verbündeten und konkurrierenden Mächten zu servieren und diese überlegen in die gewünschte Richtung zu führen, nämlich sie per Verweis auf, also unter Respekt vor ihren wohlverstandenen Eigeninteressen für die vorgegebene Unversöhnlichkeit gegenüber Nordkorea zu vereinnahmen. Für ihn ist das alles nur mangelnde Entschlossenheit, die die umworbenen Kandidaten zum umfassenden Schaden Amerikas für sich in allen möglichen Bereichen ausgenutzt haben.
Der Paradefall für die von ihm verurteilte
völlige Idiotie einer auf Vereinnahmung gerichteten
Weltmachtpolitik ist für Trump China: Diese Nation
verweigert die Hilfe beim Fertigmachen Nordkoreas, stützt
dieses Regime sogar noch, während es zugleich – für Trump
addiert sich das einfach – mit unfairen Handelspraktiken
die amerikanische Ökonomie ruiniert, weil Amerika das
bisher mit sich machen lässt: China hat riesige Mengen
Geld & Reichtum von den U.S. eingestrichen, in total
einseitigem Handel, will aber bei Nordkorea nicht helfen.
Nett!
[17]
Die Trump-Administration hält es für einen Fehler ihrer
Vorgänger, China mit Angeboten zu umwerben, weil diese
Macht nicht einfach die gewünschte Zusammenarbeit gegen
Nordkorea in der nötigen Konsequenz schuldig bleibt,
sondern es darauf anlegt, die USA scheitern zu
lassen.[18]
Die bisher von den USA verfolgte Logik, gerade die
rivalisierende asiatische Großmacht konstruktiv in die
amerikanische Frontbildung einzubeziehen, um das zum
Ausgangspunkt dafür zu machen, sie perspektivisch
insgesamt in den Griff zu bekommen, dreht die neue
US-Regierung um: Sie definiert den Fall Nordkorea als
Nagelprobe darauf, ob China überhaupt an guten
Beziehungen zu den USA gelegen ist, macht ihr
Korea-Drangsal zum Lackmustest ihrer strategischen
Eindämmungsanliegen gegenüber China – Vor allem ist
die Lage in Bezug auf Nordkorea ein Test darauf, wie
China seine Beziehungen zu den USA gestalten will
(ebd.) –, und damit steht
erstens fest, dass China in diesem Test bis dato komplett
durchgefallen ist, und zweitens, dass die bisherigen
Administrationen darin versagt haben, diesen Test
überhaupt ernsthaft zu veranstalten.
2. Trumps neue Linie: Einseitigkeit und Unberechenbarkeit zwecks Erpressung zu wirklicher Kooperation bei der ‚friedlichen‘ Erledigung Nordkoreas
Da es seiner Meinung nach an Glaubwürdigkeit des amerikanischen Willens gefehlt hat, das nordkoreanische Regime aus dem Weg zu räumen, besteht Trumps Diplomatie vor allem in Demonstrationen seiner totalen Entschlossenheit, die Sache endlich und endgültig zu bereinigen:
„‚Die Ära der strategischen Geduld mit Nordkorea hat nichts gebracht‘, sagte Trump bei einer Erklärung im Rosengarten. ‚Und, offen gesagt, mit dieser Geduld ist es jetzt vorbei.‘“ (CNN, 30.6.17)
Seine verbalen Attacken sind daher womöglich nicht immer
berechnend ausgedacht und geäußert, seinem Standpunkt
werden sie aber allemal gerecht: Amerika wird sich unter
seiner Führung nicht zurückhalten, was den Einsatz seiner
Vernichtungsmittel anbelangt – er droht darum nicht nur
mit ‚decapitation strikes‘, sondern zwischendurch damit,
Nordkorea vollständig zu zerstören
, und hält zum
Abendessen alttestamentarische Feuer und
Zorn
-Ansprachen. Von den Abschreckungsmitteln des
Gegners wird sich die von ihm befehligte US-Streitmacht
nicht zu feigen Berechnungen nötigen lassen – dafür steht
die Verächtlichmachung des feindlichen Führers als
little Rocket Man auf einem Selbstmordtrip
. Die
Sicherheit, dass Amerikas Sieg über den Gegner mit der
eigenen Entschlossenheit steht und fällt, bezieht Trump
aus seiner Überzeugung, dass seine großartige Nation über
die unschlagbar besten, daher jeden Gegner unmittelbar
beeindruckende Mittel verfügt. Die lässt er in neuen
Größenordnungen in und um Korea auffahren [19] und begleitet den
verstärkten Aufmarsch wiederum mit der entsprechenden
Rhetorik.[20]
Die von Trump verfochtene Linie nun endlich wirklich ultimativer Ansagen und Kriegsvorbereitungen schließt für Trump von vornherein ein, dass er sie einseitig verfolgt, rücksichtslos also nicht nur gegenüber nordkoreanischen Gegendrohungen, sondern auch gegenüber Alliierten bzw. bisher anerkannten Mitordnern. Er wirbt nicht, er sagt an – und auch hier vor allem mit den Tatsachen, die er schafft. Im Verhältnis zum alliierten Südkorea heißt das unter anderem, dass er von den politischen Streitereien darum, wie viel anti-nordkoreanische Eskalationspolitik an der Seite der USA für das Land nötig, nützlich oder auch nicht ist, nichts wissen will; die militärische Eskalation, in die er Südkorea einbezieht, definiert er zu einem Security-Service für das Land, das sich den gefälligst mehr kosten lassen soll.[21] Auch dem Rest der mehr oder weniger beteiligten Staatenwelt macht Trump klar, dass die Zeit amerikanischer Unterordnung unter wirkungslose kollektive Diplomatie vorbei ist. Der in der jährlichen Generalversammlung der UNO komplett anwesenden Staatenwelt sagt er auf den Kopf zu, dass diese ehrenwerte Organisation gefälligst dafür da zu sein hat, zur Verwirklichung des amerikanischen Willens zur Entwaffnung beizutragen, der sowieso feststeht und in dessen Verfolgung sich die USA von keinem UN-Votum abhängig machen.[22] Diese praktische und diplomatisch betonte Rücksichtslosigkeit gilt in besonderer Weise für China, das auch in Trumps Augen der eigentliche Verhinderer der von den USA seit langem geforderten und betriebenen Kapitulation Nordkoreas ist. Der Schutzmacht Nordkoreas teilt er also mit, dass er für seine Politik der endgültigen, wenn es sein muss: kriegerischen Erledigung des nordkoreanischen Feindes auf chinesische Mithilfe nicht angewiesen ist und diese darum auch nicht durch Abstimmung oder sonstige Formen der Rücksichtnahme zu erkaufen gedenkt.[23]
Das Faktum nordkoreanischer Erfolge bei der Beschaffung
einer atomaren Abschreckungswaffe ignoriert bei aller
Selbstbezüglichkeit auch Trump nicht. Der Furor des
Commander-in-Chief der größten Militärmacht der Welt
kommt schließlich daher, dass die USA es tatsächlich mit
einer qualitativ neuen Gegendrohung aus Nordkorea zu tun
haben. Aber gerade das darf gerade darum auf keinen Fall
gelten – das ist die amerikanische Supermacht
sich schuldig. Trumps als Kriegsvorbereitung und
Kriegsandrohung vollzogene Absage an die alte
Einbindungs- und Frontbildungspolitik seiner Vorgänger
ist der strategischen Sache nach die verschärfte
Fortschreibung einer US-Politik, die die bis dato so
sperrigen, aber eben notwendigen ‚Partner‘ – wiederum vor
allem China – bei der ‚friedlichen‘ Zerstörung des
nordkoreanischen Regimes dazu bringen soll, das Überleben
Nordkoreas, das mehr denn je an ihrer Unterstützung
hängt, zu verunmöglichen. Die Abhängigkeit von
China, d.h. die nicht zu hintergehende Tatsache, dass
Amerika für die mit neuer Dringlichkeit auf die
Tagesordnung gesetzte Strangulierung Nordkoreas die
chinesische Zusammenarbeit braucht, wendet die
Trump-Regierung offensiv gegen China – und
potenziell jeden anderen Staat, der mit Nordkorea noch
irgendwelche Beziehungen unterhält –, indem sie den
Sanktionen eine neue, ausdrücklich erpresserische
Stoßrichtung verleiht. Trump droht offen insbesondere den
Chinesen mit „sekundären Sanktionen“ bis hin zum
„Handelskrieg“ , sollten sie nicht endlich einsehen, was
die USA schon lange sagen: dass Nordkorea auch für sie
eine strategic liability
ist. Die politologischen
Dolmetscher amerikanischer Korea-Politik geben sich
jedenfalls viel Mühe, den neuen Geist der neuen
Sanktionen herauszustreichen; dafür verdeutlichen sie
zunächst, wie weit und lückenlos die per Executive
Order
des Präsidenten verhängten Strafmaßnahmen
ausgelegt sind:
„Der Präsidentenerlass erlaubt es den USA, durch die Verwendung sekundärer Sanktionen ein vollständiges Handels- und Finanz-Embargo einseitig über Nordkorea zu verhängen. Paragraf 1 (a) (iii) der Verfügung gestattet es dem Finanzminister, Vermögenswerte und Eigentum von jeder Person zu beschlagnahmen, die ‚an einem erfolgreichen Ex- oder Import von Waren, Dienstleistungen oder Technologie beteiligt ist‘. Paragraf 4 der Verfügung bringt die ganze Macht des US Finanzministeriums zur Geltung gegen jede Bank, die irgendwelche Handelsgeschäfte mit Nordkorea vermittelt. Finanzgeschäfte mit im Grunde genommen jeder Abteilung der Regierung in Nordkorea sind sanktionierbar (§ 4 (a) (1)). Desgleichen jede Vermittlung von Handelsgeschäften mit Nordkorea (§ 4 (a) (ii)). Die vorgesehenen Strafen sind quasi tödlich für jede Bank, die den Dollar benutzt. Ihre Vermögenswerte können beschlagnahmt und sie kann vom amerikanischen Finanzsystem ausgeschlossen werden (§ 4 (b) (i) und (ii)). Kurz gesagt, die USA bekräftigen ihre Absicht und ihr Recht, jede Körperschaft aus jedem Staat vom amerikanischen Finanzsystem und vom Dollar auszuschließen, die mit Nordkorea handelt oder Handel finanziert.“ [24]
Und im Anschluss lassen sie keinen Zweifel daran
aufkommen, wie diese tödlichen Strafen
weltpolitisch gemeint sind:
„In Zusammenhang mit der UN-Ansprache des Präsidenten sehen wir hier also die letzte Phase der Bemühungen, Sanktionen gegen Nordkorea zu nutzen. Sanktionen sollen nicht mehr internationale Maßnahmen sein, um Nordkorea an den Verhandlungstisch zu zwingen. Sie sind nun einseitige Maßnahmen in einem Wirtschaftskrieg der USA gegen Nordkorea, denen alle Staaten und Firmen nachkommen müssen, oder sie werden zur Zielscheibe der USA... Auf Grundlage dieser Verfügung haben Sanktionen nicht mehr das Ziel, Nordkorea an den Verhandlungstisch zu bringen. Ihr einziger Zweck kann nur sein, das Regime unter der erdrückenden ökonomischen Notlage zur Kapitulation zu zwingen oder Bedingungen zu schaffen, unter denen es zusammenbricht, wenn es nicht kapituliert.“ (Ebd.)
Weil der gebieterische Zweck der neuartig erpresserischen
Linie von Wirtschaftssanktionen darin besteht, das
Todesurteil gegen Nordkorea endlich zu
vollstrecken, folgt jeder Ansage und jedem Beschluss
von Sanktionsmaßnahmen die Unzufriedenheit im Weißen Haus
auf dem Fuße. Denn vom Ausgangspunkt dieses Schwenks her
steht ja fest, dass die USA den überhaupt nur über dritte
Mächte praktizieren können; die ganze Logik der
sekundären Sanktionen
ist ja auf die Staaten
gemünzt, die die USA für ihre Embargopolitik unbedingt
brauchen. Und die haben überhaupt keine Gründe, den
nordkoreanischen Willen zum Gegenhalten so
kaputtzumachen, wie die USA es verlangen. Was für die USA
immer wieder neu bestätigt, dass letztlich auch die
Strategie der ökonomischen Strangulation vollständig
daran hängt, wie sehr sie glaubhaft machen können, dass
sie neben harten Strafen für Sanktionsbrecher dann doch
gegen alle Kalkulationen mit den immensen Kosten und
Schäden zu einem vernichtenden Krieg bereit sind – also
keine beteiligte Partei damit rechnen kann, dass
die USA diesen Krieg auf jeden Fall scheuen. Die durchaus
uneindeutige bis gegensätzliche Meinungsbildung zwischen
den Flügeln des Weißen Hauses, Pentagon und
Geheimdiensten sorgt jedenfalls – ob in jedem einzelnen
Falle beabsichtigt oder nicht – für die Unberechenbarkeit
Amerikas in den letzten Fragen von Krieg und Frieden, die
Trump für den Schlüssel zum Erfolg hält.
Von daher berührt die in neuer Weise verschärfte und
gegenüber China und Russland offen erpresserische
Sanktionspolitik der Trump-Administration – bei Trumps
Staatsbesuch in China in seinem lässigen
Dealmaker-Jargon ausgedrückt: You – I‘m sure
– gonna solve this for me
[25] – diese beiden nicht nur in
ihrer Rolle als Überlebensgaranten Nordkoreas bzw.
zumindest als Interessenten an einer souveränen Existenz
Nordkoreas. Das entscheidende ‚Argument‘, das er
China und Russland dafür zu bieten hat, sich der auf
Bereinigung angelegten Sanktionspolitik anzuschließen,
besteht schließlich in der Drohung, dass die für Amerika
einzig vorstellbare Alternative zur Strangulation per
Sanktionen die (atom-)kriegerische Beseitigung der
nordkoreanischen Widersetzlichkeit ist. Insofern sind
beide Nationen in ihrer Eigenschaft als in der Region
installierte Atommächte betroffen. So erfahren sie
praktisch, dass ihr Status als offizielle Atommächte den
USA kein Angebot in Sachen Mitsprache und noch
nicht einmal den Respektserweis rüstungsdiplomatischer
Absprache in Bezug auf das amerikanische
Kriegsszenario wert ist.[26] Sie müssen sich damit
vertraut machen lassen, dass sie im Falle eines
Scheiterns der Sanktionen, für die sie einfach nur als
Erfüllungsgehilfen verplant sind, mit einem möglichen
Atomwaffen-Einsatz Amerikas vor ihrer Haustür beglückt
werden, der sie gleichfalls in den Rang bloß
Betroffener verweist. Zu entsprechend dringlichen
Klarstellungen sehen sich darum chinesische Politiker
herausgefordert:
„Was die Möglichkeit eines Krieges angeht: Auch die bloß einprozentige Wahrscheinlichkeit eines Kriegsausbruchs ist nicht akzeptabel... Die Koreanische Halbinsel ist nicht der Mittlere Osten. Wenn ein Krieg ausbräche, wären die Folgen unvorstellbar.“ (Chinas Außenminister Wang Yi, People’s Daily, 28.4.17)
Die chinesische Warnung, dass die Koreanische Halbinsel nicht der Mittlere Osten – das in der jüngeren Geschichte bevorzugte Gebiet amerikanischer Kriege – sei und China einem Krieg direkt an seinen Grenzen nicht tatenlos zusehen, sich eben nicht mit der Rolle des Betroffenen abfinden werde, nimmt die amerikanische Politik zur Kenntnis, ohne darauf offiziell einzugehen. Offensichtlich entnimmt sie dieser Warnung sowie der chinesischen Entscheidung, die in der UNO beschlossenen verschärften Sanktionsmaßnahmen gegen Nordkorea angesichts der wiederholten „provokatorischen“ Raketentests weitgehend mitzutragen, die andere darin enthaltene Seite: wie ernst nämlich China die im Raum stehende amerikanische Drohung mit einem Krieg tatsächlich nimmt, der ihr in jeder denkbaren Konstellation – als bloß betroffene oder als womöglich selbst beteiligte Partei – nur als ziemlich gigantischer Schaden vor Augen steht. Und der eben gar nicht nur und nicht erst für den wirklichen Kriegsfall zu verzeichnen ist. Denn die weltpolitische Entwertung ihres atomaren Machtstatus beginnt ganz praktisch schon in dessen Vorbereitung. Mit der Dislozierung amerikanischer Truppen inklusive atomarer Waffensysteme parallel zum Aufbau eines ganzen Systems von Raketenabwehrmitteln in der Region bauen sich die USA jetzt schon auch gegenüber Russland und China als atomare Vormacht in dieser Weltgegend auf, die das Kräfteverhältnis entscheidend verschiebt.[27] Dies tun sie, ohne dass sie sich zu der während des Kalten Krieges üblichen Rüstungsdiplomatie bemüßigt fühlen, einer Art Diplomatie also, die wechselseitige Klarheit darüber schafft, was die strategischen Optionen und Mittel der beteiligten Seiten sind, so dass Sicherheit in der Frage gestiftet ist, dass die Abschreckung auch funktioniert, solange man auf sie setzt. Der Gegner der USA in diesem Fall ist Nordkorea – die beiden anderen Atommächte übergehen sie in ihrem Aufmarsch gegen diesen Gegner schlicht und geben ihnen damit zu verstehen, dass die Zeiten vorbei sind, in denen sich Amerika von fremden Atomarsenalen Vorgaben fürs eigene (Atom-)Kriegführen hat machen lassen. Irgendeine Form von Gleichrangigkeit in globalen Gewaltfragen wollen die USA auch und gerade ihren größten militärischen Rivalen nicht mehr zugestehen – Trump hat aus der unglückseligen Geschichte des Falles Nordkorea schließlich gelernt, wohin das führt.
[1] Die Situation auf
der Koreanischen Halbinsel ist wesentlich durch eine
Konfrontation zwischen der DVRK und den USA geprägt, in
der Erstere ihre nationale Würde und Souveränität gegen
die feindliche Politik und die nukleare Bedrohung durch
Letztere verteidigen.
(Ebd.)
[2] An anderer Stelle
liest sich das so: Die Vereinigung der Heimat ist
der Wunsch der ganzen Nation und die höchste nationale
Pflicht... Keine Kraft kann unser koreanisches Volk,
eine einheitliche Nation, deren Urahn Tangun ist und
die auf eine 5000-jährige Geschichte zurückblickt, auf
ewig in zwei Teile spalten. Im vereinigten Vaterland
als eine homogene Nation leben zu wollen – das ist die
lebensnotwendige Forderung unserer ganzen Nation und
die unumgängliche Strömung ihrer 5000-jährigen
nationalen Geschichte.
(Kim
Chong Il, in: „Über die Grundlagen des Aufbaus einer
revolutionären Partei“, Pjöngjang 1992, S. 40 f)
[3] Den Kampf um
staatliche Souveränität
propagieren sie schon immer
gleich als ihren höheren, welt- und völkerumgreifenden
– revolutionären – Auftrag: Die Hauptaufgabe der
revolutionären Partei besteht darin, die Souveränität
der Volksmassen zu verwirklichen. Das Werk um die
Souveränität der Volksmassen stellt ein nationales dar
und zugleich eine gemeinsame Sache der Menschheit. Der
Kampf für die Verwirklichung der Souveränität ist eng
mit dem Ringen um deren Realisierung in der ganzen Welt
verbunden. Die Welt, in der die Souveränität realisiert
ist, ist eine Welt ohne Herrschaft und Abhängigkeit,
ohne Einmischung und Druck, eine Welt, wo alle Länder
und Nationen als Herren des eigenen Schicksals ihre
Souveränität vollständig ausüben können. Alle Länder
und Nationen werden eine für ihre souveräne Entwicklung
günstigere internationale Umwelt haben, je mehr sich
die Souveränität in der Welt durchsetzt... Unter den
Bedingungen, unter denen Imperialisten und alle anderen
reaktionären Kräfte miteinander koalieren, um den Weg
zur Verwirklichung des Werkes für die Souveränität der
Volksmassen zu versperren, und die weltweit vereinten
reaktionären Kräfte dieses Werk herausfordern, ist es
unumgänglich, dass alle revolutionären, nach
Souveränität strebenden Parteien und Völker diesen
Reaktionen in fester Geschlossenheit entgegentreten.
Die Völker der Welt fließen aufgrund der Gemeinsamkeit
im Ziel und der Aufgabe ihres Kampfes um die
Souveränität zu einer Kampffront zusammen. ‚Völker der
Welt, die die Souveränität verteidigen, vereinigt
euch!‘ – das ist die Losung, die alle Völker unseres
Zeitalters gemeinsam tragen müssen.
(Ebd.)
[4] Weil unsere
Abschreckungsmacht zum Schutz von Frieden und
Sicherheit der Koreanischen Halbinsel und der Region
inzwischen stark genug ist, müssen die USA und ihre
Gefolgschaft es sich nun gründlich überlegen, ob sie
eine militärische Provokation gegen die DVRK starten.
Obwohl sie über ‚Feuer und Zorn‘, ‚totale Zerstörung‘
oder was auch immer reden, müssen sie jetzt jedes Mal
irgendwelche Einschränkungen hinzufügen wie ‚Das wird
hoffentlich nicht nötig sein‘ oder ‚Das ist nicht
unsere erste Option‘ und so fort.
(Rede des nordkoreanischen Außenministers Ri
vor der UNO-Vollversammlung, 23.9.17)
[5] Das ist der
politische Gehalt der von Außenminister Ri tief
empfundenen Ästhetik nordkoreanischer
Massenvernichtungsmittel: Die Interkontinentalrakete
mit dem heiligen Namen ‚Demokratische Volksrepublik
Korea‘ flog in den Weltraum, durch den endlosen blauen
Himmel, der Sprengkopf unserer Rakete hinterließ seine
Spur in den blauen Wellen des Pazifik, und dieser
Planet nahm die gewaltige Explosion und Vibration der
Wasserstoffbombe wahr. Obwohl unsere Entscheidung für
den Besitz von Nuklearwaffen als unumgängliche Option
durch den Druck der USA erzwungen wurde, hat sie im
Ergebnis unserem Land den Status einer Atom- und
Raketenmacht verliehen, und dieses Prestige ist nun
eine unauslöschliche Bestimmung der DVRK geworden.
(Ebd.)
[6] Wir brauchen
niemandes Anerkennung unseres Status als Atommacht und
unserer Fähigkeit zum nuklearen Angriff.
(Ebd.)
[7] So zitiert
Der Spiegel die
nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA anlässlich der
jüngst verkündeten Fortschritte bei den
Interkontinentalraketen und der Wasserstoffbombe:
Pjöngjang sei ‚in der finalen Phase, um die atomare
Abschreckung fertigzustellen‘. Washington solle mit
seinen ‚Tagträumen‘ von Gesprächen darüber, Nordkorea
atomwaffenfrei zu machen, aufhören. Das Atomprogramm
werde solange weitergeführt, bis die ‚feindselige
US-Politik‘ gegenüber Nordkorea endgültig aufhöre.
(Der
Spiegel, 4.11.17)
[8] US-Vertreter haben
dementsprechend ganz eigene Vorstellungen davon, wie
und v.a. durch wen das Herzensanliegen aller Koreaner
auf Überwindung der nationalen Spaltung zu
verwirklichen ist – selbstverständlich durch die USA
und ihren südkoreanischen Alliierten: Mit Blick auf
die Zukunft muss die Allianz die Grundzüge einer
langfristigen Vision für die
südkoreanisch-amerikanische Zusammenarbeit ausarbeiten,
die die gegenwärtige Nord-Süd-Trennung überwindet.
(United States Forces Korea,
„Strategic Digest 2017“)
[9] Wir suchen keine
Kriege. Wir suchen friedliche Lösungen für Probleme.
Aber wir werden nicht davor zurückschrecken, unsere
Interessen mit militärischer Gewalt zu verteidigen,
wenn es nötig sein wird. Und die Tatsache, dass wir
bereit sind, militärische Gewalt zu gebrauchen – sollte
sie notwendig sein als ein letztes Mittel – macht, so
denke ich, die Diplomatie effektiver.
(So hat sich 2004 der damalige
US-Außenminister Colin Powell geäußert.)
[10] Näheres dazu
findet sich im Artikel Ein Stück amerikanische
Ordnungspolitik im, für und gegen den
‚asiatisch-pazifischen‘ Raum
in Heft 3-05 dieser
Zeitschrift.
[11] So hat China zum Beispiel 2011 sehr zum Ärger der USA gegenüber Pjöngjang die ausdrückliche Garantie ausgesprochen, dass es den – für ein solches politisches System stets heiklen – Machtwechsel vom Vater auf den Sohn dagegen absichern werde, dass der zum Einfallstor für Zersetzungsversuche von außen wird.
[12] Der überaus positive Beitrag, den China als inzwischen größter Aufkäufer amerikanischer Staatsschulden für die Beglaubigung der amerikanischen Kreditmacht leistet, hat den unübersehbaren Haken, dass darüber – anders als zum Beispiel im Verhältnis zu Japan – kein strategisches Einvernehmen zwischen Schuldner und Gläubiger als Alliierte auf höherer Ebene herrscht.
[13] Lesenswert hierzu
sind v.a. der Artikel Die Weltmacht kämpft um ihre
Selbstbehauptung: Amerikas ‚pazifisches Jahrhundert‘
und sein neuer Rivale China
in Heft 1-12 sowie der
Artikel Zwei Seidenstraßen – eine Asiatische
Entwicklungsbank (AIIB) – Inselstreit und Aufrüstung:
Chinas Fortschritte auf dem Weg zur Geldmacht und
Weltmacht
in Heft 4-15 dieser Zeitschrift.
[14] Fox News,
18.4.17; mit dem großartigen Friedensvertrag
meint Trump das Rahmenabkommen von 1994.
[15] Für alle, die es
noch nicht wussten, verrät Trump bei seinem Besuch in
Südkorea über die amerikanische Stärke und ihre Mittel:
There has never been strength like this... Wir bauen
das großartigste Militärgerät der Welt, bei Flugzeugen,
bei Raketen. Wir haben bei allem das beste Militärgerät
der Welt.
[16] Das Regime hat
Amerikas in der Vergangenheit gezeigte Geduld als
Schwäche fehlinterpretiert.
(Trumps Rede vor dem südkoreanischen
Parlament, 8.11.17)
[17] Trump per Twitter am 2.1.17
[18] Chinas
strategisches Ziel ist es, die USA auflaufen zu lassen
und die Teilung der Koreanischen Halbinsel
aufrechtzuerhalten.
(Yong Suk
Lee, „Deputy Assistant Director“ des „Korea Mission
Center“ der CIA, und Michael Collins, „Deputy Assistant
Director“ des „East Asia and Pacific Mission Center“
der CIA, CNN, 6.10.17)
[19] Trump befehligt einen Flugzeugträgerverband in Richtung Koreanischer Halbinsel und macht darauf aufmerksam, dass er auch U-Boote in der Gegend disloziert, die jederzeit und überall auftauchen können, weil sie Nordkorea nicht orten und zerstören kann, also auf unmittelbar militärischer Ebene die Unberechenbarkeit verbürgen, auf die es ihm zwecks Glaubwürdigkeit ankommt. So sind die US-Streitkräfte in Südkorea dabei, ihren Stützpunkt aus Seoul heraus zu verlegen, um nicht mehr gleichzeitig mit Seoul durch nordkoreanische Artillerie getroffen werden zu können. Das südkoreanische Militär wird mit zusätzlichen und neuartigen Waffensystemen ausgerüstet. Mit dem in Südkorea stationierten THAAD-System wurde die Raketenabwehr um das fehlende Glied zwischen dem Aegis- und dem Patriot-System ergänzt, so dass die USA ihre Fähigkeiten entscheidend ausweiten, feindliche Raketen abzuschießen.
[20] Wie sehr Trump davon überzeugt ist, dass die Kombination von an nichts relativierter Entschlossenheit und überlegenen amerikanischen Gewaltmitteln den Eindruck auf Nordkorea machen muss, den er sich davon verspricht, macht er während seines Besuches in Südkorea deutlich. Die Frage, ob er denn irgendwelche Fortschritte beim Druck auf Nordkorea feststellen könne, bejaht er – und verweist zum Beleg dafür nicht auf tatsächliche Zugeständnisse oder auch nur formelle diplomatische Annäherungen Nordkoreas, sondern völlig selbstverständlich auf den von ihm kommandierten Aufmarsch amerikanischen Kriegsgeräts in der Region:
„F: Konkret gefragt, sehen Sie bisher irgendeinen Erfolg Ihrer diplomatischen Strategie?
A: Nun, ich glaube, Sie kennen mich gut genug um zu wissen, dass ich in so einem Fall nicht gerne davon spreche, ob ich Erfolg sehe oder nicht. Wir halten lieber unsere Karten verdeckt. Ich sage nur so viel: Ich glaube, es wäre für Nordkorea sinnvoll, das Richtige zu tun, und nicht nur für Nordkorea, sondern für die Menschheit auf der ganzen Welt. Also gibt es viele Gründe, eine Menge guter Gründe dafür. So gesehen, glaube ich, kommen wir gut voran. Ich glaube, wir zeigen große Stärke. Ich denke, sie verstehen, dass wir eine unvergleichliche Stärke haben. Eine Stärke, wie es sie noch nie gegeben hat. Sie wissen, wir haben drei der größten Flugzeugträger der Welt entsandt, und die sind jetzt in Stellung. Wir haben auch ein Atom-U-Boot stationiert. Wir haben viele Dinge auf den Weg gebracht, von denen wir hoffen – ich gehe noch einen Schritt weiter und sage: wir hoffen bei Gott –, dass wir sie nie benutzen müssen. Nachdem das klargestellt ist, glaube ich wirklich, dass Nordkorea allen Grund hat, an den Verhandlungstisch zu kommen und einen guten Deal für die Menschen in Nordkorea und für die Menschen in der ganzen Welt zu machen. Ja, ich sehe durchaus eine gewisse Bewegung. Aber warten wir ab, was passiert.“ (Pressekonferenz von Trump und Moon in Seoul, 7.11.17)
[21] In diesem Fall
ist für Trump die Welt wieder einmal in Ordnung, wenn
Südkorea sich auf den Deal einlässt, den er ihm aufs
Auge drückt: Wir bauen das großartigste Militärgerät
der Welt, bei Flugzeugen, bei Raketen. Wir haben bei
allem das beste Militärgerät der Welt. Und Südkorea
wird für Milliarden von Dollars solche Waffen
bestellen, womit sie, offen gesagt, gut beraten sind.
Für uns bedeutet das Arbeitsplätze, wir verringern
unser Handelsdefizit mit Südkorea. Aber sie werden für
Milliarden Dollar Waffen bestellen, und wir haben
einige dieser Bestellungen bereits gebilligt. Okay?
Vielen Dank.
(Ebd.)
Südkorea bekommt für seine Sicherheit das herrlichste
Kriegsgerät der ganzen Welt, macht sich so im Rahmen
der amerikanischen Eskalationsstrategie nützlich,
schafft amerikanische jobs und erhält damit
großzügig die Gelegenheit, den Handelsbilanzüberschuss
abzubauen, den es sich hat zuschulden kommen lassen.
Eine win-win-win-win-Situation.
[22] Die USA haben
große Macht und Geduld, aber wenn wir gezwungen werden,
uns selbst oder unsere Alliierten zu verteidigen, dann
werden wir keine andere Wahl haben als Nordkorea
vollständig zu zerstören. Rocket Man ist auf einem
Selbstmordtrip für sich und sein Regime. Die USA sind
bereit, willens und in der Lage [Nordkorea völlig zu
zerstören], aber hoffentlich wird das nicht nötig sein.
Das ist es, worum es bei der UNO überhaupt geht, dafür
ist sie da. Wir werden sehen, was sie zustande
bringt.
(Trump in seiner Rede
vor der UNO-Vollversammlung im September 2017)
[23] Wenn China das
Problem Nordkorea nicht löst, werden wir es tun. Das
ist alles, was ich Ihnen sage.
(Trump in einem Interview mit der Financial
Times, 2.4.17)
[24] 38 North, 22.9.17; der vollständige Text des Presidential Executive Order on Imposing Additional Sanctions with Respect to North Korea vom 21.9.17 findet sich unter www.whitehouse.gov
[25] Trump zum chinesischen Staatspräsidenten Xi während des Besuches in Peking, so zitiert von Rex Tillerson auf seiner Pressekonferenz in Peking am 9.11.17.
[26] Zwar hat es auch
schon die Nuclear Posture Doctrine
unter Obama
zu einem vorrangigen strategischen Ziel der USA
erklärt, den Aufstieg Nordkoreas und Irans in den
Status von Atommächten – notfalls gewaltsam – zu
verhindern und auch dem Rest der Staaten durch die
Politik der negativen Sicherheitsgarantie
(heißt: Staaten, die sich an den
NPT halten, werden von den USA nicht atomar bedroht;
Staaten, die sich zwar an den NPT halten, aber sich
andere ‚Weapons of Mass Destruction‘ (WMD) beschaffen
oder einsetzen, haben mit massiven konventionellen
Schlägen zu rechnen; NPT-Verletzer wie Nordkorea dürfen
sich offiziell auf amerikanische Atomschläge gefasst
machen, wenn die USA ihre oder ihrer Verbündeten
Sicherheit durch sie gefährdet sehen) den Willen
zu Neuanschaffung bzw. Einsatz von atomaren und anderen
WMD abzugewöhnen. Das stand in dieser Doktrin aber
ausdrücklich neben dem Vorhaben, die Rolle der atomaren
Abschreckung insgesamt zurückzufahren und in Bezug auf
Russland und China eine Politik der
abrüstungsdiplomatisch zu sichernden atomaren
Stabilität
zu praktizieren. Das ist Trumps Sache
definitiv nicht mehr.
[27] In welchem Ausmaß sich Russland von dem amerikanischen Aufmarsch in und um Korea als atomare Macht bedrängt sieht, hat Putin u.a. so klargemacht:
„Auf einem Wirtschaftsforum in St. Petersburg sagte Putin, Russland könne nicht untätig bleiben und zusehen, dass andere an seinen Grenzen im Fernen Osten ihre militärischen Potenzen in der Weise ausbauen, in der sie es, nach seinen Worten, bereits in Europa getan haben. Er sagte, Moskau sei besonders beunruhigt darüber, dass gegen die nordkoreanische Raketendrohung das amerikanische THAAD-Raketenabwehrsystem in Südkorea installiert werde, und dass von Plänen berichtet werde, den Raketenabwehrstützpunkt Fort Greely in Alaska aufzurüsten. ‚Dies zerstört das strategische Gleichgewicht in der Welt‘ sagte Putin auf einem Treffen mit internationalen Medien, dessen Auftakt im Staatsfernsehen übertragen wurde.
‚Was hier geschieht, ist sehr ernst und alarmierend. In Alaska und jetzt auch in Südkorea tauchen Raketenabwehrsysteme auf. Sollen wir einfach untätig zusehen? Natürlich nicht. Wir denken nach, wie wir auf diese Bedrohungen antworten. Das ist eine Herausforderung für uns.‘ Putin warf Washington vor, Nordkorea als Vorwand zu benutzen, um seine militärische Präsenz in Asien auszubauen, so wie es den Iran als Vorwand für eine Raketenabwehr in Europa benutzt hat. Putin sagte, die Kurilen, eine fernöstliche Inselkette, auf die Moskau und Tokio rivalisierende Hoheitsansprüchen erheben, seien ein ‚durchaus geeigneter Ort‘, um als Antwort auf diese Drohung russische Waffensysteme zu stationieren.“ (Reuters, 1.6.17)