Merkels Land im Härtetest
16 Jahre Merkel: Eine alternative Bilanz
Die neue Regierung erbt von ihrer vierfachen Vorgängerin ein total einsatzbereites politisches Monstrum, das zugleich, Merkel und ihrer Regierungskunst sei Dank, als Inbegriff alternativloser Normalität auftritt und gilt.
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Merkels Land im Härtetest
Die neue Ampel-Regierung bewirtschaftet mit ihrer Politik eine politisch gereifte Republik. Die bietet ihren Chefs so viel kapitalistischen Erfolg, dass die ein gigantisches Rüstungsprojekt, eine schwarze Null, Steuernachlässe für Besserverdienende und Kurzarbeitergeld für andere gleichzeitig in Angriff nehmen können. Sie ist in Europa und der Welt eine so dicke Nummer und eine so anerkannte Adresse, dass ihr schon beinahe automatisch die Funktion einer zweiten Führungsmacht einer westlichen Welt im unmittelbaren Vorkriegsmodus zufällt. Das Volk begegnet seiner Herrschaft wie einer freundlichen Vereinsleitung mit einer Anpassungsbereitschaft, die sogar den Übergang in einen Quasi-Kriegszustand locker und problemlos hergibt; mit einer Friedensbewegung, die sich für Krieg „auf der richtigen Seite der Geschichte“ begeistert.
Mit einem Wort: Die neue Regierung erbt von ihrer vierfachen Vorgängerin ein total einsatzbereites politisches Monstrum, das zugleich, Merkel und ihrer Regierungskunst sei Dank, als Inbegriff alternativloser Normalität auftritt und gilt. Das ist das extra Monströse daran. Denn die Wahrheit der über 4 Wahlperioden herbeiregierten bundesdeutschen Realität ist ja umgekehrt: Dieses alltägliche nationale Vereinsleben gibt alles her, was Deutschland für seinen Eintritt in einen ersten europäischen Krieg des 21. Jahrhunderts braucht. Das ist das Verdienst der alternativlosen letzten
16 Jahre Merkel: Eine alternative Bilanz
Mit Alternativen in der Politik ist es im demokratischen Rechtsstaat so eine Sache.
Der kann – und will, das zum einen – aus seiner Haut nicht heraus. Alternativen wie ‚keine Marktwirtschaft‘ oder ‚keine Börsen-Exzesse‘ oder ‚keine Beteiligung an Krieg und Frieden‘ kommen von vornherein überhaupt nicht in Betracht.
Zum anderen bietet der Rechtsstaat eine Alternative zum Machtwort der Regierenden an: In periodischen Wahlen wird die Herrschaft über den ganzen alternativlosen Laden einer neuen, eventuell auch anderen Mannschaft aus dem politischen Angebot anvertraut. Dann gilt, was die nach Recht und Gesetz dekretiert und mit ihrem Volk anstellt; Alternativen dazu sind in den Status unverbindlicher Anregungen versetzt, praktisch also ausgeschlossen – schließlich ist es Herrschaft, die durch die Wahl vergeben wird – und das immer wieder. Es wäre ja auch noch schöner, wenn in einem ordentlichen Staat Herrschaft wirklich nur auf Zeit und unter Vorbehalt Gültigkeit hätte.
Zum dritten gibt es Länder, und die BRD gehört ganz entschieden dazu, in denen das freie Wahlvolk seine Freiheit, bei einer rechtmäßig anberaumten Wahl einer Regierungsalternative zur Macht zu verhelfen, am liebsten so wahrnimmt, dass es die bestehende Regierung als die optimale Alternative zu sich selbst erneut ermächtigt. Wenn das dreimal hintereinander passiert und am Ende 16 Jahre Merkel herauskommen, dann wundert es nicht, dass eher die Chefin das ewige Regieren leid ist als die Regierten den ‚Kanzlerbonus‘, der da wiederholt zugeschlagen hat.
Bei so viel Konservatismus von unten ist eine Regierung natürlich überhaupt nicht darauf festgelegt, selber konservativ zu sein und zu handeln. Sie hat im Gegenteil – und nutzt – alle Freiheit, die politische Agenda im Innern wie nach außen hin immer neu so zu definieren, wie die Konkurrenz um kapitalistisches Wachstum im Land wie im Weltvergleich und um die Fähigkeit, gegen andere Nationen übergriffig zu werden, es gebietet. Was im Fall der BRD bedeutet: in Auseinandersetzung mit ihresgleichen zu definieren, wie sie diese Konkurrenz haben will.
Im Fall Merkel kommt hinzu: Diese Regierungschefin hat ihre Herrschaft nicht nur ideologisch unter das Motto ‚There Is No Alternative‘ gestellt. Sie hat – nicht zuletzt unter Einsatz aller Techniken der politischen Intrigenwirtschaft – fast durchgehend einen dermaßen breiten politischen Konsens, ein quasi selbstverständliches Einverständnis aller namhaften politischen Kräfte mit ihrer Politik organisiert, dass ihre Herrschaft durch alle Wendungen und Fortschritte hindurch den Charakter eines unbestreitbaren Realismus angenommen hat: einer Normalität, die jeder irgendwie grundsätzlicheren Alternative den Status der Abseitigkeit oder der Irrelevanz verpasst hat. Am Ende hat der Umgang mit der Corona-Pandemie dank Rückgriff auf seuchenmedizinisches Expertentum das Seine getan, um die gewollte Gleichsetzung der gewohnten Merkel-Herrschaft mit dem vernünftigerweise Gebotenen – und die Gewöhnung daran als pure Einsichtigkeit – quasi zu beglaubigen.
Dazu im Folgenden ein paar Einwände.