„Groß-“, „Welt-“, „Super-“ …
Die Macht der USA und ihr Gebrauch (Teil 2)

Die Sonderstellung der USA als Weltmacht hat seine Grundlagen in der kapitalistischen Bewirtschaftung der eigenen Nation und der machtvollen Benutzung der Außenwelt als Mittel amerikanischen Wachstums. Nach der kriegsbedingten Ruinierung der wichtigsten Konkurrenten setzten die USA Regeln für einen Welthandel durch, der fast die ganze Welt zur Anlagesphäre für Dollars machte. Ihren Anspruch auf Überlegenheit machten sie mit Gewalt und Kapitel gegen den Ostblock wie auch gegen die Partner geltend.

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„Groß-“, „Welt-“, „Super-“…
Die Macht der USA und ihr Gebrauch (Teil 2)

Teil B. Der globale Kapitalismus

6. Die Sonderstellung der USA in Sachen Kommerz: Weltweit eingemischt und anerkannt

Die Börsen der Welt blicken Tag für Tag zu ihrer Eröffnung „nach New York“ und reagieren auf jede „Stimmungsschwankung an der Wall-Street“. Kaufleute rund um den Globus warten täglich gespannt auf den Dollarkurs ihrer Währung, weil sie ihren Geschäftsertrag, Kosten und Konkurrenzchancen, realisierte und entgangene Gewinne in Abhängigkeit von dieser Größe kalkulieren. Zentralbankmanager und Finanzpolitiker in sämtlichen Staaten registrieren jedes Zehntelprozent Zinsveränderung bei amerikanischen Staats- und anderen Wertpapieren; denn das schlägt sofort auf ihre Aktiva und Passiva durch und gibt ihnen den Spielraum für ihre Verschuldungs- und Zinspolitik vor. Außenhändler und Außenhandelspolitiker aller Nationen benötigen zwar bei jeder Auslandsbotschaft ihres Staates einen Handelsattaché; vor allem brauchen sie aber Informanten und eine Lobby in Washington; denn was in Handels- und Währungsfragen dort beschlossen wird, betrifft allemal ihre Konkurrenzchancen.

Jedes nennenswerte Unternehmen auf der Welt, erst recht jeder Finanzkapitalist und schon gleich jeder Staatshaushaltsvorstand außerhalb der USA geht davon aus, daß es für den Erfolg seiner ökonomischen Operationen auf Amerika ankommt. Mit den dort herrschenden Geschäftsbedingungen rechnen sie alle als wichtigen bis entscheidenden Mitteln und Schranken ihrer Aktivitäten. Und zwar jeder auf seine Weise:

  • Für den weltweiten Warenabsatz spielt die US-Wirtschaft gleich zweifach eine entscheidende Rolle: als unentbehrlicher Markt und als praktisch überall, in jeder Branche und in jeder Weltregion konkurrierender Anbieter.
  • Einkaufspreise für die verschiedensten Waren gleich welcher Herkunft, vom Flugzeug bis zum Erdöl, ebenso wie der wirkliche definitive Verkaufserlös aller Exporte, in welches Land auch immer, hängen vom US-Dollar – nämlich vom Verhältnis der jeweiligen nationalen zur amerikanischen Währung – ab. Das Gleiche gilt für die wirkliche Größe, nämlich das internationale Gewicht eines Kapitals und die wahre Höhe seiner Rendite.
  • Bei der Bewertung des Kredits der Nationen und ihres Geldes, dieser wichtigsten aller kapitalistischen Geschäftsbedingungen und aller Parameter für die Schuldenpolitik von Unternehmen und Staaten, nimmt der internationale Geld- und Kredithandel immerzu Maß an den Verhältnissen in Amerika. Die Börsen in aller Welt, die um gar nichts anderes als um eben diese Gretchenfrage aller kapitalistischen Kreditwirtschaft rotieren – in welchem Maß, vergleichsweise, die Gleichung zwischen Kredit und Kapital aufzugehen verspricht, die all die verschiedenen Finanzanlagen einschließlich der Schulden der verschiedenen Staaten versprechen und geglaubt und mit einem guten Kurs honoriert haben wollen –, bringen es auf den Punkt: In dieser alles entscheidenden Hinsicht ist auf die Vereinigten Staaten am meisten Verlaß. Wenn das Kreditgeschäft in New York boomt, dann zieht es – vielleicht – die Börsen an den anderen wichtigen Finanzplätzen der Welt mit; wenn es dort Stück um Stück platzt und die Kurse absacken, dann reißt das – und zwar mit Sicherheit – den Wertpapierhandel in aller Welt mit herunter.

Von dieser Orientierung auf Amerika und ihrer Selbstverständlichkeit zeugt jede Nachrichtensendung, wenn sie vor dem Wetter vom aktuellen Dollarkurs berichtet. Daß die größten Konzerne Verluste oder entgangene Gewinne in Milliardenhöhe zu melden haben, bloß weil sie die steigende oder fallende Tendenz beim Dollarkurs nicht richtig vorhergesehen haben, leuchtet jedem ein; ebenso, daß der große europäische Flugzeug-Multi, einziger Konkurrent der US-Industrie in diesem Bereich, erst ab einem bestimmten Dollar-DM-Verhältnis „in die Gewinnzone fliegen“ kann. Die Höhe der „nationalen Ölrechnung“ hängt schon wieder vom Stand des US-Dollars ab, obwohl der importierte Stoff aus der Nordsee oder von Amerikas Feinden, nämlich aus Libyen oder dem Iran stammt. Und so weiter. Der deutsche Finanzminister sagt niemandem etwas Neues, wenn er für das Projekt einer europäischen Gemeinschaftswährung mit dem Hinweis auf die Abhängigkeit vom Dollar wirbt, in der sich die europäische Wirtschaft mit ihrem Binnenmarkt befindet: Als Repräsentant eines noch immer nicht ebenbürtigen Konkurrenten der Wirtschaftsmacht Amerika leidet er gar nicht an bestimmten, womöglich bezifferbaren ökonomischen Nachteilen, sondern einfach daran, daß die wesentlichen Geschäftsbedingungen für seine Europäische Union noch immer durch die US-Ökonomie „fremdbestimmt“ werden.

Die Profis der Kreditschöpfung und kapitalistischen Geldvermehrung, wo immer sie zu Hause sind, sehen und handhaben also ihre Geschäfte und Finanztransaktionen als Teile einer Weltwirtschaft, die ihrerseits ihren maßgeblichen Schauplatz und Schwerpunkt in der amerikanischen Nationalökonomie hat, durch deren Konjunkturen in ihren Erfolgsaussichten bestimmt wird.

Die Macher der US-Wirtschaft sehen die Sachlage genauso und kalkulieren und handeln ihrerseits entsprechend.

  • Sie nehmen die ganze Welt als Markt in Anspruch: zum Einkaufen für Dollar-Besitzer, denen ihr Geld überall unmittelbaren, ungehinderten Zugriff gestattet; ebenso zum Verdienen von Dollars, deren Beschaffung allein die Sorge der auswärtigen Kundschaft ist. Das Problem, sich für ihre Auslandsaktivitäten erst einmal Devisen beschaffen zu müssen, haben Geschäftsleute aus den USA und deren politische Betreuer von vornherein und seit jeher nicht.– Genauso selbstverständlich und frei kalkulierend benutzen sie die Welt in Gestalt ihrer Finanzplätze als Markt für Dollar-Anleihen wie -Anlagen. Kommerzielle und staatliche Finanzjongleure beanspruchen den Kredit der ganzen Welt, ohne sich zur Rücksichtnahme auf fremde Kreditbedürfnisse oder hinsichtlich der Auswirkungen ihrer Kreditaufnahme auf die Geschäftsbedingungen anderswo verpflichten zu lassen. Umgekehrt nehmen sie ganze Volkswirtschaften für die Bedienung der Kredite in die Pflicht, die sie an deren „emerging market“ plazieren.
  • Die US-Regierung bedient ihre Geschäftswelt mit der Garantie, daß alle Staaten das amerikanische Recht auf freies Kaufen und Verkaufen von Waren und Wertpapieren anerkennen. Diskriminierung wird nicht geduldet, auch nicht bei den geringfügigsten Handelsartikeln.
  • Unter ‚Diskriminierung‘ fällt aus ihrer Sicht auch ganz schnell jedes Geschäft, das an amerikanischen Geschäftsleuten vorbeigeht, obwohl die es gerne gemacht hätten. Solche Wechselfälle der Konkurrenz werden keineswegs so einfach als naturgegebenes Risiko des freien Handelsverkehrs anerkannt, wie das im umgekehrten Fall anderen Nationen abverlangt wird. Wo US-Firmen nicht zum Zug kommen, liegt ziemlich sicher ein Verstoß gegen die Regeln der internationalen Fairness vor, den die verantwortlichen Nutznießer abzustellen haben.
  • Und wenn aus einem großen Finanzgeschäft einmal nichts wird, „die Wall-Street“ z.B. Kreditnehmer vom Kaliber des Staates Mexiko nach Gebrauch wieder fallenläßt, dann läßt die Regierung ihre reichen kapitalistischen Compagnons mit multilateralen Staatskrediten dafür geradestehen, daß jedenfalls den Spekulanten in New York aus dem offenbar gewordenen Ruin ihrer Anlagesphäre kein größerer Vermögensschaden erwächst.

Was immer also auf der Welt an kapitalistischem Geschäftsleben läuft und wo auch immer: Die USA erheben mit ihrem Geschäftsgebaren und in ihrer Außenwirtschaftspolitik den Anspruch, daran nach Wunsch zu partizipieren und davon zu profitieren. Sie halten es für die größte Selbstverständlichkeit, daß die gesamte Weltwirtschaft als ihre Reichtumsquelle fungiert. Und wie es aussieht, blamiert die Internationale der Geschäftemacher und Finanzpolitiker diesen Anspruch nicht. Sie kennt ihre Geschäftsbedingungen, weiß, wer sie macht, und stellt sich darauf ein.

Um so bemerkenswerter ist angesichts dieser klaren und von den Amerikanern auch in gar keiner Weise abgeleugneten Verhältnisse der nahezu weltweite Konsens, von einer globalen ökonomischen Dominanz der USA oder gar so etwas Häßlichem wie „Dollar-Imperialismus“ nichts – mehr – wissen zu wollen, wenn die Prinzipien der heutigen Weltwirtschaft zur Debatte stehen. Viel eher soll da ein so eigentümlich subjektloses Subjekt wie „die Globalisierung“ am Werk und für alles verantwortlich sein – insbesondere für alle „Sachzwänge“, mit denen dem „einfachen Volk“ seine „Besitzstände“ abgewöhnt werden. Dabei wissen doch zugleich alle, daß es sich bei diesem „Phänomen“ um eine modernere Fassung der Konkurrenz der Nationen handelt; und die hat gleichfalls nur allzu bekannte Urheber. Speziell die Massen von Finanzkapital, deren Beweglichkeit und nationale Ungebundenheit die „These“ von der Entmachtung der Nationalstaaten und von einem supranationalen Selbstlauf des „großen Geldes“ begründen, sind, wie schon ihr nationaler Eigenname lehrt, ein Werk Amerikas, Produkt seiner öffentlichen und privaten Kreditschöpfer; und ihre angeblich jede politische Kontrolle überfordernde lichtschnelle Bewegung rund um den Globus ist die Domäne derselben Nation, nämlich ihrer Finanzpolitiker sowie eines von ganz viel nationalstaatlicher Gewalt abhängigen Kreditgewerbes. Und was die Lenker und Leiter der anderen Nationen betrifft, die von „der Globalisierung“ so arg entmachtet und in ihren besten Absichten gebremst, andererseits geradezu schicksalhaft zu mancher „Reform“ gedrängt sein wollen: Recht glaubhaft ist es nicht, wenn sie einen anonymen Prozeß beschwören, der ihnen das Gesetz des Handelns diktiert. Gerade in Europa, wo das globalisierte Dingsda höchste Aufmerksamkeit genießt, sind sie schließlich unterwegs, um mit einer gemeinsamen Währung den Drangsalen und Chancen, die ihnen aus dieser „Lage“ erwachsen, besser gewachsen zu sein. Da kann es ihnen wohl auch kaum ein Rätsel sein, daß sie mit ihrem Projekt eines gemeinschaftlich betreuten Geldes die Konkurrenz gegen eine Währung aufnehmen, deren Macht ihren Grund in ihrer Schöpfung und Betreuung durch die amerikanische Staatsmacht hat. Sie werden schon wissen, gegen wen sie da antreten und sich zu bewähren haben. Einen Aufstand gegen Amerika haben sie aber nicht im Sinn; drum schwärmen sie lieber von einer subjektlosen „Herausforderung“, die ihnen ein substantiviertes Adjektiv eingebrockt hat. Die Interessen der USA, ihr Globalismus des Geldverdienens, ihre Macht über die globale Geschäftsordnung: damit haben es alle Nationen zu tun; und es ist ihnen allen als Bedingung geläufig, die sie immerzu in Rechnung stellen müssen.

Wie die USA es dahin gebracht haben und was sie dafür tun, daß ihr nationaler Nutzen die wichtigste internationale Geschäftsbedingung bleibt: davon handeln die folgenden Kapitel.

7. Die inneren Grundlagen des amerikanischen Welterfolgs: Land & Leute, kapitalistisch bewirtschaftet[2]

Der Grund für die weltwirtschaftliche Sonderstellung der USA liegt in der Wirtschaftskraft dieser Nation und ist denkbar schlichter Natur: In ihr wird enorm viel kapitalistischer Reichtum akkumuliert. Ein besonderes amerikanisches Erfolgsgeheimnis liegt dieser nationalen Errungenschaft nicht zugrunde – entgegen allen bürgerlichen Ideologien, die Konkurrenzerfolge für technisch herstellbar, für eine Frage von Tugend, Tatkraft oder Strategie halten. Etwas anderes als unbezahlte Arbeit, Lohnarbeit eben, steckt auch in Amerika nicht in oder „hinter“ der Masse und den Zuwachsraten des kapitalistischen Eigentums.

Daß diese Masse so groß geraten ist, hat seinen historischen Grund in dem Glücksfall für die zuständigen Eigentümer, daß die Vermehrung ihres Kapitals Hand in Hand gegangen ist mit der Expansion ihres Staatswesens. Jede Menge Land, ausgestattet mit brauchbaren Ressourcen aller Art und dabei nach abendländischen Begriffen herrenlos, wurde hinzuerobert; nötig waren dazu meist nicht einmal richtige aufwendige Kriege, sondern kaum mehr als ein paar Entvölkerungsaktionen. Für die passende Menge Volk sorgte die Zuwanderung brauchbarer Leute: ohne Eigentum eingereist und ohne andere Überlebenschance als die, sich mit Lohnarbeit oder eben im Zuerwerb neuen Landes nützlich zu machen; zu solchen Diensten zugleich fähig und bereit, sogar mit der passenden Moral ausgestattet. Wo es anfangs dennoch an billiger und hinreichend williger Arbeitskraft mangelte, hatte der Sklavenimport für Abhilfe gesorgt. So gerieten die kapitalistischen Eigentümer in ihrer Konkurrenz gegeneinander erst einmal gar nicht an irgendwelche Schranken der nationalen Geschäftssphäre; bevor diese zum Akkumulationshindernis werden konnten, wurden sie ausgeweitet – eine selten günstige Wachstumsbedingung.

Natürlich haben nicht die Kapitalisten diese Expansion bewerkstelligt. Sie haben allerdings daran verdient; schon an dem Krieg zwischen Union und Föderation, mit dem klargestellt und garantiert wurde, daß in dem expandierenden Land nur eine Sorte Reichtum expandierte, nämlich derjenige, der aus dem kapitalistischen Gebrauch freier Lohnarbeit entsteht. Verdient haben sie sodann an der Vorwärtsverteidigung der offenen Westgrenze bis zum Pazifik, die, angefangen beim Eisenbahnbau, dann bei der Anlage geschäftlicher Zentren an den Bahnlinien entlang, dem Kapital immer neue und größere Investitionsgelegenheiten bot. Daß auf dem hinzugewonnenen Gelände unter anderem Gold zu finden war, hat den Segen vermehrfacht: Das Volk in seinem unermüdlichen „pursuit of happiness“ wurde – oder blieb – in der wünschenswertesten Weise mobil; der Staat kam an einen Staatsschatz, der sich später noch in ungeahnter Weise weltwirtschaftlich auszahlen sollte; die beträchtlichen unproduktiven Unkosten, die dem kapitalistischen Geschäftsleben in seiner damaligen Phase aus dem Bedarf an wirklicher Geldware erwuchsen, wurden zum Bombengeschäft und im Export zur nationalen Reichtumsquelle. Die Gleichung von Erobern und Gewinnemachen ging also über alle Maßen gut auf.

Dieser Glücksfall einer parallelen Akkumulation von Nation und Kapital hat die Sitten des Konkurrierens, des Lohnarbeitens und der staatlichen Aufsicht darüber begründet, die in der Vergangenheit vom christlichen Abendland aus eher skeptisch als „typisch amerikanisch“ beäugt worden sind, mittlerweile aber als unverzichtbares und unschlagbares Erfolgsrezept für das „Zeitalter der Globalisierung“ gelten. So konnte die Staatsmacht insbesondere vieles, was für die „Infrastruktur“ einer Nation unerläßlich ist – von einem flächendeckenden Verkehrsnetz bis zu einem flächendeckenden Erziehungswesen –, konkurrierenden Geschäftsleuten anheimstellen und auf diese Weise ganz direkt der Grundregel aller Erwerbstätigkeit im Kapitalismus unterwerfen, daß sich nämlich alles in Gestalt eines Bilanzgewinns lohnen muß. Das mag sogar einige Unkosten der kapitalistischen Entwicklung vermindert haben; auf alle Fälle wurde gleich ein Geschäft daraus. Und das nationale Proletariat wurde daran gewöhnt, daß es von seiner Staatsgewalt definitiv nichts anderes zu erwarten hatte als den zynischen Hinweis auf seine gottgegebene Chance und auf einen ganz landeseigenen „Traum“, daraus etwas zu machen.

Natürlich war irgendwann die Expansion der nationalen Geschäftssphäre auf den nordamerikanischen Halbkontinent abgeschlossen, also die Grenze der Übereinstimmung zwischen der Akkumulation des Kapitals und der Ausdehnung des Staatswesens erreicht. Bis dahin waren jedoch auf amerikanischem Boden längst die größten, finanzkräftigsten, folglich auch produktivsten kapitalistischen Unternehmen entstanden. Diese wurden von einer alles andere als „isolationistisch“-zurückhaltenden Staatsgewalt als nationale Errungenschaft geschätzt und gepflegt. Der Welthandel wurde ihnen als Chance eröffnet, ihre Akkumulation auch weiterhin mit einer Ausdehnung ihrer Geschäftssphäre zu verbinden. Das gelang auch über die Maßen gut, eben weil die Wendung nach außen allein den Bedürfnissen der Geschäftsausweitung folgte. Die Importe standen nie unter der Notwendigkeit, einen Mangel zu beheben: Der „technische Fortschritt“ fand in den einheimischen Betrieben statt, und dank der kapitalistisch erschlossenen Naturausstattung des Landes fehlte es auch sonst an nichts; in aller Freiheit wurden auswärtige Angebote besichtigt und genutzt oder sogar erst geschaffen, wenn sie sich im Vergleich mit den einheimischen Alternativen genügend lohnten. Ebenso herrschte beim Exportieren nie die Not, auswärts Devisen zu verdienen; vielmehr wurden mit überlegenen Konkurrenzmitteln Absatzmärkte im Ausland erschlossen, wo es sich rentierte. Zusätzlich zu den überlegenen Produkten wurde zudem das ganze Produktionsverhältnis in alle Welt exportiert, nämlich ein auf US-Niveau akkumulierendes Kapital. Das mußte sich dort nicht erst im Konkurrenzkampf von gleich zu gleich ein Plätzchen erobern, sondern pflegte überlegen und umgestaltend einzusteigen und sich die vorgefundenen kapitalistischen Ressourcen, vom Rohstoff bis zur Arbeitskraft und vom Binnenmarkt bis zur „Sparquote“ der jeweiligen Nation, umfassend zunutze zu machen.

Diese machtvolle Benutzung der Außenwelt als Mittel amerikanischen Wachstums hatte freilich auch die Folge, daß die Expansion des Welthandels zur Bedingung erfolgreicher Kapitalakkumulation in Amerika wurde – also zur Existenzfrage, weil Kapital ohne Akkumulation keines ist. Die erste große „Weltwirtschaftskrise“ war der praktische Beweis, daß die USA am Welthandel in zunehmendem Maße gewinnen mußten, um als Nation mit kapitalistischen Unternehmen von überlegener Größe und Konkurrenzmacht Bestand zu haben. Ein ganzes Jahrzehnt lang in diesem Jahrhundert mißriet das so gründlich, daß sogar das amerikanische Proletariat in seiner kapitalistischen Überflüssigkeit von Staats wegen erhalten und – z.B. in vom Kapital doch nicht so ganz von selbst erledigten Infrastrukturarbeiten in den Haupt-Krisengebieten – nützlich gemacht werden mußte.[3]

Im und mit dem 2. Weltkrieg hat der amerikanische Staat dann seinen Massen wieder bessere Jobs verschafft, nämlich seiner Firmenwelt im eigenen Zuständigkeitsbereich neue Akkumulationschancen eröffnet. Der Kriegsbedarf der Weltmacht, und der ihrer Verbündeten noch dazu, wurde mit den Mitteln der Akkumulation des kapitalistischen Reichtums befriedigt, also für dessen Akkumulation nutzbar gemacht. Anschließend hat Amerika gründlich Vorsorge getroffen, daß die Aktivisten seines ökonomischen Erfolgs, die Unternehmer der Nation, wieder voll in den Genuß der einzigartigen Gleichung zwischen Akkumulationsbedürfnis und Expansionsgelegenheit kamen, die das Land großgemacht hatte. Mit dem gewünschten Ergebnis: In den USA sind in allen Geschäftszweigen, von der Agrarindustrie bis zum Flugzeugbau, Kapitalmassen von solcher Größe am Werk, daß sie mit weniger als der ganzen Welt als Absatzmarkt nicht zufrieden sind. Ihre Vermehrung fällt schon längst mit ihrer Globalisierung im ganz unideologisch-handfesten Sinn zusammen: damit, daß sie am gesamten Rest der Staatenwelt verdienen. Sie sind groß genug, sich überall durchzusetzen; und das heißt zugleich: Sie sind so groß, daß ihr Bestand davon abhängt, daß sie das auch schaffen.

Um es dahin zu bringen, hatte der amerikanische Staat freilich schon etwas mehr zu tun, als bloß für Freihandel und unbehinderten Kapitalverkehr einzutreten. Er hat erst recht mehr als das zu besorgen, damit seine große nationale Errungenschaft, die überlegene Konkurrenzmacht des nationalen Kapitals, von der seine ökonomische Macht abhängt, auch weiterhin funktioniert. Denn mit dem Bedarf an auswärtigen Reichtumsquellen wachsen Amerikas Rechte in und an der Welt; und deren Durchsetzung fordert dauernden Einsatz.

8. Kapitalismus nach dem Weltkrieg: Amerikas Welt-Wirtschaft

Mit dem Sieg im 2. Weltkrieg hat der amerikanische Staat im Weltmaßstab die Machtfrage entschieden – wenn auch nur halb zu seinen Gunsten, so daß die Mobilisierung der eigenen Hälfte für einen Kalten Krieg gegen den widerspenstigen Mit-Sieger mit seinem abweichenden Wirtschaftssystem fällig wurde. Geklärt hat er damit zugleich die weltwirtschaftlichen Konkurrenzverhältnisse: Keine kapitalistische Macht war übriggeblieben, die sich den Interessen des amerikanischen Reichtums hätte entziehen können. Dem Kapitalismus des Siegers, der überhaupt nicht zerstörten amerikanischen Nationalökonomie, standen in der neu eröffneten Freien Welt die ruinierten Volkswirtschaften der besiegten faschistischen Feinde sowie der überschuldeten Alliierten gegenüber – die einen wie die anderen keine ernstzunehmenden Konkurrenten mehr, dafür aber sehr gewillt, bei sich von neuem kapitalistische Verhältnisse herzustellen und dafür mit der überlegenen Siegermacht zu deren Bedingungen zu kooperieren. Diese Bedingungen hatten die USA zum größten Teil bereits vor Kriegsende mit ihren kapitalistischen Verbündeten ausgemacht; danach wurden sie außerhalb des kommunistischen „Ostblocks“ alternativlos durchgesetzt. Sie betrafen die Prinzipien des Geschäftsverkehrs zwischen den Staaten nach seinen beiden Seiten: Ware und Geld.

a) GATT: Der Standpunkt des Welt-Handels

Im Reglement des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT: General Agreement on Tariffs and Trade) haben die USA ihre Ansprüche an den neu in Gang zu bringenden weltweiten Warenhandel kodifiziert. Kernstück ist der Grundsatz der allgemeinen Meistbegünstigung. Danach kommen alle Vertragsparteien automatisch in den Genuß der geringsten Zoll- und Abgabenbelastungen und aller sonstigen Vorteile, die eine von ihnen einer anderen für den zweiseitigen Warenhandel einräumt. Mit dieser Regelung nötigte die amerikanische Staatsmacht alle anderen Staaten, die sich nicht selber vom weltweiten Handel ausschließen und eine systematische Benachteiligung vermeiden wollten, zum grundsätzlichen Verzicht auf nationale Diskriminierung, verschaffte ihren Kapitalisten also – und jedem, den es sonst noch angehen mochte – einen generellen Schutz davor, allein aufgrund ihres Firmensitzes schlechter gestellt zu sein als konkurrierende Unternehmen unter anderer Flagge.

Daß dieses allgemeine Diskriminierungsverbot, die zwangsweise Gleichberechtigung aller teilnehmenden Nationen, alles andere als gleiche Chancen, geschweige denn gleichen Gewinn für alle schaffen würde, vielmehr je nach kapitalistischer Potenz teils unterschiedliche, teils entgegengesetzte Wirkungen nach sich ziehen mußte, lag auf der Hand und durchaus in der Absicht der Urheber: Die potenteste kapitalistische Nation legte es darauf an, ihren Ex- und Importeuren die Staatenwelt als Einkaufs- und Absatzmarkt zu öffnen und auf diesem globalen Markt nichts anderes zum Zuge kommen zu lassen als eben die Macht des Kapitals. Daß die USA ihr nationales Interesse auf diese Weise durchsetzten, nicht auf dem Wege vielseitiger Handelsverträge, sondern mit dem Instrument einer allgemeinen Zugangsbedingung zum freien und gleichberechtigten Handelsverkehr zwischen den Nationen, war dennoch weit mehr als eine Sache der diplomatischen Form. Als Nation mit einem überragenden Interesse an Handelsgeschäftserfolgen in aller Welt nahmen sie praktisch den Standpunkt des Welthandels als solchen ein und setzten ihn gegen den Standpunkt des bilateralen Aushandelns spezieller wechselseitiger Vorteile im Außenhandel und der fortwährenden souveränen Ermessensentscheidung über die Fortführung oder Umgestaltung von Handelsbeziehungen durch. Nicht gerade so, daß sie sich selber einem verbindlichen Supranationalismus verschrieben und irgendwelchen kollektiven Entscheidungen unterworfen hätten: Schon der ursprüngliche Plan einer Internationalen Handelsorganisation (ITO), die den Amerikanern ganz sicher auch nichts vorgeschrieben hätte, was nicht bestellt war, hatte der US-Kongreß aus Sorge um Amerikas Autonomie in Außenhandelsfragen scheitern lassen; der von ihm gebilligte Grundsatz der allgemeinen Meistbegünstigung enthielt zudem den generellen Vorbehalt, daß jede Vertragspartei neuen Mitgliedern oder Kandidaten die Meistbegünstigung versagen oder nur bedingt und auf Zeit gewähren könne. Dennoch war es nicht bei dem bloßen Ideal einer von nationalen Diskriminierungen freien kapitalistischen Konkurrenz geblieben. Die USA hatten das Reglement für ein allgemeines, allen besonderen souveränen Vor- und Nachteilsrechnungen vorausgesetztes System des Welthandels aufgestellt; und dessen Verbindlichkeit erkannten sie auch für sich selber an.

Natürlich taten sie das nur, weil sie sich ihrer Sache, nämlich der globalen Überlegenheit des in Amerika beheimateten Kapitals sicher waren – und nach Lage der Dinge gegen Kriegsende auch völlig sicher sein konnten. Bei den gegebenen materiellen Voraussetzungen mußte sich das Gebot der Gleichberechtigung aller Nationen im Welthandel zugunsten Amerikas auswirken; seinen Urhebern erschien es daher als unfehlbare Erfolgsgarantie für die nationalen Warenproduzenten. Die ökonomische Wahrheit war das freilich nie. Die lautet eher umgekehrt: Nationales Erfolgsmittel im beabsichtigten Sinn konnte die Einrichtung eines abstrakt gleichmacherischen Welthandelsregimes ohne bilaterale Sondervergünstigungen nur sein, weil und solange Amerikas Warenhändler unangefochten über die bessere Konkurrenzposition verfügten. Die Differenz zwischen den vom GATT vorgeschriebenen „fairen“ Konkurrenzbedingungen und dem damit bezweckten amerikanischen Konkurrenzerfolg war nicht dadurch aus der Welt, daß die USA sie mit der größten Selbstverständlichkeit negierten. Freilich dauerte es seine Zeit, bis der Welthandel, den sie der Staatenwelt aufoktroyiert hatten, sie mit dieser Klarstellung praktisch konfrontierte.

b) Das „Bretton-Woods-System“ und der „Gold-Dollar“: Konstruktion einer absoluten Welt-„Liquidität“

Logischerweise noch vor den Vereinbarungen über einen diskriminierungsfreien Warenverkehr haben die USA sich in den Absprachen von Bretton Woods um die Hauptsache gekümmert, auf die es im kapitalistischen Welthandel ankommt: um das dabei zu verdienende Geld. Es sollte, letztgültig für die engagierten Kapitalisten aller Nationen und verbindlich für deren Souveräne, der US-Dollar sein. Andere Währungen kamen sowieso nicht in Frage, waren nämlich durch Kriegswirtschaft und Krieg ruiniert; umgekehrt spielte sich alles, was es an funktionierendem Kapitalismus gab, ohnehin in Dollar und als Vermehrung von Dollarvermögen ab. Und die Edelmetallbestände, mit denen die Nationen vorher für die internationale Gültigkeit und Verwendbarkeit des bei ihnen verdienten Geldes garantiert und ihre Außenhandelsbilanzen untereinander ausgeglichen hatten, gehörten mittlerweile im wesentlichen auch dem amerikanischen Staat, so daß die Einigung allen Beteiligten leicht fiel: Der Dollar, gesetzlich mit einer Gewichtseinheit Gold gleichgesetzt und mit einer Umtauschgarantie gegen Gold ausgestattet, ersetzte fortan das multilaterale Herumreichen lokaler Währungen wie auch das Gold als das international anerkannte Maß und die weltweit akzeptierte Materie jenes abstrakten Reichtums, um den sich in der kapitalistischen Ökonomie alles dreht. Vermittels eines Systems fester Wechselkurse fungierte er als das Maß aller übrigen Wertmaßstäbe von bloß innernationaler Verbindlichkeit. Über ihn lief rechnerisch und materiell aller grenzüberschreitende Zahlungsverkehr; exklusiv und universell fungierte er als das einzig wahre Geschäftsmittel. Weltgeld war die US-Währung folglich auch in dem Sinn, daß der private wie öffentliche Reichtum aller restlichen Nationen erst im Dollar die Gestalt annahm, in der alle Welt ihn als solchen anerkannte. Einzige Quelle der kostbaren Zettel war selbstredend nach wie vor die US-Notenbank; doch blieben auch die anderen Teilnehmer des Systems nicht ganz ohne eigenen Zugriff auf internationale „Liquidität“, so daß dem allein- und allgemeingültigen Weltgeld ein gewisser Schein von Supranationalität anhaftete: Über den Internationalen Währungsfonds (IMF: International Monetary Fund) konnten sich die beteiligten Staaten durch Einzahlungen in eigener Währung eine Elementarausstattung an Zahlungsmitteln für ihre internationale Geschäftstätigkeit, nämlich zur „Überbrückung kurzfristiger Zahlungsprobleme“ beschaffen. Daneben wurde für eine von den USA formell unabhängige Grundversorgung der Staaten mit internationalen Kreditmitteln – die für den finanzkapitalistischen Sachverstand anscheinend etwas ganz anderes sind als „Liquidität“… – gesorgt, und zwar nach demselben Modell durch die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD: International Bank for Reconstruction and Development), die „Weltbank“: Die Staaten firmierten als kollektive Kreditschöpfungsagentur und hatten jeweils im Verhältnis zu ihrer Einlage Anspruch auf ein Quantum Weltgeld-Kredit. So wirkten die kapitalistischen Souveräne, deren Geldhoheit auf eine Währung von bloß lokaler Bedeutung, also ein international geschäftsunfähiges Geld reduziert war, immerhin an der Herstellung einer minimalen Menge und eines maximalen Scheins von autonomer globaler Zahlungsfähigkeit in Dollar-Gestalt mit.

Die ganze kunstvolle Einrichtung gibt Auskunft über das schlichte Interesse ihres Erfinders: Die kapitalistische Geschäftswelt der USA sollte auch in fremden Ländern, wo gar keine Dollars zirkulierten, welche verdienen, also den auf Dollar lautenden Reichtum der Nation vermehren und dabei genausowenig auf Schranken stoßen wie in der amerikanischen Heimat. Als unbedingt zu beseitigende Schranke galt dabei das Problem der immerzu fehlenden internationalen Liquidität, der Umstand also, daß das auswärtige Geldverdienen ganz unzweckmäßig begrenzt wurde durch die Mittel, die es nun einmal braucht, um den abstrakten Reichtum aus dem einem Land heraus- und ins andere hineinzubringen. Dieses Problem jedenfalls wurde gelöst, und zwar gründlich. Zuerst und vor allem selbstverständlich auf der entscheidenden, nämlich der amerikanischen Seite: Für Dollar war alles unmittelbar käuflich, das lebende und tote Inventar, Waren und Arbeitskräfte der gesamten restlichen Freien Welt; die Macht amerikanischer Kapitalisten, weltweit tätig zu werden, war grundsätzlich nicht mehr durch die Menge nationaler Gold- und Devisenbestände begrenzt, sondern allein von der Größe ihres Kapitals und ihrer dadurch begründeten Kreditwürdigkeit abhängig; und was auswärts verdient wurde, hatte unmittelbar Dollarwert, ohne daß ein fremder Geldhoheitsträger sich mit nationalen Vorbehalten störend in die Rechnung hätte einmischen können. Mit der Liquidität der als Geschäftspartner ins Auge gefaßten kapitalistischen Nationen, also auch mit ihrer Fähigkeit, solchen Rechnungen mit wirklichen Dollarzahlungen zu entsprechen, war es freilich, auch mit IMF- und Weltbank-Hilfe, nicht weit her. Dafür war ihnen aber ein klarer und auch gangbarer Weg gewiesen, wie sie ihren heimischen Unternehmen zu einem weltweit anerkannten Geschäftsmittel und sich selbst zu internationaler Zahlungsfähigkeit verhelfen, also grenzenlos liquide werden konnten: Dollars gab es genug; sie brauchten sie nur zu erwerben. Und wenn es ihnen – wie es nach Kriegsende allgemein der Fall war – an Mitteln fehlte, welche zu verdienen, dann war mit der unverrückbaren Relation ihres sei es noch vorhandenen, sei es erst herzustellenden nationalen Reichtums zum Dollar bereits die entscheidende Voraussetzung gegeben, um Abhilfe zu schaffen: Als Teile der globalen Dollar-Ökonomie waren die auswärtigen Nationen schon kreditwürdig, auch wenn sie noch gar nicht zahlungsfähig waren; denn was immer ihre Nationalökonomie produzieren würde – sie produzierte unweigerlich Dollarwerte. So fand Amerika sich bereit, selber „Liquidität“ zu schöpfen und an seine inskünftigen Weltgeschäftspartner auszuleihen.[4] In der Folge ließen dann auch die privaten Dollar-Investitionen nicht auf sich warten: Die kapitalistische Staatenwelt war als Dollar-Sphäre eingerichtet; also wurde sie auch von Dollar-Besitzern als Anlagesphäre benutzt – und darüber allmählich immer zahlungsfähiger gemacht.

Was Amerika da geleistet hat, ist nun allerdings mit dem technischen Stichwort „internationale Liquidität“ dann doch nicht so ganz auf den Begriff gebracht. Es verdient noch einmal festgehalten zu werden, daß mit dem US-Dollar ein nationales Kreditgeld in den Rang des für die ganze kapitalistische Welt exklusiv und unmittelbar gültigen, quasi dinglichen Weltgeldes erhoben worden ist. Etwas Analoges tun kapitalistische Staaten zwar immer, wenn sie den Noten ihrer Nationalbank die Qualität eines verbindlichen Zahlungsmittels und real existierenden Vermögens beilegen: Schon da fungiert ein bankmäßiges Zahlungsversprechen nicht mehr bloß als Kreditzettel, der aufgrund der ausgewiesenen Zahlungsfähigkeit des Schuldners zur Begleichung offener Rechnungen weitergereicht werden kann, bis die Einlösung in wirklicher Zahlung fällig ist, sondern ersetzt selber die wirkliche Zahlung. Gültig ist diese Gleichsetzung von Banknoten mit dem wirklichen kapitalistisch erwirtschafteten abstrakten Reichtum der Nation, weil die Staatsgewalt per Gesetz ihren Rechtssubjekten vorschreibt, den offiziellen Zettel für die Sache zu nehmen.[5] Deswegen endet die Geldgleichheit einer modernen Papierwährung aber auch grundsätzlich mit dem Geltungsbereich des nationalen Rechts. Zwischen den souveränen Staaten ist ein Zahlungsmittel verlangt, dessen Macht, über warenförmigen Reichtum zu verfügen, nicht bloß von einem Staat dekretiert, sondern von allen anerkannt ist – der kapitalistische ‚Fetisch‘ erster Ordnung, das Gold, hat da von Beginn an gute Dienste getan. Diesen Unterschied zwischen interner und äußerer Geltung hob die Vereinbarung von Bretton Woods exklusiv für den US-Dollar prinzipiell auf. Sie dekretierte den unbedingten Respekt aller Souveräne vor diesem einen nationalen Notengeld, so als wäre es die über-nationale „Verkörperung“ des kapitalistischen Werts schlechthin. Zur Bekräftigung dieses Geltungsanspruchs garantierten die USA die Gold-Konvertibilität ihrer Währung, demonstrierten also vor aller Welt die Tatsache, daß sie als einzige Nation noch über einen unzweifelhaften Staatsschatz verfügten, und zwar mehr oder weniger über den der gesamten Staatenwelt, und daß sie deswegen als einzige Macht überhaupt zur Gewährleistung eines echten Weltgeldes in der Lage waren; eben weil exklusiv bei ihnen nicht „bloß“ ein Dekret dahinterstünde, sondern jener sagenhafte gewaltfreie Naturstoff, in dem sich der öffentliche wie private Eigentümerverstand seinen abstrakten Reichtum so schön greifbar und begreiflich macht. Ein bloßer Gutschein für Edelmetall war die US-Banknote dennoch nie; das Versprechen ihrer Einlösbarkeit gegen wirkliches Gold war nicht das Eingeständnis, daß der Dollar doch bloß ein vorläufiger Weltgeld-Ersatz wäre, sondern im Gegenteil die Demonstration seiner Alternativlosigkeit und die Klarstellung seiner Endgültigkeit als Geld der Welt. An die Stelle des gemeinsamen Glaubens aller kapitalistischen Nationen an die natürlichen Geldqualitäten des Goldes trat damit – erstmals – eine wirkliche globale Geldhoheit; sie lag bei den USA und fiel mit deren alleinigem Recht zusammen, Dollar zu drucken und in Verkehr zu bringen. Umgekehrt war damit den Währungen aller übrigen Nationen – obwohl im Prinzip gar nicht anders beschaffen und zustandegebracht: nationale Kreditgelder auch sie – eine neuartige Zweitklassigkeit bescheinigt: Sie waren nicht erst einmal je für sich ein nationales Geld und untereinander übers Gold als gemeinsames letztes Maß vergleichbar und nach Bedarf auch in Gold konvertierbar; Geldqualität besaßen sie vielmehr von vornherein bloß als Derivate der amerikanischen Geldhoheit, im auch quantitativ festgelegten Verhältnis zum US-Kreditgeld und dessen Maßeinheiten. Und weil sich im Kapitalismus nun einmal alles ums Geld dreht, war damit die Nationalökonomie der Partner Amerikas selbst neu definiert, nämlich als Teil der globalen Dollarvermehrung. Die Geschäftsfähigkeit der Nationen beruhte nach wie vor auf der Akkumulation ihres Kapitals; aber diese hatte im Dollarkredit ihren eigentlichen Ausgangspunkt und in verdienten Dollars ihren eigentlichen Endpunkt. Im Erwerb des Weltgeldes aus Amerika hatte folglich auch der nationale Reichtum sein Mittel, sein Ziel und sein Maß. Nationaler Kapitalismus war fortan gleichbedeutend mit Geldverdienen auf dem globalen Dollar-Markt.

Daß Amerikas kapitalistische Partnerstaaten sich dieser durchaus neuartigen Zweckbestimmung unterworfen haben, war durch die strategischen wie die ökonomischen Machtverhältnisse der ersten Nachkriegszeit beinahe zwingend vorgegeben: Weil sie unbedingt einen kapitalistischen Neubeginn hinkriegen wollten, hatten sie keine Alternative. Nicht bloß die Macht, auch die Souveränität der faschistischen Kriegsgegner war gebrochen; die souverän gebliebenen oder wieder gewordenen Verbündeten der USA – mit Ausnahme der Sowjetunion, die darüber und deswegen für Amerika zum Hauptfeind wurde – verdankten ihre Macht so vollständig ihrem Haupt-Alliierten, daß schon deswegen ein Entzug aus dem von der kapitalistischen Siegermacht arrangierten Weltwirtschaftssystem nicht in Frage kam. Ökonomisch war die Sachlage ebenso klar: Die Restauration funktionierender Marktwirtschaften wäre ohne Geld und Kredit aus Amerika nur schwer und gegen dessen Interessen gar nicht zu haben gewesen – zumal die kommunistischen Parteien sich damals auf Basis des sowjetischen Sieges auch noch etwas zutrauten. Die Herstellung eines Blocks kapitalistischer Staaten mit beschränkter Hoheit, auch in Gelddingen, auf der einen Seite und einer Oberhoheit, auch über die Geldgestalt des abstrakten Reichtums, bei der Führungsmacht war da nur konsequent. Diese übergeordnete Geldhoheit der USA sollte fortan ohne Bedingungen und Einschränkungen gelten – allerdings ohne diejenige der Partner zu ersetzen; die sollte vielmehr, paradoxerweise, eben dadurch ins Leben gerufen werden. Das von den USA und in deren Interesse durchgesetzte Weltgeld-Regime war eigens deswegen so kunstvoll supranational arrangiert, weil die kapitalistischen Verbündeten tatsächlich selbst für ihr nationales Kreditgeld verantwortlich sein und für dessen Geschäftstüchtigkeit sorgen sollten; freilich mit der Vorgabe, daß der Dollar alleiniges Weltgeld war; dennoch durchaus nicht so, daß sie, bloß scheinbar eigenständig, in Wahrheit Unterabteilungen der amerikanischen Nationalökonomie zu verwalten gehabt hätten. Sie sollten in Eigenregie einen funktionierenden nationalen Kapitalismus zustandebringen und eine Währung schöpfen, die sich darin als Mittel für gute Geschäfte bewährte, nämlich eine gesichert fortschreitende nationale Akkumulation repräsentierte: Daran wollten die USA ihre Dollarbesitzer frei und ungehindert teilhaben lassen; allerdings ohne all das Beschränkende, das eine fremde Souveränität dadurch ins Spiel bringt, daß sie sich in ihrer Verantwortung fürs eigene Geld allemal die Prüfung fremden Geldes vorbehält, gediegene Garantien für dessen Gültigkeit verlangt, also überhaupt ein Anerkennungsproblem aufwirft.

Daß dieser doppelte Auftrag der USA an ihre souveränen Vasallen befolgt wurde, steht außer Zweifel; daß er einen Widerspruch enthält, allerdings auch. Die Mitmacher der globalen Dollar-Ökonomie waren ermächtigt und aufgefordert, echte nationale Währungen herzustellen und zu gültigen Repräsentanten akkumulierenden Kapitals zu machen, aber unter der Prämisse, daß diese Währungen ihren eigentlichen Wert im Dollar besaßen – und das geht dann doch nicht gut zusammen. Denn entweder bringt es eine Nation zu einem Geld, das ihren abstrakten Reichtum gültig realisiert; dann ist es aber auch die gültige Realität ihres kapitalistischen Vermögens und steht extern und im Verhältnis kritischen Maßnehmens zu allen anderen Nationalgeldern. Oder eine Währung mißt und repräsentiert den nationalen Reichtum nur bedingt und vorläufig, weil der sein eigentlich gültiges Maß und seine fertige Gestalt in einem fremden Geld hat; dann ist die Geldhoheit des nationalen Souveräns aber auch nichts wert – er regiert damit nicht wirklich den Reichtum der Nation und den auf dessen Vermehrung gegründeten Kredit. Beides auf einmal sollten die Partner Amerikas leisten: ihre Währungen konvertibel machen, also zu wirklichem eigenständigem Geld mit einem auch auswärts anerkennenswerten Wert; konvertibel aber nur gegen den Dollar und über ihn, einseitig durch ihn gemessen und nur durchs Verhältnis zu ihm auswärts tatsächlich anerkannt und verwendbar; konvertibel also ohne die dieser „Eigenschaft“ immanente Macht, auch umgekehrt das dafür eingetauschte Geld anderer Nationalität zu messen und dessen Wert zu bestimmen. Richtiges Geld, aber gleichzeitig ein zweitklassiges war verlangt: ein nationales Welt-Geld ohne Gleichrangigkeit mit dem einzig wahren Weltgeld aus Amerika.

Dieses Ding der Unmöglichkeit kam praktisch in Gang, weil die Weltwirtschaftspartner der USA erst einmal nichts als Schuldner waren und ihre eigenen nationalen Währungen durch nichts als amerikanischen Kredit konstituiert, also tatsächlich bloße Ableger des Dollar. Doch dabei sollte es nicht bleiben; sie sollten so bald wie möglich mit wirklich verdientem Weltgeld für ihren nationalen Kredit einstehen und den empfangenen Kredit durch aufgehäufte eigene Guthaben rechtfertigen; und sie taten ihr Bestes. In dem Maße aber, wie sie das erfolgreich hinbrachten, wurden ihre Währungen dem Dollar ebenbürtig: Sie erwarben sich einiges von der zunächst beim Dollar monopolisierten Macht, als letztes Maß und anerkannter Stoff des Reichtums der Nationen zu fungieren. Es dauerte zwar seine Zeit; aber so, wie die USA ihr Weltwährungssystem eingerichtet hatten, erwuchsen ihnen in ihren Dollar-Schuldnern unweigerlich Konkurrenten, die die einzigartige Stellung des „Gold-Dollar“ nicht mehr aushielten und schließlich auch nicht mehr zuließen.

c) Von der „Dollarklemme“ zur „Dollarkrise“: Anfechtung und Auflösung des amerikanischen Weltkreditgeld-Monopols

Der entscheidende Übergang fand statt, ohne daß sich am Geschäftsgebaren der USA etwas änderte. Das folgte ganz einfach sachgerecht den Regeln des Bretton Woods-Systems: Die Weltmacht eröffnete den Welthandel und hielt sich dabei gar nicht erst mit den „Liquiditäts“-Problemen der restlichen Staatenwelt auf, die, wäre es nach altem Muster zwischen autonom wirtschaftenden Nationen um Erwerb und Akkumulation von letztlich in Gold abzugeltenden Forderungen gegangen, ein grenzüberschreitendes Geschäftsleben gar nicht erst groß hätten in Gang kommen lassen. Amerika begnügte sich nicht mit dem Standpunkt des konkurrierenden Außenhändlers, sondern trat unter der Voraussetzung eines allgemein freien Welthandels im Sinne des GATT gleich als universeller Kreditgeber und Kapitalanleger auf. Staatliche Kredite stifteten auswärts das nötige Mindestmaß an Geschäftsfähigkeit; US-Firmen engagierten sich mit Kapitalexporten und trieben mit ihrer Bereicherung die Kapitalakkumulation in ihren ausländischen Anlagesphären voran. So waren die USA Gläubiger der restlichen kapitalistischen Welt, bevor diese zum zahlungskräftigen Absatzmarkt für Waren aus Amerika sowie zur kostengünstigen Einkaufsquelle für amerikanische Importeure wurde; ihre Kapitalisten verdienten Geld von auswärtigen Standorten aus, noch bevor amerikanische und auswärts hergestellte Waren auf den Märkten der Freien Welt in Konkurrenz zueinander angeboten wurden. Die USA verschafften sich auf diese Weise die Partner für ein von vornherein global angelegtes Geschäftswesen, das von Dollarkrediten lebte – womit umgekehrt der Dollar ganz praktisch das wurde, als was die Vereinbarungen von Bretton Woods ihn vorgesehen hatten: das Geld der Welt. Und von ihrem Standpunkt aus gab es nirgends eine Notwendigkeit, am damit installierten Gebrauch der Restwelt als Maschinerie zur kapitalistischen Dollarvermehrung irgendwelche grundsätzlichen Korrekturen vorzunehmen.

Einen einschneidenden Wandel bewirkte diese Dollar-Ökonomie auf Seiten der Partner Amerikas. Diese begannen ihre ökonomische Nachkriegskarriere – spiegelbildlich –, noch bevor sie sich in irgendeinem Außenhandel engagiert und dabei die einen oder anderen Defizite zusammengebracht hatten, als Schuldner der USA: Deren Kredit war die Grundlage für die Wiederherstellung ihres nationalen Kredit- und Geldsystems; die Verwicklung ins Weltgeschäft auf Dollarbasis war die entscheidende Startbedingung für die nationale Kapitalakkumulation; der Erwerb von Dollars, per Warenexport wie durch Kapitalimport, war dementsprechend Zweck und Erfolgskriterium ihrer Nationalökonomie. Und an dem darin enthaltenen Widerspruch – sie waren zur Wiedergewinnung eines eigenen, erfolgreich akkumulierenden und durch ein konvertibles Kreditgeld gültig repräsentierten nationalen Reichtums herausgefordert und ermächtigt, dabei aber als Teilstücke der auf US-Geld lautenden globalen Kapitalvermehrung definiert – hatten sie sich abzuarbeiten.

Störend bemerkbar machte sich dieser Widerspruch zuerst als Dollarklemme: Die aufstrebenden Partnerstaaten der USA hatten sich darauf eingelassen, ihren nationalen Kapitalismus auf dem Wege des Dollarerwerbs voranzubringen; sie – oder jedenfalls einige darunter – waren, auch dank amerikanischer Investitionen, bei der Schaffung der dafür nötigen Konkurrenzmittel erfolgreich genug, um sich die Eroberung immer größerer Anteile vom Weltgeschäft zuzutrauen und sich darum zu bemühen. Auf diesem vorgegebenen Erfolgsweg sahen sie sich durch einen Mangel an internationaler Zahlungsfähigkeit gebremst – einen Mangel, den die USA mit der Erhebung ihres Kreditgelds zum globalen Geschäftsmittel prinzipiell behoben hatten, allerdings „bloß“ für sich und ihren Kapitalanlagebedarf. Deswegen ging es genaugenommen auch nicht um die weltweit zirkulierenden Dollar-Summen, sondern darum, daß sie für die zunehmend erfolgreich ins Weltgeschäft eingeklinkten Partner nicht angemessen verfügbar waren; also im Grunde überhaupt nicht um ein Liquiditätsproblem, sondern um ein prinzipielles Mißverhältnis: Diese Nationen sahen sich dadurch beeinträchtigt und litten darunter, daß sie es mit ihrer Währung noch nicht zu der eigenständigen Bewirtschaftung des weltweiten Geldverdienens gebracht hatten, zu der sie durch ihre Erfolge doch schon fähig und berechtigt waren. Immerzu waren sie für ihren nationalen Zugewinn auf die US-Währung als den einzig anerkannten Stoff der globalen Reichtumsvermehrung zurückverwiesen und damit konfrontiert, daß nur Amerika und dessen Geschäftswelt kreditschöpferisch darüber verfügen konnte.

Folglich legte sich die Unzufriedenheit auch nicht, sondern machte nur den fälligen Fortschritt, als nach einem Dutzend Geschäftsjahren von einem weltweiten Dollarmangel auf keiner Seite mehr die Rede sein konnte, einfach weil Amerika immer so weiter gemacht hatte: US-Kapitalisten hatten sich weiterhin mit viel Kredit in die Kapitalakkumulation anderer Nationen eingekauft; die US-Weltpolitiker hatten unter Einsatz von noch viel mehr nationalen Dollars rund um den Globus Militärstützpunkte eingerichtet und kostenaufwendige Kriege geführt – den ersten in Korea, wodurch prompt der danach benannte weltweite Boom ausgelöst und die auf den Imperativ des Dollar-Erwerbs vorbildlich eingestellte BRD zu einem wahren Wirtschaftswunder angestachelt wurde. Beklagt wurde nun und über das nächste Dutzend Geschäftsjahre hinweg eine zunehmende Dollarschwemme – und damit wieder nicht ein Mengenproblem, sondern die Benachteiligung, der sich Amerikas Wirtschaftspartner durch die exklusive Vorzugsstellung des Dollar mittlerweile ausgesetzt sahen: Bloß weil diese Währung unmittelbar Weltgeld war, vermochten US-Staatsgewalt und US-Kapitalisten mit ihrem frei geschaffenen Kredit die ganze Welt mit Beschlag zu belegen – und hinderten damit die anderen kapitalistischen Wirtschaftsmächte daran, es Amerika gleichzutun und mit der Macht ihres Nationalkredits weltweit die ihnen genehmen Bedingungen zu schaffen. Dahin hatten es die Haupt-Beschwerdeführer also gebracht: zu dem Anspruch, daß ihnen ihr eigenes Geld genau die Dienste leisten sollte, die bislang die USA sich mit ihrem Dollar reserviert hatten – und zu einem Geld, das ihnen diese Dienste auch hätte leisten können, wenn das Dollar-Privileg dem nicht im Wege gestanden hätte. Das jedenfalls trauten sie sich und ihrer Währung zu; und tatsächlich wurden ja mittlerweile verschiedene Währungen, dank bundesdeutscher Exporterfolge speziell die D-Mark[6], auch außerhalb der jeweiligen Nation von der kapitalistischen Geschäftswelt als brauchbare Materie für Zahlungen und zur Wertaufbewahrung, also als Zweit-Weltwährungen anerkannt und benutzt. Deren fortdauernde Unterordnung unter das US-Geld, so als wäre der abstrakte Reichtum erst in Dollarform wirklich fertig, mochten Amerikas Partner nicht mehr hinnehmen.

In mehrfacher Hinsicht aufschlußreich ist hierbei die Beschwerde speziell der bundesdeutschen „Währungshüter“, sie seien genötigt, jeden Dollar zum festgelegten Kurs aufzukaufen, also in dem Umfang eigenen Kredit zu schöpfen, in dem Amerika für seine eigenen Belange Dollars schuf und damit im Weltgeschäft unterwegs war; dadurch würde jede autonome Geldpolitik unmöglich gemacht und auf noch nie dagewesenem Wege „Inflation importiert“. Die namhaft gemachten Probleme einer „Liquiditätsschwemme“ standen also erstens für die Forderung nach voller Souveränität über den eigenen Nationalkredit: Die Zeiten, in denen sich die kapitalistischen Nationen notgedrungen mit einer eingeschränkten Hoheit in Gelddingen abgefunden hatten, waren für beendet erklärt. Dieser Antrag auf Beendigung des überkommenen Weltgeld-Regimes und volle Gleichberechtigung aller Nationalkredite machte zweitens das ökonomische Argument geltend, daß es um die lohnende Verwendung der weltweit zirkulierenden Kreditmassen ohnehin nicht zum Besten stand – und zwar aus außeramerikanischer Sicht eindeutig wegen der zunehmenden Überfülle amerikanischer Dollar-Schuldscheine; vor den „inflationären Gefahren“, die man davon ausgehen sah, wollte man die eigenen Währungen schützen. Für ihren eigenen Kredit, autonom, also ohne die Pflicht zum Dollar-Ankauf in die Welt gesetzt, konnten die Zuständigen sich durchaus eine geschäftliche Verwendung vorstellen, die ihn durch ein nationales Wachstum rechtfertigte – und das war eine klare Kampfansage: Sie waren entschlossen, in der nationalökonomisch alles entscheidenden Frage der Verwandlung von Kredit in Kapitalakkumulation die Konkurrenz gegen Amerika aufzunehmen. Daß sie dabei besser abschneiden würden, wenn das Weltgeld-Monopol der USA erst einmal gefallen wäre, dessen waren sich die außeramerikanischen Weltökonomen ganz sicher; und damit erging die dritte Klarstellung: Der Dollar, dem sie ihre Macht zur Schaffung einer eigenen regulären Währung verdankten, repräsentierte nurmehr einen Kredit von minderer Qualität. Als absolutes Maß und letztgültiger Stoff des globalen abstrakten Reichtums, so wie in Bretton Woods definiert und dekretiert, hatte der Dollar für die Geldautoritäten außerhalb Amerikas also definitiv ausgedient. Er war kein Weltgeld erster Ordnung mehr, nichts qualitativ Besseres als andere Nationalgelder, sondern auch bloß das papierene Zeichen für national autorisierte Zahlungsversprechen. Und eben nicht einmal für ökonomisch besonders glaubwürdige: Was bislang unbesehen als sicheres und solides Guthaben gegolten hatte – und immer noch zu gelten beanspruchte –, war auch und mehr noch als die zirkulierenden Banknoten anderer Nationalität bloße Schulden; Schulden ohne solide Verwertungsaussichten und daher von höchst anfechtbarem Wert. Umgekehrt waren die anfänglich durch den Dollar kreditierten Währungen zu Geldern geworden, die einen soliden Reichtum und ein aussichtsreiches nationales Wachstum repräsentierten: mehr Reichtum, als Amerika je ausgeliehen hatte, und bessere Aussichten als die, die Amerika für seine „Wertpapiere“ bieten konnte. Wenn daher die Zöglinge des Dollar weiterhin vorschriftsmäßig Dollars aufkauften und dafür Geld schöpften, dann gaben mittlerweile sie den Schulden ihrer Führungsmacht Kredit, kamen mit ihrem guten Nationalkredit für Amerikas ungedeckte Defizite auf. Aus Dollarschuldnern waren sie zu Gläubigern der USA geworden – und führten Beschwerde darüber, daß ihr Schuldner das einfach nicht anerkannte.

Die USA ihrerseits konnten nicht völlig ignorieren, daß ihre Partner inzwischen über konvertible Währungen verfügten und immer nachdrücklicher verlangten, daß diese und die Weltwährung Nr. 1 nun auch wirklich frei und ohne positive oder negative Diskriminierung ineinander konvertierbar sein sollten. Es gab da einen „Sachzwang“: Das international tätige Finanzgewerbe hatte sich längst, ermuntert nicht zuletzt durch die Unzufriedenheit der außeramerikanischen Geldschöpfer, über die verschiedenen Dollar-konvertiblen Währungen hergemacht und mit seinen Spekulationen vergleichende Bewertungen abgeliefert, die sich gegen die überkommenen Paritäten richteten. Die Finanzpolitiker der USA sahen ihr Weltgeldsystem einigem „spekulativem Druck“ ausgesetzt – und reagierten, stets nach langem Feilschen, mit der Vereinbarung neuer Austauschrelationen, die eine Abwertung des Dollar festschrieben. Damit gaben sie dem – bereits praktizierten – Anspruch nach, auch den Dollar einem kritischen Vergleich mit anderen Währungen zu unterwerfen. Dieser Vergleich sollte mit der neuen Parität dann aber jeweils wieder erledigt sein: Er wurde zugelassen und das quantitative Außenverhältnis revidiert, um dadurch die qualitative Ausnahmestellung der US-Währung wieder unanfechtbar zu machen und den Anspruch auf generelle Gleich-Gültigkeit aller Währungen abzuwehren. So konnten die Herren des Dollar anschließend immer wieder darangehen, den Wertverlust aller öffentlichen und privaten Dollar-Vermögen auszugleichen – durch unbefangene weitere Ausweitung ihrer Kreditproduktion… Um die Befassung mit dem „Problem“ der „Dollarschwemme“ kamen sie deswegen auf die Dauer auch nicht herum. Sie hatten damit nur ein etwas anderes Problem als ihre beschwerdeführenden Kollegen von auswärts; schon auch mit der lohnenden Verwendbarkeit ihrer weltweit zirkulierenden Zahlungsversprechen, aber eben mit Blick auf die Aussichten ihres nationalen Kapitalwachstums; und demgemäß fiel ihre Reaktion aus: Sie beschränkten die Freiheit, auswärts zirkulierende Dollar innerhalb der Vereinigten Staaten anzulegen. Das mochte zwar ein systemwidriger Eingriff in die von ihnen selbst arrangierte globale Freiheit der Märkte sein, entsprach aber völlig dem Sinn und Zweck dieser Freiheit: Die USA hatten ihren Unternehmern den Globus für die Zwecke der Kapitalakkumulation zur Verfügung gestellt; auf der Grundlage war es gelungen, nicht bloß Kapital, sondern auch dessen – durch staatliche Großunternehmungen beflügelte – Überakkumulation zu exportieren. Nun schirmten sie ihre Nationalökonomie gegen die Gefahr ab, daß ihnen ihr weltweit vergeblich nach lohnender Anlage suchender Kredit zurückgereicht wurde und den Offenbarungseid erzwang, daß das große Amerika für seine selbstgeschaffenen Dollar selber keine kapitalistisch lohnende Verwendung hatte. Dieses Problem sollte bei den Partnern bleiben; und dafür tat die Regelung, nach der die anderen Nationen amerikanische Schuldzettel aufnehmen und mit eigenem Kredit vergüten mußten, noch einmal gute Dienste. Freilich steckte in dem amerikanischen Gewaltakt auch das Eingeständnis, daß es sich bei den weltweit vorhandenen Dollars um spekulativ bzw. administrativ geschöpfte Schulden und sonst gar nichts, mitnichten also um den abstrakten Reichtum höchstpersönlich handelte: Ihr Vorzug, überall unmittelbar als Wertträger zu gelten, war ja durch den Hersteller dieser „Geldware“ selbst außer Kraft gesetzt. Den Amerikanern machte dieser kleine Widerspruch aber am wenigsten zu schaffen.

Amerikas Partner mußten folglich noch einiges anstellen, bis sich ihr großer Schuldner, der immer noch als der Gläubiger der kapitalistischen Welt gelten wollte, dazu bereitfand, das Gleichheitszeichen zwischen US-Währung und Welt-„Liquidität“ zu liquidieren. Noch einige Spekulationswellen waren fällig, in denen wachsende Dollarsummen in die „Erwartung“ eines sinkenden Dollarwerts „investiert“ wurden, die europäischen Notenbanken „Abwehrschlachten“ gegen den Zustrom „heißer“ Gelder schlugen, die Bundesbank für Stunden „ihre Devisenschalter schloß“ und dergleichen mehr, bis die Dollarkrise fällig und fertig war. Die von ihrem Präsidenten-General im Geiste eines gewissen Antiamerikanismus erneuerte 5. französische Republik steuerte einen demonstrativ provokativen Staatsakt bei: Sie nahm die Festlegungen von Bretton Woods beim Wort, machte Ernst mit der Schuldennatur der die Welt „überschwemmenden“ Dollarguthaben und reichte ihre US-Devisen zur Einlösung in Edelmetall über den Atlantik zurück, bis die USA die Gold-Konvertibilität ihrer Währung, diese dank ihrer Nicht-Inanspruchnahme aufrechterhaltene fiktive „letzte Garantie“ der exklusiven Weltgeld-Qualität des Dollar, auch noch kündigten. Am Ende trat für Amerikas wichtigsten Weltwirtschaftspartner in Europa, die BRD, der erwünschte unabweisbare Sachzwang ein, den pflichtgemäßen Ankauf von Dollars überhaupt einzustellen. Da kam dann auch der amerikanische Staat nicht mehr daran vorbei, einer grundlegenden „Neuregelung der Währungsverhältnisse“ zuzustimmen.

d) Geldhoheit und Weltgeld nach dem Ende des „Gold-Dollar“

Mit dem vielzitierten „Ende des Bretton Woods-Systems“ gingen die Notenbanken zum „Floaten“ über, der fortwährenden Neubewertung aller Währungen im Verhältnis zueinander durch die freie Geschäftstätigkeit der spekulativ engagierten Geldhändler; und deren erste Tat war ein deutlicher Kursverlust des Dollar gegenüber der D-Mark. Das war schon der ganze Wandel;[7] aber der hatte es in sich.

Erstens war damit ein für die beteiligten Staaten sehr bedeutender weltpolitischer Rollenwechsel vollzogen: Die USA hatten ihre Oberhoheit über das Geld der kapitalistischen Welt aufgegeben; sie waren nicht mehr mit ihren Geldnoten die Bank aller Notenbanken und universeller Gläubiger, sondern wie alle anderen Staaten Schöpfer eines Kreditgeldes, das sich im internationalen Verkehr seine kritische Würdigung als Nationalschuld und Währung von relativem Wert gefallen lassen mußte. Die übrigen Staaten hatten sich umgekehrt die Anerkennung als souveräne gleichberechtigte Geldschöpfungsagenturen verschafft und damit die Emanzipation aus ihrer anfänglichen Schuldnerrolle vollendet. Die damit verbundene Abwertung des Dollar – eine unausbleibliche Reaktion auf den Verlust der bisherigen Ausnahmestellung dieses Geldes – brachte zwar einiges im Gefüge des weltweiten kapitalistischen Reichtums durcheinander; nicht unbedingt zum Nachteil der USA – wovon das folgende Kapitel handeln wird –; auch nicht einfach zugunsten der BRD und ihrer EG-Partner. Daß letztere einen beträchtlichen Wertverlust ihrer eigenen, durch die Spekulationswellen bis zur schließlichen „Dollarkrise“ enorm angeschwollenen Devisenreserven hinnehmen mußten – gemessen in eigener Währung, und die galt ja nun in neuer Weise als Maß aller Werte! –, war der Preis für den Befreiungsschlag, mit dem sie ihren zur Last gewordenen US-Kredit qualitativ und dann auch quantitativ auf das Maß reduzierten, in dem er fortan für ihre weltwirtschaftlichen Interessen noch funktional war.

Diese Interessen und die Funktion der verschiedenen nationalen Gelder waren als Zweites mit der Beseitigung des alten Paritätensystems gründlich neu definiert. Mit der Übereinkunft der Nationen, die extravagante Sonderstellung des Dollar als eine Art Gold-Ersatz zu beenden, fand kein Rückfall in ein internationales Monetarsystem statt, aufs Edelmetall als Mittel zum zwischenstaatlichen Reichtums-Transfer. Vielmehr fungierten nun im Prinzip alle kapitalistischen Währungen in gleicher Weise als Weltgeld – soweit eben, wie sie von der Geschäftswelt für ihre Belange benutzt wurden; und sie repräsentierten alle gleich gültig den abstrakten Reichtum der Welt – eben in dem Maß, in dem sie vom Geldkapital mit seiner internationalen Nachfrage nach und seinem Angebot an Kreditgeldern im Verhältnis zueinander als Wertträger bewertet wurden. Lauter gleichermaßen bedingt gültige und relativ zueinander in ihrem Wert bestimmte Währungen lösten den Dollar in seiner unhaltbar gewordenen, weil erfolgreich bestrittenen Sonderrolle als absolutes Wertmaß und unbedingtes Weltgeld ab.

Damit war zum einen klar, daß den Staaten mit ihrer kapitalistischen Nationalökonomie auf jeden Fall die eine wesentliche Bestimmung erhalten blieb, die die USA sich und ihren Partnern mit der Herstellung einer integrierten Dollar-Weltwirtschaft nach dem Krieg auferlegt hatten: Sie waren und blieben in ihren Bemühungen um nationalen Reichtum Teile eines globalen Geschäftslebens. Keine Nation hatte sich das Recht genommen oder war in die Freiheit entlassen, „erst einmal“ für sich Kapital zu akkumulieren und dann eventuell auch Außenhandel zu treiben; jede war von vornherein mit ihrer nationalen Erwerbstätigkeit an der Schaffung und Verteilung eines international gemessenen und akkumulierenden kapitalistischen Reichtums beteiligt und hinter dem dabei zu verdienenden Weltgeld her.

Diesen Bemühungen um weltwirtschaftlichen Erfolg war mit der neuen Geschäftsbedingung eines diskriminierungsfreien Weltgeld-Pluralismus ein neues Kriterium vorgegeben und damit ein neues Ziel gesetzt. Das Bestreben, an anderen Nationen möglichst viel Weltgeld zu verdienen, ging nun nicht mehr auf den Erwerb einer bestimmten dominierenden Währung und auch nicht bloß darauf, gleich einen Haufen verschiedenartiger Devisen herbeizuschaffen. Jede Nation mit einem halbwegs funktionierenden Kapitalismus trat vielmehr an zu einem Wettbewerb um Gebrauch und Bewertung des eigenen nationalen Kreditgeldes im Verhältnis zu anderen durch die Internationale der Geldhändler; denn danach entschied sich nun, ob und in welchem Maß sie in ihrer eigenen Währung über Weltgeld verfügte; und auf diese Art, über Weltgeld zu verfügen, kam es ab jetzt an. Denn in dem Maß konnte sich nun jede Nation ein Stück von der Macht erobern, die bislang die USA monopolisiert hatten: sich Weltgeld, allgemein anerkannten und global verwendbaren echten abstrakten Reichtum, zu drucken.

Eröffnet war damit eine Verdrängungskonkurrenz neuer Art und von einer eigenen Härte. Es ging nicht mehr bloß darum, anderswo fremdes Geld zu verdienen und auf dessen Einlösung in allgemein anerkanntem und verwendbarem Äquivalent zu bestehen. Alles Kaufen und Verkaufen stand – und steht seither – unter der Zielbestimmung, das jeweils eigene nationale Geld als bevorzugtes Mittel der weltweiten Geschäftemacherei durchzusetzen, den Gebrauch fremden Geldes also zugunsten des eigenen zurückzudrängen, damit sich immer größere Anteile des global zustandegebrachten abstrakten Reichtums im eigenen Kreditgeld darstellen. Die Kapitalisten der ganzen Welt sollten und sollen nun nach dem Willen jeder der konkurrierenden Nationen für sie praktisch genau die Gleichung herstellen und beglaubigen, die den USA als bloße administrative Anmaßung bestritten worden ist, daß nämlich der jeweils eigene nationale Kredit nicht Schuld, sondern Guthaben, kapitalistisch fungierender Reichtum sei – nicht absolut, aber allemal in höherem Maß und größerem Umfang als der Nationalkredit der Konkurrenten. Geführt wurde und wird dieser Konkurrenzkampf von den Staaten mit dem Reichtum, über den sie hoheitlich verfügen – also mit dem Einsatz eben des Kreditgeldes, um dessen dominierende Rolle es geht. Alle Nationen ringen darum, ihren Kredit so zu verwenden und durch die kapitalistische Welt so verwenden zu lassen, daß dessen Schöpfung und ständige Vermehrung durchs Ergebnis: den Erfolg der damit zustandegebrachten Geschäfte, ins Recht gesetzt wird.

Dieser Konkurrenz sind seither auch die USA unterworfen. Irgendein Teilnehmer wie alle anderen sind sie freilich nicht. Ihr Anspruchsniveau ist durchaus extravagant geblieben: Wenn ihr Dollar schon nicht mehr das absolute Weltgeld war, so sollte er stattdessen das optimale sein, also die freie und gleiche Konkurrenz der Währungen eindeutig und einseitig für sich entscheiden. Mit diesem Interesse haben sie die neue Konkurrenzordnung nicht bloß hingenommen, sondern gleich wieder zu ihrem Anliegen gemacht. Und für ihr Ziel verfügten die USA auch nach der Preisgabe der Sonderstellung, mit der sie die Weltwirtschaft der Nachkriegszeit eingerichtet hatten, als dessen langjährige Betreiber und Nutznießer über Mittel wie keine andere Nation.

9. Die USA in der Konkurrenz um das beste Weltgeld: Amerikanische Standortpolitik

Im Prinzip wie jeder Staat stellen sich die USA der internationalen Konkurrenz. Deren Gegenstand ist der nationale Gesamterfolg in einem Metier, das die Staatsmacht selber gar nicht betreibt: Es geht um das Geschäft kapitalistischer Unternehmer. Das beginnt mit einem Vorschuß, der regelmäßig durch Verschuldung finanziert wird; gelungen ist es dann, wenn die Schulden durch den profitbringenden Einsatz von Arbeit und einen Verkauf der Produkte zu angemessenen Preisen in wirklichen Gelderlös verwandelt worden sind. Zu solchen Erfolgen – und den dabei notwendigerweise mit anfallenden Mißerfolgen – verhält sich das Gemeinwohl, um das die Staatsmacht sich kümmert, wie eine Gesamtbilanz, in der allerdings nicht bloß alle unternehmerischen Aufwendungen und Erträge zusammengezählt und gegenübergestellt werden. Was Kapitalisten aus Eigenmitteln oder Bankkrediten für ihre Unternehmung vorschießen und was die Banken an ihre Kunden ausleihen, das ist zwar privates Vermögen; doch in diesem Vermögen steckt, vom übergeordneten Standpunkt der Staatsmacht her gesehen, eine öffentliche Vorleistung, ein Vorschuß der prinzipielleren Art: Es handelt sich um von der staatlichen Notenbank geschöpften, mit gesetzlicher Autorität als definitives Zahlungsmittel in Verkehr gebrachten Kredit. An dessen Geldeigenschaft läßt die Staatsmacht einerseits zwar keinen Zweifel zu; nur deswegen repräsentiert er ja wirkliches Eigentum. Andererseits vergütet ihre Notenbank damit aber nicht einfach realisierte Erlöse aus dem kapitalistischen Gebrauch des Eigentums, sondern antizipiert den Gesamtertrag eines Geschäftsgangs, der die auf nationale Währung lautenden, gesetzlich als Geld deklarierten Summen insgesamt erfolgreich verwenden und dadurch zum Ausdruck wirklicher rentabler Kapitalverwertung machen soll; erst so ein Geschäftserfolg rechtfertigt ökonomisch den durch die Staatsmacht vorgegebenen gesamtnationalen Kredit. Ob und inwieweit dieses Ziel erreicht, die Vorgabe des Staates an seine private Geschäftswelt eingelöst ist, läßt sich aus einer Statistik der Unternehmenserfolge deswegen nicht ermitteln, weil das gerade Gegenstand der Konkurrenz zwischen den Nationen ist: Der nationale Gesamterfolg besteht nicht in einem absolut zu beziffernden Ertrag, sondern in der relativen Zugriffsmacht des Geldvermögens der Nation, das im gesetzlichen Zahlungsmittel kapitalistisch verwendbar vorliegt; im Verhältnis nämlich zur entsprechenden Macht anderer nationaler Kreditgelder. Dieses Verhältnis ergibt sich aus dem Vergleich des jeweiligen Gesamtkredits der verschiedenen Nationen, durchgeführt an dessen Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel, und zwar in Form einer wechselseitigen Messung von deren Wert, also des durch sie repräsentierten Werts; und diese Messung ist keine theoretische Rechenaufgabe, sondern die alltägliche Geschäftspraxis einer eigenen Abteilung des Geldkapitals. Im professionellen Austausch der Währungen gegeneinander, durchgeführt unter dem Kriterium, daß sich daran verdienen läßt, findet die wechselseitige Bewertung der nationalen Zahlungsmittel statt. Eine andere Abrechnung des nationalen Konkurrenzerfolgs gibt es nicht; umgekehrt: So liegt sie vor; verbindlich, nämlich als objektive ökonomische Sachlage für alle Kreditschöpfer und -benutzer.

Was die Staatsmacht für diesen Erfolg tun muß und tun kann, ist damit schon gesagt. Sie schafft den Kredit, von dem alle Geschäftstätigkeit, die in die fortwährend aktualisierte praktische „Abschlußbilanz“ eingeht, ihren Ausgang nimmt. Sie schafft ihn auf vielfältige Weise: auf der einen Seite durch die letztinstanzliche Kreditierung des Kreditgewerbes, das auf dieser sicheren Grundlage seinerseits den für die Produktion des kapitalistischen Reichtums nötigen Vorschuß „schöpft“ und dafür an den Erträgen partizipiert; auf der anderen Seite in der Form, daß sie auf eigene Rechnung Kreditgeld schöpft oder auch direkt aus dem laufenden nationalen Geschäft an sich zieht, um es für die Einleitung lohnender Geschäfte wie vor allem dafür einzusetzen, daß möglichst alle eingeleiteten Geschäfte einen guten Verlauf und ein gutes Ende nehmen – eine ganze Welt von staatlich herzustellenden Geschäftsbedingungen ist darin eingeschlossen. Diese gesamte ökonomische Tätigkeit der Staatsmacht steht unter der Zielsetzung, über das Mittel des nationalen Gesamterfolgs dessen Erfolg herbeizuführen. Daß sie dieses Ergebnis nicht in der Hand hat, versteht sich von selbst: Es geht schließlich um einen Konkurrenzerfolg, den erstens die Akteure der nationalen Kreditverwertung, die kapitalistischen Unternehmer, gegen ihresgleichen erst erringen müssen; zweitens müssen deren Erfolge so zu Buche schlagen, daß sie alles, was die Staatsmacht dafür kreditschöpfend und geschäftsfördernd aufgewandt hat, als gelungene „Anschubfinanzierung“ ins Recht setzen; dies drittens mehr, als es anderen Nationen gelingt; und dies viertens so, daß die im Geldhandel zusammenlaufenden Geschäftsinteressen der weltweiten Kapitalistengemeinde sich praktisch danach richten und so den vergleichsweisen Erfolg der nationalen Anstrengungen verbindlich beglaubigen und objektiv machen. Anordnen läßt sich ein nationaler Wirtschaftserfolg also nicht; aber solange die Regierungsmacht im kapitalistischen Staat in den Händen bürgerlicher Marktwirtschaftler bleibt, nimmt sie sich das ohnehin gar nicht vor. Sie stellt sich vielmehr den Herausforderungen durch die Konkurrenz; und das heißt: Sie tut in ihrem Herrschaftsbereich für den kapitalistischen Gesamterfolg, was sie tun kann und wozu ihre Mittel reichen – die Mittel des Nationalkredits nämlich und ihrer gesetzlichen Macht über dessen Verwendung; und sie tut alles, um in die Geschäftssphären einzudringen, die fremder Hoheit unterstehen, und die Benutzer ihres Nationalkredits an der Kapitalverwertung und -akkumulation teilhaben zu lassen, die ihre Konkurrenten zustandebringen. Das eine Vorgehen faßt sich in der nationalen Haushaltspolitik zusammen; internationale Erpressungsgeschäfte machen die andere Abteilung des staatlichen Handelns aus.

In dieser Konkurrenz spielen die USA eine herausragende Rolle.

a) „Reagonomics“: Der Anspruch der USA auf überlegene Welt-Wirtschaftsmacht und das bleibende Grundmuster seiner Durchsetzung

Das Problem, ohne den alten Umtausch- und Paritätenzwang mit ihren Dollars im Weltgeschäft nichts mehr anfangen zu können, hatten die USA nie; für die Zahlungsfähigkeit der Geschäftswelt wie der Staatsgewalt gab es unmittelbar keine Rückwirkungen, die sich nicht durch entsprechend vermehrte Geldschöpfung hätten erleichtern oder sogar kompensieren lassen. Für die regierenden Funktionäre der amerikanischen Weltwirtschaftsmacht war das aber wenig Trost. Sie registrierten nicht bloß einen nichtendenwollenden Kursverfall ihrer stolzen Währung, die eben erst noch goldgleich gewesen war, sondern komplementär dazu einen fortschreitenden Verlust von Weltgeschäftsanteilen an die Konkurrenten mit dem „härteren“ Geld. Und selbst wenn diese Anteile noch im Bereich niedriger Prozentzahlen lagen, so war doch die Tendenz besorgniserregend: Die ökonomische Macht der Nation verfiel.

Das Problem, im Prinzip genauso wie alle anderen Nationen, nur in noch viel größerem Umfang und mit noch durchschlagenderem Erfolg, für eine so rentable Verwendung ihrer Dollarmassen sorgen zu müssen, daß sie als wirklicher Reichtum und ökonomische Schlagkraft der Nation bestätigt wurden, hatten die USA also schon. Um dem nationalen Dollarvermögen seine Macht über den Reichtum der Welt zu erhalten oder sogar im früheren Umfang zurückzugewinnen, war – neben einer Klarstellung der Staatenhierarchie nach außen – die Betätigung des Nationalkredits in einer Weise verlangt, daß der wachsenden Staatsschuld wieder mehr ökonomischer Erfolg entsprach.

Die Aufgabe fand ihren Mann: einen Präsidenten, der seinem Glauben an die Größe Amerikas die Sicherheit entnahm, deren skrupelloser Einsatz könne seine Wirkung gar nicht verfehlen, müsse vielmehr der Nation ihre „erodierende“ Weltmacht ungeschmälert zurückbringen. In diesem Geist hat R. Reagan erstens beschlossen, alle technischen Schwierigkeiten und strategischen Unmöglichkeiten eines den Endsieg garantierenden Atomkriegs gegen die Sowjetunion für unbeachtlich zu erklären und eine wirksame militärische Okkupation des erdnahen Weltraums in Auftrag zu geben, die den Feind zur militärischen Selbstaufgabe oder gewaltsam in die Knie zwingen sollte. Und er hat dieses Ziel eines atomaren Machtmonopols sinnreich mit der zweiten Zwecksetzung verknüpft, unter den neuen Konkurrenzbedingungen Amerikas alte Herrschaft über Geld und Märkte der Welt wiederherzustellen. Mit seiner offensiven Rücksichtslosigkeit gegen alle finanzpolitischen Bedenklichkeiten hat er dann tatsächlich nicht bloß die Geldmittel für seine „Strategische Verteidigungs“-Initiative zusammengebracht, sondern dabei exemplarisch die haushaltspolitischen Grundsätze herausgearbeitet, denen die USA folgen müssen, um ihrem eigenen Anspruch auf überlegene ökonomische Macht gerecht zu werden.

Die Maßnahmen sind schnell aufgezählt: Die Steuern wurden gesenkt, um die Konkurrenzmacht amerikanischer Kapitalisten zu stärken; dadurch sollte die nationale Wirtschaft insgesamt zu einem solchen Wachstum angeregt werden. daß das Steueraufkommen steigen und jede Menge staatlicher Kreditschöpfung rechtfertigen würde. Mit derselben nationalökonomischen Zielsetzung wurden die enormen Mittel verausgabt, die für das Projekt einer ultimativen Aufrüstung ohnehin nötig waren: Über entsprechende Aufträge wurden US-Unternehmen groß und rentabel gemacht, damit sie mit ihren neu entwickelten Produkten und Verfahren ganz neue Abteilungen des Weltmarkts etablieren und ziemlich monopolistisch ausnutzen könnten. Die erst einmal gewaltig angestiegenen Haushaltsdefizite wurden der überkommenen Politik der nunmehr für unproduktiv erachteten Sozialprogramme zur Last gelegt und auf deren Kosten gemindert; die Hoffnung auf unweigerlich neu entstehende Jobs war das Beste, was die Nation auf ihrem Weg zu neuer kapitalistischer Größe ihren Sozialfällen zu bieten hatte und schuldig war. Damit diese Jobs auch wirklich entstanden, wurde daneben mit einem zähen und schließlich erfolgreichen Kampf gegen die Gegenmacht der Gewerkschaften eine staatliche Vorleistung für die ungehinderte Verbilligung der nationalen Arbeit erbracht. Zur Deckung der Haushaltsdefizite wurde, ganz im Sinne des kapitalistischen „Gesetzes“ von Angebot, Nachfrage und Gleichgewichtspreis, mit hohen Zinsen Geld aus der übrigen Welt attrahiert – also, um von der Technik auf die Sache zu kommen: Die kapitalistische Welt wurde mit Dollarschulden des amerikanischen Staates überschwemmt, denen die üppige Zinsausstattung die Anerkennung als kapitalistisch brauchbare Guthaben sicherte. Der kräftig vermehrte Dollar stieg darüber im Wert gegen die anderen Weltwährungen, was nicht bloß die Zahlungsfähigkeit des Staates zusätzlich förderte; durchaus absichtsgemäß wuchs dadurch auch die internationale Schlagkraft amerikanischen Kapitals in der Konkurrenz um die Erschließung und Benutzung weiterer auswärtiger Anlagesphären.

Mit diesem Maßnahmenbündel, das als „Reagonomics“ in die Geschichte des Kapitalismus eingegangen ist, haben die USA nicht bloß einen vorübergehenden Konkurrenzerfolg auf den Weltfinanzmärkten errungen. Ihr Chef hat damit exemplarisch vorgeführt, wie die Weltwirtschaftsmacht ihren Konkurrenzkampf überhaupt zu führen hat. Es geht dabei um den Kredit der Nation; und in dem sind vergangene Leistungen und Erträge, die vorhandenen kapitalistischen Potenzen also, im Hinblick auf den damit zu bewerkstelligenden zukünftigen Geschäftsgang zusammengefaßt: Der Kredit der Nation ist die Antizipation ihrer späteren Erfolge. Entscheidend war daher der von Reagan initiierte nationale Aufbruch, und zwar in seinen verschiedenen Zielsetzungen. Das auf Endsieg angelegte Kräftemessen mit dem sowjetischen Feind hat die kapitalistische Geschäftswelt ganz grundsätzlich für die Nation eingenommen, die sich ein solches Vorhaben zutraute; und das nicht bloß im Sinne der ängstlichen Berechnung, daß im Entscheidungsfall das Heimatland der „Strategischen Verteidigungs-Initiative“ wohl noch die größte Standortsicherheit bieten dürfte. Der entschiedene und mit glaubwürdigen Mitteln operierende Wille, mit dem „Konzept“ der einen kapitalistischen Welt endlich Ernst zu machen, hat da unter gleichgesinnten Spekulanten seine Überzeugungskraft entfaltet und nicht bloß im übertragenen Sinn für Kredit gesorgt: Die Tauglichkeit und somit der Wert eines nationalen Kredits hängt tatsächlich davon ab, was dessen Heimatstaat, im Verhältnis zu anderen souveränen Kreditquellen, an Durchsetzungskraft zugetraut wird; militärische Machtbeweise werden da ganz regulär unmittelbar zu Finanzmitteln. Die gewaltigen Schulden, die der Präsident für sein Rüstungsprogramm gemacht hat, waren deswegen kein „Warnsignal“ für die nationale und internationale Geschäftswelt, sondern ihrerseits ein überzeugungskräftiges „Datum“ mehr: Ihnen war gerade wegen ihrer exorbitanten Höhe die Erkenntnis zu entnehmen, wie kompromißlos der politische Wille der Nation zur Tat wurde – der Wille zu militärischer Überlegenheit ebenso wie der Entschluß, die fällige Aufrüstung nach den Regeln des finanzkapitalistischen Geschäfts zu organisieren, nämlich zur Verdienstquelle für Geldbesitzer auszugestalten. Die dafür gezahlten hohen Zinsen waren eine einzige Bekräftigung dieser vertrauensstiftenden Perspektive: Mit ihnen demonstrierte die Nation, wieviel ihr zukünftiger Zuwachs an Macht und Geschäft ihr wert war und wieviel derartigen Zuwachs sie sich zutraute. Mit dieser kühnen Vorwegnahme künftiger Erträge eines auf den ganzen Globus ausgeweiteten national nützlichen Geschäfts waren nicht bloß die Haushaltsdefizite einschließlich Zinsversprechen gerechtfertigt. Sämtliche weltweit zirkulierenden Dollarmassen, die es schon gab und deren Wert zunehmend in Zweifel gezogen worden war, wurden mit den tatkräftig ins Werk gesetzten Zukunftsperspektiven der Nation ganz von selbst wieder „stabil“: Auf einmal erwiesen sie sich als erstklassiges Mittel aller Dollarvermögensbesitzer, an Amerikas Aufbruch geschäftlich zu partizipieren, und für die Nation als unerschöpflicher Fundus von Kreditmitteln, mit denen dieser Aufbruch ganz gediegen kapitalistisch zu bewerkstelligen war. So bewährte sich die Masse des noch als Weltgeld zirkulierenden amerikanischen Nationalkredits ganz neu als Hebel für ihre erfolgreiche Vermehrung, und erstmals seit dem Ende seiner Alternativlosigkeit wurde der Dollar als vergleichsweise beste Alternative unter allen Währungen gehandelt und bewertet.

Die konkurrierenden Partner Amerikas waren beeindruckt, und ihre Reaktion fiel entsprechend aus. Sie kamen nicht umhin, ihrerseits das amerikanische Vorgehen, so gut sie konnten, zu kopieren – also strategisch mit aufzurüsten und Massen von eigenem Nationalkredit in die Schaffung größerer Kapitale und neuer Gewerbezweige zu stecken; und natürlich hatten sie auch für die Wertschätzung ihrer aufgeblähten Schulden dem dafür zuständigen Finanzkapital die entsprechenden Zinsen zu zahlen. Die Erkenntnis, daß man gleichwohl in dieser Konkurrenz erst einmal nur verlieren konnte, drückte sich in der deutlichen Unzufriedenheit der Verbündeten mit ihrer Führungsmacht aus – die besserwisserische Kritik des anfangs noch in Deutschland regierenden „Weltökonomen“ H. Schmidt an der US-Haushaltspolitik war eine Variante –; und nicht wenige Weltmarktteilnehmer haben seinerzeit ihre Währungen ruiniert. Daß für Amerika auch nicht alle Rechnungen aufgingen: das ist nur normal, weil diese Berechnungen ja welche für einen neu zu eröffnenden Konkurrenzkampf waren und nicht für eine abschließende Bilanz, wie es sie im Kapitalismus ohnehin nie gibt. Und außerdem gehört diese Feststellung, die zuallererst von Amerikas eigenen Weltökonomen getroffen wurde, bereits in die nächste Konkurrenzphase.

b) „Kampf dem Doppel-Defizit“: Die maßstabsetzende Haushaltspolitik einer geschädigten Weltmacht

Im Nachhinein ist dem nach seinem Urheber benannten ökonomischen Aufrüstungsprogramm der USA bescheinigt worden, es sei gescheitert und hätte auch gar nicht aufgehen können; die massiv gestiegenen Defizite im Staatshaushalt und im Außenhandel – das jahrelang sorgenvoll beklagte „Doppeldefizit“ – wären der Beweis. Das sah freilich anders aus, solange das Programm noch auf vollen Touren lief. Da wurden bei abgesenkten Steuersätzen steigende Steuereinnahmen erzielt, wenn auch längst nicht genügend, um die enormen Staatsausgaben zu bezahlen; das war so aber auch gar nicht geplant. Mit der massiven Verschuldung wurden enorme Geschäfte in Gang gesetzt und US-Unternehmen mit neuer Konkurrenzmacht ausgestattet. Deren Wachstum reichte im Endeffekt zwar nicht an die Höhe der immer von neuem erforderlichen Schuldenaufnahme heran; doch Probleme bereitete die Mittelbeschaffung trotzdem nie. Dabei wuchs sogar die im Dollar repräsentierte ökonomische Zugriffsmacht der Nation. Daß das Ausland am amerikanischen Aufschwung mitverdiente, so daß die Handelsbilanz kräftig negativ wurde, war kein Unglück: Jahrelang kauften die USA in aller Welt billig ein, und in anderen Abteilungen machten US-Unternehmen mit konkurrenzloser Produktivität ihre Geschäfte. Das waren Konkurrenzerfolge; sie sind nicht deswegen nie welche gewesen, weil die Konkurrenz auch nachher weitergegangen ist und nach etlichen Jahren auf amerikanischer Seite zu Ergebnissen geführt hat, die dann eine negative Gesamtbilanz erzwungen haben. Es mag sogar sein, daß es der Höhe nach die gleichen Defizite im Haushalt und im Außenhandel waren wie unter Reagan, die unter seinem Nachfolger dann als Schädigung der Nation gewirkt haben und begriffen worden sind. Worauf es ankommt, ist eben ihr ökonomischer Inhalt: ob diese Defizite durch einen Zuwachs an amerikanischer Macht, in der Weltpolitik und auf militärischem Gebiet ebenso wie in der Verfügung über den weltweit produzierten abstrakten und gegenständlichen Reichtum, gerechtfertigt sind, so daß erst einmal kein Konkurrent dagegenhalten kann, weder die Sowjetunion auf strategischem Gebiet noch die außeramerikanischen Weltökonomen weltökonomisch – oder ob sie keinen derartigen Zuwachs bewirken und eher signalisieren, daß gewisse Konkurrenten das weltwirtschaftliche Wachstum besser in ihren Griff kriegen. Letzteres war in den Jahren nach Reagan der Fall.

Was das Budgetdefizit betrifft, so hatte es irgendwann nicht mehr in dem mit Schulden finanzierten nationalen Aufbruch Amerikas seinen guten Grund, sondern erwies sich als Begleiterscheinung geringer oder sogar „negativer Wachstums“-Raten, stagnierender oder sinkender Steuereinnahmen, eines schwindenden Vertrauens in die nationale Währung – letzteres sowohl Folge als auch zusätzlicher Bestandteil einer kritischen Gesamtbilanz. Es war eine Belastung für den Haushalt, der jetzt nötiger denn je als Quelle neuen nationalen Zuwachses hätte wirken müssen. Sein Grund konnte folglich nur ein schlechter sein; je nach Parteizugehörigkeit wurden die Zinszahlungen auf die alten „republikanischen“ SDI-Schulden oder die noch viel zu hohen „demokratischen“ Ausgaben für luxuriöse Sozialprogramme haftbar gemacht. Unsachlich war eins wie das andere: „In den roten Zahlen“ war ein Haushalt, der auf seiner Ausgabenseite beide Positionen und noch viele andere umfaßte und wirklich nicht erkennen ließ, welcher Ausgabeposten mit größerem oder geringerem Recht dem „Fehlbetrag“ bei den Einnahmen als dessen wahre Ursache gegenübergestellt gehörte. Klar war nur und in jedem Fall, daß sich mit dem Haushalt weniger Nützliches anfangen ließ. Alle für das Defizit Verantwortlichen vermißten einen erkennbaren nationalen Nutzen der staatlichen Kreditschöpfung. Und ganz gleich, ob Reagans alte Schuldscheine mit ihrer Zinsausstattung oder die öffentliche Armenspeisung daran schuld sein sollten: Die politökonomische Tatsache, die die Politiker in aller ideologischen Meinungsverschiedenheit zur Kenntnis nahmen, war die, daß der Jahr für Jahr um enorme Neuverschuldungssummen wachsende Nationalkredit nicht zu einer nationalen Kapitalakkumulation führte, die mit ihren produzierten und verdienten guten Dollars den wachsenden nationalen Gesamtvorschuß gerechtfertigt hätte.

Die allgemeine Auffassung, daß die „Budgetlöcher“ nationalökonomisch nicht mehr in Ordnung gingen, bestätigte sich an dem zweiten Defizit der Nation, dem in der Handelsbilanz. Deren „rote Zahlen“ wurden nicht mehr als Begleiterscheinung eines intakten Wirtschaftswachstums abgebucht, weil jede Bestandsaufnahme der nationalen Konkurrenzlage ein Minus an Funktion und Substanz des nationalen Kredits – nämlich als Geschäftsmittel der Welt wie als öffentliches wie privates Vermögen – ergab: Mit Dollars war weltweit immer weniger anzustellen. Im Lichte dieser Gesamtbilanz wurde der negative Saldo zwischen Ex- und Importziffern als Beweis dafür gewertet, daß gewisse Ausländer viel zuviel, und das auch noch einseitig, an Amerika verdienten, ohne umgekehrt in gerechtem Umfang Amerika auf ihren Märkten Geld verdienen zu lassen. Auch das war eine eher unsachliche Interpretation der Sachlage. Ein Problem waren die „roten Zahlen“ nämlich weder, weil sie „rot“, noch erst recht, weil sie dafür anderswo „schwarz“ waren, sondern weil das nationale Wachstum im Weltvergleich zu wünschen übrigließ; andernfalls hätte nämlich – wie zu Reagans Zeiten – niemand dem Umstand besondere Beachtung geschenkt, daß die Bezahlung der Importe, die im übrigen ohnehin allemal mit den Mitteln der nationalen Kreditschöpfung bewerkstelligt wird, zusammengezählt höhere als die im Export verdienten Dollarsummen erforderte. In der ideologischen Gestalt einer Schuldfrage und ihrer prompten Beantwortung wurde der Tatbestand registriert, daß der Aufblähung des Anteils amerikanischer Dollar-Schulden am weltweit zirkulierenden Kreditvolumen keine Zunahme des Anteils amerikanischer Dollar-Einnahmen aus der weltweiten Kapitalvermehrung entsprach.

Diese politökonomische Tatsache hatte auch den Stellenwert der Schulden verändert, die die USA im Ausland kreditieren ließen: Deren Zunahme stand kein Wachstum amerikanischer Guthaben in solchem Umfang gegenüber, daß die Macht des amerikanischen Nationalkredits, als Geld zu gelten und über den Reichtum der Welt zu verfügen, von seiner Aufblähung unberührt geblieben wäre. Das Schwinden dieser Macht merkten die Zuständigen auf ihre Weise; nämlich weniger als Folge der unaufhörlichen Konkurrenz der Nationen, in der ihre Währung gerade verlor, stattdessen mit sturem Blick auf die oder genaugenommen den Konkurrenten, der am Wachstum amerikanischer Außenschulden unmittelbar verdiente und deswegen auch gleich noch für deren so eindeutig un- bis kontraproduktives Wachstum haftbar gemacht werden konnte: Japan kassierte auch noch Zinsen, nachdem es zuvor schon im Außenhandel mehr Dollar aus den USA herausgeholt hatte, als dem Land aufgrund seiner Importe aus den USA zugestanden hätten. Die ungefähr genauso lichtvolle umgekehrte Lesart, wonach die Japaner die mit viel Fleiß in Amerika verdienten Dollar dem unersättlichen amerikanischen Fiskus gegen ein kleines, finanzkapitalistisch völlig integres Entgelt gleich wieder zur Verfügung stellten, schied von vornherein aus, weil Amerikas Finanzpolitiker greifbare Vorteile aus dieser doppelten Transaktion vermißten. Sie mußten im Gegenteil je länger, um so besorgter feststellen, daß weder das Außengeschäft ihre Schuldenlage verbesserte noch die eigene Kreditschöpfung das Außenverhältnis in Ordnung zu bringen vermochte. Die Nation mußte sich eingestehen, daß sie weltwirtschaftlich schon so ziemlich in die Rolle des Schuldnerstaates geraten war.

Diese Rolle wurde schließlich auch nicht mehr durch übergeordnete strategische Perspektiven zurechtgerückt. Daß die Freie Welt den „Kampf der Systeme“ gegen die sowjetische Ausnahme-Macht gewonnen hatte, mochte Amerika zwar entlasten, nahm von seinen Verbündeten aber eine weit größere Last. So verlor sich ausgerechnet mit dem Sieg im Kalten Krieg das härteste Argument für jenes exklusive Vertrauen, das die USA sich als unverzichtbare Führungsmacht der gesamten kapitalistischen Welt im Ringen mit einem allen anderen Nationen hoffnungslos überlegenen Hauptfeind bewahrt und auch buchstäblich in Kredit umgesetzt hatten. Es führte kein Weg mehr vorbei an der Diagnose einer ernsthaften Beschädigung der ökonomischen Macht Amerikas.

Diese Diagnose war von Beginn an gleichbedeutend mit einem neuen Aufbruch. Ganz im Geiste des US-Patriotismus, der in seinem grenzenlosen Vertrauen auf die Macht des amerikanischen Reichtums dessen Erfolg im wesentlichen für eine Willensfrage hält, wurde die Nation selbstkritisch: Sie mußte etwas Grundsätzliches falsch gemacht, der Staat den nationalen Reichtum verkehrt bewirtschaftet haben, wenn alles Schuldenmachen und Geldausgeben nur zur Anhäufung ausländischer Forderungen gegen die Nation führte statt zur nationalen Bereicherung am Rest der Welt. Wenn die vielen Dollar, die der Staat schuf und verausgabte, sich immerzu als untauglich erwiesen für den Konkurrenzerfolg Amerikas, dann war es offenbar ganz unamerikanisch, den Staat überhaupt über so viele Dollars verfügen zu lassen. Mit der „konservativen Revolution“ der Republikaner ist diese Selbstkritik ziemlich fundamentalistisch geworden: Um den staatlichen Mißbrauch des nationalen Reichtums ein für allemal zu verhindern, sollte er „an der Quelle“ unterbunden und staatliches Schuldenmachen schlicht verboten werden. Und mit diesem Anliegen sind die „Revolutionäre“ von rechts auf soviel Zustimmung beim demokratischen Präsidenten gestoßen, daß ihr ganzer Elan darüber glatt zusammengebrochen ist: Im nationalen Konsens ist der „ausgeglichene Haushalt“ zum alleinseligmachenden Korrekturprogramm geworden.

Interessanterweise sind die Maßnahmen, die dieser nachdrücklich angesagten Schuldenvermeidungspolitik zum Erfolg verhelfen sollen, gar nichts anderes als eine zeitgemäße Fassung jener „Reagonomics“, auf deren üble Hinterlassenschaft die Demokraten so gern als Grund für die fortwährenden Haushaltsprobleme verweisen. So stehen wieder Steuersenkungen am Anfang, die dem Kapital sein Wachstum erleichtern und darüber das Steueraufkommen steigern sollen. An staatlichem Kredit für die Herstellung von Kapitalgrößen, die amerikanischen Firmen Welterfolge garantieren sollen, fehlt es auch nicht; und schon gar nicht an einem übergeordneten weltpolitischen Zweck, der Vertrauen in den guten Sinn der Kreditschöpfung stiftet: Die amerikanische Oberaufsicht, derer die Welt bedarf, ist mittlerweile neu definiert; deren erfolgreiche Wahrnehmung und Sicherstellung fürs neue Jahrtausend braucht und rechtfertigt größte Anstrengungen, um technologische Vorsprünge auszubauen oder neu zu gewinnen, auch im Sinne einer zeitgemäß fortentwickelten „strategischen Verteidigung“; dafür wird das Nötige getan, bis hin zur Wiederbelebung der Weltraumfahrt. Das Vorhaben, den Kredit der USA dadurch zu stärken, daß er wieder einer national zukunftsweisenden Verwendung zugeführt wird, betrifft also wieder einmal die bekannten „strategischen Schlüsselindustrien“ – den Flugzeugbau z.B., dessen zivile und militärische Abteilung derzeit unter staatlicher Regie zu einem Gesamtkonzern zusammengeführt werden, der auf der Welt allenfalls noch die europäischen Airbus-Hersteller als Konkurrenten hat. Neue Technologien werden gefördert, weil Technik zur ökonomischen Kategorie wird, wo ihre Fortentwicklung die Produktivität der Arbeit und ihre Anwendung die des Kapitals steigert, also das produktive Kapital auswärtiger Konkurrenten – durch „moralischen Verschleiß“, wie Marx sagen würde – entwertet; mit überlegener Produktion und mit neuen, erst einmal konkurrenzlosen Produkten Märkte zu erobern, indem man sie eröffnet, und so die Konkurrenz „abzuhängen“, das ist das Ziel einer regelrechten nationalen Kampagne. Um die alten Schulden wie die neuen Kredite finanzkapitalistisch solide zu machen, wird an einem nicht gespart, nämlich an den dafür gezahlten Zinsen: Die sind so hoch wie nötig, um die Geschäftswelt davon zu überzeugen, daß Amerika – „wieder“ – an seine Zukunft glaubt und sie sich alles Erforderliche kosten läßt. So sichern die USA ihren neuen und alten Verbindlichkeiten die Anerkennung als solide Guthaben und der Währung ihren für opportun erachteten Wechselkurs. Daß die Zinsen dafür nicht so hoch sein müssen wie zu Reagans Zeiten, liegt zum einen daran, daß dank früherer Kreditschöpfung genug anlagesuchendes Geldkapital unterwegs ist, um die Nachfrage danach auch billiger zu befriedigen. Zum andern ist dieses „Datum“ ebenso wie der dadurch „stabilisierte“ Dollarkurs, außerdem die froh vermerkten Wachstumsziffern und die Erfolgsmeldungen über tatsächlich steigende Steuereinnahmen, ein Indiz dafür, daß die im Prinzip immer gleiche Konkurrenzstrategie der Weltwirtschaftsmacht offenbar derzeit wieder einmal zur Akkumulation von Erfolgen führt, die der internationalen Geschäftswelt Eindruck machen und von ihr honoriert werden.

Eigens zu erwähnen bleibt der Punkt, in dem die Regierung des sozialen Demokraten Clinton die Haushaltspolitik ihrer republikanischen Vorgänger nicht bloß kopiert, sondern am entschlossensten über sie hinausgeht; das ist die Defizitbekämpfung durch Kappung der bundesstaatlichen Sozialausgaben. Neue Gesetze beschränken die Sozialhilfe auf einen überschaubaren Abschnitt der individuellen Lebensgeschichte und knüpfen damit in doppelter Weise an die besten Traditionen des amerikanischen Sozialstaats an: Sie entlasten den wirtschaftlichen Erfolg von den Unkosten der damit verbundenen Armut, und sie schaffen den unamerikanischen Zustand ab, den die Sozialpolitiker an den wachsenden Sozialhilfeabgaben entdeckte haben wollen: daß die Armen es sich mit staatlicher Unterstützung in ihrer Armut einfach gutgehen lassen. Diese Leute, immerhin ja auch US-Bürger – die anderen haben noch nicht einmal auf diese „Sozialleistung“ einen Anspruch –, werden mit neuem Nachdruck in ihre von keiner staatlichen Intervention beeinträchtigte Freiheit entlassen, zur Expansion des amerikanischen Geschäftslebens beizutragen und vom Unterstützungsempfänger zum Steuerzahler aufzusteigen. Chancen dazu bietet die amerikanische Wirtschaft mittlerweile genug: Teilzeit- und tagelöhnerartige Beschäftigung wird auch in Branchen eingeführt, in denen dies bislang nicht üblich war; Produktionsabteilungen werden an Zulieferer vergeben, die ihren Betrieb mit „part time jobs“ nach Auftragslage abwickeln; Produktion wird in Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeit verlegt, in denen kein Lohnangebot abgelehnt werden kann. So entstehen mehr „jobs“ – einfach dadurch, daß mehr Leute auf Abruf und wechselnd verschiedene Tätigkeiten ausüben; und eine neue Billiglohnkonkurrenz auf dem nationalen Arbeitsmarkt kommt in Gang, die Rentner und Hausfrauen wieder dem Arbeitsmarkt „zuführt“ und dem Kapital weitere Freiheiten beim Lohnsenken eröffnet: Betriebe umgehen gewerkschaftlich ausgehandelte Lohntarife, indem sie Leute an normalen Arbeitsplätzen als „Teilzeitarbeiter“ einstellen, zu niedrigerem Lohn und ohne Sozialleistungen.[8] Dem Staat verbleibt noch die Aufgabe, die Krankenhilfe für Arme und minderbemittelte Alte zusammenzustreichen. Leute auszumustern, die nichts Gewinnbringendes mehr zustandebringen, kein Beitrag zum, sondern bloß Abzug vom nationalen Reichtum sind; die Armut der Leute, die sich zu den gesetzten Bedingungen noch nützlich machen können, um den staatlich organisierten Pauperismus der nutzlos Gewordenen zu ergänzen: Das ist kein Makel für die Weltmacht des kapitalistischen Überschusses, sondern ein Verfassungsgebot.[9]

Indem sie sich daran halten, haben die USA es tatsächlich dahin gebracht, daß der nationale Kapitalismus bei ihnen derzeit wieder flotter läuft als anderswo. Und das bedeutet alles andere, als daß sie selbstzufrieden den Gang der Weltwirtschaft wieder sich selbst überließen. Mit den Akkumulationserfolgen des nationalen Kapitals wächst dessen Zugriffsmacht auf auswärtige Märkte, in gleichem Maß aber auch sein Bedarf an deren Zahlungsfähigkeit. Der Staatsmacht wachsen damit Rechtsansprüche gegen die Nationen zu, in und an denen das Geld zu verdienen ist, das die machtvoll akkumulierenden heimischen Unternehmen für ihre Akkumulation brauchen. Amerikas große Konkurrenten sehen sich dementsprechend einem neuen Sachzwang zum Erfolg ausgesetzt, den sie wertneutral „Globalisierung“ getauft haben, und reagieren schon wieder in der bewährten Manier: mit der Nachahmung des maßstabsetzenden Vorbilds.

c) Das Konkurrenzinteresse an Europa: Erfolgsbeteiligung am Euro-Markt

Die in der Europäischen Union zusammengeschlossenen Konkurrenten der USA haben sich mit ihrem Projekt einer Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) die Schaffung eines Kreditgelds vorgenommen, mit dem sie im Vergleich mit der ökonomischen Macht der USA besser als bisher dastehen, amerikanische Konkurrenzvorteile aushebeln, größere Teile des weltweiten Geschäfts für ihren Nationalkredit nutzbar machen wollen.[10] Auf diese Anstrengungen ihrer europäischen Kollegen reagieren die Finanzpolitiker in Washington demonstrativ unaufgeregt:[11]

„Grundsätzlich denke ich, daß der Dollar in absehbarer Zukunft weiterhin die Hauptwährungsreserve bleiben wird und jede weitere Aushöhlung seiner Stellung in diesem System – wenn sie geschieht – sich nur langsam vollzieht. Es stimmt, daß die Rolle des Dollar als Währungsreserve in den vergangenen Jahrzehnten etwas abgenommen hat. Seit 1973, als der Dollar ungefähr 76% der offiziellen Währungsreserven ausmachte, ist sein Anteil … auf ungefähr 65% gefallen. Einige glauben, daß dieser Prozeß sich drastisch beschleunigen wird, weil die Investoren den Euro als attraktiveres Investitionsinstrument ansehen als die einzelnen Währungen, die er ersetzt. Meines Erachtens sind die Vorhersagen … stark übertrieben. Erstens benötigen die Märkte wahrscheinlich etwas Zeit, um sich an die neue Währung zu gewöhnen und ihr zu vertrauen… Zweitens wird die Revolution auf den europäischen Finanzmärkten, die viele im Gefolge der EWWU erwarten, nicht über Nacht stattfinden. Es stimmt, daß der unmittelbare Effekt der EWWU eine substantielle Ausweitung der in Euros denominierten Vermögenswerte sein wird – vielleicht ein mehrfaches derjenigen, die jetzt in der D-Mark denominiert sind. Dennoch wird es immer noch unterschiedliche Einschätzungen bezüglich der Kreditrisiken der von den Mitgliedstaaten ausgegebenen Staatsanleihen geben. Und die Bandbreite verfügbarer Instrumente könnte erst in einiger Zeit denen der amerikanischen Kapitalmärkte entsprechen. Und schließlich darf man die Macht der Trägheit nicht unterschätzen. Märkte können vorausschauend und viele Teilnehmer zuversichtlich sein, daß sie letztlich eine dramatische Verlagerung von anderen Währungen zum Euro beobachten können, aber Vorsicht ist angesichts von Unsicherheit auch eine mächtige Kraft… Einige Beobachter in Europa haben den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dem Euro aus Prestigegründen eine dominante Reserverolle zukommen zu lassen. Meines Erachtens verwechselt diese Sichtweise Ursache und Wirkung. Prestige allein wird kein erfolgreiches wirtschaftliches Ergebnis bewirken. Aus all diesen Gründen erwarten wir, daß der Einfluß des Euro auf das Währungssystem anfänglich ziemlich begrenzt ist und sich nur allmählich bemerkbar macht. Aus der amerikanischen Perspektive wäre das beste Ergebnis ein solider – von soliden europäischen makroökonomischen Maßnahmen untermauerter – Euro.“ [12]

Daß das europäische Unternehmen im Prinzip auf so etwas wie die „Aushöhlung“ der faktischen Dominanz des Dollar im Weltgeschäft hinauslaufen soll und könnte, ist den Amerikanern also völlig klar.[13] Einstweilen sind sie sich aber der ökonomischen Kräfteverhältnisse sicher, die sich in den quantitativen Verhältnissen bei den Währungsreserven widerspiegeln: Solange zwei Drittel davon auf Dollar lauten und „die Märkte“ „träge“ reagieren, also in der bisherigen Weise weiterfunktionieren, besteht für Amerika von dieser Seite her keine akute Gefahr. Damit ist freilich auch in aller diplomatischen Höflichkeit eine Bedingung ausgesprochen, unter der die USA das europäische Konkurrenzunternehmen hinnehmen: Das System muß weiterlaufen wie bisher, insbesondere nach dem einzig richtigen Verhältnis zwischen „Ursache und Wirkung“, nämlich ohne verfälschende Intervention „prestige“-süchtiger Staatsgewalten; vielmehr so, daß die „Ursache“, das Interesse der Geschäftswelt, über die „Wirkung“, den Gebrauch und die Wertschätzung der Währungen, weiterhin frei entscheidet – also ungefähr mit dem gewohnten und derzeitigen Ergebnis. Dem Leistungsvergleich, den der freie Geld- und Kreditmarkt mit den verschiedenen Geldern veranstaltet, stellt sich Amerika als die stärkere Seite gerne; nur muß die andere Seite dasselbe tun, darf also keine Schranken gegen die freie Verwendung des Dollar errichten, muß vielmehr uneingeschränkt zulassen, daß in und an Europa nach wie vor gute Dollars verdient werden. Wenn das gewährleistet ist, dann ist von amerikanischer Warte aus gar nicht abzusehen, inwiefern eine gute europäische Währung für sie gefährlicher oder hinderlicher sein sollte als die vielen mehr oder weniger guten, derer man sich bisher zu bedienen hatte; dann kann es für Dollarbesitzer sogar nur nützlich sein, in Europa auf ein ungefähr gleichwertiges Geld zu treffen.

Um so empfindlicher sind die USA in dem einen Punkt, daß Europa weiterhin als Geschäftsfeld für die Verwertung amerikanischen Kredits und die Akkumulation amerikanischen Kapitals offenstehen muß und ihre Dollarbesitzer von keiner Gelegenheit zum Geldverdienen ausgeschlossen werden dürfen. Da geht es ihnen ums Prinzip; und das sieht so aus, daß die Kapitalgröße Amerikas Hauptwaffe im internationalen Konkurrenzkampf ist und ein so großes Kapital die ganze Welt als Geschäftspartner ganz einfach braucht; dem Bedürfnis haben die Partner mit „offenen Märkten“ zu entsprechen. Deswegen geht die US-Regierung sofort und unerbittlich gegen jede EU-Richtlinie vor, die unter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten oder Vorwänden Fleisch von hormon-gemästeten Rindern oder genveränderte Sojabohnen diskriminiert; das sind nun einmal die High-Tech-Produkte des agrarindustriellen Komplexes der USA, und dessen Konkurrenzvorsprung läßt die Nation sich nicht bestreiten. Beim Fluggerät nicht anders: Wenn die US-Regierung ihren militärisch-industriellen Komplex neu ordnet und in diesem Zusammenhang die beiden nationalen Flugzeugkonzerne zusammengehen, dann geht das keinen Konkurrenten etwas an; wenn der einzige Konkurrent sich dann doch einmischt, nämlich die EU-Kommission sich im Interesse ihres Airbus-Konsortiums als Hüterin des freien Wettbewerbs aufbaut, Bedingungen für die Boeing-McDonnell-Douglas-Fusion aufstellt und sogar für den Fall der Nicht-Beachtung mit Abwehrmaßnahmen auf dem europäischen Markt droht, dann ist sofort die Drohung mit einem „Handelskrieg“ auf dem Tisch, und mit der Benennung Frankreichs als Hauptkandidaten für entsprechende Maßnahmen wirkt die Washingtoner Administration spalterisch ins „gegnerische Lager“ hinein… – so daß die EU sich einstweilen mit ein paar Selbstbeschränkungen der neuen amerikanischen Großfirma bei der Aggressivität ihrer Verkaufsmethoden bescheidet.

In dieser Art gibt es für die USA andauernd etwas auszukämpfen; und ihre Rigidität in solchen Affären klärt einiges an dem großzügigen Standpunkt, den sie zu dem eigentlich viel größer und grundsätzlicher angelegten Konkurrenzprojekt der Europäer, dem Euro einnehmen. Ihre einschlägigen Ermunterungen, die Sache „stabil“ voranzubringen, mögen von taktischen Erwägungen bestimmt sein; sie zeigen aber auf alle Fälle auch, daß die USA über alle Höhen und Tiefen ihres Kampfes um weltwirtschaftliche Macht hinweg das widersprüchliche Prinzip ihres Engagements für globalen Kapitalismus nicht geändert haben. Sie verlangen von ihren großen Partnern mit allem Nachdruck nicht bloß zweckmäßige, sondern erfolgreiche Bemühungen, ihr Geschäftsleben voranzubringen und einen brauchbaren eigenen Nationalkredit zu erwirtschaften; was die dann zustandebringen, beanspruchen sie mit der größten Selbstverständlichkeit als Mittel für sich, nämlich für ihre Konzerne mit den weltrekordmäßigen Umsätzen. Sie fordern die andern Nationen zum Konkurrieren heraus – und werden sofort ungemütlich, wenn sie darauf stoßen bzw. gestoßen werden, daß die Bemühungen ihrer Partner sich selbstverständlich auch gegen sie richten: Sobald sie Absatzmärkte verlieren, sehen sie sich um ihren Erfolg betrogen, auf den die großen Konzerne mit ihren großen Umsätzen doch ein Recht haben, weil sie darauf angewiesen sind. Als Arrangeure der weltweiten Konkurrenz der Nationen stellen sie sich entschieden ignorant gegen die Stoßrichtung des autonomen Erfolgsstrebens, auf das sie alle Welt festlegen, kümmern sich also z.B. gar nicht weiter darum, was für eine neue Sorte Konkurrenz ein erfolgreicher Euro tatsächlich heraufbeschwören würde; aber gegen jedes Ergebnis, das ihnen nicht paßt, schreiten sie ein und korrigieren – nicht ihre paradoxe Stellung zu ihren Konkurrenten, nicht ihren eigennützigen und zugleich ihren eigenen Nutzen gefährdenden allgemeinen Auftrag zu weltwirtschaftsförderlichem Konkurrieren, sondern ihre Kontrahenten. Um dann genauso weiterzumachen: mit herausfordernden Genehmigungen und punktgenauen Erfolgsansprüchen.

Derzeit, mit ihrem stockenden Euro-Projekt, dürfen sich die Europäer eher eines fordernden Zuspruchs aus Amerika erfreuen. Die andere Seite derselben Medaille, der Korrekturbedarf, richtet sich mehr gegen den andern großen Geschäftspartner.

d) Das Spezialverhältnis zu Japan: Ein dauernder Kalter Handelskrieg gegen den Gläubiger

Einen Hauptteil ihres Außenhandels, und zwar in beiden Richtungen, wickeln die USA mit Japan ab – und finden sich ausgerechnet da schon seit langem in unfairer Weise vom freien Marktzugang ausgeschlossen. Dieses Urteil steht deswegen ohne jeden Zweifel fest, weil es sich gar nicht auf die Ermittlung wirklicher wirksamer Zugangsbeschränkungen oder anderer diskriminierender Außenhandelspraktiken Japans gründet, sondern aus dem Ergebnis abgeleitet ist: Die zweiseitige Handelsbilanz fällt für die amerikanische Seite notorisch negativ aus. Dieser Befund trübt das Verhältnis der Weltmacht zu ihrem transpazifischen Verbündeten dauernd und grundsätzlich. Akut wird diese Trübung regelmäßig dann, wenn die USA wieder einmal mehr Verlust als Zuwachs an ökonomischer Schlagkraft registrieren und sich insgesamt zu einer kritischen Bilanz ihrer weltwirtschaftlichen Position genötigt sehen. Am Verhältnis zu Japan fällt den maßgeblichen Amerikanern dann eines ganz gewiß nicht auf, nämlich inwiefern sie von billigen Importen profitieren, wie schlecht ihre Außenhändler erst ohne ihre japanischen Kunden dastünden, in welchem Umfang US-Unternehmen in Japan und von Japan aus, auch in den Vereinigten Staaten, Geld verdienen; und schon gar nicht, daß gerade ein freier und fairer Welthandel keine Gewähr gegen defizitäre Bilanzen bieten kann, weil er schlicht eine kapitalistische Konkurrenzaffäre ist. Am negativen Saldo ihres Japan-Handels tritt ihnen vielmehr ganz greifbar ihre Schuldnerposition im internationalen Geschäft entgegen. Die hat ihren Grund zwar überhaupt nicht darin, daß Japan Amerikas Defizite kreditiert, indem seine Banken für die erworbenen Dollar „Produkte“ des amerikanischen Finanzgewerbes oder gleich des Finanzministeriums erstehen; und wenn die Bilanz der USA so ausfällt, daß sie unter ihrer Schuldnerposition leiden – bei besserer Gesamttendenz läßt die Aufregung ja auch immer wieder nach –, dann liegt das erst recht nicht an den besonderen Finanzbeziehungen zu Japan. Es hilft aber nichts: Wenn die dafür Verantwortlichen einen „Niedergang“ der US-Ökonomie registrieren, dann tritt zur konstruktiven Selbstkritik allemal der kritische „Schluß“ auf die auswärtigen Urheber der Problemlage hinzu. Und weil die Nation mit derselben Selbstsicherheit, mit der sie sich alles zutraut, wenn sie nur richtig will, auch die Unabwendbarkeit ihres Erfolgs gegen alle andern postuliert, wenn man sie nur läßt, stellt sich unvermeidlich die Erkenntnis ein, daß fremde Machenschaften das einzig faire Ergebnis verhindert haben. Zur Identifizierung des Hauptschuldigen brauchen sich die amerikanischen Hauptverantwortlichen dann nur noch an die bilateralen Bilanzen des Geldverdienens und Verdienenlassens zu halten.

Eine gewisse Ironie der Geschichte besteht darin, daß der Grund für Japans Außenhandelserfolge in Amerika und für seine Gläubigerposition gegenüber Amerika in der völlig systemkonformen Rolle liegt, die dieses Land in dem von den USA konstruierten und mit Leben erfüllten System des globalen Kapitalismus spielt. Pflichtgemäß hat es sich als Teil der Welt-Ökonomie um das Ziel des Weltgelderwerbs herum neu aufgebaut, ist in diesem Sinne auch von amerikanischen Unternehmen mit Kapital bestückt und benutzt worden. Anders als die europäischen Mächte hat Japan allerdings lange Zeit keinen andern Absatzmarkt gefunden, auf dem sich Weltgeld hätte verdienen lassen, als eben den der USA. Auf den haben sich folglich alle Konkurrenzanstrengungen der Nation gerichtet; ihre Erfolge haben mit jeder Hochkonjunktur der US-Ökonomie zugenommen und sind hinterher nicht wieder verschwunden. Wegen ihrer einseitigen Ausrichtung auf die USA haben es die Verwalter der politischen Ökonomie Japans mit ihren anwachsenden Dollar-Überschüssen freilich bis vor wenigen Jahren noch nicht einmal dahin gebracht, so wie ihre westeuropäischen Kollegen ein eigenes grenzüberschreitend benutztes Kreditgeld darauf zu gründen und sich innerhalb des Weltmarkts – analog zur D-Mark – eine „Yen-Zone“ zu schaffen. Für die Verwendung ihres Dollar-Zuflusses aus dem US-Markt blieben sie wieder auf den US-Kapitalmarkt verwiesen; statt der ganzen Welt mit eigenen Schulden als Kreditgeber gegenüberzutreten, blieben sie auch als Gläubiger Amerikas bloße Dollarbesitzer, angewiesen auf die von ihrem Schuldner geschaffenen Kreditmittel. Dieser eigentümlich abhängigen Position ihres Haupthandelspartners entnehmen die maßgeblichen Amerikaner nichts als eine doppelte eigene Abhängigkeit: US-Dollars werden in Japan zu akkumulierendem Exportkapital – statt in den USA –; und dessen Erträge werden schon wieder zu Dollar-Anlagen in japanischer Hand, auf die US-Schuldner Zinsen zahlen müssen – statt daß Dollars in amerikanischer Hand über den globalen Finanzmarkt den Reichtum anderer Nationen dirigieren.

Gemäß ihrer Diagnose setzen Amerikas Außenhändler sich zur Wehr.[14] Den freien Geschäftsverkehr mit Japan irgendwie in Frage zu stellen, kommt ihnen überhaupt nicht in den Sinn; alles, was sie verlangen, steht unter dem Vorzeichen der Fairness beim Freihandel, die endlich hergestellt werden müsse. Mit dieser Richtlinie ausgestattet, begeben sich Regierungsbeauftragte auf die Suche nach formellen wie informellen Praktiken, die als Diskriminierung von US-Exporten aufzufassen wären, und werden selbstverständlich fündig, wo immer eine Exportlobby ihnen ihr Expertenwissen zur Verfügung stellt: Den japanischen Reisbauern werden Subventionen gezahlt, die amerikanische Agrarfabrikanten ungerechterweise um ihre Exportchancen bringen; im Fernmeldewesen werden amerikanische Mobiltelefone nicht mit einem eigenen Sendernetz bedient, also von einem zukunftsträchtigen Markt ausgeschlossen… Viel bringt das freilich selbst in der Summe nicht. Also sind Generalisierungen fällig: Japans „Markt für Finanzdienstleistungen“ ist noch vollständig in japanischer Hand; und überhaupt gibt es in dem Land zuwenig Binnennachfrage, die sich andernfalls nämlich unweigerlich in einem Run auf US-Artikel entladen würde. Da rufen ausgewiesene Angebotstheoretiker für den Konkurrenten nach staatlicher Konjunkturförderung in Milliardenhöhe, weil sie es ganz einfach für die Pflicht ihres Handelspartners halten, mit seiner gesamten inneren Waren- und Geldzirkulation dem imperativen Absatzdrang des weltmächtig großen US-Kapitals zu entsprechen. Folgerichtig haben sie dann gleich wieder Grund zur Klage über diskriminierende Subventionen, wenn der japanische Staat tatsächlich seine Konjunktur fördert. Beschwerden nützen eben selbst dann nichts, wenn der Adressat in Tokio ihnen formell Genüge tut. Folglich geraten immer wieder auch die nach herrschender Lehre mehr naturgegebenen Konditionen des Außenhandels in die Kritik, die die USA sonst eher mit ihrem berühmten „benign neglect“ bedenken: die – tatsächlichen oder mutmaßlichen – Auswirkungen der Wechselkurse auf Ex- und Import. Über Jahre hinweg haben die Herren des Dollar sich für eine Verschiebung der Parität zum Yen eingesetzt – mit dem Ziel, Importe aus Japan zu verteuern und Exporte nach Japan zu fördern, und mit dem Ergebnis, daß vieles durcheinanderkam, amerikanische Exporteure etwas besser, japanische deutlich schlechter verdienten und das Bilanzdefizit im Ganzen zu- oder abnahm, je nach erfolgreich angewandter Konkurrenzmacht der jeweiligen Firmenwelt. Nebenher sind die japanischen Eigentümer von US-Kreditpapieren, bis hinauf zur Nationalbank, am eigenen Geld gemessen um einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens erleichtert worden; daß der US-Kredit dadurch nicht weltweit in Verruf geraten ist, bezeugt einmal mehr, wie wenig es den Japanern mit all ihren Dollar-Überschüssen gelungen war, sich vom US-Geld als nationaler Vermögenssubstanz zu emanzipieren und im eigenen Nationalkredit eine gleichwertige Alternative zu schaffen. Mit der Wechselkursverschiebung ist da immerhin einiges in Gang gekommen – wieder so eine „Nebenwirkung“ des von Amerika ausgeübten Zwangs zum Konkurrieren: Mit dem „starken Yen“ hat die japanische Geschäftswelt das Interesse an den Vereinigten Staaten als Kapitalanlagesphäre entwickelt und auch gleich über ein schlagkräftiges Zugriffsmittel verfügt. Entsprechende Investitionen haben dann auch die Zahlungsbilanz verändert, an der Unzufriedenheit der US-Regierungen aber nicht viel: Der „Ausverkauf“ amerikanischer Kostbarkeiten an Japaner war auch wieder nicht recht; produktive Kapitalanlagen waren einerseits willkommen, andererseits sogleich verdächtig als Instrumente der Exportförderung, nämlich im Wege des transpazifischen Werksverkehrs. Mit „local content“-Klauseln, Vorschriften über den Mindestanteil echt amerikanischen Wertprodukts am schließlichen Produktenwert, hielten die USA dagegen – und mischten so, nach etlichen bi- und multilateralen Finanz- und Warenströmen, auch noch etliche Abteilungen ihres inneren Marktgeschehens auf; auch dies, ohne sich mit dem Ergebnis zufriedenzugeben. Als letztes Mittel, sich schadlos zu halten, ist den Managern des amerikanischen Nationalerfolgs das drastische Mittel eingefallen, ihre japanischen Kontrahenten ganz ohne Umschweife auf die Abnahme bestimmter Exportgütermengen zu verpflichten: ein erpresserisches „Geld her!“, das in seiner brutalen Direktheit ebensoviel Überlegenheit wie Hilflosigkeit verrät.

Dieser immerwährende Kalte Handelskrieg hat seinen Grund nicht in amerikanischer Willkür, auch wenn noch so viel patriotisch-auslandsfeindliche Fehldeutung der nationalen Handelsbilanzen darin am Werk ist. Die USA können es sich tatsächlich nicht leisten, Marktanteile oder ganze Märkte preiszugeben und sich damit zu beruhigen, daß sie andernorts immer noch ganz gut verdienen. Jeder Verlust beeinträchtigt ihr nationales Konkurrenzmittel, das nun einmal in der Masse des kapitalistisch eingesetzten Reichtums besteht; jeder fremde Zugewinn auf eigene Kosten gefährdet den größenordnungsmäßigen Abstand, der ihnen ihre besondere Konkurrenzmacht sichert. An der Welt immer mehr zu verdienen, ist die Bedingung dafür, daß das heimische Kapital, das den Kredit der Nation verwertet und in Kapital verwandelt, auch wirklich Erfolge realisiert, akkumuliert, also Kapital bleibt – zu soviel Abhängigkeit vom Weltgeschäft haben die USA es auch für sich selber tatsächlich gebracht. Und das lassen sie ihre Handelspartner spüren – in dem Maße, wie negative Bilanzen ihnen den Verlust von Geschäften beweisen, die sie auf einem eigentlich expandierenden Weltmarkt eigentlich zu machen hätten.

e) Bündnispolitik für und Konkurrenz um die globale Geschäftsordnung: Neue Aufgaben für WTO und IMF

Die USA haben nicht bloß die restlichen Staaten unter ein „Regime“ gebracht, das sie mit ihrem jeweiligen nationalen Kapitalismus auf die Rolle von Teilen und Teilhabern der einen globalen Wirtschaft festlegt. Auch und sogar vor allem ihr eigenes Kapital bedient sich von vornherein nicht bloß einheimischer Ressourcen und Zahlungsfähigkeit, sondern der Geldquellen der ganzen Welt als seiner Wachstumsbedingung. Für ihr nationales Wachstum, für die Expansion und Verwertung und erneute Expansion ihres Nationalkredits, benötigen die USA daher beides: selbständig expandierende Geschäftsgelegenheiten in aller Welt – und wachsende Anteile daran für sich. Weder können sie dulden, daß das Wachstum des Weltgeschäfts irgendwo erlahmt, noch, daß ihnen etwas davon entgeht. Ihr Zugriff auf die Staatenwelt sieht entsprechend aus: Er hat Methode.

Grundsätzlich stehen die USA den Konkurrenzanstrengungen ihrer Handelspartner mit teilnehmender Sympathie gegenüber: So entstehen Geschäftsgelegenheiten für die eigenen Kapitalisten. Solange das gewährleistet ist und die Nation insgesamt gerecht mitverdient, solange ist der Welthandel fair und das berechnende Mitmischen selbstverantwortlicher Souveräne eine Selbstverständlichkeit. Es ist sogar verlangt: Daß eine Macht, welche und wie groß auch immer, ihr Land den Segnungen des freien Konkurrierens entzieht, kommt nicht in Frage. Denn das hieße ja, daß ein Stück vorhandenen Reichtums, also wirklicher oder potentieller Reichtumsquelle amerikanischem Zugriff vorenthalten bliebe. Andere Staaten mögen das hinnehmen, wenn sie und ihre Kapitalisten irgendwo nicht zum Zuge kommen; die USA jedoch sind nicht bloß ideell überall präsent, sondern eine globale Wirtschaftsmacht und deswegen in ihrem essentiellen Interesse betroffen, wenn sie das irgendwo nicht sein dürfen. Eine reelle Gefahr, daß sich da außerhalb amerikanischer Reichweite eine Wirtschaftsmacht zum bedrohlichen Konkurrenten aufbauen könnte, muß dafür gar nicht gegeben sein. Es genügt völlig, daß irgendetwas außerhalb der Reichweite amerikanischen Geldes liegt oder gehalten werden soll. Dann zeigt das offenherzige Wohlwollen, mit dem die USA alle Nationen zum freien Konkurrieren einladen, schlagartig seine Kehrseite: Wer sich dazu nicht einladen läßt oder – was aus amerikanischer Sicht fast dasselbe ist – gegen die ausdrücklichen und stillschweigenden Geschäftsbedingungen beim Mit-Konkurrieren verstößt, hat sich auf eine Korrektur gefaßt zu machen.

Wann ein solcher Eingriffsfall gegeben ist, entscheidet der amerikanische Souverän, und zwar keineswegs bloß danach, ob sich ein Staat wirklich als Ausnahme von der weltmarktwirtschaftlichen Regel deklariert und aufführt – so wie der „Ostblock“ seinerzeit; in so einem Fall ist es mit der Friedfertigkeit sowieso vorbei. Auch das willige Mittun der andern, überhaupt alle Geschäftemacherei unterliegt grundsätzlich der beständigen Überprüfung, ob da Gelegenheiten zum Geldverdienen an der amerikanischen Geschäftswelt vorbei arrangiert und ausgenutzt werden. Von der Unduldsamkeit, die die USA hierbei an den Tag legen, und deren Gründen war am Beispiel der großen Konkurrenten bereits die Rede.

Mit dem allfälligen Befund, daß irgendwo wieder einmal foul gespielt wird, verläßt die amerikanische Staatsmacht die Ebene des Geschäfts und konfrontiert ihre Adressaten nicht mehr bloß mit ihren kommerziellen Interessen, sondern mit Ansprüchen der höheren Art: Ihren Nutzen deklariert sie als zu respektierendes Recht. die entsprechende Dienstleistung der anderen Seite als deren Pflicht. Formell tut sie damit nichts anderes als jede souveräne Staatsgewalt, die sich in ihren materiellen Bedürfnissen durch andere Souveräne beeinträchtigt sieht. Die USA sind aber nicht bloß sehr viel umfassender interessiert, mit sehr viel höheren Ansprüchen eingemischt und dementsprechend sehr viel heikler, was den Respekt vor ihrer nationalen Bedarfslage betrifft. Sie haben auch sehr viel mehr Mittel, um am Geschäftsgebaren anderer Staaten wirksame Korrekturen vorzunehmen. Sie verfügen nämlich über beliebige Mengen von jenem Geld, das andere Nationen brauchen, sei es um überhaupt geschäftsfähig zu werden oder zu bleiben, sei es um den eigenen nationalen Kredit zu mehren und die Allgemeingültigkeit ihres eigenen nationalen Kreditgeldes zu sichern. In ihrer Hand ist der größte Markt der Welt, auf dem es dieses Geld zu erwerben, ebenso der größte Finanzmarkt, auf dem es dieses Geld zu leihen gibt. Der Gelderwerb, den alle Souveräne der modernen Welt ihrer Nation als ökonomische Existenzbedingung verordnet haben, läuft entscheidend über sie. Mit ihrer Hoheit über die Zugangsbedingungen zu diesem Objekt allgemeiner – privater und staatlicher – Begierde sind die USA folglich wie ein Sachzwang in den ökonomischen Lebensprozeß der anderen Nationen eingemischt. Ihre Nutzenerwägungen sind für andere Staaten objektive Geschäftsbedingungen. So tun sie sich dann leicht mit dem Übergang vom puren Geschäft auf die Ebene der erpresserischen Gewalt: Sie brauchen ihre Partner bloß an deren wohlverstandenes Eigeninteresse zu erinnern. Unter kapitalistisch interessierten und engagierten Staaten kommt die Gewalt eben gar nicht erst aus den Gewehrläufen; sie beginnt schon mit der Verwendung der Zugriffsmacht des nationalen Geldes als politisches Druckmittel.

Natürlich setzt dieser leichte Übergang vom geschäftlichen Nutzen zum politischen Eingriff eben dies voraus: daß die betroffenen Staaten für sich keine Alternative zur weiteren Beteiligung an der allgemeinen Jagd nach Weltgeld gelten lassen – was 50 Nachkriegsjahre lang nur in der einen Welthälfte der Fall war und nicht einmal da so ganz selbstverständlich; da kam dann, wie gesagt, die nur militärisch zu regelnde Grundfrage der Weltordnung, nämlich die der letzten, verbindlichen Zuständigkeit dafür, auf die Tagesordnung. Ohne Abschreckungspolitik und gelegentliche Militäreinsätze funktioniert der kapitalistische Weltfrieden auch seither nicht. Er gilt nun aber weltweit; und in dem damit gesteckten „Rahmen“ bewähren sich die ökonomischen Mittel, von denen die USA die meisten besitzen, recht umstandslos als Erpressungshebel. Da werden dann nicht mehr gewonnene und entgangene Erträge gegeneinander aufgerechnet. Auf dieser Ebene bemißt sich der Gebrauch von Geld und Kredit vielmehr am politischen Effekt: an der Dienstbarkeit, zu der die andere Staatsmacht sich im allgemeinen und besonderen bereitfindet.

Beim Einsatz des kommerziellen Nutzens als Instrument der politischen Gewalt gehen die USA überall auch bilateral zu Werk, aber keineswegs nur so. Die Reichweite ihrer Mittel, die Vielseitigkeit der damit durchgesetzten zwischenstaatlichen Verpflichtungsverhältnisse erlaubt ihnen den Gebrauch der erstmals in Bretton Woods so perfekt angewandten Methode: Sie verallgemeinern ihre Geschäftsinteressen, gewinnen Bündnispartner dafür, setzen quasi supranationale Gemeinschaftsanliegen kommerzieller Art in die Welt und legen denen nicht bloß den Schein einer höheren und allgemeineren Berechtigung bei, sondern verfertigen daraus tatsächlich ein übergreifendes Regelwerk. Auch für dieses Regelwerk gilt selbstverständlich, daß alles, was als zwischenstaatliches Recht daherkommt, nur soviel wert ist wie die Macht, die sich damit gegen andere Mächte Geltung verschafft. Für die Macht der USA ist genau dies aber kennzeichnend, daß sie ihre nationalen Interessen immerzu als internationale Rechtslage geltend macht. Sie legt es darauf an, sich für die Durchsetzung ihres Nutzens die eigennützig durchkalkulierte Zustimmung der anderen nationalen Souveräne zu verschaffen. Und sie hat sich und ihren Anliegen genügend allgemeinen Respekt erworben, um diese Zustimmung in der Weise eines internationalen Systems mit anerkannten Normen, festgelegten Verfahrensweisen und sogar eigenen Behörden verbindlich zu organisieren. Das Bretton-Woods-System hat so funktioniert; und nach dessen Ende, unter den Bedingungen einer allgemeinen Konkurrenz ums beste Geld, ist es in seinen beiden Abteilungen, den Warenverkehr wie die weltweite „Liquidität“ betreffend, durchaus sachgerecht weiterentwickelt worden.

  • Nachdem die Einrichtung eines globalen Finanzmarktes vollendet und dessen Bestückung mit „Liquidität“ wirklich kein Problem mehr ist, organisiert der IMF einen multilateral und supranational nach festen Regeln mit dem Mittel des Kredits ausgeübten Zwang auf alle in die Zahlungsunfähigkeit abrutschenden Nationen, trotzdem mit allem, was sie auch noch als absolute Verlierer des Weltmarkts für diesen zu bieten haben oder zu mobilisieren vermögen, „im Geschäft“ zu bleiben. Der Fonds erreicht das mit seinem alten, in seiner Gründungsurkunde niedergelegten „Kunstgriff“, Zahlungsunfähigkeit zum „Liquiditätsengpaß“ herunterzudefinieren und diesen mit kollektiv geschöpften zwischenstaatlichen Kreditmitteln – zu den „Sonderziehungsrechten“ sind mittlerweile etliche spezielle „Fazilitäten“ hinzugetreten – zu „überbrücken“. Den Empfängerländern wird als Gegenleistung eine fallspezifisch ausgeklügelte „Anpassung“ an die Erfordernisse des Weltgeld-Verdienens auferlegt. Regelmäßig und ziemlich unspezifisch haben sie ihre „Nationalökonomie“ auf das Maß der kapitalistisch allenfalls interessanten Geschäftsgelegenheiten zu reduzieren, also vor allem den in dieser Hinsicht allemal unproduktiven „staatlichen Sektor“ von seinen im Verhältnis zum weltwirtschaftlichen Ertrag viel zu vielen „Kostgängern“ zu entlasten und die genauso un- bis kontraproduktiven Subventionen fürs einfache Überleben zu kappen. Mit solchen Programmen wird für das Maß an Kreditwürdigkeit gesorgt, das die auswärtige Geschäftswelt braucht, um mit den betreffenden Ländern doch noch etwas Gewinnbringendes anfangen zu können. Die zwischenstaatliche Gewalt, die dabei zur Anwendung gelangt, liegt ganz in der alternativlosen Festlegung der betroffenen Staaten auf die Bedienung des Weltmarkts als Überlebensmittel der Herrschaft; auf der Grundlage nimmt sie im Gemeinschaftskredit der interessierten Staatenwelt den Charakter einer multilateralen Hilfestellung an. In dieser Art, imperialistische Gewalt geschäftsmäßig und zivil einzusetzen, kann der Fonds mittlerweile auf eine schöne Tradition zurückblicken – von der „Bewältigung“ der lateinamerikanischen Schuldenkrise über die Zurichtung der „Rohstoffländer“ Afrikas und die „Transformation“ der ehemals realsozialistischen „Staatshandelsländer“ in kapitalistische Spekulationsobjekte bis zur vorläufigen „Rettung“ der diversen „emerging markets“ in Mittelamerika und Ostasien.[15]
  • Der freie Welthandel ist mittlerweile mit einer neuen regulären Rechtsaufsichtsbehörde ausgestattet worden: der Welthandels-Organisation (WTO: World Trade Organisation).[16] Über sie machen die USA, gemeinsam mit ihren großen Konkurrenten und gegen sie, eigene kommerzielle Interessen von weltumspannender Bedeutung geltend; etwa das an der weltweiten „Öffnung“ sämtlicher „Telekommunikations-Märkte“, die zum großen Teil bislang noch gar keine Märkte, sondern eine Vorleistung des jeweiligen Staates für eine kapitalfreundliche „Infrastruktur“ in seinem Land waren; oder das am „Schutz geistigen Eigentums“, der US-Firmen das globale Monopol auf die Vermarktung nicht bloß von Hollywood-Filmen, sondern vor allem von jeder Sorte Technologie sichern soll, die im Zuge des großen amerikanischen Modernisierungsprogramms entwickelt wird, und so der Nation insgesamt ihren Konkurrenzvorsprung. Über die WTO melden die USA gleich im Weltmaßstab ihre Forderung an, daß bei der Ausschreibung staatlicher Projekte ausländische, sprich: amerikanische Firmen grundsätzlich gleichberechtigt zum Zuge kommen müssen; hier betreiben sie die Errichtung eines Kontrollregimes über die Wirtschaftspolitik anderer Nationen, das „wettbewerbsfeindliches“ Dumping unterbinden und die letzten nationalen Reservate dem globalen Kommerz unterwerfen soll – der weltweite Wahn, sämtliche Staatstätigkeiten, die irgendwie Geld bringen könnten, gehörten privatisiert, hat in diesem amerikanischen Interesse, weltweit von keiner Chance zum Geldverdienen ausgeschlossen zu sein, seinen ganz unideologischen Ausgangspunkt. Überhaupt organisieren die USA nicht zuletzt über die WTO viele von den allgemeinen Konkurrenzbedingungen, die der marktwirtschaftliche Sachverstand der Naturgewalt der „Globalisierung“ zurechnet.

Und von den Grundsatzfragen geht es bei der WTO ins Detail: Hier bringen die USA ihre jeweils aktuelle Forderung nach Korrekturen an der Handelspolitik ihrer Partner in die diplomatische Form einer rechtsförmlichen Klage, eines Drängens auf sachgerechte Regelauslegung und eines Antrags auf verbindliche Entscheidung. Den Schiedssprüchen der Weltorganisation messen sie dabei immerhin soviel Bedeutung zu, daß sie vorsorglich angekündigt haben, ihnen ihren Gehorsam zu versagen, sollten sie häufiger gegen amerikanische Interessen ausfallen.

Dieser Vorbehalt mag noch einmal abschließend belegen, welches Interesse die USA an einem allgemeinen rechtsförmigen Regime über das Weltgeschäft und die Konkurrenzanstrengungen der übrigen Nationen haben: Es geht um die Verallgemeinerung und Verobjektivierung ihres nationalen Rechtsanspruchs auf ökonomischen Erfolg, dessen Durchsetzung auf dem Wege bi- und multilateraler Erpressung sie darüber keineswegs versäumen. Aufschlußreich ist freilich auch, daß sie einen solchen Vorbehalt nötig haben. Damit gestehen sie nämlich ein, daß ein so versachlichtes, von allen Konkurrenten berechnend akzeptiertes Regelwerk mit ihrer nationalen Interessenlage überhaupt nicht notwendigerweise übereinstimmt. Diese Gleichung geht nur auf, solange die USA mit ihren Konkurrenzerfolgen zufrieden sind. Ansonsten widerspricht das Ergebnis der Regel – und setzt diese ins Unrecht. Weil die Instrumente verallgemeinerter Ordnungsgewalt deswegen aber nicht gleich entbehrlich sind, müssen sie „flexibel“ sein. Das wäre auch leicht zu haben, wenn die USA es nicht mit Konkurrenten zu tun hätten, die erstens ihre eigenen Interessen haben, zweitens auch eigene ökonomische Machtmittel, um sie geltend zu machen, und die sich drittens alle Mühe geben, der amerikanischen Herausforderung zu entsprechen und das institutionalisierte globale Erpressungsgeschäft, zu dem sie als Teilhaber eingeladen sind, für ihre Belange zu nutzen. Das Instrumentarium, mit dem die USA sich ihr Bedürfnis nach der totalen Funktionalisierung der Welt für ihre politökonomischen Bedürfnisse befriedigt haben, entpuppt sich als das, was es in einer so zurechtgemachten Welt logischerweise nur sein kann, nämlich als Instrumentarium der Konkurrenz der Nationen: als ein Regelwerk, das in den Regelungen, die es zustandebringt, das Kräfteverhältnis der beteiligten Konkurrenten widerspiegelt und deswegen selber Schauplatz und Objekt ihres Kräftemessens ist.

So haben die USA als Arrangeur einer globalen Ökonomie und eines ebenso globalen Kontrollregimes darüber einen Kosmos souveräner Nationen zustandegebracht, die nicht bloß als Außenhändler und Währungshüter gegeneinander antreten und gegeneinander Bilanz ziehen. Ganz im Sinne der getroffenen Arrangements konkurrieren sie außerdem auf der Ebene der gewaltsamen Fürsorge für ihr Gemeinwohl um die Macht über das Konkurrenzgebaren ihrer Kontrahenten. Nicht als ob kapitalistische Staaten das nicht notwendigerweise und unter allen Umständen täten. Die spezielle Leistung der USA besteht darin, daß diese Konkurrenz, ebenso wie die bloß kommerzielle um Geschäftsanteile, von vornherein alle Nationen einbegreift, als Aktivisten wie als Betroffene, eben je nach ihren Mitteln. Und sie haben dafür gesorgt, daß diese Machtprobe – unbeschadet aller zweiseitigen Erpressungsverhältnisse und neben denen – als Machtkampf innerhalb eines institutionalisierten Regelwerks und um dessen Bestimmung und Handhabung abläuft: In organisierter Form setzen die Nationen fortwährend ihre ökonomische Erpressungsgewalt gegeneinander ein und messen sich so aneinander.

Diese Sorte Kräftemessen geht über alles hinaus, was die freien Märkte an wechselseitigem Maßnehmen der nationalen Kredite und der darauf gegründeten Währungen veranstalten. In der Konkurrenz um die Kompetenz in Fragen der globalen Geschäftsordnung, zu der die USA die Staatenwelt herausfordern, werden Ware und Geld buchstäblich zu Waffen.

10. Kommerz und Gewalt: Konkurrenz um den imperialistischen Gesamterfolg

a) Staatsgewalt als Geschäftsartikel – die gute Seite

Welthandel ist immer auch mehr als kapitalistischer Kommerz. Das wird sinnfällig beim weltweiten Geschäft mit Waffen. Dieser Geschäftszweig, immerhin einer der umsatzstärksten im globalisierten Kapitalismus und mittlerweile ganz eindeutig von den Amerikanern dominiert, greift direkt ein in die internationalen Kräfteverhältnisse: Er schafft zu einem wesentlichen Teil die Angriffs-, Abwehr- und Abschreckungspotentiale, die dann den globalen Gewalthaushalt bestimmen. Für die USA liegt hier der ideale Fall vor, daß sie die Ausstattung von Staaten mit den Mitteln souveräner Herrschaft über Land und Leute sowie die Herstellung von Kräfteverhältnissen zwischen den Nationen kein Geld kostet, sondern welches verdienen läßt: Die Schaffung aktionsfähiger Bündnispartner und Hilfskräfte zahlt sich aus; in besonders lohnenden, durch den Staatskredit der Handelspartner unmittelbar gewährleisteten Geschäften.

Was beim internationalen Waffenhandel so offenkundig ist, das gilt ebenso für jenen wohl noch weit größeren Geschäftszweig, wo mit all den Gütern geschachert wird – vom Mikro-Chip bis zur schlüsselfertigen Chemiefabrik –, die auf den bedarfsweise erstellten Embargo-Listen der USA als „dual use“-Artikel aufgeführt sind. Wenn nämlich verkaufte Waffen Staatsmacht begründen, dann tut das der Handel mit Gerätschaften und Materialien zur Waffenproduktion logischerweise noch viel gründlicher. Dabei mag bei den vielfältigen Gebrauchsgütern, die – mindestens auch – zur Herstellung von Gewaltmitteln taugen, immerhin noch eine Abgrenzung zu bloß zivil verwendbaren Waren möglich sein; obwohl auch das immer ein wenig willkürlich ist und um so fragwürdiger wird, je weiter man bei den Produktionsmitteln „in die Tiefe“ geht; so elementare Gewerbezweige wie der Gebrauch der Atomenergie oder, geradezu klassisch, die Produktion von Kohle und Stahl zählen auf alle Fälle zu den strategischen Schlüsselindustrien einer Nation. Doch nicht bloß bei den Gebrauchswerten verschwimmt die Scheidelinie zwischen zivilem und militärischem Nutzen bei näherer Betrachtung allenthalben. Im Grunde ist die ganze Abgrenzung einigermaßen absurd angesichts der Tatsache, daß der Kapitalismus im Geld den „dual use“-Artikel schlechthin, die reale Möglichkeit aller Gebrauchswerte hervorbringt – genau das ist es ja, nebenbei, was den abstrakten Reichtum des Kapitalismus so eindeutig zum optimalen Lebensmittel staatlicher Gewalt prädestiniert; und genau das wissen die Staaten am besten, die gegen Feinde ein Embargo zu verhängen versuchen, das denen nicht bloß den Bezug bestimmter strategischer Gebrauchsgüter, sondern den Erwerb von Devisen überhaupt verwehrt. Die Einbeziehung eines Staates in den internationalen Handel setzt daher nicht bloß seine formelle Anerkennung als souveräner Akteur im Weltgeschehen voraus; sie ist auch allemal ein materieller Beitrag zu seiner politischen Handlungsfähigkeit im Allgemeinen und seiner militärischen im Besonderen, wenn nicht überhaupt die Voraussetzung dafür.

Diese prinzipielle Deckungsgleichheit von Kommerz und Gewalt ist für die Weltmacht einerseits, nämlich bevor sie ihre ganz gewaltigen Probleme damit bekommt, enorm günstig. Denn wo immer sie auf dem Globus für moderne, zivilisierte, bürgerliche, kurzum: weltpolitisch brauchbare Verhältnisse sorgt, da stiftet sie einen Bedarf an Gewaltmitteln, der beim polizeilichen und militärischen Gerät im engsten Sinn anfängt und zielsicher zum elementaren Staatsbedürfnis nach Zulassung zum kapitalistischen Weltgeschäft führt, an dem amerikanische Kaufleute im Allgemeinen und Waffenhändler im Besonderen sich zu bereichern wissen. Und umgekehrt: Wo immer auf dieser Grundlage Geschäftsleute aus den USA einkaufen, also andere Nationen Dollars verdienen lassen und diese im Verkauf vielseitig verwendbarer Bedarfsartikel zurückverdienen, entwickeln sich souveräne Gewalten, die in diesem Kommerz mit Amerika ihre zivile und militärische Geschäftsgrundlage haben. US-Kapitalisten finden den Gewaltbedarf der Staatenwelt als die erste und größte aller günstigen Geschäftsbedingungen vor und danken es ihrer Weltmacht, indem sie durch ihre für sie selbst wie für Amerika lohnenden Umsätze die „Kräfte“ erzeugen helfen, deren „Verhältnis“ Objekt wie Instrument der amerikanischen Weltpolitik ist. So und insoweit fallen für die USA im globalisierten Kapitalismus Nutzen und Macht ineins – das ist die gute Seite der Friedensordnung, die sie der Staatenwelt aufgedrückt haben.

So ist die Klärung der Machtverhältnisse durch den 2. Weltkrieg in Westeuropa und Fernost zum Ausgangspunkt einer ganz besonders mustergültigen Koinzidenz von lohnenden Geschäften und zweckdienlichen strategischen Beziehungen geworden: Mit der Erhebung der Kriegsverlierer in den Stand von strategischen „Gegenküsten“ der USA wurde die Voraussetzung für ihre Integration in den Weltmarkt geschaffen; mit der Kreditierung einer nationalen Kapitalakkumulation und tatkräftiger Beteiligung daran haben amerikanische Finanziers Japan und Deutschland zu Großmächten hochgerüstet, die bis heute als zivile und, in unterschiedlicher Weise, militärische „Eckpfeiler“ im System des amerikanischen Weltfriedens fungieren. Eine Wiederholung dieses unwiederholbaren Idealfalls schwebt jetzt, nach „Klärung“ der Machtverhältnisse in Osteuropa, offenbar den US-Politikern vor, die an eine Kombination der in Gang gebrachten NATO-Osterweiterung mit einem „neuen Marshallplan“ für ihre neuen Partner denken. Zumindest soviel wird sich machen lassen, daß eine fällige Um-Rüstung der hinzuerworbenen Armeen der amerikanischen Rüstungsindustrie Aufträge bringt, an deren Bezahlung sich alle NATO-Mitglieder solidarisch beteiligen dürfen.

Schöne Arrangements haben die USA auch zur Verteidigung „ihrer“ Ölquellen im Nahen Osten getroffen. Israel und eigene Truppen sorgen in der Region für ein „Kräftegleichgewicht“, in das die „Ölscheichtümer“ doppelt vorteilhaft eingebaut sind: Als feste Partner der USA bei der strategischen Kontrolle der Gegend beziehen sie Waffen aus Amerika und bezahlen mit den Dollars, die sie am Verkauf ihres Petroleums an amerikanische und andere Handelsgesellschaften verdienen.

Ganz anders geartet und doch wieder aus denselben Bestandteilen zusammengesetzt ist der Musterfall Chile. Dort war ein Putsch nötig, um das Land wieder in der bewährten Weise doppelt nützlich zu machen: Die Niederlage des demokratisch an die Macht gewählten Sozialismus sollte vorbildlich wirken, hat auch tatsächlich klargestellt, welche Alternativen den Ländern des Subkontinents nicht offenstehen. Zum Dank dafür hat die amerikanische Geschäftswelt an dem monetaristischen Experiment verdient, dem die Nation, gleichfalls exemplarisch, unterworfen wurde. Mit dem Erfolg, daß Chile mit seinem Militär, seinem Elend und seinem aus dem Norden kreditierten Nationalreichtum besser denn je seinen Dienst als weiterer „Eckpfeiler“ des amerikanischen Weltfriedens in der westlichen Hemisphäre versieht.

Und so weiter. Mit ihrem Entschluß, den kooperationswilligen Mitgliedern der Staatenwelt mit Kredit zum Start in eine Weltmarktkarriere zu verhelfen und weltweit für die Bedingungen erfolgreicher amerikanischer Geschäftstätigkeit zu sorgen, verfolgen die USA seit jeher und in allen Fällen die beiden durchaus nicht identischen, aber so eigentümlich deckungsgleichen Ziele, dem akkumulierenden Kapital der Nation expandierende Geschäftsfelder verfügbar zu machen und der eigenen Macht ebenso aktionsstarke wie verläßliche Stützen zu schaffen – und die Waffenhändler aus den USA haben von der garantierten Kreditwürdigkeit noch der bankrottesten Regime auch immer profitiert.

b) Freihandel mit Machtmitteln – die Kehrseite

Der gewaltige Haken an dem glücklichen Ineinsfall von Macht und Geschäft, Nutzen und Kontrolle, der Nachteil nämlich für die USA, liegt auf der Hand: Es handelt sich nicht um ein amerikanisches Monopol. Und zwar ausgerechnet deswegen nicht, weil die USA eine weltweite Friedensordnung erzwungen und darin erfolgreich auf grenzenloses kapitalistisches Geschäft gedrungen haben. In dieser Welt souveräner Staaten, die alle am Welthandel teilnehmen, weil dieser ein Mittel oder sogar die Grundlage ihrer souveränen Gewalt ist, herrscht auch für Konkurrenten Amerikas die Freiheit, andere Staaten Geld verdienen oder borgen zu lassen, Waffen, Atomreaktoren, Rüstungsfabriken usw. zu verkaufen und so auf die globale Machtverteilung Einfluß zu nehmen – ohne jede Gewähr, daß der Effekt zur amerikanischen Konzeption paßt. Im Gegenteil: In jedem fremden Waffengeschäft – und dessen Abgrenzung ist, wie gesagt, so sehr eine Ermessensfrage, daß sich letztlich jedem Kommerz eine Machtrelevanz zuschreiben läßt – liegt für Amerika die Gefahr, daß andere Nationen den freien Weltmarkt zweckentfremden. Indem sie nämlich auf die Grundausstattung dritter Mächte Einfluß nehmen, schaffen sie sich quasi automatisch Einflußzonen, die für die USA doppelt schädlich sind: Der Welthandel wird zerstückelt, der Nutzen daraus nach Einflußgebieten vereinseitigt, Amerika somit vorenthalten; wo dessen große Nachkriegstat doch gerade darin bestand, mit der Auflösung der Kolonialreiche, zuletzt sogar des realsozialistischen „Lagers“ – aus freihändlerischer Sicht letztlich auch nichts anderes als ein hermetisch abgesperrtes ‚Kolonialgebiet‘ –, die eine Welt der freien Konkurrenz in Gang gebracht zu haben, in der jeder Souverän gleichermaßen unmittelbar zum Dollar und seinen Besitzern steht. Und statt daß alle souveränen Mächte sich mit ihren verdienten Mitteln und ihrem genehmigten Waffenhandel funktional in die eine große Weltgewaltordnung unter amerikanischer Führung einsortieren, bringt die Separierung der Staatenwelt in geschäfts- wie machtpolitische Einflußsphären die korrekte Hierarchie und alle Kräfteverhältnisse durcheinander; Macht wird ohne Lizenz um- und schon damit verkehrt verteilt. Am Ende – auf das die USA nicht früh genug sorgenvoll blicken können – zerstören die konkurrierenden Nationen, einfach indem sie nach dem Vorbild Amerikas handeln und den Welthandel als das Machtinstrument handhaben, das er ist, eben die Friedens- und Freiheitsordnung, die ihnen überhaupt bloß die Gelegenheit gibt, sich den globalen Kapitalismus so mißbräuchlich zunutze zu machen.

Dieser grundsätzliche Konflikt zwischen den USA und ihren gleichgearteten Partnern ist vierzig Jahre lang durch die gemeinsame Gegnerschaft zur Sowjetunion überdeckt worden. Diese große Gegenmacht hat nicht bloß die Einordnung in die weltfriedliche Staatenhierarchie verweigert und ihren „Block“ der freien kapitalistischen Bewirtschaftung vorenthalten, sondern auch darüber hinaus mit der Waffe des Waffenhandels alle ordentlichen Kräfteverhältnisse ge- und zerstört, die Falschen stark gemacht – was eine einfache, weil tautologische Diagnose war: wen die Sowjetunion aufgerüstet hat, dessen Macht war schon allein deshalb nicht in Ordnung – und die Guten und Richtigen in Bedrängnis gebracht.[17] Angesichts dieser alles überragenden west-östlichen Konfliktlinie waren alle Bemühungen der Verbündeten Amerikas um eigene Handelspartner und Freunde in der Staatenwelt, insbesondere auch um möglichst exklusiv eigene Waffenkunden, im Prinzip nützlich; selbst die Belieferung von Staaten, die sich der Abhängigkeit von Geschäften mit den USA und deren Militärindustrie entzogen, ging unter dem Gesichtspunkt in Ordnung, daß dadurch eine Alleinzuständigkeit der Sowjets verhindert oder gebrochen, ihr Einfluß beschränkt werden konnte. Mit dem Ende des Kalten Krieges ist es mit solchen nachsichtigen Berechnungen vorbei. Tatsächlich ist es ja auch etwas anderes als früher, wenn Amerikas Konkurrenten nun ohne gemeinsame Hauptfeindschaft Einflußzonen aufrechterhalten oder sogar schaffen: Solche Aktivitäten sind nicht mehr funktional für das globale Ringen mit der Sowjetmacht; der Anspruch auf Exklusivität, der ihnen innewohnt, richtet sich automatisch gegen die Macht, die derlei Exklusivität grundsätzlich und überhaupt nicht dulden kann.

Dem deutschen Partner ist bei Gelegenheit des Golfkriegs die entsprechende Lektion erteilt worden. Was vorher antisowjetische Einflußnahme auf Staaten außerhalb des direkten amerikanischen Zugriffs wie Irak oder Libyen gewesen und als solche genehmigt war, das hieß nun „Geschäft mit dem Tod“, wurde sogar als leichtsinnige oder womöglich sogar absichtliche Beihilfe zum „erneuten“ Massenmord an Israels Juden verdächtigt, um die Verwerflichkeit separater nationaler Einflußzonen diplomatisch unmißverständlich klarzustellen. Im Konflikt um die europäische und speziell deutsche Iran-Politik findet dieser Kampf der Weltmacht gegen Unordnung stiftende Sondereinflußgebiete seine Fortsetzung, nun unter dem wuchtigen diplomatischen Titel der weltweiten Terrorismus-Bekämpfung. Dabei wird Punkt für Punkt die Lektion durchgenommen, daß sich erstens nicht bloß Waffengeschäfte mit einem Outlaw der amerikanischen Machtökonomie, sondern wegen ihres allemal beidseitigen Nutzens Geschäfte überhaupt verbieten – und daß zweitens das alte, in Sowjetzeiten gültige moralische Alibi, die im Handel praktizierte Anerkennung und Unterstützung einer fremden Macht diente doch nur ihrer Domestizierung im Sinne der allgemeingültigen Weltordnung aus Amerika, nicht mehr akzeptiert wird. Ähnliche Botschaften ergehen an die Adresse Frankreichs und betreffen dessen schwarzafrikanische Einflußzone. Hier werden regelrecht antiamerikanische Umtriebe unterstützt werden. Denn die USA finden sich viel zu sehr ausgeschlossen, wenn französische Fallschirmjäger alte regierende Geschäftspartner der früheren Kolonialmacht beschützen und der Waffenhandel an Amerika vorbeiläuft. An den moralischen Etikettierungen, die die meinungsführenden Nachrichtenagenturen an verschiedene „Bürger“-Kriegsbanden verteilen, wird kenntlich genug, wo die Amerikaner einen Parteigänger der falschen, nämlich allzu französischen Seite meinen ausgemacht zu haben.

c) Amerikas Doppelstrategie gegen Ertragsminderung und Machtverlust

Der freie Welthandel, den die USA in Gang gebracht haben und weiter haben wollen, verschafft ihnen für ihr Regime über die Gewaltverhältnisse auf dem Globus Mittel und Handhaben – aber auch ihren Konkurrenten, für deren gleichartige, also entgegengesetzte Umtriebe. Der Einsatz dieser Mittel hat ungemein geschäftsfördernde Wirkungen – doch nicht exklusiv für Amerika. In beiden Hinsichten wirkt seit dem Ende der Sowjetunion der „Automatismus“ nicht mehr, auf den die USA sich zwar nie verlassen haben, der in den Zeiten des Kalten Krieges aber die Konkurrenz innerhalb des Freien Westens entschärft hat: Was die kapitalistischen Partner auf dem Wege des freien Handels mit Waffen und anderen Lebensmitteln staatlicher Gewalt an Machtverhältnissen stiften, das kommt nicht mehr der gemeinsamen Bündnismacht und darüber den USA zugute; die darüber aufgebauten Sonderbeziehungen behindern überdies die freie Erwirtschaftung amerikanischer Erträge aus der Versorgung der Staatenwelt mit käuflichen Machtmitteln. Und nicht einmal auf den Effekt ist noch Verlaß, daß die Geschäftswelt Kriegsaktionen mit einem am Dollarkurs ablesbaren Vertrauensgewinn für den amerikanischen Kredit honoriert.

Für die USA folgt aus dieser Problemlage nur eins: Um so nachdrücklicher müssen sie sich darum kümmern, daß ihre doppelte – strategische und kommerzielle – Buchführung auch unter den neuen Bedingungen weiterhin oder wieder Ergebnisse von befriedigender Einseitigkeit verzeichnet.

Bei der Abwehr strategisch unliebsamer Konsequenzen des Freihandels mit Machtmitteln ist es ihnen immerhin gelungen, die weltweite Atomenergie-Industrie sowie den Handel mit deren militärisch interessanten Erzeugnissen und neuerdings auch das Geschäft mit chemischen Waffen einem bei der UNO angesiedelten Kontrollregime zu unterwerfen.[18] Das ergänzt zumindest den Überblick, den sie sich ohnehin in diesen militärisch heiklen Bereichen zu verschaffen wissen, und erhebt ihren Anspruch auf Kontrolle und Beschränkung anderer in den Rang eines anerkannten Interventionsrechts. Interventionen der zivilen Art gestatten sich die USA darüberhinaus gegen jeglichen Handel – nicht bloß den mit Waffen – mit Staaten, die sie in die Liste der notorischen „Menschenrechtsverletzer“, „Gewaltregimes“ und „Terrorismus-Unterstützer“ aufgenommen haben, weil sie von diesen Mächten eine Störung ihrer strategischen Arrangements befürchten. Adressaten sind hier vor allem die großen Konkurrenten, die solchen verbotenen Handel betreiben; die werden nachdrücklich an ihre Bündnispflichten und ihr wohlverstandenes Eigeninteresse im Rahmen der Weltfriedensordnung erinnert. Damit ist die Angelegenheit oftmals aber noch nicht ausgeräumt. Deswegen müssen bei Gelegenheit exemplarische Strafaktionen sein, die sich gegen Ziele in den inkriminierten Staaten richten, aber nicht nur von denen, sondern vor allem von den Heimatländern der kapitalistischen Lieferanten und Geschäftspartner als nachdrückliche Warnung verstanden werden sollen. Endgültig bereinigen läßt sich die Problemlage allerdings auch damit nicht. Solange die Staatenwelt als frei zugängliche Geschäftssphäre definiert ist und funktioniert, ergeben sich notwendigerweise immer wieder verkehrte Unterstützungsverhältnisse. Und aus diesen folgt stets von neuem irgendwann die gebieterische Notwendigkeit, in fremden Ländern das eine oder andere gründlich kaputtzumachen.[19]

Mit dieser bleibenden Notwendigkeit stellt sich für die USA um so schärfer die Frage nach dem Gewinn, der ihre Gewalteinsätze lohnend macht. Nicht als ob diese davon abhängig gemacht werden könnten oder sollten, daß ein Ertrag zustandekommt, der ihnen zuzurechnen wäre. Die Kontrolle der weltweiten Machtverhältnisse ist und bleibt der unbedingte Zweck der Weltmacht und ist so wenig auf eine Beute oder einen anderweitigen Nutzen berechnet, daß dafür ja umgekehrt die Friedensökonomie der ganzen Welt in Anspruch genommen wird – eben in der maßlosen Weise, wie sich das nur das Ursprungsland des globalisierten Kapitalismus zutraut und leisten kann. Genau deswegen sind die Befehlshaber des US-Gewaltapparats so berechnend aber schon, daß sie mit ihren Feldzügen nicht die Lasten eines Weltfriedens übernehmen wollen, von dem dann die Falschen profitieren oder die konkurrierenden Verbündeten für ihre falsche Politik. Und solange sich nicht ausschließen läßt, daß die Partner die Segnungen des Weltfriedens mißbrauchen, ist es nur um so gerechter, wenn sie ihre Schutzmacht für die auch ihretwegen nötige globale Schadensvermeidung oder -minderung angemessen entschädigen.

Zweifellos am einfachsten wäre es aus amerikanischer Sicht, die Staatenwelt für die über sie ausgeübte Kontrolle bezahlen zu lassen; und unter dem Vorzeichen des gegen den Hauptfeind gewährten Schutzes hat das ja in der Tat per „Lastenausgleich im Bündnis“ – wenn auch immer viel zu schlecht – geklappt. Ohne diese Handhabe ist die Sache noch unbefriedigender; Vergütungen müßten fallweise angefordert und eingetrieben werden – wofür die Weltmacht sich auch keineswegs zu schade ist.[20] Sie lösen am Ende aber doch nicht, sondern verdeutlichen bloß das Problem: Wenn sie einmal angefangen haben, so aufzurechnen, dann sind die USA sich nicht mehr sicher, über die kapitalistische Weltwirtschaft als Fundus ihrer Weltmacht verfügen zu können; und diese Unsicherheit werden sie auch nicht mehr los – jedenfalls nicht durch Tributzahlungen ihrer Alliierten.

d) Die G7/8

Die USA haben Vorkehrungen getroffen, daß diese Unsicherheit, die aus dem Gegeneinander der großen kapitalistischen Mächte erwächst, nicht das letzte Wort bleibt. Die wichtigsten Sicherungen sind strategischer Natur und im ersten Teil dieses Artikels – Punkt A. in GegenStandpunkt 2-97, S.39 – abgehandelt. Für den Umgang mit dem hier zuletzt skizzierten Konkurrenzkampf um Geld und Macht, in dem Handelsbilanzen und WTO-Regeln, Waffengeschäfte und Einflußzonen, Währungsprobleme und Schuldenregelungen endgültig durcheinandergehen, haben sie sich außerdem eine besondere diplomatische Handhabe geschaffen: den exklusiven Club der – soeben zur „Gruppe der Acht“ erweiterten – G7.

Die periodischen Treffen der Staats- und Regierungschefs dieses erlesenen Kreises haben in der demokratischen Öffentlichkeit keinen besonders guten Ruf. Kritische Wirtschaftsjournalisten pflegen den mit viel Aufwand inszenierten Tagungen Ergebnislosigkeit und ein Mißverhältnis zwischen Aufwand und „konkretem“ Ertrag vorzuwerfen. Damit geben sie freilich nur ihre Meßlatte bekannt: das Ideal eines weltwirtschaftlichen Lenkungsgremiums, das die Richtlinien festlegt, nach denen sich die souveränen Staaten ebenso wie die zu freiem Spekulieren ermächtigte Finanzwelt pünktlich richten. Soviel wirkungsvolle „Weltregierung“ ist von den politischen Häuptlingen der kapitalistischen Konkurrenz in der Tat nicht zu haben. Daß sie sich treffen, eigens erfundene Sprachregelungen zur weltwirtschaftlichen Problemlage unterzeichnen und sich dabei gemeinsam fotografieren lassen, ist schon das ganze Ergebnis, also auch die Sache, um die es geht – und die ist bemerkenswert genug. Das fällt der skeptischen Öffentlichkeit spätestens dann auch auf, wenn die Börsen der Welt mit einem Auf oder Ab auf Stil und Stimmung der Zusammenkunft reagieren. Für die große Geschäftswelt ist die „Show“ ein Signal, und zwar ein gewichtiges: Sie dokumentiert, wie die wirklich wichtigen Weltwirtschaftsmächte es miteinander halten wollen. Deren Chefs demonstrieren den Stand ihres Willens zur Gemeinsamkeit und damit ihre für „die Märkte“, nämlich die globale Spekulantengemeinde wegweisende Entschlossenheit, die Konkurrenz gegeneinander nicht bis zum Bruch zu treiben. Die Konkurrenzaffären der dargestellten Art gehen also ihren Gang; dezidiert jenseits davon garantieren die Konkurrenten einander, den Geldhändlern und dem Rest der Welt ihren Willen zum Konsens.

Das ist auch sehr nötig; und die Entstehung der Gesprächsrunde aus dem Bedürfnis der maßgeblichen Wirtschaftsmächte, die nach der „Dollarkrise“ und dem Ende des Bretton-Woods-Systems eingetretenen „Währungsturbulenzen“ besser in den Griff zu kriegen,[21] gibt darüber Aufschluß, inwiefern. „Turbulent“ geht es mit den Währungen zu, wenn Staaten in ihrer Konkurrenz ums Weltgeld „die Märkte“ dazu herausfordern, beim Geldanlegen, also beim Spekulieren ihrem Kreditgeld gegenüber dem der anderen den Vorzug zu geben, gewisse Währungen besonders kritisch zu prüfen, einen „Korrekturbedarf“ zu erkennen und ihm Rechnung zu tragen – und wenn darüber das professionelle Herumschieben des Kredits aus einem Nationalgeld ins andere tatsächlich in Fahrt kommt. Solche Geschäfte arten nur allzu leicht zur Ruinierung des Werts einer Währung aus, zwingen einen Staat zur Offenbarung seiner hoffnungslosen Schuldenlage, beschädigen zumindest gründlich seinen Kredit in der Welt; seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems ist das den meisten Nationen widerfahren, die gemeint haben, mit einem regulären eigenen Kreditgeld zur Weltwirtschaft antreten und an ihr verdienen zu können. Deren Schicksal ist den G7 auch kein Problem. Sie wollen nur selber nicht zu dieser Sorte „Schuldnerländer“ gehören; sie wollen überhaupt durch die Währungskonkurrenz, die sie untereinander austragen, nicht in ihrer Position als Emittenten von Weltgeld beschädigt werden. Deswegen suchen sie eine Rückversicherung für ihren Nationalkredit, und zwar an der Stelle, von der dessen Gefährdung ausgeht: bei ihren großen Konkurrenten. Und sie finden beieinander Gehör – offenbar haben sich da die Sieben gefunden, die einander nicht bloß den Willen zur Konkurrenz, sondern auch die Macht zur Schädigung ihres jeweiligen Kredits zutrauen und zugleich negative Rückwirkungen für ihren eigenen Kredit befürchten, falls einer der sechs großen Partner seine Schulden eingestehen müßte. Sie schätzen einander als diejenigen Fälle ein, in denen eine nationale Geldkrise sich womöglich nicht mehr lokalisieren ließe, sondern zu einer globalen Vertrauenskrise der kapitalistischen Währungen auswachsen könnte. Dagegen versichern sich diese sieben Staaten wechselseitig, indem ihre Chefs sich in der erklärten Absicht treffen, „die Währungsturbulenzen“ gemeinsam zu besänftigen oder überhaupt „den Märkten“ gemeinsam das „Signal“ zu geben, daß sie noch beieinander und einander bei-stehen. Die Zusammenkunft der Machthaber ist diese Versicherung, nämlich die praktische Willensbekundung, einander in der Schuldenfrage letztlich zu vertrauen, also die nationalen Schulden zu kreditieren und die Spekulation an der Zerstörung eines jeden der sieben Gelder zu hindern. Deswegen muß sie auch periodisch wiederholt und auf eine Weise inszeniert werden, daß die Botschaft der Fassungskraft der an den Börsen der Welt versammelten ökonomischen Vernunft des Kapitalismus in etwa Genüge tut, also kindgemäß mit Pauken und Trompeten und Hintergrundsberichten über mehr oder weniger ausgeräumte Unstimmigkeiten: So machen die politisch Mächtigen den Finanzgewaltigen deutlich, daß auf die wechselseitige Unfallversicherung der großen Kreditschöpfer noch Verlaß ist.

Thematisch sind die G7-Treffen mittlerweile nicht mehr auf Fragen der Weltwirtschaft beschränkt; und das ist gerade für das Ziel einer gemeinsamen wechselseitigen Kreditgarantie auch sehr sachgerecht. Der Kredit der Staaten ist nämlich selber schon eine politische Willensfrage: Weil er die weltwirtschaftliche Zukunft der jeweiligen Nation antizipiert, bemißt er sich wesentlich danach, wofür er eingesetzt wird, was die Staatsmacht sich also vornimmt und ihrer Gesellschaft zutraut und vorschreibt, um in der Konkurrenz um Weltgeld und Macht zu gewinnen. Eine zwischenstaatliche Kreditgarantie wirft daher notwendigerweise die Frage auf, wie sich diese Willensbekundung zum Konkurrenzwillen der Nation verhält: wie glaubwürdig sie ist; ob sie nicht umgekehrt eine Abhängigkeit von den Konkurrenten verrät, die am nationalen „Willen zur Zukunft“ Zweifel weckt; wer aus den Garantien der andern welche eigenen Vorteile zieht… Automatisch kommen damit alle weltpolitischen Affären ins Spiel, die für eine Verschiebung im Kräfteverhältnis der Partner, womöglich sogar in ihrer Hierarchie gut sind. An denen muß sich der Konkurrenzwille der Staaten beweisen, von dem ihr Kredit abhängt, und zugleich ihr Einigungswille, von dem er auch abhängt. Und das ist mit dem Ende des „Ostblocks“ in gleichem Maße wichtiger und schwieriger geworden, weil es für die großen Sieben bei der Regelung der Erbschaft soviel Macht zu gewinnen oder relativ zu verlieren gibt wie lange nicht. An diesen offenen Machtfragen muß sich der G7-Konsens – irgendwie, nämlich fürs Begriffsvermögen „der Märkte“ hinreichend deutlich – beweisen, um für die alles entscheidende ökonomische Anerkennungsfrage noch glaubwürdig zu sein; als ein kapitalistischer Grundkonsens nämlich, der sogar noch jenseits der unausbleiblichen Veränderungen im Kräfteverhältnis der Sieben Bestand hat. Oder, dasselbe umgekehrt: Die sieben Allerwichtigsten kommen für ihre Einigkeit in Wirtschafts- und Währungsfragen auf die politischen Bedingungen ihres kreditstiftenden Konsens zurück.[22] Mit ihrem ausufernden Themenkatalog gestehen sie ein, daß kapitalistische Staaten sich übers Geld nur einig werden, wenn und soweit sie über die Machtverteilung untereinander ins Reine kommen. Und mit seiner zupackenden Art, diesen Themenkatalog zu bestimmen, stellt der US-Präsident auf allerhöchster Ebene diplomatisch klar, daß der fortwährend erneuerungsbedürftige Konsens der wichtigsten Weltwirtschaftsmächte genau einen Macher und sechs oder auch sieben Mitmacher hat.

So führt die gemeinschaftliche Sorge der kapitalistischen Hauptmächte um ein stabiles Weltgeldsystem ganz von selbst wieder auf die andere imperialistische Hauptsache: Amerikas Interesse an einem globalen Gewalthaushalt

[1] Teil 1, A. Der globale Gewalthaushalt, ist in GegenStandpunkt 2-97, S.39 erschienen.

[2] Ausführlicheres zu diesem Thema findet sich im 5. Heft der Reihe „Resultate“: Imperialismus 2: Die USA – Weltmacht Nr.1, München 1979; darin: Die Weltmacht Nr.1: – I. Die Berufung des Wilden Westens zur Weltmacht – II. Demokratisches Innenleben – III. Amerikanische Souveränität.

[3] Seither hat die Nation einen Sozialstaat und fragt sich selbstkritisch, ob sie ihren Bürgern damit nicht die Menschenwürde nimmt. Die steht und fällt nämlich nach amerikanischer Auffassung – die darin wie überhaupt meistens schlicht die bürgerliche in nicht beschönigter Fassung ist – mit dem freien Gelderwerb.

[4] Ein wichtiger Teil der öffentlichen „Starthilfe“ der USA für ihre kapitalistischen Verbündeten – zugleich auf deren materielle Stabilisierung als Vasallen im Kampf gegen Stalins für den westlichen Geschmack allzu „sieg- und ruhmreiche“ Sowjetunion berechnet – war das als Marshall-Plan in die Geschichte eingegangene Wiederaufbauprogramm für Europa (ERP: European Recovery Program): Mit insgesamt 14 Mrd. Dollar wurde der Export von Rohstoffen, Lebensmitteln und einiger Maschinerie aus den USA nach Westeuropa finanziert; im Falle Westdeutschlands in der Weise, daß die Güter zum festgelegten Wechselkurs gegen frischgeschaffene D-Mark verkauft wurden und die so angesammelten DM-Beträge als Gegenwert zum Dollarwert der gelieferten Ware, als Äquivalent also für einen entsprechenden Dollarkredit – der später auch noch erlassen wurde –, bei der staatlichen Bank für Wiederaufbau ihren Beitrag zur (Wieder)Herstellung eines nationalen Finanzkapitals leisteten. Zugleich nötigten die Amerikaner ihren kapitalistischen Betreuungsfällen ein supranationales westeuropäisches Verrechnungs- und Zahlungssystem auf, damit die in Warenform transferierten Dollar gleich auch noch als zwischenstaatliche „Liquidität“ wirken konnten und ein Außenhandel zwischen den geförderten Ländern, an dem die amerikanische Geschäftswelt allseitig zu partizipieren gedachte, in Gang kam und nicht gleich schon wieder durch fehlende Zahlungsfähigkeit lahmgelegt wurde.

[5] Die ist ihrerseits auch schon nicht ohne staatliche Gewalt zu haben: Abstrakt ist der Reichtum ja wirklich nicht von Natur. Innerhalb der Ökonomie des abstrakten Reichtums spielt der vertrackte Unterschied zwischen diesem und seinem „bloßen“ gesetzlichen Stellvertreter aber eine Hauptrolle. Von der ist im folgenden die Rede.

[6] Die besondere „Stärke“ der deutschen Nachkriegs-Währung hat folgenden historischen Grund: In den Westzonen des besiegten Deutschland wurde unter dem Besatzungsregime auf Dollar-Basis eine ganz neue Geldhoheit gestiftet, die die überkommenen Schulden der Nazi-Herrschaft annullierte und anderweitige Altkredite nach der Maxime anerkannte und bewertete, daß sich das Ergebnis für die neu entstehende nationale Kreditwirtschaft lohnen mußte, nämlich bei der Schöpfung eines brauchbaren Kreditvolumens und der marktwirtschaftlich nötigen Liquidität. Das ergab einen lange nachwirkenden Startvorteil des bundesdeutschen Nachkriegs-Kapitalismus im Vergleich zu den großen westeuropäischen Nachbarn, die als Siegermächte ihre Kriegsschulden fortschleppten und sich außerdem gleich in neue Schulden stürzten, um ihre alten Kolonialreiche gewaltsam zurückzugewinnen bzw. zu stabilisieren: ein am Ende auch militärisch gescheitertes Abenteuer, das zudem unter den von den USA durchgesetzten kapitalistischen Geschäftsbedingungen – der Kalkulation mit souveränen Staaten als nützlichen Handelspartnern und Kapitalanlagesphären unter dem Regime von GATT und IMF – auf eine totale Fehlinvestition nationaler Ressourcen hinauslief. Derweil nahm die BRD, inzwischen die wichtigste europäische Adresse für die Anlage von produktivem US-Kapital, einen Aufschwung als Exportnation, verdiente sich ein Mehrfaches der anfänglich geliehenen Dollars auf den Weltmärkten zusammen und brachte es im Verkehr mit ihren EWG-Partnern selber zu einem international benutzten Geld. Dessen erfolgreiche Pflege als wertbeständiges Geschäftsmittel geriet dann zunehmend in Widerspruch zur weltweiten Inflationierung des amerikanischen Kreditgelds.

[7] Die fälligen Neuerungen im globalen Kreditüberbau, nämlich die neuen Aufgabenstellungen für IMF und „Weltbank“, werden im nächsten Kapitel im Zusammenhang mit den aktuellen Konkurrenzmethoden der amerikanischen Weltwirtschaftsmacht behandelt.

[8] Gegen diese neue Linie in den unteren Etagen des US-amerikanischen Erwerbslebens haben sich im Sommer dieses Jahres Angestellte der Firma „United Parcel Service“, die überwiegend nur noch solche Billiglöhner beschäftigt, mit einem 14-tägigen Streik zur Wehr gesetzt. Die zuständige Teamster-Gewerkschaft hat – unter dem Druck der Regierung, zum Schluß aber voller Stolz auf den erreichten „historischen Wendepunkt für die Arbeiter in diesem Land“ – den Streik mit einer Vereinbarung beendet, die für die nächsten 5 Jahre neben einer Erhöhung der Stundenlöhne auf 15 Dollar die Schaffung von insgesamt 10000 Vollzeit-Arbeitsstellen vorsieht – 15000 der derzeit über 300000 Beschäftigten werden dafür entlassen. Wenn das die „Wende“ weg vom Teilzeit- und Billigarbeitswesen sein soll, dann ist das demokratische „Job-Wunder“ auf gutem Weg.

[9] In vorbildlicher Weise widerlegt die kapitalistische Weltmacht also auch das einstige realsozialistische Gerücht, sie müßte sich die Loyalität ihrer proletarischen Bürger durch Bestechung erkaufen. Deren Beteiligung an den Früchten der imperialistischen Geschäfte der Nation besteht in den verbilligten Löhnen und gestrichenen Haushaltsposten, mit denen sie das Ihre zum nationalen Kampf um den Dollar beitragen.

[10] Alle nötigen Erläuterungen stehen in dem zweigeteilten Artikel zu diesem Thema in der vorigen und der vorliegenden Nummer des GegenStandpunkt.

[11] Es gibt daneben kritische Überlegungen maßgeblicher Amerikaner, die Europäer könnten mit ihrem „verrückten Projekt“ einer supranationalen Währung die internationalen Geldmärkte durcheinanderbringen, die die USA für den weltweiten Einsatz ihres Dollar doch brauchen und auf die deswegen Verlaß sein muß; auch sich selber dürften die EU-Partner damit keinen Gefallen tun. Auch diese Sorge um die Funktionstüchtigkeit des Weltfinanzsystems beschwört nicht die Notwendigkeit, eine geldpolitische Offensive der europäischen Konkurrenten abzuwehren, sondern mehr die Gefahr eines unbeabsichtigten Desasters.

[12] Aus einer Rede des Stellvertretenden US-Finanzministers Lawrence Summers vom 30.4.97, nach Amerika-Dienst 15.7.97.

[13] Wie da auf allen Seiten gerechnet wird, wurde neulich auf einer Tagung der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) deutlich. Ausgerechnet der Finanzminister Mexikos, immerhin den USA in der NAFTA verbunden, wollte im Euro „eine Chance für eine Verstärkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Lateinamerika und Europa“ entdeckt haben. Eine Studie der IDB zur „europäisch-lateinamerikanischen Zusammenarbeit“ erläutert, woran da gedacht ist: Nicht nur der Handel mit Europa könne dann statt wie jetzt in Dollar in Euro fakturiert werden; ein großer Euro-Kapitalmarkt könnte für lateinamerikanische Schuldner und Unternehmen, die Aktien begeben, eine Alternative zu den US-Märkten bieten; ungekehrt würden Lateinamerikas Anleger – einschließlich der Zentralbanken der Region, die über rund 160 Mrd. $ Währungsreserven verfügen – Portfolio-Anlagen in Euro-Papieren als Chance zur Diversifizierung nutzen. (Handelsblatt vom 19.3.97) Solche Spekulationen zeigen immerhin, wie das Projekt gemeint ist: In allen privaten und staatlichen Geldfragen soll der Euro weltweit – nicht nur, wie die DM, hauptsächlich auf dem europäischen Kontinent – zur „echten Alternative“ zum Dollar werden. Der Rest der Welt soll den Euro als Angebot nehmen, sich aus der einseitigen Abhängigkeit vom Dollar zu „befreien“. Und europäische Vordenker verbinden dies mit der ausdrücklichen Perspektive, damit nicht nur mehr Nachfrage nach Euro-Kredit, sondern auch neue politische Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnisse zu stiften; am besten gleich im Herzen des amerikanischen Kontinents.

[14] Zum folgenden ist in der Nummer 2-94 dieser Zeitschrift der Artikel „So frei ist der Welthandel. Neueste Entwicklungen in der amerikanisch-japanischen Partnerschaft“ nachzulesen.

[15] Die Prinzipien des IMF, die Dienste dieser Institution für die gemeinsamen Anliegen wie für die Konkurrenz ihrer Macher sind in GegenStandpunkt 3-93, S.79 dargestellt: „IWF heute: Supranationaler Kredit unter den Bedingungen der Krisenkonkurrenz“. Eine der Fortentwicklungen, die seither schon wieder stattgefunden haben, kommt in dem Mexiko-Kapitel des Artikels „Die Fortschritte der Währungskrise: Die Finanzwelt hält ihren Kurs“ in GegenStandpunkt 2-95, S.3 zur Sprache.

[16] „Der Fortschritt vom GATT zur WTO“ ist Thema eines Artikels in GegenStandpunkt 2-94, S.26: „Handelsrechtliche Szenarien und wirtschaftsdiplomatische Instrumente für eine qualitativ neue Stufe im Verdrängungswettbewerb der Weltwirtschaftsmächte“.

[17] Es gab seinerzeit sogar den interessanten Vorwurf, die Sowjetunion sei bloß zu Waffengeschäften und gar nicht zu einem umfassenden lohnenden Geschäftsverkehr mit anderen Staaten in der Lage; ihr Militaria-Handel entbehre insofern der materiellen Grundlage und schon deswegen jeder höheren Berechtigung. Dieser Vorwurf gibt – wieder einmal – Auskunft bloß über die Seite, die ihn erhoben hat: Für die Führungsmächte der Freien Welt war und ist es selbstverständlich, daß die Entfaltung von Macht sich lohnen muß und überall, wo sich etwas lohnt, der Nutznießer legitimerweise seine Macht entfaltet. Soviel Deckungsgleichheit zwischen Gewalt und Geschäft muß schon sein im Reich der Freiheit!

[18] Ein Aufsatz über die Verlängerung des Vertrags über die Nicht-Verbreitung von Atomwaffen im Frühjahr 95 ist in GegenStandpunkt 3-95, S.3 nachzulesen.

[19] Dieser mißliche Umstand hat Amerikas abendländisch gebildeten Machern die Einsicht eingeflößt, daß ein militärisch fundiertes Abschreckungswesen wohl nötig ist und bleiben wird, solange die Weltmacht es – vor allem auswärts, weniger in ihren eigenen Führungsetagen – mit einer so unhandlichen Größe wie der Menschennatur zu tun hat: Bis sich die Natur des Menschen ändert, werden Macht und Gewalt weiterhin im Zentrum internationaler Beziehungen stehen. Das hat Sicherheitsberater Anthony Lake zum Thema „Neue (!) sicherheitspolitische Herausforderungen in der Welt nach dem Kalten Krieg“ herausgefunden und zu einem Katalog von „Umständen“ elaboriert, „unter denen der Einsatz von Gewalt erforderlich sein kann: Zur Verteidigung gegen direkte Angriffe auf die Vereinigten Staaten, ihre Bürger und Verbündeten. Zur Abwehr von Aggression. Zur Verteidigung unserer wichtigsten Wirtschaftsinteressen; denn auf diesem Gebiet steht für die meisten Amerikaner bei unserem internationalen Engagement am meisten auf dem Spiel. Zur Bewahrung, Förderung und Verteidigung von Demokratie, die unsere Sicherheit erhöht und unsere Werte verbreitet. Zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, von Terrorismus, internationalem Verbrechen und Drogenhandel. Zur Bewahrung unserer Verläßlichkeit; denn wenn unsere Partnerschaften stark sind und das Vertrauen in unsere Regierung groß ist, können wir andere eher zur Zusammenarbeit mit uns bewegen. Zu humanitären Zwecken, zur Bekämpfung von Hungersnöten, Naturkatastrophen und gravierenden Verletzungen der Menschenrechte.“ (Amerika-Dienst, 20.3.96) Insgesamt eine schöne Liste von Bekenntnissen zur immanenten Gewalttätigkeit von Kapitalismus und Demokratie. Doch wie man weiß, kommt in dem System der Marktwirtschaft und des freien Wählens ja auch nichts anderes zum Zuge als des Menschen wahre Natur. Insofern stimmt die Ableitung wieder…

[20] Für ihren Krieg gegen Saddam Hussein haben die USA bekanntlich materielle Beiträge ihrer Partner in Gestalt von Soldaten oder Dollars verlangt und von den deutschen und japanischen „Scheckbuch-Diplomaten“ tatsächlich Geld bekommen. Das war freilich mit Gewißheit nicht der materielle Ertrag, der den Golfkrieg im US-Haushalt aus der „Verlustzone“ gebracht und zum Geschäft gemacht hätte, wenn die Rechnung darauf gegangen wäre. Tatsächlich wollten die Amerikaner zwar nicht der von den Konkurrenten ausgenutzte militärische Ausputzer, noch weniger aber deren bezahlter Sheriff sein. Mit dem Geld, das die USA natürlich trotzdem genommen haben, ist dann auch weniger ihr Einsatz bezahlt als ein nationales Ärgernis der Supermacht symbolisch kompensiert worden. In ähnlicher Weise hält der reichste Staat der Welt sich moralisch schadlos, wenn er seine UNO-Beiträge immerzu nicht oder verspätet entrichtet: So demonstriert er sein völliges Unverständnis für eine Finanzkonstruktion, die die USA dazu verpflichtet, die faux frais für die Aufsicht, die sie der Staatenwelt schenken, auch noch bezahlen zu helfen.

[21] Der Gründungslegende zufolge ging es ursprünglich, auf deutsch-französische Initiative hin, um ein jährliches „Kamingespräch“, bei dem der „Weltökonom“ Helmut Schmidt seinen Kollegen den Eurodollarmarkt erklären mußte.

[22] So ist beim jüngsten Treffen auch der Chef des durch seine kapitalistische Wende ruinierten Rußland als Achter in die illustre Siebenerrunde geraten. Daß es in irgendeiner Weise auf den Rubel als unverzichtbaren Teil des Kredits der kapitalistischen Welt, geschweige denn als Teilhaber an und Beitrag zu einer allerhöchsten globalen Kreditgarantie ankäme, kann auch der US-Präsident nicht glauben, der die Erweiterung seines Clubs beschlossen und durchgezogen hat; von den Gesprächen über Weltwährungsfragen blieb Jelzin dann auch ausgeschlossen. Wichtig war die mehrschichtige Bedeutung der Aktion: als Geste der Anerkennung für die in Liquidation befindliche Atomwaffenmacht, um deren entgegenkommende Abrüstungsbereitschaft zu fördern; als Bekundung des amerikanischen Willens, Rußland unwiderruflich in das System der „one world“ „heimzuholen“; als Demonstration der weit in die Zukunft reichenden Absicht, aus Rußland einen nützlichen Zuwachs fürs amerikanischen Weltgeschäft zu machen; schließlich und vielleicht sogar vor allem als durchaus provozierend gemeinte Klarstellung, daß die USA in einer Angelegenheit von höchstem strategischem wie weltwirtschaftlichem Rang einmal mehr ohne Umschweife die Führung übernehmen und auch unter ihren sechs wichtigsten Partnern nicht erst groß herumfragen, sondern Fakten schaffen und die andern auf Linie bringen. Das schafft Kredit!