Trumps Amerika gegen Iran
Anmerkungen zu einem asymmetrischen Krieg neuen Typs

Schon in der Zeit seines ersten Wahlkampfes sagt Donald Trump aller Welt an, dass er die US-amerikanische Iranpolitik radikal korrigieren wird; auch dieser Ansage lässt er als Präsident die entsprechenden Taten folgen. Die geben auch über den speziellen Fall hinaus Auskunft über die Art von Auseinandersetzungen mit Staaten, die Trump als Gegner identifiziert. Seine Linie besteht nach Kündigung des von ihm heftig kritisierten Atomabkommens JCPOA in „maximum pressure“: Sanktionen, von denen Trump selbst stolz verkündet, dass sie von nie dagewesenem Umfang und bis dato unübertroffener Härte seien. Wenn er zur Jahresmitte 2019 in Bezug auf den dadurch bewirkten Zustand von Irans Wirtschaft die Zwischenbilanz „absolutely broken“ verkündet, gibt das beredt Auskunft Über den Zweck der Sanktionen. Es geht darum, die materielle Substanz der iranischen Souveränität, insofern diese selbst, zu brechen. Was Trumps Amerika gegenüber Iran durch- und vorführt, besteht darin, die ökonomische Erpressungsmacht Amerikas so weit auszureizen, dass sie als Kriegsersatz wirkt.

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Trumps Amerika gegen Iran
Anmerkungen zu einem asymmetrischen Krieg neuen Typs

1.

Schon in der inzwischen weltpolitische Ewigkeiten zurückliegenden Zeit seines ersten Wahlkampfes sagt Donald Trump aller Welt an, dass er die US-amerikanische Iranpolitik radikal korrigieren wird; auch dieser Ansage lässt er als Präsident die entsprechenden Taten folgen. Die geben auch über den speziellen Fall hinaus Auskunft über die Art von Auseinandersetzungen mit Staaten, die Trump als Gegner identifiziert.

Trumps ankündigungsgemäß betriebene Linie besteht nach Kündigung des von ihm heftig kritisierten Atomabkommens JCPOA[1] in maximum pressure: Sanktionen, von denen Trump selbst stolz verkündet, dass sie von nie dagewesenem Umfang und bis dato unübertroffener Härte seien. Wenn er zur Jahresmitte 2019 in Bezug auf den durch die Sanktionen bewirkten Zustand von Irans Wirtschaft die Zwischenbilanz absolutely broken verkündet, dann mag das zwar wieder einmal ein Fall der für ihn typischen maßlosen Angeberei sein. Freilich einer sehr beredten hinsichtlich des Zwecks der Sanktionen. Über den verrät sie immerhin so viel, dass der eben in nicht weniger besteht als darin, die materielle Substanz der iranischen Souveränität, insofern diese selbst, zu brechen. Was Trumps Amerika gegenüber Iran durch- und vorführt, besteht darin, die ökonomische Erpressungsmacht Amerikas so weit auszureizen, dass sie als Kriegsersatz wirkt, nämlich Irans antiamerikanischen Willen mit dem Ausschluss von der durch die USA dominierten Weltwirtschaft regelrecht vernichtet.

2.

Extra zu dekretieren brauchte Trump die feindselige Stellung seiner Nation gegenüber Iran nicht; im Gegenteil: Er selbst versteht und preist seine Politik als die endlich konsequente Praxis der Feindschaft, die in den USA – nebst allen dazugehörigen, gelehrten und volkstümlichen Varianten von Feindbild – eine mittlerweile vierzigjährige Tradition hat, nämlich so alt ist, wie der Iran als Islamische Republik sich praktisch und erklärtermaßen amerikafeindlich aufführt.

Die Islamische Revolution von 1979 war von ihren Anführern und Anhängern genau so gemeint, Iran mit seinem ansehnlichen Territorium, einem kopfstarken Volk und viel, viel Öl und Gas aus dem Status eines ökonomisch auf die Rolle eines Öllieferanten für den amerikanisch dominierten Weltkapitalismus, strategisch auf seine antikommunistischen Vorpostendienste festgelegten Vasallen der USA zu befreien. Diesen Befreiungskampf führten und führen die schiitischen Revolutionäre mit dem Ethos, einen höheren religiösen Auftrag zu verfolgen und darin mit der islamischen Natur ihres Volkes eins zu sein; ihr Ringen um ökonomische und politische Eigenständigkeit ist für sie gleichbedeutend mit der islamischen Versittlichung von Volk und Nation. Dafür gebrauchen sie ihre Milliarden aus dem Ölexport, nach diesem Prinzip organisieren sie ihre Ökonomie – die das nationale Geldverdienen und erst recht dessen internationale ‚Einbindung‘ unter die Vorbehalte und Vorgaben nationaler Nützlichkeit, sozialer Verträglichkeit und Konformität mit islamischen Rechtsnormen stellt – und ihren Staatsaufbau, der durch eine kunstvoll eingerichtete Kompetenzen- und Gewaltenteilung die höheren Prinzipien des Islam mit den praktischen Notwendigkeiten einer modernen Staatsgewalt vermitteln soll.

Die revolutionär gestimmten Mullahs haben es aber zum größten Ärger Amerikas nicht dabei belassen, Iran aus dem Cordon amerikanischer Vorposten herauszubrechen und dafür sogar den Weltmarkt im Allgemeinen, seine Abteilung Öl und Gas im Besonderen nutzbar zu machen. Vielmehr haben sie dies mit viel nach außen gewandtem strategischen Sendungsbewusstsein verknüpft. Ihr Land hielten und halten sie für so groß, ihre Mission für so berechtigt, dass sie die Selbstbehauptung als antiamerikanisches Bollwerk von Beginn an offensiv, als Programm des Aufstiegs zu einer islamischen Regionalmacht betrieben haben. Dafür versuchen sie, bei den benachbarten Staaten und Völkern, welche ja auch im Wesentlichen gen Mekka beten, dafür zu sorgen, dass das höhere Gebot des Widerstands gegen amerikanisch-westliche Fremdbestimmung und Verunsittlichung von Volksmassen und nationalen Herrschaften befolgt wird. Anhalts- und Angriffspunkte findet dieser Elan des Revolutionsexports in der – nicht erst seit den Irak-Kriegen massiven – amerikanischen Militärpräsenz in der Region, sodann in der Existenz und ausgreifenden ‚Machtprojektion‘ des amerikanischen Verbündeten Israel und schließlich in den proamerikanischen Herrscherhäusern auf der Arabischen Halbinsel, denen Iran seit vier Jahrzehnten vorwirft, Lakaien von westlichem Imperialismus und Zionismus zu sein und ihre Völker und deren islamischen Befreiungs- und Eigenständigkeitsdrang zu unterdrücken.

Für seinen religiös inspirierten regionalmächtigen Ehrgeiz ist Iran sich – ebenfalls schon seit den ersten Jahren als Islamische Republik – auch ein eigenes Atomprogramm schuldig. Das war zwar und ist immer noch offiziell gemäß der nach wie vor gültigen Fatwa des religiösen Führers zivil ausgerichtet. Aber die Verfügung über alle Bestandteile eines modernen atomindustriellen Komplexes, also die nukleare Autonomie, auf die es Iran mit diesem Programm angelegt hat, umfasst objektiv und zielt von Seiten der iranischen Atomstrategen eben auch auf die Potenz zu einer eigenen militärisch-atomaren Abschreckungsmacht. Das komplettiert seitens der USA zugleich die Definition als durch und durch feindseliger Staat, dessen Auftritt sich die Weltmacht nicht gefallen lassen kann.

3.

Insofern steht Trump, wie gesagt, ganz in der vier Jahrzehnte alten Tradition des amerikanischen Antiiranismus, worauf er viel Wert legt – und in der ihm eigenen Art auch extra hinweist, wenn er für die Anzahl möglicher Ziele eines großen Militärschlages auf Iran die Zahl der Amis für passend hält, die seinerzeit im Rahmen der Botschaftsbesetzung festgehalten wurden, welche nach Vietnam als das zweitgrößte Nachkriegstrauma der imperialistischen Volksseele Amerikas gepflegt wird.

Geändert haben sich im Laufe der Zeit ein ums andere Mal, stets eingebaut in die weltpolitische Globalstrategie der USA, die Gesichtspunkte, unter denen, und die Art und Weise, in der die jeweiligen amerikanischen Führungen mit diesem für unmöglich erklärten, also unbedingt abzuräumenden Störfall umgegangen sind. Identisch waren die diversen ‚strategischen Ansätze‘ darin, dass die Konfrontation mit Iran stets als Fall von und Beitrag zu einer umfassenden amerikanischen Weltordnung geführt wurde: Ob im Rahmen von Clintons dual containment oder dem war on terror von Bush Jr.: Amerikanisch orchestrierte und dominierte Frontbildungen gegen Iran, in die sich andere Nationen einreihen sollten und durften, waren nicht nur Mittel, sondern Prinzip des Kampfes der USA gegen den iranischen Störfall. Der war damit als Fall für ein supranationales Ordnungsregime konstruiert, dessen Alternativlosigkeit durch die überlegene Gewalt der USA gesichert und durch die Beteiligung der anderen Mächte beglaubigt und komplettiert werden sollte. Obama führte dieses Prinzip der Entfaltung amerikanischer Weltmacht als supranationale Ordnungsstiftung zu dem Höhepunkt namens JCPOA: Untermauert von einem gigantischen US-amerikanischen Militäraufmarsch und der qualitativ und quantitativ neuartigen Aufrüstung der amerikanischen Verbündeten in der Region bedrohten die USA Iran mit einem vernichtenden großen Krieg – als Ausgangspunkt für eine Diplomatie, im Rahmen derer die USA sich die Freiheit nahmen, das iranische Atomprogramm unter allerlei Vorbehalten vom Rest der ärgerlichen iranischen Staatsraison zu trennen und als Hauptfall für das weltpolitische Großprojekt eines endlich wirksamen amerikanischen Kontrollregimes über den weltweiten Nuklearwaffenhaushalt zu inszenieren und zu bereinigen. Zu diesem Zweck wurden die anderen anerkannten Nuklear- und ständigen Sicherheitsratsmächte plus Deutschland daran beteiligt, Iran zum Verzicht auf nukleare Autonomie zu bewegen; als Gegenleistung wurde ihm die Anerkennung als ordentliches Mitglied der Weltgemeinschaft und Teilhaber am Weltmarkt gewährt.

Das alles wird jetzt gründlich revidiert. Ziel der neuen Iranpolitik Amerikas ist ohne Wenn und Aber die bedingungslose Kapitulation des Feindes; so bedingungslos, dass es für den Dealmaker Trump schon ganz gleichgültig ist, welche und was für eine Regierung am Ende die Kapitulation unterschreibt – Experimente mit einem demokratischen Regime Change sind nicht im Programm. [2] Als Mittel für diesen Zweck kommt für den Präsidenten Krieg nicht in Frage: Die Erkenntnis hat er aus den endlos sich hinziehenden, mit großem finanziellen Aufwand und menschlichen, sogar amerikanischen Opfern verbundenen militärischen Interventionen seiner Vorgänger gewonnen, dass Amerika seine einzigartige Überlegenheit verschenkt, wenn es sich auf einen kriegerischen Schlagabtausch einlässt, den es am Ende zwar sicher gewinnt, sich bis dahin aber gewaltmäßig auf das Niveau des bekämpften Feindes begibt. Das ist nicht bloß einer Weltmacht unwürdig und verkehrt – jedenfalls alles andere als ein brauchbarer Deal –; das ist vor allem völlig überflüssig. Denn mit seinem unvergleichlichen Schwergewicht auf dem Weltmarkt und mit seiner Herrschaft über Zahlungsmittel und Zahlungsverkehr des globalen Kapitalismus verfügt Amerika über alles Nötige, um dem Land ganz zivil und quasi zum Nulltarif seine ökonomische Existenzgrundlage wegzunehmen; Vernichtungsmittel, denen Iran von vornherein nicht gewachsen ist und nichts auch nur annähernd Gleichartiges entgegenzusetzen vermag. Dass das Land seinerseits die USA in eine auch für sie kostspielige kriegerische Auseinandersetzung verwickeln könnte, scheidet nicht nur aus Gründen der Landkarte aus: Gegen jeden womöglich vorgestellten Übergang solcher Art setzt die Trump-Regierung die unbedingt abschreckende todsichere Aussicht auf sofortige Zerstörung des Landes. Amerikas Strategie der Wahl, um Teheran in die bedingungslose Selbstaufgabe zu treiben, ist folglich die zivile: Zunehmend härtere und umfassendere Wirtschaftssanktionen vernichten nach und nach und am Ende notfalls komplett die materiellen Überlebensmittel der Nation – ohne den Aufwand, den es kosten würde, Iran – wie weiland Vietnam – „in die Steinzeit zurückzubomben“.

Irgendeine Absprache mit anderen Mächten ist von diesem Standpunkt unwiderstehlicher amerikanischer Erpressungsmacht her nicht nötig; im Gegenteil: Der Einsatz der sekundär genannten Hauptwaffe gegen Iran, nämlich das Verbot für alle anderen Staaten, mit Iran Handel zu treiben – eigene nennenswerte Wirtschaftsbeziehungen zu Iran unterhalten die USA ohnehin nicht –, ist für Trump immer wieder Gelegenheit, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass das Problem mit Iran, das er sieht und endgültig zu lösen angeht, mindestens zur Hälfte auch eines ist, das Amerika mit den anderen Mächten hat. Unter seiner Führung ist endlich Schluss damit, denen zu erlauben, einem erklärten Feind Amerikas amerikanische Dollars zu verschaffen, die der dafür nutzt, seine längst fällige Kapitulation hartnäckig zu verweigern. Auch allen Dritten gegenüber macht Trump also geltend, dass sie völlig einseitig von der einseitig kündbaren Beteiligung an Amerikas Welt-Dollarwirtschaft abhängen, sie sich also keinen Verstoß gegen die amerikanische Ächtung der iranischen Feindnation leisten können.

*

Asymmetrie total: Das ist von daher Standpunkt, Prinzip und Methode von Trumps Iran-Politik.

4.

Gegen diesen Angriff vom Standpunkt und mit dem Arsenal unilateraler amerikanischer Machtvollkommenheit versucht Iran, für sich zu retten, was ihm das Atomabkommen mit der Versammlung der wichtigsten strategischen Mächte hinsichtlich politischer Anerkennung und ökonomischer Betätigung auf dem Weltmarkt teils schon eingebracht, teils in Aussicht gestellt hat. Dafür beruft sich Teheran angesichts der amerikanischen Kündigung gegenüber den verbliebenen Vertragsmächten auf die getroffenen Abmachungen und appelliert an ihr materielles Interesse am Waren-, Geld- und Kapitalverkehr mit Iran sowie darüber hinaus an ihren im JCPOA dokumentierten Anspruch, für solche internationalen Ordnungs- und Rechtsfragen mit zuständige Weltmächte zu sein.

Mit seinen Appellen an ökonomische Interessen und weltpolitischen Anspruch der restlichen Vertragspartner läuft Iran bei denen zwar offene Türen ein und bekommt von ihnen reihum einzeln und auch im Chor lauthals die Versicherung, dass die einseitige amerikanische Kündigung nicht hinnehmbar sei. Praktisch scheitern die iranischen Außenpolitiker aber schnell und deutlich mit ihrem Ansinnen, mit dem Rumpfkollektiv der verbliebenen Garantiemächte die vertraglichen Rechte und Pflichten weiter in Kraft zu halten und die Sanktionen auf diese Weise ins Leere laufen zu lassen: Die Sanktionen sind ja so und mit der Absicht konstruiert, diesen ‚Ausweg‘ zu versperren, d.h. das Verbot ökonomischer Zusammenarbeit mit Iran von vornherein auf die ganze Welt geschäftstüchtiger Akteure und staatlicher Schutzmächte auszudehnen. Eine ‚Umgehung‘ der von Amerika per se mit universellem – extraterritorialem, wie das in Fachkreisen heißt – Gültigkeitsanspruch versehenen und strafbewehrten Sanktionen gibt es nur als Konfrontation mit Amerika, die die Weltmacht jedem potenziellen Sanktionsbrecher androht.

Damit stellt sich Amerika nicht dem Kollektiv gegenüber, an das Iran appelliert, sondern bedroht jede einzelne dieser Mächte mit seiner Sanktionswaffe – und das kriegt Iran bei allen von ihm angerufenen Vertragsmächten daran zu spüren, dass jede von ihnen einzeln kalkuliert, was sie dieser Bedrohung entgegensetzen kann und will, welche Schäden sie zu gewärtigen hat und welcher Nutzen für sie mit einer Fortsetzung der ökonomischen Zusammenarbeit mit Iran gegen amerikanischen Willen allenfalls in Aussicht steht. Unterschiede in den Kalkulationen und in deren Praxis gibt es da zwar durchaus, aber nicht in der für Iran entscheidenden Hinsicht: Das mit den USA in einer eigenen strategischen Auseinandersetzung befindliche Russland, das selber mit amerikanischen Sanktionen traktiert wird, hat im ökonomischen Verkehr mit Amerika vergleichsweise wenig zu verlieren, ist zu begrenzter militärischer und ökonomischer Zusammenarbeit bereit, hat aber für letztere nicht sehr viel zu bieten. China in seiner Rivalität mit den USA einerseits, seinem Bedarf nach iranischem Öl andererseits ist nur sehr bedingt, begrenzt, heimlich zu – verglichen mit dem bis dahin praktizierten Austausch auf einen Bruchteil geschrumpftem – sanktionsbrecherischem Öl- und sonstigem Barterhandel bereit. Und bei den Europäern, auf die Iran in Bezug auf seine Wiederintegration in die Weltwirtschaft am meisten gesetzt hat, ist an materiell relevanter Zusammenarbeit gegen Amerika überhaupt nichts zu holen. Insgesamt scheitert Iran ziemlich vollständig mit seinem Versuch, diese Mächte zu einer Kollaboration zu bewegen, die ihm die materielle Basis seiner Souveränität gegen das Sanktionsregime sichert, das diese zerstören soll.

5.

Daher sieht sich Iran für seine Gegenwehr darauf zurückverwiesen, worüber es an eigenen Mitteln verfügt. Das Erste, was die Teheraner Führung für ihre Defensivbemühungen in Anschlag bringt, ist ihr Regime übers eigene Volk und die nationale Ökonomie. Sie organisiert eine Abwehr- und Notstandsökonomie, die darauf zielt, den amerikanischen Angriff ökonomisch auszuhalten. Der von Trump immer wieder verkündeten Sicherheit, dass gegen die amerikanischen Sanktionen kein Überleben möglich, die iranische Niederlage also unausweichlich ist, setzt sie mit ihrer stolz Widerstandsökonomie getauften Notstandspolitik die Demonstration entgegen, dass die amerikanische Vernichtungsambition eben doch nicht unmittelbar gleichbedeutend mit ihrem Erfolg ist. Das Durchhalteprogramm wird mit der nötigen Gewalt durchgesetzt und das Volk dazu passend auch moralisch unterwiesen, und zwar durch den Obersten Führer höchstselbst, der seinen Landsleuten erklärt, dass die Prinzipien der Widerstandsökonomie ganz und gar der frommen, entbehrungsfreudigen, aber auch gewitzten und in der Not erfinderischen iranisch-muslimischen Volksseele entsprechen. Diese gesamtnationale Kraftanstrengung soll den USA perspektivisch die Geduld und Lust zu ihrer Strategie des Aushungerns nehmen. Ums Verrecken nicht zu erschöpfende, von oben entschlossen organisierte und beanspruchte Leidensfähigkeit des stolzen iranischen Volkes gegen die überlegene, auf schnellen Vernichtungserfolg ausgerichtete Sanktionsmacht der USA – das soll die davon überzeugen, dass die iranische Selbstbehauptung trotz aller Verheerungen [3] auf diese Weise nicht, schon gar nicht in Form des von Trump propagierten wirtschaftlichen Blitzkriegs, zu überwinden ist. [4]

6.

Neben seiner Widerstandsökonomie mobilisiert Iran seine Potenzen zur Unruhestiftung im regionalen Umland, das von den Verbündeten Amerikas besetzt bzw. von den USA selbst als Vorfeld gegen Iran beansprucht wird.

Dafür greifen die iranischen Widerstandsstrategen mit neuer Militanz auf die von ihnen im Laufe der Jahrzehnte ihres islamischen ‚Revolutionsexports‘ geknüpften Bündnisse vor allem mit schiitischen Bewegungen, staatlichen und nichtstaatlichen Gewalthabern in der Region zurück und aktivieren alle – finanziellen, militärischen, politischen, ideologischen – Abteilungen ihres zäh erkämpften und gepflegten Status als letzter großer staatlicher Pate allen islamischen Antiamerikanismus und Antizionismus. Überall da, wo Amerika und seine Alliierten sie und ihre Verbündeten hinausdrängen bzw. handlungsunfähig machen wollen, versuchen die iranischen Auslandsbrigaden sich mit Hilfe ihrer örtlichen Glaubens- und Waffenbrüder festzubeißen, einzugraben und möglichst noch mehr als bisher Gewalt zu entfalten. Auf diese Weise soll Amerika beigebracht werden, dass es mit seinem Versuch der Einschnürung Irans auf seinem Boden und des ökonomischen Aushungerns nicht seine Kapitulation, sondern das Gegenteil, die Ausweitung seiner störerischen Aktivitäten bewirkt. Bereitschaft und Fähigkeit zu nicht zu unterbindender Unruhestiftung sollen der Weltmacht, deren Führer den erzwungenen Rückzug Irans von seinen regionalen Positionen schon einmal vorauseilend verkündet hat, [5] für ihre Feindschaft einen strategischen Preis abverlangen, der genügend Anreiz darstellt, doch zu Verhandlungen zurückzukehren. Und sie sollen für diese Perspektive die Verhandlungsmasse darstellen, die sich Iran nur durch echte Kompromisse abkaufen lässt.

In diese Richtung zielen auch die Anstrengungen Irans, das Atomprogramm zu reaktivieren, das seit langer Zeit den Hauptanklagepunkt aller US-amerikanischen Administrationen in der Causa Iran ausmacht. Für Iran ist nach der amerikanischen Kündigung des JCPOA und der darin förmlich wie sachlich enthaltenen Souveränitäts- und Sicherheitsgarantie das Programm nuklearer Autonomie dringlicher denn je – nunmehr, um den überlegenen und als überlegen anerkannten Feind dazu zu bringen, Iran wieder als Macht ernst zu nehmen, der gegenüber auch das mächtige Amerika nicht an Zugeständnissen vorbeikommt. Demonstrativ und planmäßig werden die gemäß dem JCPOA eingefrorenen bzw. zurückgebauten Komponenten des Atomprogramms wieder aktiviert und der Bau eines neuen Kernkraftwerks und neuer Urananreicherungsanlagen vorangetrieben. Mit allen verkündeten Zwischenerfolgen und allen Maßnahmen der praktischen Absicherung – z.B. mit dem Bau tief in der Erde eingegrabener und mit modernen russischen S300-Abwehrsystemen geschützter Anlagen – will Iran den USA praktisch beibringen, dass es ein Ende seiner nuklearen Ambitionen nicht als Unterwerfung unter ein amerikanisches Verbot und auch nicht als Resultat eines begrenzten und risikolosen Militärschlags, sondern nur als Ergebnis von Verhandlungen und als echtes quid pro quo gibt.

Wirkungslos bleibt diese Strategie Irans nicht: Mit seinen Verbündeten im Gaza-Streifen und im Libanon nötigt Iran seinen durch Trumps Politik aufgestachelten Gegner Israel bei seinem regional ausgreifenden Gewaltgebrauch zu der Abwägung, wie viele Kriegsfronten er gleichzeitig eröffnen bzw. aushalten will; für den Fall eines seitens Israels immer öfter und offener ins Spiel gebrachten Militärschlages gegen iranische Atomanlagen droht ihm immerhin ein Drei- bis Vierfrontenkrieg. In Syrien ist es Iran gelungen, zusammen mit Russland die Entmachtung des letzten verbliebenen staatlichen Verbündeten in der Region zu verhindern, die westliche Mächte, die Türkei und die inzwischen auch zu Höherem berufenen Ölmonarchien konzertiert ins Werk zu setzen gedachten. Die Türkei und Russland erkennen Iran als die dritte Partei an, die mit ihnen im Rahmen der Astana-Friedensverhandlungen legitimerweise über den Verlauf des Krieges verhandeln darf. Im durch zwei amerikanische Großkriege und zwischenzeitliche Sanktionen komplett zerstörten Irak hat sich Iran zur Schutzmacht der schiitischen Bevölkerungsmehrheit erklärt und als nicht zu ignorierende Partei im gewaltsamen Ringen um die Herrschaft über Landesteile, Bevölkerungsgruppen und Öleinnahmen etabliert – und es sogar zu einem Stück halbwegs offizieller Kollaboration mit der amerikanisch angeführten Allianz gegen den IS gebracht. Und seinen arabischen Gegnern von der anderen Küste des Golfes, insbesondere den Saudis, die sich durch Trumps Politik dazu aufgestachelt sehen, als antiiranische Regionalmacht aufzutreten, führt Iran mit der Unterstützung einer der Mannschaften im Krieg im Jemen vor, dass sie den als Demonstration ihrer Überlegenheit inszenierten Luftkrieg zur Einsetzung einer ihnen genehmen Marionettenregierung in ihrem jemenitischen Hinterhof einfach nicht gewinnen können.

7.

Es ist nur so, dass die Wirkung, die damit erzielt werden soll, sich nicht einstellt, weil der Adressat, auf den das alles gemünzt ist, sich davon nicht beeindrucken lässt. Die inneren iranischen Anstrengungen, per Widerstandsökonomie die Sanktionen zu überleben, würdigt Trump als praktisches Eingeständnis, wie gut sie wirken,  [6] als Anfang vom Ende des iranischen Durchhaltewillens und -vermögens, wofür ihm die gewalttätigen Armutsproteste ganz gelegen kommen. Und auch die Strategie des Mehrfrontenstörertums, die auf die Wiederaufnahme eines diplomatischen Umgangs der USA mit Iran berechnet ist, scheitert am Fundamentalismus Trumps: Der gesteht Iran keine Berechnung zu, beantwortet vielmehr Irans gewaltsame Gegenwehr mit dem demonstrativen Festhalten an seiner Linie.

Zum einen beweist Trump auch und gerade da, wo Iran in der Region militärische Stellvertreterkämpfe anzettelt, dass die ökonomische Sanktionswaffe dagegen überhaupt nicht unwirksam ist: Die militanten Verbündeten Irans bleiben vom amerikanischen Sanktionsregime ja nicht verschont, sondern werden ihrerseits zu dessen Opfern – Hamas im Gazastreifen, Hisbollah im Libanon, schiitische Parteien im Irak kämpfen dort inzwischen jeweils längst mehr um den Erhalt ihrer eigenen Machtpositionen, als dass sie diese im Sinne Irans offensiv ausspielen könnten, weil die Loyalität ihrer Anhänger bzw. ihres Fußvolks in dem Maße schwindet, wie die vor allem aus iranischen Quellen finanzierte materielle Pflege von ein paar Lebensgrundlagen zusammenbricht.

Zum anderen beißt sich Iran daran die Zähne aus, dass sich das stable genius an Amerikas Spitze bei jedem Einzelfall iranischer Gewalt in der Umgebung fragt, ob, und in aller Regel dementiert, dass damit für Amerika irgendetwas Wesentliches durcheinander, geschweige denn in Gefahr gebracht wäre. Wo Iran mit seinen Aktionen der Unruhestiftung vermittelt über die Beschädigung amerikanischer Verbündeter Amerika selbst belästigen will, da ist die Weltmacht gemäß dem Urteil ihres Präsidenten regelmäßig und ostentativ nicht betroffen: Den Israelis lässt Trump alle Freiheit im Umgang mit der Hamas; dass sich Iran nach dem Geschmack Israels in Syrien viel zu nah an die israelische Grenze bewegt hat, geht ihn nichts an – die Definition Syriens als Hauptkriegsschauplatz gegen Iran, den Amerika mit eigener Präsenz dominieren müsste, hat er ausdrücklich zurückgewiesen. [7] Dass Iran sich im Irak mit der Einmischung ins innerirakische Gemetzel und vor allem bei der Zurückdrängung des IS verkämpft und ausblutet, ist ihm recht – wo die iranischen bzw. mit Iran verbündeten irakischen Kräfte stören, werden sie bekämpft.

Die unschöne Zwischenbilanz für Iran lautet, dass Trump sich weder zur Wahl des Schlachtfeldes noch der Waffen, geschweige denn zur Anerkennung dieser minderwertigen Macht als weltpolitisches Gegenüber nötigen lässt, mit dem über irgendetwas anderes als den Vollzug seiner Kapitulation zu verhandeln wäre.

8.

Diese Linie, sich auf Basis des national organisierten materiellen Überlebens als Störfaktor geltend zu machen, um Berücksichtigung zu erzwingen, verfolgt Iran nicht nur gegenüber Amerika, sondern auch gegenüber den Europäern, weil – siehe oben – der Versuch, sie an ihren positiven Interessen an einer ökonomischen Zusammenarbeit mit Iran zu packen, am Sanktionsregime der USA gescheitert ist.

Iranisches Hauptkampffeld dafür ist wiederum das Atomprogramm. In der Sicherheit, dass den Europäern seine nukleare Autonomie definitiv nicht passt, treibt Iran dieses Programm nicht nur wieder planmäßig voran, sondern bietet den E3 – Großbritannien, Frankreich, Deutschland – an, darauf zu verzichten, wenn sie ihm nur endlich wirksame Überlebenshilfe bieten – sei es in der Form ernsthafter Vermittlungstätigkeit gegenüber den USA, sei es in Form von praktisch relevanten Ersatzvornahmen für die von Amerika bestrittene Beteiligung am Weltmarkt. Zu diesem Zweck kündigen Irans Atomstrategen jeden einzelnen Schritt der Wiederaufnahme als ihr gutes Recht an und sagen zugleich immer dazu, unter welchen Umständen sie sich zur Stornierung bzw. Rücknahme bewegen ließen. Sie begleiten das alles auf moralischer Ebene mit Appellen an das imperialistische Ehrgefühl der liebenswerten europäischen Mächte – Es ist ein Desaster für die Europäer, dass sie sich den USA so unterordnen. Jeder, der sich mit Unilateralismus abfindet, unterstützt ihn.[8] Auf der Ebene der wirklichen imperialistischen Kalkulationen ist das diplomatische Großsprechertum – Die Europäer können nicht gegenüber Trump einknicken und dann gegenüber Iran den dicken Mann markieren wollen. (ders.) – freilich deutlich bescheidener: Es besteht letztlich in dem Appell, seine Bereitschaft zu weitgehenden Zugeständnissen ihnen gegenüber endlich so ernst zu nehmen, dass sie mit ihrer Insubordination gegenüber den USA endlich Ernst machen. Aber genau das riskieren die eben nicht und sorgen so dafür, dass Iran auch mit seinen atomaren Frechheiten ihnen gegenüber weiter an Amerikas Unnachgiebigkeit scheitert.

Für wie viel über das Atomprogramm hinausgehende unmittelbar gewaltsame Eskalation diese widersprüchliche Politik des mit Störungen der europäischen Interessen untermauerten Drängens auf eine wirksame antiamerikanische Zusammenarbeit gut ist, beweist Iran im Sommer 2019: Auf die Festsetzung eines iranischen Öltankers im Mittelmeer durch die britische Marine antwortet Iran mit der Kaperung eines britischen Tankers vor seiner Küste im Persischen Golf. Was Iran mit dieser Aktion vorführt, ist sein Potenzial, diese Haupttransportroute des Öls für den Weltkapitalismus empfindlich zu stören, und seine Bereitschaft, sich dafür auch mit einer anspruchsvollen Seemacht wie Großbritannien anzulegen. Großbritannien und alle anderen sollen zur Kenntnis nehmen, dass Iran sich nicht von seinem ökonomischen Hauptlebensquell Ölhandel ausschließen lässt und gleichzeitig passiv dabei zuschaut, wie dieser Handel unter Ausschluss Irans vor seiner Haustür ungestört weiterläuft. Die von allen auf Geheiß Amerikas praktizierte Ignoranz gegenüber Irans Überlebensnöten und Ansprüchen auf Berücksichtigung soll sich keiner leisten können.

Zwar erreicht Iran mit seiner Aktion so viel: Großbritannien lässt sich zu einem Tauschgeschäft Tanker gegen Tanker herbei. Aber darum ist es Iran überhaupt nicht bzw. nur am Rande gegangen, vielmehr darum, die Briten, die Europäer insgesamt und auf der Basis dann perspektivisch eben auch die Amerikaner zu einem generell anderen Umgang mit ihm zu nötigen. Und wieder bleibt Iran die Einsicht nicht erspart, dass es mit seiner begrenzten Gewaltaktion gegen die europäische Macht Großbritannien – wie mit allen anderen in dieselbe Richtung zielenden Aktionen – letztlich an der Mischung aus Unnachgiebigkeit und überlegener Lässigkeit Amerikas scheitert: Das Anliegen, die Freiheit der Meere als westlichen Kollektivanspruch durchzusetzen, verfolgt Amerika unter Trump nicht mehr. Einen Gewaltakt, eine irgendwie relevante Eskalation gegen sich, die die Weltmacht zu einer Antwort auf gleicher Ebene oder gar zu einem Eingehen auf irgendeine Forderung Irans, und sei es nur die nach ein bisschen wechselseitiger Deeskalation, nötigen könnte, will ihr Führer in der Tankeraffäre partout nicht erkennen.

9.

Mit einem kurzen militärischen samt begleitendem diplomatischen Schlagabtausch, den die Weltmacht sich zum Jahreswechsel mit Iran liefert, bestätigt die Trump-Regierung das von ihr konsequent verfolgte Prinzip des asymmetrischen (Nicht-)Kriegs.

Im Irak kommt es Ende 2019 zu Unruhen, die sich nicht zuletzt auch gegen die Mitbestimmungsansprüche Irans bei der Verwaltung und Bewirtschaftung des irakischen Kriegs-, Ölwirtschafts- und Elendsgeschehens richten. Das wird von den USA heftig begrüßt – manche wollen wissen: auch praktisch ermuntert und gefördert. Die Unterdrückung der Proteste durch iranfreundliche Milizen heizt den Streit weiter an, wer inwiefern und gegen wen das Sagen im Irak hat, in dem sich zugleich ein paar Tausend amerikanische Soldaten tummeln, die für ein ganzes Spektrum an Aufgaben eingesetzt werden oder bereitstehen. Sie kontrollieren die Bewegungen Irans in Richtung Syrien und Libanon, stehen für die Bekämpfung des IS im Irak ebenso zur Verfügung wie zur gelegentlichen Eindämmung des Bewegungsspielraums der diversen proiranischen Milizen und bilden darüber hinaus ein bei Bedarf einsetzbares und demonstratives Dauerdrohpotenzial gegenüber der unzuverlässigen irakischen Armee. Auf diese Unterstützung der antiiranischen Kräfte im Irak antwortet Iran mit wortgewaltigen Drohungen, dass es mit der Lässigkeit und Sicherheit der US-Präsenz inmitten des irakischen Gewaltgeschehens vorbei sein werde, wenn Amerika von seiner Abschnürungspolitik nicht ablässt und sich sogar noch daran machen sollte, Iran sein irakisches Vorfeld zu rauben. Prompt gibt es ein paar Angriffe auf amerikanisches Militär durch irakische Milizen. Die definiert der amerikanische Oberbefehlshaber als iranische Kriegsaktion und Überschreitung der damit ad hoc gezogenen Linie, die in der Unversehrtheit besteht, die er für amerikanische Truppen mitten im ihn ansonsten nicht weiter interessierenden irakischen Dauerkriegsgeschehen beansprucht. Was die USA dem an Reaktion folgen lassen, ist militärisch beeindruckend und politisch wieder einmal friedensnobelpreiswürdig:

Mitten im von Iran als befreundetes Ausland definierten Irak, auf dem Gelände des internationalen Flughafens von Bagdad, zieht das US-Militär den militärischen Chefplaner und -aufseher der Auslandseinsätze der iranischen Revolutionsgarden und dessen wichtigsten irakischen Ansprechpartner per Lenkwaffen aus dem Verkehr. So bekommt Iran vorgeführt, dass seine militärische Präsenz im Irak schlicht und vollständig davon lebt, dass die USA sie noch nicht beendet haben. Indem sie kurzerhand, völlig lässig und ohne jeden Anflug von Geheimhaltung die militärische Führungs- und moralische Symbolfigur des militärischen Gegenhaltens Irans in der Region liquidieren, demonstrieren sie praktisch, dass Iran zu dem Krieg nicht fähig ist, den er als Drohung bloß inszeniert und den Amerika darum weder führen muss noch will. Und dann erzählt Trump noch einmal ausdrücklich, wie diese ferngelenkte Botschaft gemeint war: Der praktisch vorgeführten Unschlagbarkeit und Unerreichbarkeit amerikanischer Gewaltpotenzen schiebt Trump den Hinweis nach, dass unter seiner Führung mit 2,5 Billionen Dollar die stärkste Streitmacht der Welt stärker denn je geworden ist, also ein Kräftemessen mit einem Nicht-Gegner wie Iran überflüssig:

„Dass wir über dieses großartige Militär und Gerät verfügen, heißt allerdings nicht, dass wir es auch einsetzen müssen. Wir wollen es nicht einsetzen. Amerikanische Stärke, militärische wie wirtschaftliche, ist die beste Abschreckung.“

Seine innenpolitischen Gegner und dauerentsetzten europäischen ‚Partner‘ mögen warnen, dieser personelle Enthauptungsschlag könne eine unkontrollierbare Eskalation heraufbeschwören und jede potenzielle Verhandlungsbereitschaft Irans zerstören; die antiiranischen ‚Falken‘ mögen gehofft haben, dass er endlich, endlich den Krieg anzettelt, den Iran schon lange verdient – Trump versteht die Aktion als Erledigung jeder kriegerischen Eskalation. Er beharrt darauf, dass überhaupt nur Amerika zu solchen Eskalationen fähig und er darum dazu nicht willens ist. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass diese Einsicht das einzige darstellt, was für ihn als befassenswerte Verhandlungsposition Irans überhaupt infrage kommt. In diesem Sinne ist er sicher, den Iranern eine auch für sie nützliche Lektion erteilt zu haben, weshalb er den antiamerikanisch eifernden Mullahs empfiehlt, doch lieber Amerika bei der Bekämpfung des IS im Irak zu helfen, denn siehe: Der IS ist der natürliche Feind Irans.

10.

Iran bleibt seinerseits prinzipienfest und startet die nächste Runde gewalttätiger Verständigungsanträge: Auf die Tötung Solaimanis reagiert Iran mit einer gigantischen Inszenierung nationaler Kampf- und Opferbereitschaft. Sodann mit einem begrenzten Militärschlag auf eine amerikanische Militärbasis. Ob es den wirklich vermittelt über seine irakischen Verbindungen den Amerikanern zwecks Opfervermeidung angekündigt hat, ist egal, denn die Beteuerungen hinsichtlich des unverrückbar konzessiven Charakters aller iranischen Gewaltandrohung und -anwendung liefern die iranischen Diplomaten nach, z.B. so:

„Der Schlag gegen die Militärbasis im Irak, von der aus der US-Angriff geführt worden war, war die formelle militärische Antwort Irans. Der Raketenangriff sollte niemanden töten, wir haben unser Recht auf Selbstverteidigung ausgeübt... Die Ermordung Solaimanis ist der Anfang vom Ende der US-Präsenz im Irak und wahrscheinlich anderswo auch in der Region. Das wird nicht morgen sein, aber wir haben eine jahrtausendealte Geschichte, wir haben es nicht eilig... Wir haben mitgeteilt, dass die Aktion beendet ist und wir nichts unternehmen, wenn sie nichts unternehmen... Für uns ist es egal, wer im Weißen Haus sitzt. Wichtig ist, wie man sich verhält. Trumps Regierung kann ihr Verhalten korrigieren, die Sanktionen aufheben und an den Verhandlungstisch zurückkehren. Wir sitzen da noch, sie sind gegangen. Die USA haben dem iranischen Volk großen Schmerz zugefügt. Der Tag wird kommen, an dem sie das kompensieren müssen. Wir haben Geduld.“ (Zarif im Spiegel-Interview)

Mit all seiner Geduld und Leidensfähigkeit, für die er sein Volk so selbstverständlich wie für ordentliche Politiker üblich mitverhaftet, bringt der iranische Außenminister den im Weißen Haus regierenden Verfechter des sanktionsbewehrten Pazifismus aber nicht dazu, gegenüber dem iranischen Verhandlungsansinnen schwach zu werden: Dem iranischen Gegenschlag auf Solaimanis Hinrichtung spricht Trump kurzerhand jede ernst gemeinte Ambition ab, gratuliert den Teheranern sogar zu ihrer Besonnenheit und bescheidet ansonsten jeden Irrtum des iranischen Außenministers über das einzig in Frage kommende Verhältnis von Sanktion und Diplomatie mit einer umfassenden und abschließenden Klarstellung per Twitter: Iranian Foreign Minister says Iran wants to negotiate with The United States, but [sic!!] wants sanctions removed. No Thanks!

[1] Joint Comprehensive Plan of Action (Gemeinsamer umfassender Aktionsplan). Dazu: Anmerkungen zur Kündigung des Atomabkommens mit Iran durch D. Trump in GegenStandpunkt 2-18

[2] Auch die iranische Opposition innerhalb und außerhalb Irans darf sich, wie alle anderen interessierten Akteure, daran gewöhnen, dass Trumps Wille, Iran zur Kapitulation zu nötigen, kein irgendwie berechenbares Mittel für sie ist: So stehen offizielle Auftritte mit Vertretern der militanten mujahedin-e khalq, z.B. durch den Trump-Freund Rudy Giuliani, neben der im Januar d. J. kurz nach der Tötung des iranischen Generalmajors Solaimani ergangenen Anweisung Pompeos an seine Diplomaten, es mit offiziellen Kontakten zur iranischen Opposition nicht zu übertreiben. Die Begründung Pompeos: Direct U.S. government engagement with these groups could prove counterproductive to our policy goal of seeking a comprehensive deal with the Iranian regime that addresses its destabilizing behavior.

[3] Die amerikanischen Sanktionen treffen Irans Petrowirtschaft mit der vorhersehbaren Wucht: Der Export von Rohöl und -gas bricht um ca. 80 % ein; die nach Abschluss des JCPOA vor allem mit europäischen Firmen vereinbarten bzw. geplanten Investitionen in die Up- und Downstream-Abteilungen der Öl- und Gaswirtschaft unterbleiben und mit ihnen die dringend benötigte Unterhaltung, Erneuerung und Erweiterung von Förder- und Verarbeitungsanlagen, ebenso und erst recht die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder. Nach kurzer Zeit leidet unter diesem Absatzeinbruch des Hauptexportartikels der Rest der iranischen Ökonomie.

[4] Dafür trifft es sich auch ganz gut, dass im Februar d. J. turnusmäßig Parlamentswahlen auf dem Plan stehen. Die werden auch angesichts des von Mangelökonomie, Hyperinflation und gewalttätigen Armutsprotesten geprägten nationalen Ausnahmezustands nicht abgesagt, sondern nach innen und außen als Demonstration des nationalen Widerstandswillens inszeniert. Diesen islamisch-republikanischen Beweis, dass sie sich in ihrer antiamerikanischen Entschlossenheit mit dem Volk einig und in ihm verankert ist, ist sich die iranische Führung einfach schuldig.

[5] Iran zieht seine Truppen aus Syrien ab... Sie ziehen ihre Leute auch aus dem Jemen ab.

[6] Schon Anfang 2019 verkündet Trump: Iran ist inzwischen nicht mehr dasselbe Land... Iran will inzwischen nur noch überleben.

[7] Den Auftritt Irans in Syrien hat Trump mit seinem berühmten Kommentar Offen gesagt, könnten die Iraner dort machen, was sie wollen einfach als nicht befassenswert abgetan.

[8] Außenminister Zarif in einem Interview mit dem Spiegel