„America first!“ in Aktion – und die ersten Wirkungen (III)
Eine interessante Tagesordnung für den G20-Gipfel anno 2017
Europa ringt um seine Antworten auf Trumps Amerika
Am Ende derselben Woche, in der Trump den Ausstieg der USA aus ‚Paris‘ bekannt gibt, und wenige Stunden nach seinem Besuch in Warschau steht turnusgemäß der G20-Gipfel auf der Tagesordnung, diesmal ausgerichtet von der Bundesrepublik Deutschland in Hamburg. Alle einschlägig Interessierten warten angespannt darauf, ob und wie sich „America first!“ mit dem „Format G20“ vereinbaren lässt.
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Korrigendum
In der Druckausgabe, S. 66 steht ein fehlerhafter Satz. Der Satz lautet richtig:
Vielmehr bilanziert er den Umstand, dass die USA – mit dem Geld, das sie dieser Weltökonomie als ihren Stoff gestiftet, mit dem Kredit, mit dem sie amerikanisches und weltweites Wachstum finanziert, und mit der Gewalt, die sie ihr geliehen haben – für den Aufstieg von Konkurrenten gesorgt haben, die ihnen neben den ihnen rechtmäßig zustehenden Gewinnen aus dem Welthandel schon seit geraumer Zeit diesen ihren Sonderstatus selbst streitig machen.
„America first!“ in Aktion – und die
ersten Wirkungen (III)
Eine interessante Tagesordnung für
den G20-Gipfel anno 2017
Europa ringt um seine Antworten auf
Trumps Amerika
1. Kein Gipfel wie jeder andere
Am Ende derselben Woche, in der Trump den Ausstieg der USA aus ‚Paris‘ bekannt gibt, und wenige Stunden nach seinem Besuch in Warschau steht turnusgemäß der G20-Gipfel auf der Tagesordnung, diesmal ausgerichtet von der Bundesrepublik Deutschland. Alle einschlägig Interessierten warten angespannt darauf, ob und wie sich „America first!“ mit dem „Format G20“ vereinbaren lässt.
Denn Gipfel-Veranstaltungen wie die der „Gruppe der 20“
stellen ein diplomatisches Forum dar, auf dem sich die
Hauptzuständigen für die Konkurrenz auf dem Weltmarkt
und die gewaltträchtigen Ordnungsaffären auf dem
Globus zusammenfinden, um der Weltöffentlichkeit,
und mehr noch sich untereinander, zu verstehen zu geben,
wie der aktuelle Stand ihrer allfälligen Konkurrenzkämpfe
aussieht. Und das hat, als Hauptbotschaft von bisherigen
G20-Gipfeln, bis dato immer die wechselseitige
Versicherung eingeschlossen, dass ihre
Gegensätze als Konkurrenten nicht an
ihre Einigkeit in Grundfragen der
Konkurrenzordnung heranreichen – und zwar nicht
zuletzt weil sich ihre Konkurrenzkämpfe schon
längst nicht mehr nur um die Erträge, sondern immer mehr
auch um die Regeln dieser Konkurrenz drehen, insofern
also durchaus Grundfragen der Konkurrenzordnung
betreffen. Vor diesem Hintergrund haben sie sich
wechselseitig beteuert, dass sie die regelbasierte
Geschäftsordnung für den globalen Kapitalismus und für
das kontrollierte Austragen der immerzu fälligen
Konflikte nicht anzutasten gedenken, sondern ihren Erfolg
weiterhin auf Basis dieser Errungenschaften des modernen
Imperialismus suchen wollen. Dass dieser Erfolg, der sie
zur Teilhabe am G20-Klub qualifiziert, gleichbedeutend
mit der Wahrnehmung ihrer Verantwortung
für Wohl
und Wehe der ganzen Menschheit ist, ist jedem der
Teilnehmer selbstverständlich.[1]
Genau diese Versicherung wechselseitigen
Einverständnisses hinsichtlich der gewohnten
regelbasierten Weltordnung
stand diesmal in Frage.
Seit Trumps Auftritt auf dem G7-Gipfel im Frühjahr, der
klargestellt hatte, dass der neue US-Chef die
Ankündigungen aus seinem Wahlkampf keineswegs auf ein den
‚Sachzwängen‘ modernen Regierens angepasstes Niveau
herabzustufen gewillt war, lief unter den Maßgeblichen
der G20 und ihrer sachverständigen Öffentlichkeit die
Befürchtung um, dass die auf die Repräsentation von
Gemeinsamkeiten ausgerichtete Veranstaltung G20 im Jahr
2017 eventuell gar nicht erst würde stattfinden können.
Und wenn doch, dass dann womöglich gar kein
Schluss-Kommuniqué zustande käme – was für einen
G20-Gipfel, eine diplomatische Veranstaltung, die die
wechselseitige Versicherung einer Art supranationalen
Einvernehmens der mächtigsten kapitalistischen Nationen
zur Zwecksetzung hat, ein desaströses Ende bedeutet
hätte.
Der Gipfel fand dann doch statt. Ein Kommuniqué wurde
auch verabschiedet. Und so viel hatte er mit den Gipfeln
vor ihm immerhin gemein: Auch er war Dokument und Moment
des Stands der Konkurrenz zwischen den beteiligten
Nationen. Was entsprechend den politischen Standpunkten,
die in Hamburg aufeinandertrafen, alles andere als
‚business as usual‘ hieß, sondern darauf
hinauslief, dass der Hamburger Gipfel zur Bühne dafür
wurde, wie die USA unter Trump die Welt mit ihrer neuen
Leitlinie America first!
konfrontieren – und die
Europäer und der Rest der wirklich wichtigen Nationen
sich zu diesem Kurs stellen.
Schon im Vorfeld des G20-Gipfels setzten die Akteure
passende Signale
dafür in die Welt, vor allem
bezogen auf die von beiden Seiten für entscheidend
erachteten Felder der Handels- und Klimapolitik.
Der Präsident der Weltmacht USA trat hier gerne in
Vorleistung: Er ist nicht für Menschheits- und
Klimarettung zuständig und auch nicht für ein Dogma
namens ‚Globalisierung‘, sondern für den einseitigen
Vorteil der USA aus dem Weltgeschäft, auch und gerade
wenn dieser Vorteil zu Lasten der Konkurrenten Amerikas
geht. Trumps Wende weg von der Energiewende
, die
der Klimavertrag ins Recht gesetzt hatte, praktiziert und
demonstriert das passenderweise am strategisch wichtigen
Weltenergiegeschäft. Im selben Zug präsentiert er seine
Linie zudem noch als ein Angebot an die Staatsräson
bestimmter europäischer Nationen, die unter ihrer
Unterordnung unter die Führungsmächte der von ihm als
unfaires, anti-amerikanisches deutsches Hegemonialprojekt
beschimpften EU leiden; er macht keinen Hehl aus seinem
Anliegen, diese Führungsmächte in ihrer Eigenschaft als
Konkurrenten der USA zu schwächen: Demonstrativ stärkt er
bei seinem Polen-Besuch dem Kaczyński-Polen und überhaupt
den in einer – von ihm gelobten und so diplomatisch
aufgewerteten – „Drei-Meere-Initiative“ versammelten
ostmitteleuropäischen EU-Staaten und ihren Vorbehalten
gegen ‚Brüssel‘ bzw. ‚Berlin‘ den Rücken.
Die Europäer antworteten in Bezug auf Trumps Absage an die bisherigen Usancen des Welthandels, indem sie ihrerseits demonstrativ unmittelbar vor dem Gipfel ihre Absicht als bereits vollzogen melden, als EU ein Freihandelsabkommen mit Japan zu schließen, auch wenn wichtige und strittige Themen dieses Abkommens noch längst nicht abschließend einvernehmlich geregelt sind. Und auch in Bezug auf die große Menschheitsfrage ‚Klima‘ waren sie um Antworten auf Trumps neue energiepolitische Linie vor und auf dem Gipfel nicht verlegen. Insgesamt wollten sie ihre Positionen und die angekündigten Maßnahmen als Mittel der Rettung und Bewahrung der bewährten, in kollektiver Verantwortung betreuten Weltordnung, ihrer Regeln und des letztlich gemeinsamen Nutzens aus deren Geltung verstanden haben. Die Wahrheit über ihren Kampf gegen Trump an der Handels- und an der Klima-Front ist das allerdings nicht.
2. „Freihandel“ versus „Protektionismus“
Das wird schon daran deutlich, dass Nutzen und ‚Botschaft‘ des EU-Japan-Deals alles andere als eindeutig sind.
Einerseits wird dieses Abkommen als kompensatorische Initiative präsentiert, die der von Trumps Austritt aus dem Freihandelsabkommen mit asiatischen und pazifischen Staaten (TPP) betroffenen japanischen Außenhandelsnation neue Geschäftsmöglichkeiten im Verkehr mit Europa und den europäischen Standorten mehr Geschäft mit der großen japanischen Volkswirtschaft ermöglichen soll. Die einander eingeräumten Freiheiten sollen die befürchteten Einbußen durch Trumps Handelspolitik kompensieren, den so zu neuen grenzüberschreitenden Geschäften freigesetzten Unternehmen vermehrte Gewinne und dadurch auch Vorteile gegenüber ihren Konkurrenten im Rest der Welt und namentlich in Amerika verschaffen. Insofern folgen die Europäer und Japaner hier ganz ihrem Vorwurf an die Trump-Regierung, sie versuche mit ‚Protektionismus‘ ihren Unternehmen und ihrem Standort die freie Konkurrenz mit den überlegenen Wettbewerbern aus Europa und Japan zu ersparen. Andererseits sollen dieses Abkommen und sein unmittelbar vor dem G20-Gipfel verkündeter Abschluss so verstanden werden, dass damit – schon wegen der schieren Größe des auf diese Weise entstehenden Wirtschaftsraumes – die USA nicht nur dazu gedrängt werden sollen, sich positiv auf dieses Freihandelsabkommen zu beziehen, sondern zugleich generell von ihrer neuen Linie Abstand zu nehmen und sich wieder der Prinzipien einer kollektiv verwalteten und institutionell verankerten, immer weiter gehenden Globalisierung zu befleißigen.
Diese ausdrückliche Doppeldeutigkeit der euro-asiatischen Handelsdiplomatie verrät, dass diese Nationen in Trumps Politik etwas anderes vor sich haben als eine Aufwallung von Protektionismus, und dass wiederum ihre Politik, namentlich die der Europäer, objektiv auf etwas anderes zielt als die Bewahrung bzw. Erneuerung der alten auf „Freihandel“ ausgelegten Weltwirtschaftsordnung.
Wenn sie sich mit dem EU-Japan-Freihandelsabkommen sowohl Kompensation und Vorteile gegenüber den USA verschaffen als auch ebendiese Nation gar nicht einfach isolieren, sondern zur Korrektur ihrer Linie drängen wollen, dann geben sie schon damit zu Protokoll, dass die Trump-Linie sich nicht in einem neuen amerikanischen Anlauf erschöpft, verlorengegangene ökonomische Konkurrenzüberlegenheit wiederzuerlangen, der ihnen nicht passt. Tatsächlich besteht die neue amerikanische Weltwirtschaftspolitik wesentlich in dem Übergang, den der Führer der USA von der Diagnose lauter nationalökonomischer Schadensfälle und Konkurrenzniederlagen, die sich für ihn im Verlust von ‚jobs, jobs, jobs‘ zusammenfassen, zur Absage an das ganze Prinzip gemacht hat, nach dem die internationale Standortkonkurrenz organisiert ist. Und zu dieser Absage gehört wiederum ganz wesentlich, dass Trump sich vehement auf den Standpunkt stellt und mit diesem die Welt konfrontiert, dass die USA etwas entschieden anderes sind als bloß der stärkste Konkurrent im Kampf um die weltweite Bereicherung der Nationen aneinander. Auf seine patriotisch-kämpferische Weise macht Trump die objektive Sonderrolle der USA geltend: Sie sind die Macht, die der Unterwerfung aller Nationen unter die Geschäftskalkulationen und -praktiken der internationalen Unternehmerschaft und ihrer finanzkapitalistischen Speerspitzen erst den Charakter von Sachzwang, allen Regeln dafür, die die konkurrierenden Souveräne zwischen sich gelten lassen, den Charakter eines supranationalen Rechts und damit dem ‚Freihandel‘ überhaupt den Charakter einer scheinbar selbstverständlichen Vernunft verleiht, an der gemessen korrigierende Eingriffe sich heutzutage überhaupt erst als „Protektionismus“ disqualifizieren. Trump besteht auf der in ihrer absoluten Überlegenheit über jeden anderen Staat gründenden Freiheit der USA, ihre nationalen Vorteilsrechnungen zum einseitigen und einzigen Regime für die ökonomische Konkurrenz der Nationen zu machen. Und in der polemischen Stoßrichtung, mit der er diese Freiheit namens seines Volkes wahrnimmt und in Form von Vertragskündigungen, Strafen und Strafandrohungen usw. praktiziert, fasst er nicht nur die Niederlagen in der Konkurrenz um Handels- und Investitionsbilanzen zusammen: Vielmehr bilanziert er den Umstand, dass die USA – mit dem Geld, das sie dieser Weltökonomie als ihren Stoff gestiftet, mit dem Kredit, mit dem sie amerikanisches und weltweites Wachstum finanziert, und mit der Gewalt, die sie ihr geliehen haben – für den Aufstieg von Konkurrenten gesorgt haben, die ihnen neben den ihnen rechtmäßig zustehenden Gewinnen aus dem Welthandel schon seit geraumer Zeit diesen ihren Sonderstatus selbst streitig machen.
Das also ist für die Europäer und handgezählte andere Aufsteiger die Lage: Amerika stellt ihnen nicht nur in Aussicht, dass sich demnächst wohl deutlich weniger, auf jeden Fall weniger leicht am amerikanischen Standort seitens auswärtiger Unternehmen und zugunsten auswärtiger Nationalbilanzen verdienen lässt; es kündigt unter Trumps Führung darüber hinaus die Basis der europäischen, insbesondere deutschen Erfolge bei der Akkumulation nationalen Reichtums und nationaler Wucht. Der Reiz der verlogen-verniedlichend so genannten „regelbasierten Weltordnung“ hat für Deutschland und Partner, weniger verniedlichend ausgedrückt, darin bestanden, die mit amerikanischer Gewalt alternativlos ‚geöffneten‘, i.e. auf einigen Verzicht an Souveränität festgelegten Staaten der Welt den überlegenen Kapitalen, neben den amerikanischen immer mehr auch den deutsch-europäischen, als Quelle der privaten und damit ihrer nationalen Bereicherung zu erschließen. Sie sind zudem von Amerika als Partner bei der gewaltsamen Beaufsichtigung der auf Kapitalismus getrimmten Welt für nützlich und unverzichtbar wertgeschätzt worden. Und sie haben ihre ökonomischen Erfolge und ihre von Amerika konzedierte Teilhabe an der Weltaufsicht im Laufe der Zeit immer massiver für das Unterfangen genutzt, sich von der Führung der USA zu emanzipieren, d.h. deren Monopolstellung in Sachen Weltgeld und Weltgeltung in allen Fragen der Regelung und Betreuung von Gegensätzen zwischen den Nationen anzugreifen.
So wenig also diese „regelbasierte Weltordnung“ ein ‚Zustand‘ von ‚Ordnung‘ in dem Sinne war, so wenig konservativ sind die politischen Rettungsversuche, zu denen sich die Europäer nun durch Trumps Absage daran aufgestachelt sehen.
Auch ihre Position ist eine Bilanz über die schöne Welt der kollektiven Ordnung des Freihandels – objektiv, natürlich, dieselbe wie die Trumps, allerdings mit einer der seinigen komplett entgegengesetzten Lesart und Stoßrichtung: Wo Trump seine Schadensdiagnosen zum Ausgangspunkt für eine Absage an eine von Amerika garantierte Ordnung macht, unter der Amerika zum eigenen Schaden so gleichrangig konkurrieren muss, wie es seine Konkurrenten dürfen, da bestreiten die Europäer nicht die Schäden für Amerika und den eigenen Nutzen, sondern da erklären sie Trumps durchgehend negative Bilanz schlicht für unerheblich. Einerseits in Form nicht sehr entschiedener Beschwörungen des Nutzens, den überhaupt und auf lange Sicht doch auch Amerika von der Weltwirtschaftsordnung habe, die Trump nun angreift – siehe das Gerede um die Vorbildfunktion des EU-Japan-Abkommens. Andererseits aber und vor allem mit Verweis auf die Schäden, die Amerika ins Haus stünden, wenn Trump seine Politik tatsächlich durchfechten und damit absehbarerweise seine Nation in der Welt „isolieren“ würde. Wenn sie so mit der negativen Betroffenheit der USA vom Trump’schen „Protektionismus“ winken, dann reiten sie auf ihre Weise auf dem Widerspruch herum, den Trump gerade mit aller Überlegenheit auflösen will: Sie geben ihm Recht in seiner Klage, dass diese Weltwirtschaftsordnung schon längst nicht mehr zum alleinigen oder wenigstens eindeutigen Nutzen der USA funktioniert, aber sie bestehen darauf, dass die USA davon nicht abhängig machen dürfen, ob sie dieser Weltwirtschaft ihre überlegene Ordnungsgewalt leihen oder nicht. Was die europäischen Mächte mit Merkel als Anführerin mit ihrer Politik der Rettung des Westens und seiner Regeln für die Welt den USA abzutrotzen versuchen, ist das Eingeständnis, dass sich die amerikanisch gestiftete und jahrzehntelang garantierte Weltordnung von ihrem Stifter und Garanten schon längst verselbständigt hat und auch die USA mit all ihrer – von den Europäern nicht bestrittenen, sondern ausdrücklich in Rechnung gestellten – Überlegenheit vom Funktionieren der Ordnung im selben Maße abhängig sind wie ihre Konkurrenten. Daraus hat nach der Logik der Europäer zu folgen, dass die USA dieser Weltordnung, also ihren europäischen Nutznießern den Dienst schulden, der Weltwirtschaft und ihrer Ordnung ihre ganze überlegene Gewalt – und sich als Standort sowieso – zur Verfügung zu stellen. Die atlantischen – und, sofern sie sich dazu bereit finden, asiatischen – Konkurrenten der USA trauen sich zu, von den USA die Anerkennung dafür zu bekommen, dass die einst als Juniorpartner auserkorenen Konkurrenten es zum Status von Mitgestaltern der Weltordnung gebracht haben, die der amerikanischen Macht gegenüber die supranationale Verbindlichkeit dieser Ordnung wirksam verkörpern und vertreten. Freilich: Dazu sehen sie sich auch genötigt, weil die imperialistische Verfassung des Globus, von der sie so überragend profitiert haben, also ihr gesamter Status als Mächte, die es mit den USA ökonomisch und politisch aufnehmen können wollen, eben daran hängt, dass Amerika diese Verfassung will und seine Gewalt dahinterstellt. Ihren Widerspruch, die USA als Garantiemacht für die Weltwirtschaftsordnung zu beanspruchen, um sich daran immer weiter als Mächte, also auf Kosten der USA zu stärken, versuchen sie, den USA als deren Widerspruch aufzuhalsen: Die amerikanische Weltmacht soll sich jenseits aller und sogar gegen alle ökonomischen und politischen Schaden-Nutzen-Kalkulationen zur überkommenen, deutschland- bzw. europadienlichen Prämisse allen Kalkulierens bekennen, die damit also nicht mehr im Nutzen Amerikas und nicht in seiner Gewaltüberlegenheit, sondern in den Ansprüchen der Konkurrenten Amerikas auf die Ordnungsleistungen seiner Gewalt ihren wirklichen, letzten Gehalt haben soll.
Diesem Widerspruch entsprechend wenig eindeutig sieht aus, was europäischen Politikern für ihr Auftrumpfen gegen Amerika einfällt: Ein die USA ausschließendes Freihandelsabkommen mit allen Verweisen auf die globale Wirtschaftskraft, die dann in diesem Freihandelsraum versammelt, also monopolisiert sein soll, präsentieren sie als Auftakt zu einem Gipfel, auf dem sie zugleich ihren festen Willen demonstrieren, Amerika ‚wieder ins Boot zu holen‘; amerikanischen Ankündigungen von Strafmaßnahmen lassen sie ihre Ankündigungen von Gegenmaßnahmen gleichen Kalibers folgen, von denen sie zugleich betonen, dass sie sich strikt im Einklang mit allen gültigen, also auch von den USA anerkannten Regeln befinden; die Sanktionen der USA gegen Russland verurteilen sie als einseitig und erkennbar auf amerikanische Wirtschaftskonkurrenz gegen Europa und nicht auf gesamtwestlichen Durchsetzungserfolg gegen Russland gemünzt und beantragen zugleich Änderungen in der Sanktionsgesetzgebung, damit die ihre Konzerne und ihre Energiepolitik insgesamt ein bisschen verschont; dass sie vor der Perspektive eines umfassenden Handelskrieges warnen, begleitet ihre Verlautbarungen, sich von den USA nichts gefallen lassen zu wollen, was nicht rechtens ist; für das Abschluss-Kommuniqué bestehen sie auf ihrem von Trump abservierten Credo des Freihandels, der offenen Grenzen und des Kampfes gegen Protektionismus, und zugleich laden sie die US-Unterhändler zur Zustimmung dazu ein, indem sie ihre diesbezüglichen Formeln bewusst auch für abweichende bis entgegengesetzte Interpretationen offenhalten; usw. usf.[2]
Die sich in diesem scheinbar unentschlossenen Hin und Her abspielende Handelsdiplomatie verdankt sich also so ziemlich dem Gegenteil von Unentschlossenheit: vielmehr der Entschiedenheit, mit der die europäischen Mächte den Widerspruch praktizieren, der von ihnen benötigten überlegenen Macht Amerikas eine ihnen genehme und darin für Amerika selbst verbindliche Bestimmung verpassen zu wollen. Das ist die Sache, die sie in interessierter Verzerrung als Ansammlung von lediglich quantitativ abgestuften Problemen wahrnehmen, die sie dabei haben, einen Umgang mit der Macht zu finden, die als Konkurrent renitent und unhandlich wird und dabei in Wirklichkeit ihren übergeordneten Dienst als Garantiemacht der modernen imperialistischen Staatenkonkurrenz überhaupt versagt. Und darum ist ihre ‚Rettet-den-Westen!‘-Diplomatie nicht mehr und nicht weniger als ein solider Beitrag zu dessen weiterer Zersetzung, weil sie auf ihrer Amerika-widrigen Lesart von „Freier Westen“ bestehen.
3. Der Kampf der EU ums passende Klima für die Rettung des Klimas
Zu diplomatischen Höchstleistungen dieser Art haben sich
die betroffenen Mächte auch bezüglich der globalen
Klimapolitik genötigt und bereit gefunden. Bei diesem
Thema geben die G20-Macher den Stand ihres Ringens um
Kündigung oder Erhalt der überkommenen regelbasierten
Weltordnung
so zu Protokoll:
„Energie und Klima: Eine starke Wirtschaft und ein gesunder Planet verstärken sich gegenseitig. Wir erkennen die Möglichkeiten für Innovation, nachhaltiges Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Schaffung von Arbeitsplätzen an, die verstärkten Investitionen in nachhaltige Energiequellen, saubere Energietechnologien und saubere Infrastruktur innewohnt. ...
Wir nehmen die Entscheidung der Vereinigten Staaten von Amerika, sich aus dem Pariser Abkommen zurückzuziehen, zur Kenntnis. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben angekündigt, dass sie die Umsetzung ihrer gegenwärtigen national festgelegten Beiträge mit sofortiger Wirkung aussetzen werden, und bekräftigen ihr nachdrückliches Engagement für einen Ansatz, der Emissionen verringert und dabei das Wirtschaftswachstum unterstützt und die Energiesicherheit verbessert. Die Vereinigten Staaten von Amerika erklären, dass sie danach streben werden, eng mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten, um ihnen dabei zu helfen, auf fossile Brennstoffe zuzugreifen und sie sauberer und effizienter zu nutzen, und ihnen dabei zu helfen, erneuerbare und andere saubere Energiequellen einzusetzen, angesichts der Bedeutung, die dem Zugang zu Energie und der Energiesicherheit bei ihren national festgelegten Beiträgen zukommt.“ (a.a.O., S. 6)
Die mitfiebernde Öffentlichkeit geißelt solche
Formulierungen – die in diesem Fall mit den Floskeln der
Vereinbarkeit den prinzipiellen Dissens
der Gipfel-Partner ausdrücken – gerne als
Formelkompromisse
, mit denen die Zuständigen fürs
Schicksal der Welt je nach Geschmack ihre Verantwortung
für die Menschheitsrettung verraten oder sich vor der
anstehenden Austragung von Gegensätzen drücken. Die
Wahrheit ist weder das eine noch das andere, sondern
liegt wieder einmal weit außerhalb der Mitte. In diesen
Formulierungen, um die die „Sherpas“ nicht zufällig tage-
und nächtelang gerungen haben, wird der aktuelle Stand
von Vereinbarkeit ihrer Standpunkte kundgegeben, zu dem
es die G20-Macher derzeit überhaupt noch bringen.
Die US-Seite unterschreibt, dass Investitionen in
nachhaltige Energiequellen, saubere Energietechnologien
und saubere Infrastruktur
gar nicht unbedingt
schädlich für die Schaffung von Arbeitsplätzen
sind und sogar nützlich in Sachen gesunder Planet
.
Dass die USA hier von irgendetwas abgerückt seien, kann
niemand behaupten: Trump ist schließlich kein Feind
erneuerbarer Energien, schon gar nicht von Innovationen
und erst recht nicht von Investitionen in irgendetwas,
was sich lohnt. Und dass er gewinnträchtiges
Unternehmertum auch auf dem Feld der Energie für die
natürlichste Sache der Welt, also für einen einzigen
Segen für Mensch und Natur hält, den keiner so gut
spenden kann wie das in allem überlegene US-Kapital,
erzählt er pausenlos. Er ist bekanntermaßen lediglich
gegen das Gegenteil von freiem Investieren in profitable
Innovationen, nämlich gegen regulatorische Fesseln fürs
Wirtschaften mit allem, was sich lohnt. Der Wert der
amerikanischen Unterschrift unter dieses Dokument besteht
an diesem Punkt also ganz sicher nicht darin, den USA
irgendeine bestimmte sachliche Position abgerungen zu
haben; offensichtlich zielte das Bemühen derer, die sich
von europäischer und insbesondere deutscher Seite um das
Zustandekommen des Abschlussdokuments bemüht haben,
darauf, dass die Amerikaner überhaupt etwas
unterschreiben, was dann den Erfolg des Gipfels
dokumentiert. Umgekehrt klammern die restlichen G19 das
Klimaschutzabkommen bzw. dessen Kündigung seitens der USA
nicht aus, sondern nehmen diese zur Kenntnis
. Sie
erkennen also auffällig distanziert an,
sich der Tatsache stellen zu müssen, dass der Standpunkt
des erneuerten US-Energienationalismus ebenso wie die
damit verbundene Absicht, den Weltmarkt für Energie
mittels neuer ‚Deals‘ mit Staaten wie Polen amerikanisch
zu dominieren, das entscheidende neue Datum der
globalen Energiepolitik ist. Dies ergänzen sie freilich
im selben Satz um das Zugeständnis, dass sich Amerikas
neue energiepolitische Linie auch als nachdrückliches
Engagement
Amerikas für einen Ansatz, der
Emissionen verringert
verstehen lässt, ebenso wie die
Offensive der USA zugunsten fossiler Brennstoffe
als Hilfeleistung zu deren saubererer und
effizienterer
Nutzung. In solchen etwas absurd
anmutenden Kompromissformulierungen drückt sich das
Bemühen von Amerikas Konkurrenten aus, die Absage Trumps
an eine Ordnung fürs weltweite Konkurrieren um und mit
Energie, die damit verbundene Ansage eines einseitig und
rücksichtslos auf die USA ausgerichteten Programms der
Neueroberung und Neudefinition des Weltenergiemarktes mit
allem, was das potenziell an Beschädigung für die
energiepolitischen Ambitionen Deutschlands etc.
beinhaltet, dann doch wenigstens nicht als letztes Wort
stehen zu lassen. Das zeigt, wie tiefgreifend die
Verlegenheit dieser imperialistischen Mächte der zweiten
Reihe auch in dieser Frage beschaffen ist:
Damit ein Staat vom Kaliber Deutschlands mit ‚erneuerbaren Energiequellen‘ ein globales Geschäft aufziehen und sich damit und darüber hinaus als maßgeblich mitbestimmende Macht über (nicht nur) die Energie-Staatsräson größerer wie minderer Nationen etablieren kann, ist er darauf angewiesen, dass mächtige Mitmacher, vor allem die amerikanische Weltmacht dieses Vorhaben zu ihrer, und damit überhaupt erst zu einer weltweit durchsetzungsfähigen Sache machen. Wenn Trump stattdessen das Pariser Abkommen kündigt, dem Obama seinerzeit zum Durchbruch verholfen hatte, und eine Politik betreibt, die auf die Beschädigung energiepolitischer Ambitionen Deutschlands und anderer missliebiger, weil zu erfolgreicher Konkurrenten zielt, dann denkt er selbst wahrscheinlich wieder hauptsächlich an Jobs für Amerikaner. Tatsächlich entzieht er dem großen und industriekapitalistisch äußerst heiklen Umstieg in Sachen Energieversorgung, auf den Deutschland sich allein mit der Perspektive einer grundlegenden Revision des Weltenergiemarkts eingelassen hat, die unentbehrliche Grundlage. Ihren Abwehrkampf gegen Trumps Politik führen Deutschland & Co deswegen im Zeichen der Notwendigkeit, die Weltmacht trotz allem im Prinzip bei der Stange zu halten. Sie brauchen für ihre energiepolitisch-strategischen Ansprüche die Einigkeit mit der überlegenen amerikanischen Macht; sonst ist ihre energiepolitische Wende noch nicht einmal Stückwerk und so gut wie gescheitert, noch ehe sie richtig in Gang gekommen ist. Deswegen versucht der deutsche G20-Vorsitz alles, um mit verdrechselten Formelkompromissen, die Amerika nicht wehtun sollen, die vielmehr auch Trump ohne Abstriche von seiner Sache unterschreiben können soll, im Kampf um die Rettung von ‚Paris‘ wenigstens diplomatisch offenzuhalten, wie Trumps der Sache nach unmissverständliche Politik doch zu verstehen sein könnte. Das schreiben Deutschland und EU mit dem Abschlussdokument als Stand der Dinge fest – und dementieren zugleich, dass es dabei bleiben muss, weil es von ihnen aus dabei auf keinen Fall bleiben darf.
Soll keiner sagen, der Gipfel hätte nichts gebracht.
[1] Dieser Standpunkt
führt sich in den ersten beiden Abschnitten der
Präambel
der Erklärung der Staats- und
Regierungschefs
des 2017er Gipfels wie folgt vor:
Wir, die Staats- und Regierungschefs der G20, sind
zusammengekommen, um die wichtigsten globalen
wirtschaftlichen Herausforderungen anzugehen und zu
Wohlstand und Wohlergehen beizutragen. Die
Herausforderungen unserer Zeit zu meistern und eine
vernetzte Welt zu gestalten – darin liegt das
gemeinsame Ziel der G20. Die G20 hat während der
weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise vor rund zehn
Jahren ihre Stärke offenbart, als sie eine
entscheidende Rolle dabei gespielt hat, die
Volkswirtschaften und Finanzmärkte zu stabilisieren.
Was damals galt, gilt noch immer: Durch gemeinsames
Handeln können wir mehr erreichen als allein. Unser
gemeinsames Ziel – starkes, nachhaltiges, ausgewogenes
Wachstum – in der G20 voranzubringen, bleibt unsere
höchste Priorität.
Was die G20-Macher hier zu ihren Gunsten sprechen
lassen, die Bewältigung der weltweiten Wirtschafts-
und Finanzkrise vor rund zehn Jahren
, ist der Sache
nach ein Hinweis auf den Stoff ihrer politökonomischen
Konkurrenz. Diese wirft immerzu und in Krisenzeiten
erst recht die Frage auf, ob der Kampf um die Erträge
des globalen Wachstums die Vereinbarung gemeinsamer
Ordnungsregeln sprengt, auf die umgekehrt der
zeitgenössische Verkehr der kapitalistischen Staaten
angewiesen ist. Und um die Volkswirtschaften und
Finanzmärkte zu stabilisieren
, die statt Wachstum
nur noch entwerteten Kredit repräsentieren, ist in der
Tat eine Kollaboration der mächtigsten Geldhüter
gefragt, die den Ersatz gescheiterten Kredits durch
hoheitliche Geldschöpfung reihum als fungierendes
Geldvermögen anerkennen. Insofern ist am Selbstlob der
G20-Macher etwas dran; ziemlich dreist nur, dass sie,
die die Menschheit diesem ungemütlichen
Wirtschaftssystem aussetzen, ihr Wirken als einen
einzigen Beitrag zu Wohlstand und Wohlergehen
rubrizieren.
[2] Wir werden die
Märkte in dem Bewusstsein offenhalten, wie wichtig auf
Gegenseitigkeit beruhende und für alle Seiten
vorteilhafte Handels- und Investitionsrahmen und der
Grundsatz der Nichtdiskriminierung sind, werden
Protektionismus einschließlich aller unfairen
Handelspraktiken weiterhin bekämpfen und erkennen die
Rolle rechtmäßiger Handelsschutzinstrumente in diesem
Zusammenhang an.
(a.a.O., S.
2)