Die Konkurrenz der Kapitalisten
Kapitel II: Vermehrung des Kapitals: Ausdehnung der Produktion und des Handels

In der Marktwirtschaft ist Wachstum eine anerkannte Notwendigkeit. Dass die Wirtschaft wächst, gilt als selbstverständliche Bedingung für Wohlstand; wenn das Wachstum nachlässt oder gar ganz ausbleibt, drohen dagegen Mangel und Not. Stimmen, die fortwährendes wirtschaftliches Wachstum überhaupt für eine Absurdität halten, verhallen mehr oder weniger ungehört im Feuilleton; kritische Stellungnahmen, die in einem Wachstum, das sich ausschließlich an der wirtschaftlichen Leistung orientiert, eine zu enge Fassung für gesellschaftliches Wohlergehen sehen und für die Einbeziehung weitergehender Kriterien und Werte plädieren, stehen im Verdacht, konsum- oder fortschrittsfeindlich zu sein, oder müssen sich vorhalten lassen, mit ihren Ideen letztlich den Menschen mit seinem angestammten Bedürfnishaushalt zu verkennen. Noch der solideste Hinweis auf ‚natürliche Grenzen des Wachstums‘ muss sich den Vorwurf gefallen lassen, er sei weltfremd. Und er ist es auch – in einer Welt, in der die Sachwalter der Wirtschaft jedenfalls keine ‚natürliche Grenze‘ kennen oder anerkennen, an der sich der gültige, praktizierte Zweck der Ökonomie brechen könnte: Marktwirtschaft braucht Wachstum – es fragt sich nur, warum?

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Gliederung

Die Konkurrenz der Kapitalisten
Kapitel II[1]
Vermehrung des Kapitals: Ausdehnung der Produktion und des Handels

§ 7 Wachstum

In der Marktwirtschaft ist Wachstum eine offiziell und ziemlich allgemein anerkannte Notwendigkeit. Dass die Wirtschaft wächst, gilt als selbstverständliche Bedingung für Wohlstand; wenn das Wachstum nachlässt oder gar ganz ausbleibt, drohen dagegen Mangel und Not. Mahnende Stimmen, die fortwährendes wirtschaftliches Wachstum überhaupt für eine Absurdität halten, verhallen mehr oder weniger ungehört im Feuilleton; kritische Stellungnahmen, die in einem Wachstum, das sich ausschließlich an der unmittelbaren wirtschaftlichen Leistung orientiert, eine zu enge Fassung für gesellschaftliches Wohlergehen sehen und für die Einbeziehung weitergehender Kriterien und Werte plädieren, stehen im Verdacht, konsum- oder fortschrittsfeindlich zu sein, oder müssen sich vorhalten lassen, mit ihren Ideen letztlich den Menschen mit seinem angestammten Bedürfnishaushalt zu verkennen. Noch der solideste Hinweis auf „natürliche Grenzen des Wachstums“ muss sich den Vorwurf gefallen lassen, er sei weltfremd. Und er ist es auch – in einer Welt, in der die Sachwalter der Wirtschaft jedenfalls keine ‚natürliche Grenze‘ kennen oder anerkennen, an der sich der gültige, praktizierte Zweck der Ökonomie brechen könnte: Marktwirtschaft braucht Wachstum – es fragt sich nur, warum? Woher kommt diese unbedingte Notwendigkeit?

Vom Standpunkt derer, die die Wirtschaft machen, fängt das alles an mit der allergrößten Selbstverständlichkeit, nämlich mit ihrem unabweisbaren Bedürfnis – das freilich nicht, wie im wissenschaftlichen Menschenbild vom unendlichen Bedarf bei knappen Ressourcen dargelegt und metaphysisch gerechtfertigt, der Natur entspringt, sondern einem Interesse und einer Problemlage, die sich mit der Natur ihrer Revenuequelle ganz von selber einstellen.

1. Wachstum: Natürlicher Bedarf des Kapitalisten, zugleich Sachzwang seiner Revenuequelle

Der Unternehmer setzt sein Vermögen in Produktionsmittel um und für die Zahlung von Löhnen ein, um an dem Verkauf der Produkte, die er herstellen lässt, zu verdienen; und zwar dauerhaft und möglichst viel.

Für diesen Zweck muss er an dem Geld, das ihm aus dem Umschlag seines Kapitals zufließt – sei es definitiver Erlös oder Liquidität in Form von Kreditzetteln –, eine Unterscheidung treffen: zwischen dem Anteil, den er für sich als Privatperson, zur Befriedigung seiner Bedürfnisse benötigt, und der Summe, die zur dauerhaften Aufrechterhaltung seines Betriebs als Gewinnquelle nötig ist. Was er einnimmt und nicht unmittelbar für die Begleichung fälliger Rechnungen braucht, steht nämlich nicht einfach für den Zweck, den er mit seinem Geschäft verfolgt, als sein persönliches Einkommen, zur Verfügung. Damit dieser Betrieb kontinuierlich floriert, der Einsatz seines Vermögens dauerhaft als Einkommensquelle funktioniert, muss immer genug Liquidität da sein – für allfällige Zahlungspflichten, für den nie exakt im Voraus zu berechnenden Geschäftsbedarf, für die Bewältigung der Unsicherheiten des Marktes, die durch Kredit handhabbar gemacht sind, als Sachzwang auf höherer Stufe aber wiederkehren. Die Sicherstellung der kontinuierlichen Reproduktion des Geschäfts, der Erhaltung seines Kapitals und eines dauerhaften Geldeinkommens, begründet einen Geldbedarf, der sich nicht an einem eindeutig bestimmbaren Kostenaufwand bemisst, sondern den Geschäftsgang gegen alle Möglichkeiten des Scheiterns absichern muss, und damit einen Aufwand, der den ursprünglichen Kapitaleinsatz übersteigt. Die Funktionstüchtigkeit seiner Geldquelle steht in Widerspruch zum Interesse des Kapitalisten, mit seinem Unternehmen reich zu werden.

Dieses Interesse ist seinerseits mit einem begrenzten, noch dazu durch Betriebsnotwendigkeiten eingeschränkten Anteil am jeweils anfallenden Überschuss – ganz prinzipiell – nicht zufriedengestellt. Das Geldeinkommen, auf das der Fabrikbesitzer es abgesehen hat, eröffnet den Zugang zur weiten Welt der Bedarfsgüter und Genussmittel. Sein Nutzen erschöpft sich nicht in der Deckung eines definierten Bedarfs. Ein Kriterium von der Art, dass irgendein bestimmtes Quantum reicht, existiert für diesen Nutzen nicht. Der Reichtum, um den es ihm zu tun ist, besteht nicht in realen Reichtümern, sondern im Zugriff auf, in der im Geld existierenden Macht über was auch immer. Die Summe des verdienten Geldes kann deswegen für einen Kapitalisten nie wirklich groß genug sein. Folglich gerät sein privates Interesse an Bereicherung grundsätzlich in Gegensatz zu den Erfordernissen seiner Reichtumsquelle.

2. Der Umschlag des Kapitals: Notwendiger Bedarf an, zugleich Quelle von zusätzlichem Kapital; Gewinn wird re-investiert, dadurch Garantie für Einkommen

Dieser Widerspruch zwischen einem Zweck, der kein Maß seiner Erfüllung kennt, und einem Mittel, das mit verfügbarem Geld gegen lauter mögliche Notwendigkeiten abgesichert werden muss, wird vom Unternehmer allemal irgendwie gemanagt, damit aber nicht aus der Welt geschafft. Den Besitzer der Einkommensquelle Kapital lässt er jedenfalls nicht ruhen. Der sieht sich zur Suche nach einem konstruktiven, vorwärtsweisenden Ausweg genötigt – und entdeckt zielsicher den einzig möglichen: Er nimmt den Widerspruch seiner Reichtumsquelle so, wie er sich ihm aufdrängt, nämlich als quantitatives Problem, und findet dafür die praktische Lösung; zwar nicht die wirkliche Erledigung seines Problems, aber den zweckmäßigen Umgang damit, der ihm zu Gebote steht: Er teilt sich seine Erlöse noch anders ein und verwendet einen Teil davon für die Erweiterung seines Geschäfts – schließlich ist der Geldertrag ja von gleicher Art wie das Vermögen, dessen Einsatz ihn hervorbringt, also ebenso geeignet, sich zu vermehren, und folglich das Mittel, die Schranken, auf die der Kapitalist beim Gebrauch seiner Revenuequelle stößt, hinauszuschieben. Er übt also Verzicht bei der Gewinnentnahme für sein Privatleben, kalkuliert den Liquiditätsbedarf nachhaltiger Geschäftstätigkeit risikobewusst und steckt Geldeinnahmen, die für die Fortsetzung seiner Produktion noch nicht benötigt werden, zusammen mit den frei gemachten Gewinnanteilen als zusätzliches Kapital in sein Geschäft, um in Zukunft über mehr finanzielle Manövriermasse zu verfügen. Schlau berechnend verschärft der Unternehmer den Widerspruch seiner Revenuequelle, um ihn zu entschärfen – mit dem Ergebnis, dass er nicht nur größere Gelderträge nach dem gleichen Prinzip einzuteilen hat, sondern mit den nächsten näheren Bestimmungen seiner eigennützigen Geschäftstätigkeit konfrontiert ist.

Denn damit ist klar: Sein Unternehmensziel kann nicht bloß Gewinn, sondern muss Wachstum sein. Und das nicht bloß im Sinn eines Vorhabens, das gelingen kann oder auch nicht, sondern als Geschäftsnotwendigkeit. Auf der einen Seite begründet nicht bloß das ewige Missverhältnis zwischen möglichem Reichtum und begrenzter Geldsumme ein Interesse an Wachstum, sondern der berechnende Verzicht des Unternehmers einen zwingenden Anspruch auf immer bessere Bedienung seines Erwerbsinteresses. Auf der anderen Seite macht die Verwendung einstweilen nicht benötigter Geschäftserlöse für die Erweiterung der Produktion den Erfolg dieses zusätzlichen Geschäfts zur Notwendigkeit für die kontinuierliche Fortsetzung, also die Aufrechterhaltung des Unternehmens; und zwar einen erstens rechtzeitigen, zweitens hinreichend großen Erfolg, damit die investierten Gelder wieder zur Verfügung stehen, wenn sie für den gesicherten Fortgang des Unternehmens verfügbar sein müssen. Wachstum muss sein, weil die dafür aufgewandten Mittel es vorwegnehmen – also für den Fortgang des Unternehmens fehlen würden, wenn sie die Betriebseinnahmen nicht rechtzeitig und nicht im erforderlichen Umfang vermehren. Kontinuität des Geschäftsgangs verlangt und gibt es nur als Kontinuität des Wachstums; Wachstumserfolg ist der erste, vorrangige Verwendungszweck der Gewinne, die das Unternehmen erwirtschaftet.

Damit klärt sich auch die Stellung des Kapitalisten zu seinem Unternehmen. Mit der Verfügungsmacht, die er über Arbeit und Reichtum ausübt, um sich zu bereichern, wird er den Anforderungen seiner Erwerbsquelle nur gerecht, wenn er sie als Dienst am Wachstum seines Vermögens ausübt. Seine Revenue nimmt dementsprechend den Charakter eines Lohns für das Wachstum an, das er zustande bringt. Seine Bereicherung ist durch die Sachnotwendigkeit kontinuierlichen Wachstums beschränkt und garantiert zugleich.

3. Mehr Arbeit fällt an, auch für den Unternehmer; der Beruf des ‚leitenden Angestellten‘

Der Unternehmenszweck Wachstum gebietet den Einsatz nicht bloß von möglichst viel, sondern von immer mehr gewinnbringender Arbeit. Daraus ergeben sich als Erstes Ansprüche des Unternehmers auf die Zeit, in der seine Arbeitskräfte in seinem und für seinen Betrieb tätig sind. Er dringt auf volle Auslastung der Betriebsstätten und Produktionsmittel, die er für den Arbeitsprozess bereitstellt, bevor er in zusätzliche Arbeitsplätze investiert; und bevor er neue Leute einstellt, erst recht aber, wenn er darum nicht herumkommt, sorgt er für die volle Auslastung seiner Belegschaft: im Schichtbetrieb rund um die Uhr, sieben Tage die Woche, möglichst pausenlos das Jahr hindurch.

Das probate Mittel, sich die Verfügung über immer mehr Arbeitszeit zu verschaffen, hat der Unternehmenschef mit der Zahlung von Lohn nach abgeleisteten Arbeitsstunden in der Hand. Das Prinzip des Stundenlohns garantiert nämlich nicht bloß das Gewinn stiftende Maßverhältnis zwischen der Bedienung der Anforderungen des Arbeitsplatzes, also der produktiven Leistung, die ein Arbeiter zu erbringen hat, und dem Entgelt, dessen bescheidene Höhe seine Leistung erst wirklich, nämlich kapitalistisch produktiv macht. Die Art der Lohnzahlung bewährt sich auch als Hebel für eine bedarfsgerechte Ausdehnung der Zeit, die ein Arbeiter im Dienst des Betriebs verbringt.

Denn auch für ihn gilt – wenn man es hinreichend abstrakt betrachtet –, was bei seinem Dienstherrn für ein prinzipielles Ungenügen am erzielten Einkommen sorgt und den Widerspruch an dessen Revenuequelle mit begründet, dessen notwendige Konsequenz immerwährendes Kapitalwachstum ist: Auch den „Lohnempfänger“ setzt der Gelderwerb in ein Verhältnis zum Reichtum der Gesellschaft, erschließt ihm die Möglichkeit des Zugriffs auf alle Elemente der großen Warensammlung, die auf Kunden wartet, und beschränkt zugleich die wirkliche Macht darüber – bloß...! – quantitativ. Tatsächlich schließt das „empfangene“ Stundenentgelt, das das in Geld umsetzbare Ergebnis der Produktivkraft der Arbeit dem Unternehmen belässt, den produktiven Arbeiter vom geschaffenen Reichtum zwar weitgehend aus; und das ist kein konstruktiv zu bewältigendes Quantitätsproblem, sondern notwendige Folge der ökonomischen Natur seiner Einkommensquelle. Wie er damit umgeht, ist aber ganz seine Sache. Beschränkt ist er nicht in seiner Freiheit einzukaufen, was ihm gefällt, sondern allein in der Reichweite seiner ‚Kaufkraft‘; seine Armut existiert als Notwendigkeit, sich das verdiente Geld eigenverantwortlich einzuteilen. Dass seine Freiheit des Konsumierens – überhaupt und schon gleich im Verhältnis zum gewaltigen Warenangebot – dann doch nichts taugt: dieser Widerspruch seiner Art, Geld zu verdienen, stellt sich dem Arbeiter in Ermangelung einer Alternative als quantitatives Problem dar, für das es sogar auch eine Lösung gibt: mehr arbeiten. Dieser Ausweg geht zwar voll auf seine Kosten, nämlich zu Lasten des Lebens, für das er Geld braucht; und er hat diese Lösung noch nicht einmal selbst in der Hand. Sein „Arbeitgeber“ mit dem auf Wachstum programmierten Betrieb aber: der kann sich sicher sein, dass sein Anspruch auf immer mehr Arbeitsstunden von seinen Stundenlohnabhängigen ideell und praktisch als Angebot wahrgenommen wird, sich mit ausgiebigerer Betätigung der eigenen Erwerbsquelle besserzustellen. Sie werden für den Kapitalisten verfügbar als das, was sie für ihn überhaupt interessant macht und was sie ökonomisch auch bloß sind: personifizierte Arbeitszeit.

Praktisch darüber zu verfügen, und das in wachsendem Umfang, verlangt vom Unternehmer freilich nicht bloß Investitionen in Arbeitslöhne, Arbeitsmaterial und irgendwann auch in neue Produktionsstätten und -mittel. Nötig sind auch mehr organisatorischer Aufwand – für Beschaffung, Produktionsprozess, Verkauf, Geldverwendung und Planung des Ganzen – sowie ein Mehr an Aufsicht, das mit einer Handvoll Meister und Vorarbeiter nicht zu bewältigen ist. Der Unternehmer braucht ein Management, mit dem er sich die aufreibende Verantwortung für ein erfolgreiches nachhaltiges Wachstum seines Reichtums teilt. Er delegiert, teilweise und ordentlich hierarchisch, die Privatmacht seines Eigentums, die in ihrer kontinuierlichen Zunahme ihren eigenen Zweck hat, an Leute seines Schlags – und bezahlt sie dafür aus den steigenden Überschüssen, die er sich vom Wachstum seines Unternehmens erwartet und für deren Erwirtschaftung er seine leitenden Angestellten ganz zu Recht haftbar macht.

Zusatz: Der Lohnarbeiter und seine Arbeitszeit

Der Arbeitsplatz stellt zunächst eine Ansammlung von technischen Anforderungen dar – Arbeitsmaterial und -mittel –, denen der Lohnarbeiter genügen muss. Der Erwerb seines Lebensunterhalts hängt davon ab, ob er sich an diesen Bedingungen, die unabhängig von ihm geschaffen werden, bewährt. Welche Maßstäbe bei seiner „Beschäftigung“ gelten, erfährt er freilich auch – und zwar an der Form der Bezahlung.

Der Lohn, den der Arbeiter am Ende der Woche oder des Monats kassiert, berechnet sich aus einem Verhältnis Geld pro Zeit, das für jeden Arbeitsplatz festgelegt ist. Was eine Arbeitsstunde „wert ist“, hat die Betriebskalkulation des Arbeitgebers entschieden, die auf die Rentabilität der Lohnkosten zielt. Wie viel ein Arbeiter verdient, ergibt sich dann aus der Zeit, während der er seinen Dienst am Arbeitsplatz versieht. Je länger er arbeitet, je mehr Lebenszeit er dem Kapitalisten zur Verfügung stellt, desto mehr Geld hat er zum Leben. Und je weniger er arbeitet, je mehr Freiheit ihm also bleibt, desto weniger Geld hat er zur Verfolgung seiner Lebensinteressen und zur Befriedigung seiner Bedürfnisse.

Die Ausdehnung der Arbeitszeit, die den Verdienst erhöht und den Zugang zu den Lebensmitteln erweitert, steht im Gegensatz zu ihrem Zweck – der freien Betätigung in der Welt der Bedürfnisse und Genüsse. Und die Minderung des Verdienstes, die sich mit einer Vermehrung der freien Zeit auf Kosten der Arbeitszeit einstellt, lässt den Lohnarbeiter denselben Widerspruch spüren. Er hat ständig die Alternative zwischen zwei Nachteilen zu bewältigen und den Mangel an Zeit mit dem an Geld für sich zu vereinbaren.

Dabei ist das Scheitern des Versuchs, mit diesem Widerspruch zurechtzukommen, eine ausgemachte Sache. Die in der Fabrik verbrachte Zeit ist immerhin Arbeitszeit, also Verausgabung. Ihre Ausdehnung erhöht nicht nur den Verdienst, sondern schafft auch das eigentümliche Bedürfnis, sich in der Freizeit der Erholung zu widmen. Diese für selbstverständlich erachtete Bemühung hat sehr wenig mit frei gewählter Betätigung, mit der Hinwendung zu physischen und geistigen Unternehmungen zu tun, auf die einer seine Kraft verwendet. Hier geht es um Kompensation von Verschleiß, die zudem bezahlt sein will und einen Teil des Lohns wieder auffrisst. Umgekehrt macht sich eine Senkung der Geld bringenden Arbeitszeit zwar schonend bemerkbar, was Gesundheit und Lebensmut betrifft, erzwingt aber auch die Schonung des Geldbeutels: So ist die Lohnarbeit schon gleich gar kein Lebensmittel! In beiden Alternativen steht der Lohnarbeiter vor der Aufgabe, sein Leben den Erfordernissen der Arbeit anzupassen und mit sich, als Arbeitskraft, zu haushalten.

Dabei ist noch nicht einmal die Entscheidung darüber, ob einer dem verschleißträchtigen Lohn oder der Einkommen mindernden Freizeit den Vorzug gibt, ihm selbst überlassen. Die Festlegung der Arbeitszeit, die „Wahl“ zwischen Geld und Freizeit wird ihm in der Regel wie per Ausnahme abgenommen. Das Aushalten des Gegensatzes jedoch nicht.

§ 8 Erweiterung des Marktes

1. Vertrauen auf und Konkurrenz um Zahlungsfähigkeit

Mit der Anwendung zusätzlichen Kapitals produzieren alle Kapitalisten ein vergrößertes Warenquantum. Dass es die steigende Menge an Produktionsmitteln, die sie gemäß ihren Wachstumsbedürfnissen benötigen, schon geben wird, wenn man dafür zahlt, davon gehen sie mit Selbstverständlichkeit aus. Ebenso unbekümmert unterstellen sie, dass die vermehrte Masse an Produkten, die sie herstellen, schon ihre Käufer findet, verlassen sich darauf, dass „der Markt“ immerzu mehr Zahlungsfähigkeit für sie hergibt. Und zwar beständig mehr, als sie selber ausgeben, und das in wachsendem Umfang: Mit ihren Investitionen soll ja, vermittels gesteigerter Produktion, der Überschuss an Geldeinnahmen über die vergrößerte vorgeschossene Geldsumme wachsen.

Wo diese zusätzliche Zahlungsfähigkeit herkommt, ist einem kapitalistischen Unternehmer herzlich egal. Er hat andere Sorgen. Nämlich im Wesentlichen die, sich in der Konkurrenz gegen andere Anbieter der gleichen Ware, die ihrerseits ebenfalls auf Wachstum setzen, zu behaupten. Dabei ist er einerseits mit dem Problem konfrontiert, dass sein vermehrter Bedarf die benötigten Produktionsfaktoren tendenziell verteuert, während sein vergrößertes Angebot womöglich nur mit Preisnachlässen abzusetzen ist. Andererseits wird er auch davon zu profitieren versuchen, dass seine Lieferanten mehr Ware anbieten und seine Kunden für ihr eigenes Firmenwachstum mehr von seinen Produkten nachfragen. So verschärfen die industriellen Kapitalisten mit ihrem Wachstum die Interessengegensätze in allen ihren Marktbeziehungen zueinander, zu ihren unmittelbaren Konkurrenten ebenso wie zu ihren Käufern und Verkäufern. Auf diese widersprüchliche Weise erweitern sie den Markt, den jeder möglichst exklusiv für sich, i.e. für das Wachstum seines Geschäfts, auszunutzen sucht, insgesamt und für alle.

2. Der Dienst des Handelsstandes am Geschäft der Industriellen und sein Preis: Eine neue Front in der Konkurrenz um Absatz und Marktpreis

Den Bescheid darüber, ob und zu welchen Bedingungen den kapitalistischen Produzenten das angestrebte und mit den Investitionen programmierte Wachstum gelingt, erteilt „der Markt“ in Gestalt des Handelsgewerbes. Das kauft den Herstellern ihre Erzeugnisse ab, verkauft ihnen, was sie brauchen, und leistet ihnen damit einen großen Dienst: Es nimmt ihnen das Risiko der Vermarktung ihrer Ware ab; und es erspart ihnen die Finanzierung der Frist zwischen der Fertigstellung der Ware, dem Verkauf und der Beschaffung neuer Produktionsmittel sowie aller damit verbundenen Umständlichkeiten. Diesbezügliche Aufwendungen für Transport, Aufbewahrung und dergleichen nehmen die Kaufleute auf ihre eigene Rechnung.

Mit diesen Leistungen des Handelsstandes erfährt der Markt auffällige Modifikationen: In die Konkurrenz der Industriellen um die Erzielung lohnender Preise für eine zunehmende Warenmenge schaltet sich mit den Händlern eine neue Abteilung Kapital ein – Unternehmen, die aus dem Umsatz von Ware in Geld und von Geld in Ware ein Geschäft machen, mit dem sich Profit erwirtschaften lässt. Damit wird die Konkurrenz um neue Auseinandersetzungen bereichert: Die Preise, die die Industriellen im Verkauf ihrer Produkte erzielen, die Erlöse, die ihnen zufließen, sind durch den Konkurrenzkampf mit Handelskapitalisten um den Absatz ihrer Produkte bestimmt; und die Preise, die produktive Kapitalisten wie alle anderen Konsumenten im Einkauf zu zahlen haben, resultieren aus der Konkurrenz der Kaufleute mit ihrer Kundschaft und untereinander um einen möglichst großen, flotten und gewinnbringenden Warenabsatz. In diesem doppelten Konkurrenzverhältnis mit seinen Beziehungen zu vielen Anbietern und Nachfragern macht das Handelsgewerbe den Markt, den die Industriellen brauchen; und den macht es für sich zur Erwerbsquelle, indem es die Differenz zwischen den Ein- und Verkaufspreisen für sich möglichst vorteilhaft zu gestalten sucht. So partizipiert das Handelskapital an der Leistung der kapitalistischen Produzenten, Waren herzustellen, mit denen sich deutlich mehr gesellschaftliche Zahlungsfähigkeit erobern lässt, als an Geld in ihre Herstellung gesteckt worden ist – also Gewinne zu machen und zu wachsen.

Das Risiko, das die Handelskapitalisten ihren industriellen Kollegen abnehmen, ist durch diesen Dienst nicht aus der Welt. Es liegt jetzt bei den Kaufleuten, die wachsende Produktmengen vermarkten. Die treten jedoch – zwar in Konkurrenz gegeneinander, nach Maßgabe ihres Geschäftsumfangs aber – als Macher des Marktes und Repräsentanten der gesellschaftlichen Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft den Warenproduzenten machtvoll gegenüber: In dem Kalkül, das die Handelsunternehmen ihrer kapitalistischen Kundschaft stets von Neuem präsentieren, wenn die zukünftigen Konditionen der Geschäftskontrakte zu verhandeln sind, liegt jetzt das Risiko, das die Industriellen zu tragen haben. Etabliert ist folglich der dauerhafte Konkurrenzkampf um lohnende Ein- wie Verkaufspreise, in dem die konkurrierenden Partner aus Handel und Industrie ihre wechselseitige Abhängigkeit voneinander möglichst wirksam gegeneinander zur Geltung bringen.

3. Liquidität für einen wachsenden Markt: Ersatz von Geld durch Geldzeichen; das Giralgeld

Indem das Handelskapital die Kosten der Warenzirkulation übernimmt – und daran verdient –, finanziert es das Wachstum der Produktionsunternehmen. Es nimmt den Widerspruch auf sich, dass jede Firma mit ihrer Ware mehr Zahlungsfähigkeit okkupiert, als sie für die Produktion ihrer Waren aufgewandt – „auf den Markt geworfen“ – hat, und dass zugleich jedes Unternehmen für das Wachstum seiner Produktion einen Geldbetrag aufwendet, den ihm seine Investition erst noch einbringen muss. Unter Einsatz ihres eigenen Vermögens stellen die Handelsunternehmen fürs Kapitalwachstum benötigte Zahlungsfähigkeit bereit, die sie aus dem zahlungsfähigen und -bereiten gesellschaftlichen Bedürfnis erst noch herausholen müssen.

Dabei spielt die Unterabteilung der kapitalistischen Geldhändler eine entscheidende Rolle. Die setzen ihr Geldvermögen dafür ein, den Zahlungsverkehr ihrer Kunden ohne Zeitverzug, die Geldphase des Kapitalumschlags ohne Geld abzuwickeln. Das fängt damit an, dass sie ins Wechselgeschäft der Industriellen und Kaufleute einsteigen und die von denen geschaffenen Zahlungsanweisungen und -versprechen vorfristig in allgemeine, unbedingt verwendbare Zahlungsmittel verwandeln. Die Geldhändler nehmen das allemal verbleibende Ausfallrisiko auf sich; gegen eine Gebühr, die sich nach der Qualität der Papiere, i.e. nach der geschäftlichen Zuverlässigkeit der Aussteller und Indossanten, sowie nach der Frist bis zur Fälligkeit der übernommenen Wechsel bemisst. Diese Dienstleistung, einmal etabliert, funktioniert auch ohne Wechsel: Was ihren Kunden an Geld gehört und zufließt, schreiben sie als emsige Buchhalter denen auf einem Konto gut, das sie gar nicht bloß buchhalterisch, sondern in eigener Verantwortung führen; was zur Einlösung von Zahlungspflichten an Geld fällig wird, ziehen sie vom Konto der Zahlungspflichtigen ab – sofern vereinbart, auch über das aktuelle Guthaben hinaus. Sie handeln insoweit ganz auf Rechnung ihrer Kunden. Die Zahlungen finden aber – soweit sie nicht gleich hausintern, per Umbuchung von einem Konto aufs andere, im eigenen Kontor abgewickelt werden – zwischen den einzelnen Geldhandlungsunternehmen statt, im Kreisverkehr der fälligen Zahlungen. Zwischen den kontoführenden Instituten entstehen laufend Ansprüche und Verbindlichkeiten; zu Lasten und zu Gunsten der Kundschaft, aber eben zwischen den Instituten. Für die Saldierung der Überschüsse und Defizite im Giralverkehr mit seinesgleichen steht der Geldhändler mit seinem Vermögen gerade – keine große Summe im Verhältnis zu den Transaktionen, die auf die Art ohne wirkliches Geld, allein per Buchung abgewickelt werden, aber unentbehrlich für ihren Dienst als Instanz, die den betreuten Unternehmen eben nicht bloß die technische Abwicklung, sondern die Verantwortung für ihren Zahlungsverkehr abnimmt.

Im Verhältnis zu den Einnahmen aus Diskont und – gegebenenfalls – Kontoführungsgebühren bewährt sich dieses Geldvermögen, das jederzeit die Liquidität sicherstellt, mit der die Geldhandlungsunternehmen deponierte oder eingegangene Gelder an ihre Kunden auszuzahlen sowie deren Zahlungspflichten zu erfüllen haben, soweit sich auszugleichende Saldi zu ihren Lasten ergeben, als Einkommensquelle von analoger Art wie richtiges, produktives Kapital: als Vorschuss mit der Bestimmung, sich zu vermehren. Dieser Vorschuss fließt, soweit wirklich beansprucht, im Hin und Her der jeweils anfallenden Defizite und Forderungen zwischen den Geldhändlern mehr oder weniger regelmäßig an das jeweils haftende Institut zurück; das hin- und hergezahlte Geld kann deswegen auch grundsätzlich ebenso durch verbindliche Versprechen in Form von Buchungsakten ersetzt werden wie die Geldbeträge, die die Geldhändler im Auftrag ihrer Kundschaft zirkulieren lassen. Das kommt dem Verhältnis zwischen eigenem Aufwand und Ertrag zugute, nötigt die Geldhändler allerdings zu besonderen Vorkehrungen in Sachen Liquiditätsmanagement. Mit der professionellen Bewältigung dieser Aufgabe wird aus der Befreiung der industriellen Kapitalisten von den Risiken des kommerziellen Kredits und vom Zahlen und Bezahlt-Werden mit barem Geld ein flächendeckend angebotenes Geschäft und mit diesem Geschäftszweig der bargeldlose Geldverkehr zur herrschenden kapitalistischen Praxis.

4. Kostensparende Bedienung des Bedarfs nach mehr Arbeit

Was ein Unternehmen an Produktionsfaktoren für sein Wachstum braucht, findet es als käufliches Angebot vor – ob früher oder später, ob reichlich oder knapp, zu sinkenden oder steigenden Preisen, das entscheidet seine Konkurrenz mit den ihrerseits auf Wachstum programmierten Lieferfirmen resp. dem Handelskapital, das deren Ware vermarktet. Die große Ausnahme ist der Produktionsfaktor Arbeit. Hier sorgt kein kapitalistischer Produzent für genügenden bis überreichlichen Nachschub. Hilflos den Preisvorstellungen seiner Arbeitskräfte ausgeliefert ist der Unternehmer deswegen aber noch lange nicht.

Zum einen kann er in recht weiten Grenzen seinen steigenden Bedarf an Arbeit ohne neues Personal bewältigen: Als Herr der Arbeitsplätze, an denen seine Angestellten sein Geld verdienen, kann er die dort technisch vorgegebenen Arbeitsbedingungen so zuschneiden, dass sich dort mehr Arbeit verrichten, also mehr Leistung einfordern lässt. Das Entgelt ist schließlich so bemessen, dass die freien Anbieter eigener Arbeitsfähigkeiten längere Arbeitszeiten als gute Gelegenheit für einen Mehrverdienst wahrzunehmen pflegen.

Zum anderen definieren kapitalistische Produzenten mit der Ausgestaltung ihres Bedarfs die Konkurrenz der Arbeitsuchenden gleich mit. Hinreichend niedrige Löhne verunmöglichen die Ernährung einer Familie durch einen einzigen Verdiener und erweitern das Potential an Arbeitskräften um Frauen und Kinder. Ein gescheiter Arbeitgeber führt an den unterschiedlichen Arbeitsplätzen, die er zu besetzen hat, eine sachgerechte Staffelung der Löhne nach unten ein; das mindert die Mehrkosten bei steigendem Personalbestand, indem Neulinge überhaupt erst einmal auf den billigeren Plätzen landen. Und einen moralischen Effekt gibt es für alle Beschäftigten gratis dazu: Eine ordentliche Lohnhierarchie lenkt das Erwerbsinteresse der Beschäftigten auch auf die Konkurrenz untereinander um einen Aufstieg, was nicht nur den Arbeitseifer fördert, sondern die Arbeit zu einem für das Unternehmen lohnenden Preis zum Anliegen derer macht, die sie liefern.

§ 9 Staatsaufgaben

Im Innern

1. Der Anspruch der Kapitalisten auf Bedienung ihrer Wachstumsbedürfnisse durch die Gesellschaft: Eine Agenda für die öffentliche Gewalt

Mit der Ermächtigung der kapitalistischen Eigentümer, ihren Reichtum für dessen zunehmende Vermehrung einzusetzen, setzt der bürgerliche Staat gesellschaftliche Verhältnisse durch, die ihm als Gewaltmonopolisten eine Menge zu tun geben.

  • Die Eigentümer der Produktionsmittel und des Geldreichtums der Gesellschaft stattet er mit dem Recht aus, die eigentumslose Mehrheit per Lohnzahlung als Arbeitskräfte von sich abhängig zu machen und ebenso wie die sachlichen Ressourcen des Landes für ihre wachsende Bereicherung in Dienst zu nehmen. Die Macht der Unternehmer, dieses Recht wahrzunehmen, wächst mit ihrem Geschäftserfolg. Eine Grenze kennen sie dabei nicht, stattdessen die gebieterische Notwendigkeit, stets von Neuem Risikobereitschaft zu zeigen und für ihren Mut zum Wachstum Land und Leute in immer weiter ausgreifendem Umfang in Beschlag zu nehmen. Als Helfer für die Bewältigung dieser Bewährungsprobe ihres Geschäftssinns nehmen sie die Staatsgewalt in Anspruch – hat die sie doch zum Gebrauch ihres Eigentums als Erwerbsquelle ermächtigt. Die öffentliche Gewalt kann diesem Anspruch seine Berechtigung nicht versagen, so war die Sache mit dem Eigentum schließlich gemeint, und befindet es für legitim, dass die kapitalistische Geschäftswelt Produktion und Versorgung, Arbeit und Reichtum, Lebensunterhalt und die Regie über das ökonomische Leben der Gesellschaft monopolisiert. Sie räumt ihren Unternehmern den exklusiven Status der ökonomisch herrschenden Klasse ein und erkennt es als ihre Aufgabe an, das lebendige und tote Inventar ihres Landes für deren schrankenlose Bereicherung verfügbar und, soweit es dafür auf ihre Ordnungsgewalt ankommt, nutzbar zu machen. Was sie in diesem Sinne zu tun hat, das geht zum einen aus den Sachzwängen und den unhaltbaren Konsequenzen der auf Wachstum programmierten kapitalistischen Geschäftstätigkeit selbst schon mit hinreichender Klarheit hervor. Zum andern teilen es die Interessenvertreter der Kapitalistenklasse den Sachwaltern der öffentlichen Gewalt in ihren Forderungskatalogen explizit mit.
  • Die Mehrheit, der die Staatsgewalt den Part der lohnabhängigen Dienstbarkeit am privaten kapitalistischen und darüber dem gemeinen Wohl zuteilt, muss einerseits darauf festgelegt, andererseits dazu befähigt werden, ihre produktiven Dienste an dem Reichtum, von dem sie ausgeschlossen bleibt, in dem für dessen Wachstum nötigen Umfang und Intensitätsgrad dauerhaft freiwillig zu erbringen. Die Unmöglichkeit, mit den Sachzwängen des Gelderwerbs durch Lohnarbeit und den Schranken einer damit finanzierten Lebensführung fertigzuwerden, veranlasst die politische Klasse zu hoheitlichen Maßnahmen, die das Unmögliche wirklich, aus Lohnabhängigen eine lebensfähige gesellschaftliche Menschenklasse machen: Ein „Recht auf Arbeit“ gibt es zwar nicht, ein Recht auf den vereinbarten Lohn für erbrachte Leistung aber schon – ohne staatliche Gewalt funktioniert Arbeit als Erwerbsquelle noch nicht einmal in diesem elementaren Sinn.
  • Zum Recht der herrschenden Klasse auf totale Verfügung über Mittel und Voraussetzungen des schrankenlosen Wachstums ihres Vermögens gehört die Errungenschaft, dass Standorte im buchstäblichen Sinn für Fabriken, Geschäftsräume und die Unterbringung von Arbeitskräften marktwirtschaftlich, i.e. gegen Geld, verfügbar sind wie alle sonstigen Geschäftsbedingungen. Dafür sorgt der bürgerliche Staat, indem er als Landesherr von seiner unbedingten politischen Hoheit über das nationale Territorium eine privatrechtliche Verfügungsgewalt über Grundstücke und deren Gebrauch als Wirtschaftsgut abtrennt und den Landbesitzern als Eigentum im bürgerlichen Sinn zuerkennt. Mit seiner verbindlichen Grenzziehung setzt der Staat das Eigentum an Grund und Boden ins Recht, erkennt den Gebrauch auch dieser exklusiven Verfügungsmacht als Erwerbsquelle an und stiftet damit eine dritte durch ihre Stellung in der Ökonomie des Eigentums definierte gesellschaftliche Klasse: die der Grundeigentümer. In deren Händen wird die elementare Bedingung kapitalistischer Geschäftstätigkeit wie des privaten und gesellschaftlichen Lebens überhaupt, nämlich auf einem Flecken Land stattzufinden, zum Geschäftsmittel: zum Mittel der Bereicherung an allen, die für sich und ihren Gelderwerb Platz brauchen. Dessen Bereitstellung ist der produktive Beitrag der grundbesitzenden Klasse zur gesellschaftlichen Reproduktion; dafür beansprucht und bekommt sie mit ihrer vom Staat ins Recht gesetzten Erwerbsquelle einen Tribut von denjenigen, die eine Bleibe für ihren geschäftlichen Bedarf nötig haben; was natürlich – wie es sich für eine Marktwirtschaft gehört – auch für alle diejenigen gilt, die nur ein Dach über dem Kopf brauchen.
  • Mit der Etablierung des bloßen Grundeigentums als Gelderwerbsquelle modernisiert der Staat zugleich den Bauernstand. Denn damit ist dessen Metier, die Versorgung der Gesellschaft mit Lebensmitteln und agrarischen Rohstoffen, in sehr spezieller Weise dem kapitalistischen Erwerbsleben subsumiert: Der selbstwirtschaftende Bauer nutzt sein Eigentum an Grund und Boden gar nicht als fertige Einkommensquelle, sondern als Produktionsbedingung. Aus der muss er selbst erst etwas machen, nämlich mit seiner Arbeit und mit chemischen und sonstigen Hilfsmitteln Produkte herausholen, mit denen sich im Konkurrenzkampf mit den industriellen Anbietern benötigter Produktionsmittel und mit dem Handelskapital, das seine Ware aufkauft, irgendwie ausreichend Geld verdienen lässt; seine Scholle nützt ihm dafür nur in dem Maß, wie sie ihm das Produzieren erleichtert und dadurch vergleichsweise Kosten erspart. Diese Drangsal des freien Bauern steht schon in auffälligem Kontrast zum Nutzen, den der professionelle Grundeigentümer aus seiner puren Verfügungsmacht über ein notwendiges Element des kapitalistischen Geschäftslebens schöpft, indem er sich dessen Benutzung abkaufen lässt. Eine solche Rente fällt beim selbständig produzierenden Landwirt allenfalls als Rechengröße in seinem gesamten, meist nicht gar zu üppigen Einkommen ab – oder sie schlägt für ihn negativ, als Pacht zu Buche, die er an den fremden Eigentümer seiner Produktionsbedingung zu zahlen, also erst einmal zu erwirtschaften hat.

Keine dieser gesellschaftlichen Einrichtungen, nichts von den zwingenden Erfordernissen eines flächendeckenden kapitalistischen Wachstums gibt es und geht von selbst. Alles, was die Akteure der Marktwirtschaft voneinander brauchen und wollen und miteinander anstellen, geht nur mit der Gewalt, die der Staat herleiht, dadurch zugleich im Griff behält und gemäß der allseitigen Abhängigkeit seines Ladens vom Kapitalwachstum wirken lässt. Der stereotype Katalog von Kontroll- und Gestaltungsaufgaben in Gestalt der Ministerien, die zu einer modernen Regierung dazugehören, zeugt von der sachlichen Notwendigkeit der Funktionen, für die das kapitalistische Gemeinwesen eine ordentliche Gewalt braucht und an denen die politische Obrigkeit sich zu bewähren hat.

2. Die erste Leistung des bürgerlichen Gesetzgebers: Ausstattung der Geldinteressen der Bürger gemäß ihrer Klassenlage mit dem nötigen Quantum ordentlicher Gewalt

Der bürgerliche Staat lässt die vielfältigen widerstreitenden Interessen seiner Bürger als Rechte wirksam werden: mit Gewalt ausgestattet, zugleich unter Vorbehalt gestellt, formell auf Verträglichkeit verpflichtet, in dieser verfremdeten Gestalt auf ihre politökonomische Funktionalität festgelegt.

Das betrifft

  • die Konkurrenz am für Kapitalwachstum eingerichteten Markt: Die Konkurrenz um Ein- und Verkaufspreise bei wachsendem Warenangebot und wachsender Nachfrage findet statt als Vielfalt von Verpflichtungsverhältnissen zwischen Kaufleuten, in denen es Äquivalententausch nur als Resultat allseitigen Bemühens um Übervorteilung und der entsprechend ins Spiel gebrachten Potenzen gibt; in denen Rechtsansprüche zu Angriffs- und Abwehrwaffen und Vertragsverhältnisse zu Fallstricken werden; in denen kein Unternehmer ohne Rechtsanwälte auskommt, die seinem Interesse rechtliche Handhaben verschaffen. Der Gesetzgeber macht sich damit vertraut, dass die Verpflichtung auf wechselseitigen Respekt vor der Freiheit des anderen, der Leitgedanke seines Vertragsrechts, den Antagonismus der Interessen gleichgesinnter Kaufleute – mit dem schlichten Inhalt: billig einkaufen, möglichst viel möglichst teuer verkaufen – nicht entspannt, geschweige denn beendet, sondern aufblühen lässt, so dass immer neue Klarstellungen, Beschränkungen, Schutzbestimmungen nötig werden, die gleich wieder zur Schädigung von Geschäftspartnern oder Dritten ausgenutzt werden. Seine Gesetzbücher werden nie fertig; dem Fachmann bieten sie eine Fundgrube für rechtlich gedeckte Erpressungsmanöver.
  • die Arbeitsteilung im Management des kapitalistischen Eigentums: Die mit der Delegation der obersten Verantwortung eines Unternehmers etablierte Trennung zwischen der Privatmacht des Eigentums und seiner Anwendung setzt nämlich nicht weniger als den Widerspruch zwischen dem Managerdienst am Nutzen, also an der Macht des Eigentums selbst, und dem leitenden Angestellten als befugte Entscheidungsinstanz über die Betätigung des Kapitals frei. Diesem Widerspruch leistet der Staat mit seinem Recht Schützenhilfe – und bannt ihn gleichzeitig in funktionale Bahnen. So sind gerade auch in dieser Sphäre des geschäftlichen Einvernehmens rechtliche Kunstwerke nötig, damit die Privatmacht des Reichtums delegiert werden kann, ohne dass sie aus der Hand gegeben wird; zwischen rechtlich angreifbaren Verstößen der Eigentumsbeauftragten und einem ökonomischen Misserfolg für das Eigentum selbst wirft das jede Menge Haftungsfragen auf. Da hat der Staat einiges zu definieren; beginnend mit handelsgesetzlichen Modalitäten einer „Prokura“, und mit dem Fortschritt der Konkurrenz noch ein ganzes „Gesellschaftsrecht“ für das Zusammenleben der Verantwortungstäter.
  • die besonderen Interessengegensätze, die Kapitalisten und Grundeigentümer miteinander auszutragen haben: Da nisten sich mit der Gewalt des Rechts die nach oben offenen Geldinteressen von Monopolisten einer elementaren Geschäftsbedingung in die Kosten industrieller Geschäftstätigkeit ein, müssen aus den für Wachstum verplanten Erträgen mit bedient werden und machen so Konkurrenzbedingungen ungleich: Die Geschäftsbedingung Grund und Boden ist kein Produktionsmittel wie jede andere käufliche Ware. Zwischen den – konkurrierenden – Interessenten an der geschäftlichen Nutzung eines Grundstücks, in der Regel mit einer für bestimmte Geschäftszwecke besonders geeigneten natürlichen Ausstattung und Lage, und seiner Benutzung steht das exklusive Verfügungsrecht seines Besitzers, das nicht selten zu legaler Erpressung ausartet. Der Staat ist als Instanz der Beschränkung und hoheitlichen Zuteilung von Verwendungsrechten des Grundeigentums gefordert, damit die Herrichtung des Landes zur Bedingung für allseitige Kapitalakkumulation eine Ordnung hat.
  • die Verhältnisse zwischen „Kapital“ und „Arbeit“ im auf Wachstum programmierten Betrieb: Unternehmer nutzen ihre Ermächtigung zum geschäftsdienlichen Gebrauch bezahlter Kräfte als Freibrief, deren Inanspruchnahme ihrem wechselnden Bedarf anzupassen – auf ein Maximum auszudehnen, daneben unbezahlte Nicht-Benutzung zu verfügen, also abwechselnd Lebenszeit und Lebensunterhalt ihrer Leute zu ruinieren. Das Vertragsrecht zwischen beiden Parteien wird daher dahingehend angepasst, dass das legitime Regime des Eigentümers über seine Angestellten ein Maß haben muss, das der Arbeitskraft ein Quantum Privatleben lässt, und ein Arbeitsverhältnis auch den Arbeitgeber zur Bezahlung der vereinbarten Beschäftigung verpflichtet. Das Umgekehrte versteht sich zwar von selbst, bedarf aber gleichfalls etlicher Regelungen im Einzelnen.
  • das Scheitern der Masse der Lohnbezieher am Monopol der Grundeigentümer auf Platz für ein Obdach. Die Ermächtigung der Immobilienbesitzer, an dem elementaren Bedürfnis dieser Masse unproduktiv zu verdienen, nimmt der Rechtsstaat nicht zurück, unterwirft die Freiheit dazu auch nur ausnahmsweise seinem Regime, sorgt immerhin mit Bebauungsplänen u.ä. für ein Angebot an die massenhafte Nachfrage. Außerdem registrieren die Politiker eine Notlage, der sie sich noch anders als mit rechtlichen Auflagen, nämlich mit den Mitteln des staatlichen Haushalts zu widmen haben.

Insgesamt bieten die unverdrossen fortgeschriebenen Loseblattmammutwerke des bürgerlichen Gesetzgebers in diesen Abteilungen ein eindrucksvolles Panoptikum der Gemeinheiten, die ganz legal zu einem kapitalistischen Gemeinwesen dazugehören, sowie der Übergänge, zu denen die Anerkennung der systemeigenen Konkurrenzinteressen als Rechte einlädt: dazu nämlich, die zusammen mit der Ermächtigung verfügten Einschränkungen (a) auszutesten – wo sie überhaupt wirksam werden, wie viel Erpressung sie erlauben; (b) zu umgehen – da sind juristisch beratene Unternehmer erfinderischer als der Gesetzgeber; (c) zu überschreiten – mit einem Rechtsanspruchsbewusstsein, das, wenn der Missetäter ertappt und verurteilt wird, als „kriminelle Energie“ gilt, die dem bürgerlichen Verstand einen tiefen Einblick in die menschliche Natur gewährt.

Indem der Staat mit seinen Gestaltungs- und Kontrolltätigkeiten den Erfordernissen und Konsequenzen der Einkommensquellen seiner Bürger entspricht, stellt er deren Identität als ökonomisch definierte Klassen im Verhältnis zu sich her: Ihre ökonomische Natur kommt als politische Setzung in die Welt, durch die allgemeine öffentliche Gewalt, als Recht, das ihnen als Staatsbürgern zukommt. Darin ist die Politisierung der Interessen begründet, die tatsächlich aus der kapitalistischen Bestimmung der Erwerbsquellen folgen. Die antagonistischen Beziehungen innerhalb und zwischen den Klassen der Kapitalisten, der Lohnarbeiter und der Grundeigentümer sind von vornherein subsumiert unter die staatliche Macht; in der haben die Betroffenen die maßgebliche Adresse für alle Nöte, Forderungen und Enttäuschungen, die aus ihrer Klassenlage folgen – mit allen Konsequenzen für ihre klassenspezifischen Gerechtigkeitsansprüche.

3. Erste Anforderungen an den Staatshaushalt: Herrichtung von Land und Leuten für den Wachstumsdrang der Kapitalisten

Mit gesetzlich festgelegtem Dürfen und Müssen ist es nicht getan: Das Kapital muss auch, sicher und immerzu, wachsen können. Im Bewusstsein der Abhängigkeit der Gesellschaft von ihrem Geschäftserfolg nehmen die Unternehmer den Staat mitsamt seinen Finanzen dafür in Haftung – und in dem Maß, wie die Welt ihnen dienstbar gemacht wird, vollendet sich deren Abhängigkeit von ihrem Erfolg. Der Staat richtet seinen Haushalt nach dieser Logik ein.

Das betrifft auf der Ausgabenseite

  • das Territorium, auf dem das kapitalistische Wachstum stattfindet. Die rechtliche Definition des Landes als geschäftsmäßig verwendbares Eigentum von Grundbesitzern schafft ja nur eine erste formelle, systemgemäße Konflikte hervortreibende Geschäftsbedingung. Die praktische Nutzbarkeit des nationalen Geländes braucht alles, was man Infrastruktur nennt, als materielle Geschäftsbedingung und dafür einen Geldaufwand, der in der Aufbauphase wie in den nachfolgend nötigen Ausbau- und Erhaltungsperioden oft genug kein lohnendes Geschäft verspricht – die Voraussetzungen für Industrie und Handel müssen ja erst einmal vorhanden sein, bevor ein Kapital sich ihrer bedient und „Geld macht“; ob die Unternehmer gegebene Voraussetzungen überhaupt nutzen, wie sehr, und wie viel ihnen das allenfalls wert ist, steht damit noch gar nicht fest.
  • die natürlichen Gegebenheiten eines Landes. Was der professionell gierige Blick der Geschäftswelt als Bodenschätze wahrnimmt, wirft nicht nur die interessante Rechtsfrage auf, bis in welche Tiefe das Eigentum an einem Stück Erdoberfläche eigentlich reicht. „Natürliche Reichtümer“ müssen erst einmal entdeckt, als solche, also als Geschäftsmittel identifiziert, Verfahren ihrer Gewinnung müssen entwickelt werden, bevor aus einer Laune der Erdgeschichte eine lohnend hergestellte Ware werden kann: Geschäftsbedingungen, deren Herstellung kapitalistische Unternehmer von ihrem Landesherrn erwarten.
  • die Leute, die das Land bevölkern. Auch bei denen ist es für ihre Brauchbarkeit fürs Kapitalwachstum mit ihrer Ernennung zu geschäftsfähigen Rechtssubjekten nicht getan. Ihre durch Lohnarbeit beständig reproduzierte Eigentumslosigkeit, ihre Armut im Verhältnis zu dem Reichtum, den sie schaffen, und die dadurch definierten Lebensbedingungen erzeugen lauter Hindernisse für den lohnenden Einsatz der Leute. Von allein, bloß mit ihrem Lohneinkommen, sind sie regelmäßig kaum bis gar nicht fähig, sich und ihrer Familie eine Unterkunft zu leisten, sich überhaupt bis zum Lebensende über Wasser zu halten, ihrem Nachwuchs eine Ausbildung angedeihen zu lassen, mit der die proletarische Jugend sich zur einsetzbaren Manövriermasse qualifiziert; ob die Sachzwänge einer lohnabhängigen Lebensführung ohne nachhaltige Anleitung zu der Moralität führen, die das kapitalistische Gemeinwesen von seinen Mitgliedern fordert, um sich ihrer Loyalität sicher zu sein, steht auch dahin. Philanthropisch gesinnte Großindustrielle haben sich all dieser Problemlagen zwar schon von sich aus angenommen und keinen Widerspruch darin gefunden, sich um die Armut zu kümmern, die zu den Bedingungen ihres Reichtums gehört und von ihnen produktiv gemacht und reproduziert wird. Im Ganzen überlassen die Fabrikanten und Händler die Folgeprobleme ihrer Bereicherung aber gerne der Instanz des gemeinen Wohls, ohne dass ihnen deswegen ein staatlicher Geldaufwand für arme Leute einleuchten würde.

Für seine Dienste am Kapitalwachstum benötigt der Staat viel Personal, das gemäß seiner Verantwortung für ordentliche Rechtsverhältnisse und die Herrichtung von Land und Leuten zur brauchbaren Verfügungsmasse „der Wirtschaft“ bezahlt sein will; in der Spitze schon deswegen sehr gut, um von den Mitgliedern und Repräsentanten der herrschenden Klasse, den Inhabern der gesellschaftlich maßgeblichen Privatmacht des Eigentums, als politisch Vorgesetzte ernst genommen und weniger leicht im Sinne besonderer Privatinteressen bestochen werden zu können.

4. Staatsgeld mit Zwangskurs für den Liquiditätsbedarf des Geldhandels; die erste Notwendigkeit eines Staatsschatzes

Ein apartes Problem, dessen Lösung sie gleichfalls von ihrem Staat erwarten, schaffen sich die Kapitalisten mit ihrem Wachstum und der Ausdehnung ihrer Märkte. Für die Geldphase ihrer immerzu zunehmenden Kapitalumläufe benötigen sie – als „Wirtschaft“ insgesamt – immer mehr Geld: Wertträger, deren Beschaffung als Unkost, als Abzug vom wachsenden Reichtum zu Buche schlägt. Mit der Überantwortung ihrer Zahlungen an Geldhändler, die untereinander Geldzeichen zirkulieren lassen und mit Buchungsakten ohne bares Geld ganz gut zurechtkommen, haben sie sich diese Belastung zwar schon weitgehend vom Hals geschafft. Übrig bleibt aber immer noch ein ansehnlicher und mit ihrem Wachstum mitwachsender Posten eines Geldes, das den staatlichen Vorschriften für vergegenständlichten abstrakten Reichtum, so wie er aus der staatlichen Münze kommt, genügt. Zu erfüllen hat der das technische Erfordernis eines Ausgleichs der Salden, die zwischen den Geldhändlern zum Abrechnungszeitpunkt offen bleiben und die Pflicht zu definitiver Zahlung begründen; eine ökonomische Notwendigkeit insofern, als die Zahlungsunfähigkeit eines auch nur punktuell überforderten Geldhandelskapitalisten gleich ganze Abteilungen der Geldzirkulation zum Erliegen bringen kann. Mit vorzeigbarem wirklichem Geldvermögen müssen die Geldhändler zudem der moralischen Anforderung an ihre Zuverlässigkeit seitens der Industrie- und Handelskapitalisten gerecht werden, die ihnen ja immerhin ihr Eigentum im entscheidenden Übergang vom Rückfluss der Erlöse aus dem Markt zum erneuten Vorschuss anvertrauen. Soweit sich der Kapitalumschlag über den Gebrauch gezahlter Löhne fürs alltägliche Einkaufen vollzieht, also ausgerechnet in der Welt der „kleinen Leute“ mit ihrem kleinteiligen Geldbedarf, läuft außerdem in großer Menge ein Geld um, das real vorhanden und über jeden Verdacht der Falschmünzerei erhaben sein muss.

Insgesamt verschlingt das Wachstum des Kapitals nicht wenig und immer mehr materiellen Reichtum nur für die unproduktive Zirkulationsphase seines Umschlags. Das veranlasst den Staat zur Selbstkritik bezüglich der Festlegungen, die er über den Stoff getroffen hat, der die Privatmacht des Eigentums dinglich repräsentiert. Er lernt von den Gepflogenheiten seiner Geldhändler: Er wird nicht mehr nur als Münzanstalt aktiv, sondern setzt Papiergeld in die Welt, der Form nach Zahlungsanweisungen wie die, die die geschäftstüchtigen Erfinder des Giralgeldes untereinander als Zahlungsmittel anerkennen und benutzen. Den Stempel, der bisher schon die offizielle Münze vom Goldnugget oder einem ähnlichen materiellen Wertträger unterscheidet, drückt er auf einen für sich genommen wertlosen Zettel, erklärt diesen mit seiner hoheitlichen Autorität zum definitiven Geld der Gesellschaft, ersetzt damit den privaten Geldhändlern ihre edelmetallischen Schätze, zentralisiert die bei sich und fingiert damit die Deckung der Geldzeichen, die er zirkulieren lässt, durch echte Geldware in seiner Hand. In dem Maß, wie sein Papiergeld tatsächlich überhaupt nicht so, sondern allein durch seine hoheitliche Gewalt und die fälschungssichere Ausstattung seines gesetzlichen Zahlungsmittels gedeckt ist, erspart der Staat sich und damit seiner Geschäftswelt die Unkosten für ein Geld, das als Ware den Wert hat, den es repräsentiert – und das seiner wahren kapitalistischen Zweckbestimmung nach gar nicht als dinglicher Reichtum festgehalten, sondern als Vorschuss für weiteres Wachstum verwendet werden soll.

5. Sicherstellung ausreichender Staatsfinanzen unter Schonung des Kapitalwachstums (1): Das Steuerwesen

Regieren und Verwalten, Infrastruktur und öffentliche Ordnung, Betreuung der Armut und auch die Institution für Herstellung und Zuteilung des gesetzlichen Zahlungsmittels kosten Geld, das sich der Staat von seinem Volk mit seinen diversen Erwerbseinkommen, in letzter Instanz also von „der Wirtschaft“ besorgen muss. Dem unausweichlichen Widerspruch zwischen ihrem politökonomisch wohlbegründeten Geldbedarf und dessen Grund und Zweck begegnet die bürgerliche Herrschaft mit der sorgfältigen Gestaltung ihres Haushalts. Besteuert werden die Transaktionen, mit denen Geld verdient, also in letzter Instanz Kapital erfolgreich vermehrt wird; die unerlässliche Belastung des Wachstums geschieht so in Abhängigkeit von dessen Gelingen.

Zum einen okkupiert der Fiskus mit direkten Steuern seinen Anteil am Gelderwerb der Leute. Dabei folgt er zwei gegenläufigen Leitlinien. Er stellt die Armut der Masse seiner Steuerpflichtigen in Rechnung und senkt den Prozentsatz, den er beansprucht, bei geringen Einkommen bis hin zur Steuerbefreiung eines von ihm definierten Existenzminimums. Umgekehrt mindert er die höhere Steuerlast der Besserverdienenden durch eine Vielzahl von Abzugsmöglichkeiten und Freibeträgen, die im Prinzip für alle gelten, aber naturgemäß bei höherem Verdienst erst richtig von Gewicht sind. Das unerreichte Ideal dieser Art der Geldbeschaffung heißt Steuergerechtigkeit; in der Praxis folgt ein beträchtliches Maß an Kompliziertheit, das Gutverdienern schöne Chancen zur geldsparenden „Gestaltung“ ihrer Steuern bietet, dem Stand der Steuerberater zu verdienen gibt und zugleich das zur Gerechtigkeit komplementäre Ideal der Steuervereinfachung auf den Plan ruft. Die Art der Erhebung dieser Steuern ist – im hier exemplarisch genommenen deutschen Fall – der Sache angemessen gestaltet: Die Besteuerung des Lohns der normalen „abhängig Beschäftigten“ geschieht per Abzug „an der Quelle“ durch die Lohnbuchhaltung, in der Gewissheit, dass sonst für den Staat nichts übrig bleibt; den „selbständigen“ Leistungsträgern unserer Gesellschaft, darunter allen, die von gar nicht selbst erarbeiteten Kapital- und ähnlichen Erträgen leben, überlassen die Finanzämter die Deklaration ihrer Einnahmen samt steuermindernden Belastungen im Nachhinein. Die Besteuerung der Unternehmensgewinne folgt gleich diesem letzteren Muster und berücksichtigt – nach Ansicht der Gewerbetreibenden nie hinreichend – neben dem Umstand, dass hier die größten Summen anfallen, besonders sorgfältig die Funktion dieser Summen: Die private Bereicherung dient, umso mehr, je größer sie ausfällt, dem Wachstum insgesamt, um das es dem Staat zu tun ist; Leute, die davon nichts haben und Steuergerechtigkeit vermissen, werden nicht nur in den USA mit dem Märchen vom „Heruntersickern“ des dicken Geldes hinunter zu den Armen bedient.

Der bleibende Widerspruch zwischen Förderung und Belastung des Wirtschaftswachstums durch den Staatshaushalt findet im System der sogenannten indirekten Besteuerung seine einfachere Auflösung. Hier greift der Fiskus ganz direkt auf die Summen zu, die auf den Märkten umgesetzt werden. Er partizipiert unmittelbar an dem Geschäft und dem Wachstum der Kapitalisten, ohne denen wirklich zu schaden; die Unternehmen wälzen die Steuern auf den Verkaufspreis ihrer Waren immer weiter, bis sie am Ende an der trostlosen Figur des Endverbrauchers hängen bleiben. Mit Differenzierungen in dieser Abteilung, bei der Unterscheidung zwischen Verbrauchssteuern auf bestimmte Güter und einer allgemeinen Verkehrs- oder Umsatzsteuer sowie in Form unterschiedlicher Steuersätze bei der letzteren, verfolgt der Steuerstaat den Nebenzweck, Lebensnotwendiges nicht „über Gebühr“ zu verteuern, die Konsumgewohnheiten seiner Bürger ein bisschen zu lenken – und vor allem überall da präsent zu sein, wo sein Volk sich mal was Besonderes leistet. Auch diese Steuerart, an die der normale Käufer sich gewöhnt hat wie an steigende Preise überhaupt, stört vor allem die Unternehmer, die sie zwar abführen, aber gar nicht zu tragen haben: Sie rechnen so, dass alles, was der Staat kassiert, eigentlich ihnen als zusätzlicher Umsatz zusteht und im Grunde weggenommen wird.

Im ewigen Hin und Her zwischen staatlichem Finanzierungsbedarf und Schonung der wachstumsdienlichen Steuerquellen entwickeln Haushaltspolitiker stets von Neuem den Bedarf, Besteuerungsarten und Besteuerungsverfahren zu reformieren. Dabei haben sie die zwei entscheidenden Gesichtspunkte immer fest im Blick: Erstens geht es ihnen um mehr Steuereinnahmen und das zweitens so, dass dabei die entscheidenden Unterschiede der Steuerquellen gebührend berücksichtigt werden. Im Ergebnis setzt sich jede Steuerreform eine Neujustierung des Verhältnisses zwischen der Belastung der Masseneinkommen und der Besteuerung der Überschüsse einer im Prinzip und im Detail immer weiter zu „entlastenden Wirtschaft“ zum Zweck, weil von deren Erfolg jeder Cent abhängt, der in den staatlichen Haushalt eingestellt wird. Dass auf alle Fälle bei den Ausgaben des Staates umso mehr Sparsamkeit zu walten hat, je weniger sie dem Wachstum zugutekommen und je mehr sie durch dessen unproduktive Folgen veranlasst sind, versteht sich ohnehin von selbst.

Nach außen

Das Wachstum des Kapitals, für das der Staat Land und Leute zur brauchbaren Geschäftsbedingung herrichtet, hat zur Folge, dass das bewirtschaftete Territorium mit seinen natürlichen Ressourcen und die Einwohnerschaft in ihrer Eigenschaft als Arbeitskräftereservoir sowie als Markt für die Unternehmen zur Schranke wird. Für manche werden Rohstoffe, Energieträger, Produktionsmittel oder sogar Arbeitsleute knapp; Kaufleute entdecken Benötigtes und noch gar nicht Benötigtes im Ausland, auswärts hergestellte Produkte für den einheimischen Bedarf und einen heimischen Markt für exotische Waren. Und unabhängig von allen Gebrauchswerten jenseits der nationalen Grenzen, auf die sich der begehrliche Blick der nationalen Geschäftswelt richtet, bringt das den Notwendigkeiten des Wachstums geschuldete Bedürfnis nach zunehmendem Warenabsatz produzierende und Handel treibende Kapitalisten zu dem Urteil: Die Heimat, die ihr Staat ihnen einrichtet, ist zu klein. Von ihrer Herrschaft verlangen sie den zusätzlichen Dienst, im Interesse ihres Wachstums nach außen übergriffig zu werden und ihnen weltweit Zugang zu Ein- und Verkaufsmärkten zu verschaffen. Und die gelangt aus ihrer ökonomischen Staatsräson heraus, mit ihrer machtvoll organisierten Abhängigkeit vom Wirtschaftswachstum, zu dem gleichen Befund und Anspruch.

1. Kontrakte zwischen Gewaltmonopolisten für ein Kapitalwachstum über die nationalen Grenzen hinaus

Der Aufgabe, den heimischen Kapitalisten auswärtige Märkte als Geschäftsfeld zu erschließen, kommt der bürgerliche Staat nach, indem er mit der für passend erachteten Mischung aus Forderung und Angebot auf seinesgleichen los- bzw. zugeht und Verträge über einen freien Warenhandel aushandelt. Die haben als Erstes den Schutz von Person und Eigentum und privaten Verträgen für eigene Bürger im fremden Land durch dessen Obrigkeit, umgekehrt für Bürger der Partnerstaaten im eigenen Herrschaftsbereich zum Inhalt. Solche Vereinbarungen sind deswegen keine einfache Sache, weil die Höchsten Gewalten da schon gewissermaßen über ihren eigenen Schatten springen müssen: Den Rechtsschutz, den sie ihren Bürgern gewähren, mit dem sie ihre Untertanen also zu Repräsentanten ihrer hoheitlichen Freiheitsgarantien und insofern ihrer Souveränität machen, geben sie in fremde Hände; umgekehrt machen sie sich zum Hilfsorgan der fremden Staatsgewalt, die über Recht und Freiheit und Eigentum ihrer Bürger wacht, auch und gerade wenn sie sich im Ausland geschäftsmäßig herumtreiben. Der wechselseitige Rechtsschutz ist insoweit nicht nur ein Akt wechselseitiger Anerkennung, sondern mit Momenten der Unterordnung einer souveränen Staatsgewalt unter eine andere verbunden. Die Ausdehnung des eigenen Schutzbereichs für die Geschäftswelt über die nationalen Grenzen hinaus ist nur um den Preis einer gewissen Relativierung der eigenen hoheitlichen Alleinzuständigkeit fürs eigene Volk wie für alle Umtriebe im eigenen Land zu haben.

Doch dazu versteht sich der bürgerliche Staat; das gebietet ihm seine politökonomische Vernunft. Deswegen kommt er auch einem zweiten, seine Hoheit massiv betreffenden Erfordernis des grenzüberschreitenden Handels nach, nämlich in der Frage des Geldes, das im Ausland zu verdienen ist und gezahlt werden muss. Mit der Entlastung des kapitalistischen Wachstums durch ein für sich genommen wertloses gesetzliches Zahlungsmittel hat er die Reichweite der Privatmacht des Geldes und damit die Freiheit des Kapitals in der entscheidenden Phase seines Umschlags, als Erlös und Vorschuss, auf seinen nationalen Hoheitsbereich eingeschränkt. Auch dabei darf es nicht bleiben. Verlangt sind die Aufhebung der Grenzen der Verwendbarkeit des liquiden Kapitalvermögens in Gestalt nationaler Geldzeichen sowie die Garantie, auswärts erworbene Gelder auch im eigenen Land als vollwertiges liquides Kapitalvermögen verwenden zu können. Die Souveräne mit ihrer Geldhoheit verstehen sich deswegen zur bedingten wechselseitigen Anerkennung ihrer nationalen Zahlungsmittel im Sinne der Fiktion, sie wären durch weltweit als Geld akzeptierte materielle Wertträger, einen Schatz an Edelmetallen gedeckt, folglich verlässliche Repräsentanten eines unabhängig von staatlichen Machtworten gültigen Weltgeldes. Bedingt ist diese Anerkennung insofern, als fremdes Geld nicht unmittelbar für gültig erklärt und zu allgemeiner Verwendung freigegeben ist und das eigene auch nicht für auswärtigen Gebrauch als allgemeines Zirkulations- und Zahlungsmittel. Vereinbart ist vielmehr ihre Austauschbarkeit; ihr wirklicher Austausch – nach Regeln, die spezielleren Interessen und Kriterien folgen – begründet ein schönes Zusatzgeschäft für den Geldhandel, der sich die Mühe des Umwechselns bezahlen lässt. Verlangt ist dafür von den staatlichen Geldzettelschöpfern allerdings noch mehr als ein formeller wechselseitiger Respektserweis. Die vereinbarte Austauschbarkeit muss materiell gewährleistet sein durch die Fähigkeit und Bereitschaft der beteiligten Staaten, die behauptete und akzeptierte Deckung der nationalen Geldzeichen durch eine über jeden Zweifel erhabene Geldmaterie praktisch nachzuweisen, nämlich mit solchem ‚echtem‘ Geld bei Bedarf die eigenen Zahlungsmittel einzulösen. Die nötige Garantieerklärung richtet sich unmittelbar an die Geschäftswelt, die fremdes Geld daheim und eigenes im Ausland benutzen will bzw. die mit dem Wechsel der nationalen Geldzeichen befasst ist. Abgegeben wird sie aber zwischen den zuständigen Landesherren; die haften ein jeder gegenüber allen anderen für die Seriosität ihrer Produkte, die ökonomische Unterfütterung ihrer gesetzlichen Zahlungsmittel. Zwischen denen bzw. den berufenen Verwaltern ihres nationalen Gold- und Silberschatzes findet dann auch die Beglaubigung dieser Garantie durch einen zum Endabrechnungstermin gegebenenfalls nötigen Transfer wirklichen, materiellen geldförmigen Reichtums aus einer Nation in die andere statt: eine Anforderung, die die bleibende Notwendigkeit eines Staatsschatzes begründet, und deswegen eine Herausforderung für die staatlichen Finanzen.

2. Staatseinnahmen aus den Handelserfolgen auswärtiger Kapitalisten: Der Zoll

Die erste Eigentumsfrage, die die Staatsfinanzen unmittelbar betrifft und zwischen den Vertragspartnern zu klären ist, betrifft den steuerlichen Zugriff auf die Transaktionen, an denen kapitalistische Produzenten und Händler im Außenhandel verdienen. Einig werden sie sich auf der Grundlage, dass der Fiskus bei Exporten auf Besteuerung verzichtet – im Interesse des Absatzes, den heimische Produkte im Ausland finden sollen, weil sie nicht nur die Exportunternehmen bereichern, sondern von auswärts Geld ins Land bringen; außerdem findet die zu besteuernde Transaktion ja erst im Ausland statt. Beim Import greift der zuständige Steuereintreiber mit seinem sog. Fiskalzoll zu, stärkt also seine Finanzen an den Handelserfolgen auswärtiger Kapitalisten im eigenen Land.

Ein paar weitere – später zu behandelnde – Gesichtspunkte für die Erhebung von Zöllen ergeben sich aus den Wirkungen des internationalen Handels, genauer: der Geldströme zwischen Industriellen und Kaufleuten und ihren Geldhändlern über die nationalen Grenzen hinweg, auf den nationalen Geldschatz, als dessen Zeichen die gesetzlichen Zahlungsmittel zirkulieren und international auch tatsächlich in Anspruch genommen werden.

3. Die zwischenstaatliche Abrechnung über den grenzüberschreitenden Handel und die zweite Funktion des Staatsschatzes

Im Prinzip immer willkommen ist der Zufluss auswärtigen Geldes aufgrund einer per Saldo positiven Handelsbilanz; er begründet Forderungen auf den geldförmigen wirklichen Reichtum anderer Nationen – am Ende in der primitiven Form genormter Klumpen chemisch reinen Goldes –, was den Schein einer ökonomischen Deckung der umlaufenden Zahlungsmittel, also deren Solidität untermauert und insoweit die Finanzlage des Staates verbessert. Umgekehrt ist der Netto-Abfluss nationalen Geldes von Nachteil, wenn der Staat zur Beglaubigung seiner Geldzeichen am Ende Haushaltsmittel für die Aufstockung seiner Weltgeldreserve aufwenden muss.

Mit dem Wachstum des Kapitals im Land, das der Staat mit seinen Handelsverträgen und seiner Haftung fürs heimische Geld freisetzt und fördern will, fällt diese Bilanz nicht unbedingt zusammen. Ein positiver Saldo im Außenhandel kann die Folge einer „Wachstumsschwäche“ nationalen Ausmaßes sein, die mehr Importe überflüssig macht als den Exporten schadet. Umgekehrt kann ein gewaltiges heimisches Kapitalwachstum, das die Geschäftswelt froh und zufrieden macht, einen „Importsog“ entfalten, der das Wachstum der Exporte übersteigt. Auf jeden Fall trennen sich da zwei Erfolgskriterien des Staates voneinander, von denen sich nur das eine, der positive Beitrag von Außenhandelsgeschäften zum nationalen Kapitalwachstum, mit dem Geschäftsinteresse der Produzenten und Kaufleute des Landes deckt. An soliden Staatsfinanzen und einem Staatsschatz, der sie mit ihrem wachsenden Reichtum in nationaler Währung zu verlässlichen Einkäufern im Ausland macht, ist denen schon auch gelegen, aber eben als Mittel für ihr wachsendes Geschäft: ein Mittel, das zwar aus der Summe ihrer Geschäfte entsteht, das sie sich deswegen aber noch lange nicht zum Anliegen machen. Für dessen Bereitstellung nehmen sie ohne jede eigene Verantwortung die Staatsmacht in Anspruch, die ihnen ein nationales Geldzeichen als Geschäftsmittel an die Hand gibt und vorschreibt. Die Staatsmacht ihrerseits verbucht und behandelt die Konkurrenz der Kapitalisten im grenzüberschreitenden Handelsgeschäft als Mittel ihres Bemühens nicht nur um Wachstum überhaupt, sondern daneben um ihre durch Verfügung über Weltgeld gesicherte Finanzlage. In dem Punkt konkurriert die Konkurrenz der Staaten um die Verteilung des wirklichen geldförmigen Reichtums der Welt mit der Konkurrenz der Kapitalisten um ihr Wachstum.[2]

4. Die Unterwerfung des Globus unter die Notwendigkeiten des Wachstums: Imperialismus & Kolonialismus

Wenn die Kapitalisten eines „entwickelten“ Landes „das Ausland“ als Quelle wachsender Bereicherung entdeckt haben, dann finden sie sich mit geographischen Beschränkungen ihrer Risikofreude nicht ab. So wenig sie im Innern ihres Gemeinwesens Vorbehalte gegen ihr Monopol auf Produktion und Konsum tolerieren, so wenig respektieren sie eine Beschränkung ihres Wachstumsdrangs durch räumliche Entfernung, auswärtige Herrschaften oder fremde Sitten. Von ihrem Staat verlangen sie nicht nur, den eigenen Grenzen „das Trennende zu nehmen“; sie erwarten von ihm, dass er ihnen nicht weniger als den Globus als Geschäftsfeld erschließt.

Staaten mit entwickelter kapitalistischer Produktionsweise machen dieses Interesse zum Teil ihrer Staatsräson; sie verschaffen ihm, wie im Innern, auch nach außen sein Recht, soweit sie es vermögen. Dabei stoßen sie freilich auf Schranken: auf die Bemühungen von ihresgleichen, ihrerseits die Länder der Welt, darunter selbstverständlich auch das eigene, auf den Wachstumsbedarf ihrer nationalen Geschäftswelt aus- und dafür zuzurichten, sowie auf die Eigeninteressen und die Überlebensbedürfnisse der übrigen Staaten und Völker, auf die diese konkurrierenden Ansprüche sich richten. Es kollidieren nicht bloß kommerzielle Interessen, sondern die Rechte, die die Staaten den von ihnen anerkannten Interessen zusprechen und geltend machen; also die Mittel und Methoden, mit denen die politischen Subjekte der modernen Staatenwelt den Rechten, die sie sich herausnehmen, Geltung verschaffen.

Die zweckmäßige Ausübung dieser staatlichen Gewalt nach außen, in ihren zivilen und vor allem in ihren nicht mehr zivilen Formen, kostet Geld, und zwar nicht unerhebliche Teile des Wachstums, für dessen Entgrenzung der Aufwand betrieben werden muss. Das schreckt freilich keinen Staat mit entwickelter Klassengesellschaft davon ab, sich und seiner Geschäftswelt – sich einen bevormundend politischen, seinen Kapitalisten einen kommerziell ertragreichen – Zugriff auf fremde Länder zu verschaffen, so weit die Kräfte reichen. Ein gewisser Widerspruch ist es zwar schon, das Interesse der herrschenden Klasse an weltweiter Geschäftstätigkeit mit einer Außen- und Weltordnungspolitik zu bedienen, für die enorm viel Reichtum aufgewandt und gelegentlich geopfert werden muss. Für die Respektierung seiner Rechte, also das Ziel, diese gegen alle Konkurrenten und alle Widerstände durchzusetzen, ist einem auf die Ehre der Nation bedachten Staat aber nichts zu teuer. Deswegen sind die nötigen Unkosten, umso mehr, je höher sie ausfallen, für die öffentliche Gewalt ein einziger Stachel, sich gegen andere erfolgreich durchzusetzen und Aufwand und Opfer durch ein entsprechendes Mehr an Wachstum auch ökonomisch zu rechtfertigen. Das Kriterium, ob Ausgaben sich lohnen, gilt in Gewaltfragen nicht; aber mit dem Aufwand wächst – überproportional – der Anspruch, dass er sich lohnt; nämlich so, dass nach den Kosten nicht mehr gefragt werden muss. Diese – schon auf ihrer einfachsten Stufe von Widersprüchen belastete – Symbiose von Geschäft und Gewalt im Weltmaßstab ist Teil jener kapitalistischen Staatsräson, aus der der moderne Imperialismus folgt.

Diese Errungenschaft hat eine Vorgeschichte, in der risikofreudiger Geschäftssinn und herrschaftliche Gewalt erst einmal zueinander finden und sich „arbeitsteilig“ miteinander arrangieren mussten. Kaufmännische Gier – nach Gold, exotischer Ware und Sklaven – ist der eine Beweggrund für die Unternehmungen in der Heldenphase des Kolonialismus, als von Europa aus und für das Wachstum seines frühkapitalistischen Reichtums die Welt „entdeckt“ und unter Einsatz von Konquistadoren und staatlich lizenzierten Privatarmeen ausgeplündert und teilweise ausgeblutet wurde. Der Widerspruch zwischen Kostenaufwand und Erträgen, der manche einschlägig engagierte Gesellschaft in die Pleite getrieben hat und am Ende für alle zu groß wurde, hat die zuständigen Staatsgewalten – mit ihrem gar nicht aufs Ökonomische beschränkten Ehrgeiz, sich exotische Provinzen und Massen neuer Untertanen zu erobern – auf den Plan gerufen. In Konkurrenz zueinander haben sie den Globus ihrer Herrschaft unterworfen, mit viel Waffengewalt eine Art rassistisch modifizierter bürgerlicher Ordnung nach dem Vorbild der „Metropole“ installiert und sich so um die Erziehung des Menschengeschlechts zu einer riesigen Echokammer ihrer Gewaltkultur verdient gemacht; im Fall Nordamerikas ist daraus sogar ein eigenständiger Prototyp kapitalistischer Herrschaft und ein machtvoller Konkurrent der europäischen Kolonialmächte entstanden. Das um die Mitte des 20. Jahrhunderts erreichte Ende vom Lied war die Transformation der Menschheit in die Staatsbürgerschaft formell souveräner, dem Vorbild der bürgerlichen – ausnahmsweise der sozialistischen „Volks-“ – Demokratien nachgebildeter Nationalstaaten; festgelegt auf Gelderwerb als Überlebensmittel, auch wenn die nationalen Gebilde den Anforderungen kapitalistischer Geschäftemacherei nie gewachsen waren und bis heute nicht zu genügen vermögen; auf jeden Fall durch ein entsprechendes, wie auch immer desolates Eigeninteresse an Teilhabe an „der Globalisierung“ funktionalisiert für den weltordnerischen und geschäftlichen Zugriff moderner Imperialisten. Denn eben so bietet die flächendeckend auf nationale Staatsgebiete verteilte Völkerfamilie Unternehmern und Politikern der „Ersten Welt“ das passende Betätigungsfeld für ihre Konkurrenzkämpfe.

§ 10 Leihkapital

1. Hebel des Wachstums durch Trennung der Ausdehnung der Produktion vom Umschlag des Kapitals

Kapitalisten nutzen die liquiden Mittel, die der Umschlag ihres Vermögens hergibt, für die Erweiterung ihres Betriebs, um ihre Erlöse zu steigern. Den Fortgang ihres Geschäfts machen sie so davon abhängig, dass die Mehreinnahmen auch rechtzeitig und in der erforderlichen Höhe eintreffen. Mit ihrer Wachstumsstrategie gehen sie also über die Schranken hinaus, die der erreichte Umfang ihres Kapitals dessen gesicherter beständiger Reproduktion setzt: Sie nehmen immer mehr Zahlungsfähigkeit für sich in Anspruch, verlassen sich auf ein Wachstum des Marktes, das sie überhaupt nicht in der Hand haben. Mit der Verwendung ihres Kapitalumschlags für die Erweiterung des Umfangs ihrer Geschäftstätigkeit riskieren sie, was sie erweitern; das Mittel, über das sie aus eigener Kraft verfügen und das sie einsetzen, um Wachstum zu erzielen, ist kein Mittel, um aus eigener Kraft Wachstum zu erzielen.

Ein Grund zum Verzicht auf Geschäftserweiterung ist das nicht. Denn die Mittel, mit denen sich gesichertes Wachstum herbeiführen lässt, sind ja da: In der Geldphase seines Umschlags befindet sich das Kapital der Geschäftswelt mehr oder weniger komplett in den Händen der Geldhandlungsunternehmen. Mit ihrem Dienst am Zahlungsverkehr der produzierenden Kapitalisten haben die sich die Verfügung über die Geldsummen erkauft, die auf den von ihnen geführten Konten liegen und intern oder zwischen ihnen zu Gunsten bzw. zu Lasten ihrer Kundschaft hin und her gebucht werden. Mit dieser Verfügungsmacht über das Geld ihrer Kunden sehen sie sich in der glücklichen Lage, deren Wachstumsbedürfnissen noch ganz anders auf die Sprünge zu helfen als bloß durch die Übernahme und Perfektionierung des Wechselverkehrs und der kommerziellen Kreditverhältnisse zwischen den auf Wachstum programmierten und angewiesenen Unternehmen. Sie verwenden dieses Geld als Grundlage für Leihgeschäfte, mit denen sie den Kapitalisten Mittel für einen zusätzlichen, die Größe ihres Vermögens überschreitenden Vorschuss verfügbar machen, und zwar über längere, die Umschlagsdauer der einzelnen Kapitale überschreitende Zeiträume. Dafür müssen sie sich auf der anderen Seite ihre Verfügung über das Geld ihrer Kunden ebenso auf längere Zeit sichern. Das tun sie, indem sie denen – umso mehr, je länger sie über deren Geldvermögen frei verfügen können – Zinsen zahlen. Von ihren Schuldnern verlangen sie ebenso – je längerfristig, desto mehr, außerdem mit kritischem Blick auf die Sicherheit der Bedienung und Rückzahlung des verliehenen Geldes durch den jeweiligen Kreditkunden – einen Zins, der selbstverständlich den überschreitet, den sie für fremdes Geld zu zahlen haben. So machen sie aus ihrer Macht, Kapitalisten mit zusätzlichem Vorschuss auszustatten, für sich eine dauerhafte Einnahmequelle, deren Ertrag sie wie einen autonom erwirtschafteten Gewinn von gleicher Art wie der Profit produzierender Unternehmen am Gesamtaufwand für ihr Leihgeschäft bemessen.

Dabei nutzen die zu Geldverleihern mutierten Geldhändler den Umstand aus, dass das Geldkapital, mit dem sie ihre Schuldner ausstatten, seinerseits als Buchungsposten auf den von ihnen verwalteten Konten erscheint, also bis dahin, dass zwischen ihnen Zahlungen zur Saldierung aufgelaufener Verbindlichkeiten fällig werden, nur ideell, als Zahlungsversprechen oder Buchgeld existieren muss. Diese Notwendigkeit, für die Zahlungspflichten, die ihre Schuldner mit dem geliehenen Geld eingehen, im Geldverkehr untereinander einzustehen, setzt die sehr weite Grenze ihrer Freiheit, den Umfang ihres Leihgeschäfts allein an den Erfolgsaussichten der zu finanzierenden Geschäfte zu bemessen. Mit ihrer Metamorphose zu professionellen Bankiers verschaffen sie den übrigen Kapitalisten die Freiheit, ihr Wachstum so zu planen und zu realisieren, wie es den Marktchancen, den sachlichen Erfordernissen ihres Geschäfts und ihrem Kalkül auf dessen erfolgreiche Ausweitung entspricht und wie ihre gewachsene Macht zur Geldvermehrung ihnen den Preis wert ist, den die Kreditgeber ihnen berechnen.

2. Die Gleichung ‚Kapital = Kredit‘: Das zweiseitige Geschäft mit Schulden

Die Geldinstitute nützen dem Geschäftswachstum der Industriellen mit ihrem Leihkapital in dreifacher Weise: Sie gewähren ihnen Zugriff auf zusätzlichen Vorschuss; sie schaffen die Bedingung dafür, dass der vermehrte Bedarf der mit Kredit wachsenden Unternehmen auf ein gleichfalls wachsendes Angebot trifft; und ebenso dafür, dass der vermehrten Produktion auch eine gesteigerte Zahlungsfähigkeit gegenübersteht.[3] Zugleich setzen sie mit diesem Dienst dem Geschäft der produzierenden Kapitalisten einen zusätzlichen neuen Zweck: An dessen Ergebnis partizipiert der Geldverleiher; die Bedienung der Schulden ist die Vorgabe, die der Kreditnehmer erfüllen muss, bevor er die vermehrten Erträge für sein Unternehmen und für sich selbst verwenden kann. Die Kreditnehmer benützen fremdes Geld, das ihnen nicht gehört, ganz als ihr eigenes Kapital; doch am Kapitalertrag macht sich geltend, dass in dieser Gleichung ein nicht zu übergehendes Als-ob steckt – der gehört eben nicht einfach ihnen. Dabei mögen die Schulden, mit denen sie als eigenem Kapital wirtschaften, von ihrem Gesamtvorschuss nur einen Teil ausmachen: Mit der Verwendung fremden Geldes bekommt der Umschlag ihres gesamten Vermögens eine neue Qualität – er ist Dienst an der Verwandlung von Schulden in wachsendes Kapital.

Diese neue Qualität geht auf interessante Weise in die Kalkulation der industriellen Kapitalisten ein. Ihr Unternehmensgewinn verringert sich auf jeden Fall um die Kreditkosten; das nötigt sie dazu, mindestens die zu erwirtschaften; doch dabei bleibt es nicht. Den Maßstab der Kreditkosten legen sie an ihr gesamtes produktiv umschlagendes Vermögen an. Denn so viel Rendite geht ja aufs Konto der Vermehrungsmacht, die nach der Rechnung ihrer Gläubiger – die den Schuldnern insoweit voll einleuchtet – dem Geldvermögen als solchem innewohnt, nämlich auch zu haben gewesen wäre, wenn sie es nicht in ihren Betrieb gesteckt, sondern verliehen hätten. So viel Gewinn steht dem Kapitalisten also allein dafür zu, dass er Verzicht übt – jetzt nicht mehr im Sinne der ideologischen Rechtfertigung seines Jobs, dem Umkreis privater Genüsse zu entsagen, die er sich mit seinem Geld hätte erfüllen können, sondern dafür, dass er die praktische Alternative nicht wahrnimmt, sein eigenes Geld selbst als Leihkapital zu verwenden. Was er darüber hinaus verdient, steht dem Kapitalisten unter einem anderen Titel zu: nicht als Leistung seines von seiner Person zu unterscheidenden Vermögens, sondern als Lohn für seine persönliche Leistung, es in seinem Unternehmen gewinnbringend arbeiten zu lassen. Erst den Betrag, um den die erwirtschafteten Überschüsse die Summe aus Kreditzinsen, kalkulatorischem Zins und einem Unternehmerlohn, der die Bemühungen ums Management des eigenen Ladens vergütet, übersteigt, verbuchen kapitalistische Unternehmer als Gewinn im eigentlichen Sinn.

Die Geldkapitalisten stellen die komplementäre Rechnung und wenden das komplementäre Verfahren an. Sie gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass der kapitalistische Produktionsprozess, für dessen Wachstum sie Geld herleihen, in erster Linie zur Vermehrung ihres Vermögens da ist. In diesem Sinn berechnen und reklamieren sie ihre Zinseinnahmen als vorab festgelegten Ertrag unabhängig vom tatsächlichen Geschäftserfolg ihrer Schuldner, so als wären die die Leistung des vergebenen Kredits selbst. Sie handeln als Kapitalisten, die mit einem Vorschuss einen Überschuss erzielen, aber ohne selbst einen Betrieb aufzuziehen, Produktionsmittel und Arbeitskräfte zu kaufen und Waren von höherem Wert als dem ihres Vorschusses produzieren zu lassen und zu verkaufen. Sie machen die kapitalistische Macht des Geldes ohne ihren kapitalistischen Inhalt zu ihrer Gewinnquelle, so als würde die allein durchs Verleihen kapitalistisch wirksam. Sie verdoppeln gewissermaßen die Macht des Geldes, sich zu vermehren: Die existiert in der Verwendung der verliehenen Geldsumme als industrielles Kapital und, in aller Form selbständig daneben, im Anspruch des Geldverleihers an den Kreditnehmer, so als wären diese Schulden per se schon Kapital.

Natürlich ist diese Gleichung erst recht ein großes Als-ob. Ob sie aufgeht und ob im vorab festgelegten Maß, hängt von den kapitalistischen Leistungen des Kreditnehmers ab. Dass sie im Prinzip aufgeht, dessen sind sich die Profis der Kreditvergabe jedoch so sicher, dass sie ihrerseits den Geldbesitzern der Gesellschaft mit dem festen Versprechen gegenübertreten, in eigener Verantwortung alle Geldsummen zu verzinsen, die ihnen für längere Frist zur Verfügung gestellt werden. Sie machen selber Schulden bei aller Welt, verbürgen sich ihren Gläubigern gegenüber für Erhalt und Vermehrung deren Geldvermögens, machen also wirklich ernst mit der Grundvoraussetzung, i.e. der Lebenslüge ihrer Geschäftstätigkeit, dass sie über die Macht des verliehenen Geldes zur Selbstvermehrung verfügen und damit eine eigenständige Gewinnquelle in der Hand hätten. In dieser Sicherheit eignen sie sich mit dem Versprechen einer Verzinsung die Gelderlöse der Geschäftswelt und jeden sonst erreichbaren Geldbesitz als Manövriermasse für ihr Leihgeschäft an; und umgekehrt: Aus der mit Zins erkauften Verfügung über das Geld der Gesellschaft schöpfen sie ihre Macht, die Geschäftswelt mit Zahlungsfähigkeit für Wachstum auszustatten und dadurch sich selbst und alle ihre Gläubiger im vereinbarten Umfang zu bereichern.

So beziehen die Banken als universelle Kreditgeber wie Kreditnehmer die gesamte Geschäftswelt in ihre Tätigkeit mit ein. Sie vergesellschaften den privaten kapitalistischen Reichtum und machen daraus das Mittel einer doppelten privaten Bereicherung: die zweifache Gleichung von Schulden und Kapital.

3. Tücken der Kooperation zwischen industriellem und Bankkapital

Die Vergesellschaftung des Geldvermögens der Geschäftswelt findet statt als Konkurrenz eigener Art zwischen Banken und Industriellen sowie zwischen den Unternehmen auf beiden Seiten. Auf der einen Seite steht die Macht des Geldes, die die Kreditinstitute sich mit ihrem Dienst am gesellschaftlichen Zahlungsverkehr sowie auf längere Frist mit ihren Zinszahlungen erkaufen. Auf der anderen Seite müssen die Kreditkunden mit der Schuldenbedienung, die sie aus ihren Überschüssen erwirtschaften, erst wahr machen, was das Bankgewerbe als seine eigene Leistung in Anspruch nimmt: die Rendite aufs geliehene Geld. Auf beiden Seiten stehen die Unternehmen zugleich untereinander im Wettbewerb: die einen um möglichst flotten und billigen Kredit, die andern um möglichst üppige Einnahmen von möglichst soliden Kunden. Aus dieser Konkurrenz – und nur aus ihr: es konkurrieren ja nicht Warenanbieter mit gegebenen Kostpreisen um Absatz und den zu erlösenden Preis, sondern Kreditgeber und -nehmer um die so angewandte und im Kredit verselbständigte mit der so angewandten und im Kredit verselbständigten Macht des Geldes, sich zu vermehren – ergibt sich stets von Neuem ein durchschnittlicher Zinssatz; stets von Neuem, weil diese Größe für die einen die Untergrenze ihres Interesses an einer Kreditvergabe, für die anderen die Obergrenze ihrer Bereitschaft zur Zinszahlung markiert. Gewisse Vorteile in diesem permanenten Kräftemessen liegen auf der Seite der Geldkapitalisten: Die haben das Geld, das die anderen für ihr Wachstum brauchen, also einige Macht über Umfang und Erfolg der kapitalistischen Produktion. Und sie nutzen diese Macht ganz im Geist kapitalistischer Brüderlichkeit: Je problematischer die Geschäftslage und die Perspektiven des Unternehmens, je dringlicher also der Liquiditätsbedarf des Kunden und die Notwendigkeit zusätzlichen Vorschusses, desto höher die Zinsforderungen – erstens, weil sie sich leichter durchsetzen lassen; zweitens, um durch höhere Erträge deren mangelhafte Sicherheit zu kompensieren. Denn das ist die andere Seite dieser Konkurrenz: Keine Partei kann sich vorab sicher sein, weder im Einzelfall noch generell, dass das Kalkül mit einem durch Kredit forcierten Wachstum des industriellen Kapitals aufgeht, also die Gleichung von Schulden und Kapitalertrag gerechtfertigt ist. Im Ernstfall steht der Kreditgeber vor der Entscheidung, in ein schlecht laufendes Geschäft mehr „gutes Geld“ nachzuschießen, in der Hoffnung, dass mehr Kredit das Unternehmen saniert, oder durch Verweigerung benötigter Liquidität den Ruin seines Kunden zuzulassen, also praktisch herbeizuführen und die eigenen Vorschüsse abzuschreiben.

So entsteht aus dem Leihgeschäft ein neuer systemeigener Widerspruch: Bankkapital und produktives Geschäft sind für ihren Erfolg aufeinander angewiesen, ohne dass ihre Kooperation den Gegensatz ihrer Interessen mindert.

4. Das Umlaufmittel: Vom Geld- zum Kreditzeichen

Indem das Geldhandlungsgewerbe sich die Verfügungsmacht über den Geldreichtum der Geschäftswelt verschafft und mit dieser Macht seine Schulden zu Schulden und zur Wachstumsquelle derselben Geschäftswelt macht, ändert das Buchgeld, mit dem die Geldinstitute den Zahlungsverkehr ihrer Kundschaft bewerkstelligen, seinen ökonomischen Inhalt. Was sie auf den Geschäftskonten verbuchen und zu Gunsten resp. zu Lasten der Kontoinhaber umbuchen, steht nicht mehr bloß für deren Zahlungsfähigkeit, sondern, dank der Verfügungsmacht der Banken darüber, für den Kredit, den die Banken vergeben, der das kapitalistische Geschäftsleben wachsen lässt und der durch gelungenes Wachstum zu rechtfertigen ist. Dieses Geld repräsentiert das verfügbare Geldvermögen der Gesellschaft auf Basis dessen, dass die Banken es zur Manövriermasse ihres Leihgeschäfts gemacht haben, zum Kapitalvorschuss im doppelten Sinn: zu Schulden der Industriellen, die damit ihr Unternehmen betreiben, und zur eigenen Schuld, deren Erfolg als Kapital sie sich als ihre Leistung zuschreiben. Der Wert dieses Geldes, i.e. seine Funktionstüchtigkeit als Vermögen und Zahlungsmittel der Gesellschaft, beruht auf der Leistung des Kreditgewerbes, mit seinen Schulden und denen, die es bei sich machen lässt, ein wachsendes Geschäftsleben zu füttern. Es repräsentiert nicht – mehr – das Ergebnis allseitiger Geschäftstätigkeit, sondern den Vorschuss, dessen kapitalistischer Erfolg noch zu erwirtschaften ist, also Kredit; damit lassen die Kreditinstitute ihre Kundschaft zahlen.

Deutlichster, quasi buchstäblicher materieller Ausdruck dieser Gleichsetzung von Vorschuss und erlöstem Geld war die private Banknote: ein privates, gleichwohl unbedingtes Zahlungsversprechen; ein Schuldschein einer Bank, der selbst schon als seine eigene Einlösung gelten und zirkulieren sollte wie das offizielle staatliche Geldzeichen oder wie Münzen, die selbst den Warenwert haben, den sie mit ihrer Prägung beanspruchen. Diese Anmaßung, quasi in Konkurrenz zum offiziellen Papiergeld einen definitiven Wertträger ohne eigenen Wert in die Welt zu setzen, ist den Banken von Staats wegen untersagt worden. Das Geld, das sie verleihen und zwischen den Konten ihrer Kunden zirkulieren lassen, muss auf Einheiten des staatlichen Geldes lauten und Einlösung in diesem einzig gültigen Wertzeichen versprechen. Das ändert freilich nichts daran, dass die Zahlungsmittel, mit denen sie zahlen und ihre Kundschaft zahlen lassen, ihrer ökonomischen Natur nach Zeichen für ihre Ausleihungen sind – oder umgekehrt: dass die Gut- und Lastschriften, die ihr Leihgeschäft repräsentieren, alle Funktionen des gültigen Zahlungsmittels verrichten.

§ 11 Der Staat als Schöpfer eines nationalen Kreditgeldes

Im Innern

1. Anerkennung und Kontrolle der Verwendung von Schulden als Geld und Kapital durch den Gesetzgeber

Wenn die Kapitalisten mit Leihkapital das Wachstum ihres Unternehmens sichern und voranbringen, und wenn die Geldhändler im Dienst des Wachstums der Kapitalvermögen ein eigenes Geschäft auf Basis der verselbständigten Macht des Geldes entwickeln, dann geht das von Staats wegen in Ordnung, aber nicht so ohne weiteres. Denn aus seiner Sicht entstehen Probleme neuer Art mit der von ihm garantierten Sicherheit des Eigentums, wenn auf der einen Seite Unternehmer mit Geld, das sie gar nicht selbst verdient haben, das eigentlich anderen Eigentümern gehört, so wirtschaften, als wäre es ihr eigenes, und damit ein Geld verdienen, das ihnen definitiv gehört; und wenn auf der anderen Seite das von den Geldkapitalisten verliehene Geld ganz in fremde Hände übergeht, aber zugleich in Form eines bindenden Anspruchs weiterhin als ihr Vermögen existiert und sich sogar in einem vorab festgesetzten Maß vermehrt, so als hätten sie es selbst als Kapital eingesetzt. Eine solche Verdopplung der Kapitalqualität ein und derselben Geldsumme bedarf einer eigenen eigentumsrechtlichen Regelung.

Die schafft der Gesetzgeber, indem er dem Schuldner ein eigentumsgleiches Verfügungsrecht am geliehenen Geld sichert und dem Anspruch des Verleihers auf Rück- und Zinszahlung Rechtsqualität, i.e. Rückhalt bei seiner Gewalt gewährt. Das Recht des Eigentümers, per Geldzahlung über fremde Arbeit zu verfügen und sich dadurch zu bereichern, gilt auch, wenn er mit geliehenem Geld zahlt; und dieser Klarstellung fügt der Staat das Recht des verliehenen Geldes auf Vermehrung per Verzinsung hinzu. Das Leihgeschäft anerkennt er damit als eine eigenständige zweite Methode, aus Geld mehr Geld zu machen, und gestattet den Banken, sich für den Betrieb und die Ausweitung ihrer Geschäfte mit Zinsversprechen das Verfügungsrecht über das Geld der Gesellschaft – sei es das der Unternehmer, das sie ohnehin verwalten, sei es sonstiges Vermögen – zu erkaufen. So verhilft der Gesetzgeber dem Kreditgewerbe auch rechtlich zu der Eigenständigkeit, die es der Welt des angewandten Kapitals gegenüber in Anspruch nimmt, und institutionalisiert so die Konkurrenz zwischen Produzenten und Kreditgebern als Rechtsverhältnis eigener Art. Mit einem recht umfänglichen und ständig fortgeschriebenen Korpus an gesetzlichen Vorschriften für Kreditinstitute und der Einrichtung eines Aufsichtswesens zur Kontrolle ihrer Einhaltung bezeugt der Rechtsstaat auf seine Weise, wie viel Konfliktstoff dem Kreditgeschäft mit seinen diversen Beteiligten innewohnt. Er hält unter anderem einen Eingriff in die Gewerbefreiheit für geboten, stellt die Begriffe „Bank“ und „Bankier“ unter „Bezeichnungsschutz“, bindet die Ausübung des Bankgeschäfts an eine staatliche Lizenz. Verbindliche Vorgaben zur Ausstattung mit „Eigenmitteln“ und „Liquidität“, besondere Richtlinien zur Kreditvergabe und zur Einlagensicherung sowie eine umfassende Auskunftspflicht der Banken gegenüber staatlichen Aufsichtsorganen dokumentieren den speziell prekären Gehalt des Kreditgeschäfts, das mit jedermanns Geld auf fremden Geschäftserfolg spekuliert, seine Anfälligkeit für Betrugsmanöver beider Seiten ebenso wie das Interesse des Gesetzgebers, dass dieses Geschäft mit seiner besonderen Rolle im marktwirtschaftlichen Getriebe funktioniert.

2. Der Staat als „Bank der Banken“ mit „Banknotenmonopol“: Garant des Privatgeschäfts mit Schulden und autonomer Kreditschöpfer

Wenn die Banken es sich herausnehmen, das Kapitalwachstum mit der Ausgabe eigener Banknoten zu managen, deren Wert faktisch auf dem Erfolg ihrer Leihgeschäfte beruht, die aber in aller Form eine wirkliche Deckung durch wirkliche Geldware im Besitz der Bank für sich in Anspruch nehmen, dann sieht sich der Staat in zweifacher Weise herausgefordert. Zum einen zu einer rechtlichen Klarstellung: Dass in seinem Herrschaftsbereich private Zahlungsversprechen nicht bloß als solche, als funktionaler Geldersatz, sondern als endgültige Repräsentanten des staatlich geschützten Eigentums umlaufen, kommt nicht in Frage. Nicht nur deswegen, weil dann die Maßeinheit, die auf solchen Zahlungsmitteln angegeben ist, letztlich von der ökonomischen Potenz des Emittenten abhängt, das Privatgeld einen Kurs bekommt und das in ihm angeblich existierende Eigentum sogar ganz verfallen kann, wenn bei der Probe aufs Exempel gar kein greifbarer Wert hinter den emittierten Geldzeichen steht. Gefordert ist der Staat als Instanz, die ihrer Gesellschaft bindend vorgibt, in welchen Maßeinheiten ihr Reichtum zu quantifizieren ist, die zudem garantiert, dass das offizielle Geld, das auf eine Anzahl solcher Einheiten lautet, auch wirklich und unverbrüchlich das staatlich geschützte Eigentum repräsentiert, die also die Gültigkeit des Geldes, des kapitalistischen Lebensmittels ihrer Gesellschaft, zur Sache ihres hoheitlichen Gewaltmonopols gemacht hat. Das Geld, auf das die Zahlungsversprechen der Banken lauten und ihre Buchungen sich beziehen, und das Versprechen der Banken an ihre Kundschaft, deren Geldvermögen zu verwalten und Schuldner mit Zahlungsfähigkeit auszustatten, müssen getrennt sein und bleiben. Der Staat reserviert sich daher das Monopol auf die Herstellung und den Vertrieb von Banknoten. Die Mittel zur Zahlung, die die Banken mit ihren Ausleihungen, sei es in Form von Kontogutschriften oder von Überziehungsspielräumen, ihren Kunden versprechen, müssen sie sich im Bedarfsfall, sofern ihr Buchgeld nicht selber alle Zahlungen der Gesellschaft abwickelt, von seiner Notenbank beschaffen – dem Institut, über das der Staat Banknoten mit Geldqualität emittiert.

Dieses Monopol darf zum anderen, dies die zweite Herausforderung für den Staat, die Macht der Banken, als Inhaber des gesellschaftlichen Geldvermögens die Geschäftswelt mit der Zahlungsfähigkeit auszustatten, die fürs Wachstum benötigt wird und Wachstum verspricht, nicht beschränken; schließlich ist diese Macht als das gute Recht der Banken anerkannt. Was die sich beschaffen müssen, um in jeder Geschäftslage liquide zu bleiben, müssen sie sich auch beschaffen können. Dieser Forderung entspricht der Staat, indem er bei der Ausgabe seiner gesetzlichen Zahlungsmittel so verfährt wie die Kreditinstitute bei der Kreditvergabe: Er leiht die benötigten Mittel, gegen Zins und „Sicherheiten“, die ihrerseits in den Erfolgsaussichten von kreditierten Geschäften bestehen, an die Geschäftsbanken aus. Denen bestätigt er damit ganz real, dass das Geld, das sie verbuchen und mit dem sie ihren Kredit untereinander zirkulieren lassen, ein von der Höchsten Gewalt anerkannter Wertträger ist. Auf die Art bindet der Staat zugleich die Freiheit der Banken, im Maße ihres Kreditgeschäfts Buchgeld zu schöpfen, an das wirkliche Geld, das zu schaffen er sich vorbehält und das seine Funktion kraft staatlicher Autorität besitzt. Er gewährt die nötige Freiheit zur Geldschöpfung, indem er seine Emission von Papiergeld, auf das sich das Geldvermögen der Gesellschaft als seine wahre und definitive Existenzweise bezieht, an dem von der Notenbank anerkannten Bedarf der Banken ausrichtet. So kopiert der Herr der nationalen Zahlungsmittel die Errungenschaften der Kreditwirtschaft eben auch insofern, als er die Bereitstellung und Herausgabe seines gesetzlichen Geldes nicht – auch nicht mehr fiktiv, der Idee nach – an einem Geldschatz bemisst, den seine Banknoten repräsentieren würden, sondern an der Seriosität und dem Umfang der Kredite, für die die Banken Liquidität brauchen, also an deren prozessierender Geldvermehrung. Für die Seriosität des Bankgeschäfts trägt der Staat Sorge, indem er zum einen eben Sicherheiten in Form „erstklassiger“ Schuldpapiere verlangt und Zinsen kassiert. Zum andern verpflichtet er die Geschäftsbanken, in einem von ihm festgelegten Verhältnis zu Art und Umfang ihrer verschiedenartigen Verbindlichkeiten gesetzliche Zahlungsmittel als Sicherheitsreserve vorzuhalten, in bar oder auf Konten bei der Notenbank.

Als derartiges Mittel des privaten Kreditgeschäfts, seines Wachstums und des Wachstums der kreditierten Kapitalumschläge macht der Staat aus seinem Geld selbst ein – nationales – Kreditgeld. Damit bleibt das gesetzliche Zahlungsmittel, ganz folgerichtig, nicht mehr der Repräsentant eines festen Werts. Seine gesetzliche Gültigkeit als Geldform des Eigentums in staatlich definierten Maßeinheiten und sein ökonomischer Inhalt, der so gemessen wird, treten in aller Form auseinander. Von Rechts wegen sind und bleiben die Produkte der Notenbank die alternativlos gültige Geldform des kapitalistisch reproduzierten Reichtums der Nation; ihrer ökonomischen Natur nach, als liquide Mittel des nationalen Kredits, repräsentieren sie staatliche Zahlungsversprechen, „gedeckt“ durch das zukünftige Wachstum, das der nationale Kredit finanziert und vorwegnimmt; nicht ein aus der Zirkulation herausgetretenes und gegen sie festgehaltenes Geschäftsergebnis, sondern den vom Kreditgewerbe alimentierten Umschlag wachsender Kapitale.

3. Inflation (1): Notwendiger Kollateralschaden des kreditfinanzierten Wachstums

In ihrer feindlichen Symbiose bringen Industrielle, Kaufleute und Kredithändler im Zuge des Wachstums ihrer Geschäfte eine Relativierung des staatlichen Kreditgeldes zustande, das den Vermögenszuwachs der Beteiligten misst. Der Kredit, der auf dieses staatliche Geld lautet, setzt zwar voraus, dass er erfolgreich zur Kapitalvermehrung mit ihren zwei Nutznießern eingesetzt wird. Es ist ihm aber nicht einbeschrieben, dass er auf den Kampfplätzen der kapitalistischen Konkurrenz nichts als eine solide Steigerung der angewandten Vermögen und der Potenz des verliehenen Geldes per Verzinsung bewirkt. Nicht zuletzt im Blick auf ihre Kreditkosten finden die Warenproduzenten und -verkäufer sich geradezu genötigt, bei ihrer Preisgestaltung stets jeden Spielraum nach oben auszunutzen; dank ihrer Ausstattung mit geliehener Zahlungsfähigkeit sind sie auch solchen Konkurrenzlagen gewachsen, die die Preise für benötigte Waren verteuern. Zu Einbrüchen bei ihren Gewinnen und ihrem Wachstum muss das nicht führen, wenn die kommerzielle Kundschaft gleichfalls über Kredit für die Bezahlung höherer Preise und die Macht zu deren Weitergabe an ihre Abnehmer verfügt, weil die Menge des Kredits, den die Banken dafür in die Welt setzen, nicht durch die – fiktive, aber wirksame – Rückbindung an einen Schatz aus echter Geldware limitiert ist. Im Endeffekt steigen auch bei scharfer Preiskonkurrenz reihum die Preise, die die Unternehmer mit vermehrten Schulden bezahlen. In der Summe finanziert dann der Kredit ein Kapitalwachstum, das in Teilen aus purer Teuerung besteht, die wirkliche Kommandogewalt über die Warenwelt also gar nicht vergrößert – die über die zu bezahlende Arbeit allerdings schon, solange da kein Ausgleich durch gesteigerte Löhne erfolgt, was eine ganz andere Sache ist als der Konkurrenzkampf kapitalistischer Kaufleute um Absatz und Preise. Statistiker registrieren eine Aufblähung des Preisniveaus, flächendeckend oder in großen Segmenten des Marktes, nachgemessen am Vergleich der Preise für bestimmte „Warenkörbe“ im Zeitverlauf: eine Inflation, die sich, wenn allgemein wirksam, am Geld, das so reichlich verliehen und benutzt wird, als Wertverlust in Prozenten: als Geldentwertung ausdrücken lässt.

Ein Schaden ist das für das Geld und für diejenigen, die für ihre Arbeit ein festgelegtes Entgelt beziehen; für die Kapitalisten nicht wirklich – sie machen die steigenden Preise und vermehren ihr Kapital begleitet von der Entwertung des Geldes. Klar ist freilich, dass die Sache nicht abgeht ohne berechnende Zulassung durch den Staat, der sich ja der Aufgabe verschrieben hat, aufs Eigentum und dessen kapitalistische Vermehrung aufzupassen.

4. Sicherstellung der Staatsfinanzen (2): Staatliche Kreditzeichen mit Geldqualität als Quelle staatlicher Verschuldungsfähigkeit; Inflation (2)

Bei dieser ersten Inflationsursache, dem kreditfinanzierten Wachstumsprozess, bleibt es nicht. Die Macht des Bankgewerbes, mit Schulden das Wachstum der kapitalistischen Unternehmen zu finanzieren, und den Umstand, dass er selbst diese Macht mit der Bereitstellung der nötigen Liquidität beglaubigt, nutzt der Staat für sich selbst, nämlich zur Finanzierung seines Haushalts. Für seine Ausgaben, soweit sie als erforderlich anerkannt sind, sein zur Schonung „der Wirtschaft“ stets knapp bemessenes Steueraufkommen aber übersteigen, macht er Schulden – wie die Kapitalisten für ihr Wachstum – und zahlt er Zinsen – so als würde er wie diese damit Geld verdienen. Rück- und Zinszahlung – die frühere Herrschaften mit härterer Besteuerung finanziert oder die sie in den Ruin bzw. zu gewaltsamen Übergriffen auf ihre Gläubiger getrieben haben – bewältigt der bürgerliche Rechtsstaat mit Geld, das er sich mit neuen Schulden verschafft. Die erste und letzte Garantie dafür, dass seine Schulden keine haltlosen Zahlungsversprechen, sondern so gut wie Geld sind, ist die Tatsache, dass er mit seiner Notenbank über eine Institution verfügt, die selber gültiges Geld produziert, also in jedem Umfang schöpfen kann, und damit er selbst in letzter Instanz für die Geldgleichheit seiner Schulden einsteht. Zahlungsunfähig kann ein moderner Staat mit seiner Geldhoheit einfach nicht werden.

Dass den staatlichen Haushaltsschulden, die für kein Geschäft, sondern für Herrschaftsbedürfnisse gemacht werden, die ökonomische Rechtfertigung fehlt, wie die Kapitalisten sie für ihre Kredite durch erfolgreiches Wachstum erbringen müssen, bleibt natürlich nicht ohne Folgen; jedoch nicht für die Zahlungsfähigkeit des Staates, sondern für das Geld, mit dem er zahlt. Anders als der Kredit an Industrielle und Kaufleute stiften die Kredite an den Fiskus eine zuschüssige Zahlungsfähigkeit, die weder auf ein absehbares Wachstum bezogen und insoweit beschränkt noch durch Zahlungsunfähigkeit bei ausbleibenden Wachstumserfolgen gefährdet ist. Dementsprechend erweitern sie den Umfang, in dem Schulden ein Wachstum der Geschäfte finanzieren, das gar keine wirkliche Zunahme an kapitalistischer Kauf- und Kommandomacht darstellt, sondern nur die Zahlenwerte vergrößert, die den gesamtgesellschaftlichen Kapitalumschlag beziffern. Die Kredite, mit denen der Staat seine Herrschaft bezahlt, die durch nichts als seine Hoheit über das Geld „gedeckt“ sind und die trotzdem als zusätzliche Kaufkraft zirkulieren, leisten ihren prominenten Beitrag zur Entwertung des nationalen Geldes.

Als Hüter des Eigentums und der Privatmacht des Geldes registriert der Staat diesen Effekt, macht sich selbst dafür haftbar und reagiert, einerseits, restriktiv. Er ermahnt sich im Allgemeinen zu mehr Sparsamkeit; im Besonderen unterscheidet er schlechte, weil nur „konsumtive“ Posten in seinem Haushalt von solchen, die „investiv“ heißen, weil sie zukünftige Ausgaben überflüssig machen können und folglich wie Ertrag bringende Investitionen wirken oder aussehen, und von noch besseren, die über ihre unmittelbar wohltuende Wirkung auf seine kapitalistischen Lieferanten hinaus das Wachstum des nationalen Kapitals insgesamt voranbringen können, also wenigstens das Verhältnis zwischen Kapitalwachstum und Staatsverschuldung nicht verschlechtern, insofern ökonomisch als gerechtfertigt gelten können und die Geldentwertung im besten Fall kaum ansteigen lassen. Überhaupt werten die zuständigen Politiker die Staatsschuld und die ihr zugeschriebenen negativen Folgen, die sie im Wesentlichen an der Rate des Geldwertverfalls festmachen, als ziemlich unabweisbare Notwendigkeit, mit ihrem Haushalt umso mehr für ein wirkliches Wirtschaftswachstum im Lande zu tun.

Mit einem tatsächlich wirksamen Sachzwang, inflationstreibende Schuldenvermehrung zu unterlassen, ist der Staat im Innern jedoch nicht konfrontiert. Seine Kapitalisten sind – im Unterschied zu Arbeitern, deren Reallohn bei gleichbleibendem, selbst steigendem Nominallohn sinkt – nicht wirklich Opfer, sondern vor allem die offensiv kalkulierenden Urheber aller Preissteigerungen und in der Lage, damit wachstumswirksam fertig zu werden, solange die Banken ihnen das dafür Nötige leihen. Die Geldkapitalisten ihrerseits wissen ihre Zinsforderungen, am besten vorauseilend, der schwindenden Potenz ihres Geschäftsartikels anzupassen, und finanzieren, was sich lohnt. Zu einem wirklichen Problem im Innern wird die Entwertung des Geldes erst dann, wenn das nachgezählte „nominelle“ Wachstum „inflationsbereinigt“ gar kein „reales“ mehr enthält, womöglich ein Schrumpfen des kapitalistischen Reichtums der Nation bloß kaschiert; wenn also eine allgemeine „Überschuldung“ die Tauglichkeit des nationalen Kreditgeldes als Kapital ruiniert – was dann freilich nicht an den Schulden liegt, sondern daran, dass den Unternehmern kein Wachstum mehr gelingt. Für den Staat bleiben bis zu diesem Extremfall und dann erst recht von seiner Notenbank in Geld verwandelte Schulden das Mittel, die kapitalistisch formgerechte Finanzierung seiner Bedürfnisse sicherzustellen.

Die ständig präsente wirkliche Schranke dieser großen Freiheit des bürgerlichen Staates zur Selbstfinanzierung liegt im Vergleich der nationalen Kreditgelder, den der internationale Geldhandel schon im Zuge der Abwicklung des grenzüberschreitenden Kaufens und Verkaufens beständig vornimmt und für die Nationen praktisch fühlbar macht.

Nach außen

1. Auswärtiger Handel auf Basis eines von Staats wegen autonom geschöpften Kreditgeldes

Mit dem Kredit wächst auch der grenzüberschreitende Handel; mehr Geld fließt in allen Richtungen über die Grenzen, zwecks Einkauf und als Erlös aus Exporten. Hinter diesen Geldern steht als Garantie der Zugriffsmacht, die sie verkörpern, jetzt aber nicht mehr ein Staatsschatz, dessen Wert durch sie – wie fiktiv auch immer – repräsentiert sein soll, sondern eine jeweilige nationale Notenbank, die das Kreditgeschäft der Geldinstitute ihres Landes mit Liquidität versorgt. Das Geld der Nationen ist Kreditgeld: definitives Zahlungsmittel kraft Gesetz, ökonomisch gedeckt durch das vom Kredit der Banken gespeiste Kapitalwachstum. Was die Geldhändler im Dienst des internationalen Handels tauschen, also praktisch gleichsetzen, sind Währungen, die ihre Wertbestimmung im Innern durch das Verhältnis zwischen der Masse des Kredits für Wachstum und zur Staatsfinanzierung und der tatsächlichen Vermehrung kapitalistischer Zugriffs- und Kommandomacht erfahren, deren Maßeinheiten also eine gewisse Schwundrate eigen ist. Bezugsgröße und Messlatte für den Tausch der nationalen Gelder ist aber noch immer ein Wertträger, der unabhängig von der aufs jeweilige Land begrenzten Geldhoheit der zuständigen Souveräne Geltung besitzt: ein Weltgeld, das die Privatmacht des Kapitals und seiner Gewinne supranational verbindlich misst und in für den zwischenstaatlichen Reichtumstransfer hinreichender Menge materialisiert.

Das passt nicht mehr zur ökonomischen Natur der getauschten Gelder. Das Mittel des Wachstums, das Kreditgeld, das den Kapitalumschlag von seinen Schranken freisetzt, muss für den grenzüberschreitenden Handel tauglich gemacht werden.

2. Die Notenbank sichert die Konvertibilität der Währungen

Um des Außenhandels ihrer kreditfinanziert wachsenden Wirtschaft willen vereinbaren die Staaten die Konvertibilität ihrer nationalen Kreditgelder. Sie kommen überein, die im Kreditgeld eingeschlossenen Wertschwankungen ihrer Gelder im Verhältnis zum herkömmlichen edelmetallischen Weltgeld bei deren Austausch gegeneinander hinzunehmen. Die Austauschrelation von nationalen Kreditgeldern ermitteln Geldhändler: Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage im Tauschhandel mit verschiedenen Währungen, das sie mit ihrer Geschäftstätigkeit beständig neu herstellen, misst den Wert dieser Währungen aneinander. In diesem quantitativen Verhältnis wird die Eigenheit des Kreditgeldes: die Variabilität des Quantums kapitalistischer Zugriffsmacht, die eine Einheit repräsentiert, wirksam. Im vom Devisenhandel ermittelten Wechselkurs findet folglich ein permanenter Vergleich der nationalen Kreditgelder hinsichtlich ihrer jeweiligen, im Zuge des Wachstums des Kapitals und der Staatsschulden modifizierten Kaufkraft: ein permanenter Inflationsvergleich statt. Das ist der ökonomische Inhalt der im Devisengeschäft realisierten Verschiebung der nationalen Maßeinheiten des kapitalistischen Reichtums gegeneinander; also der letzte Grund dafür, dass der Geldreichtum der Nationen im Vergleich nicht bloß durch seine Masse, sondern auch durch die Veränderung des Vergleichswerts seiner nationalen Maßeinheit bestimmt ist und fortlaufend neu bestimmt wird.

Für die Kapitalisten ändern sich damit die Bedingungen ihres grenzüberschreitenden Handels in einer Weise, die sie überhaupt nicht in der Hand haben: Das Wachstum des nationalen Kapitals, von dem das ihre nur ein Teil ist, im Verhältnis zum Wachstum des nationalen Kredits, der staatlichen Schulden im Besonderen, mit seinen unberechenbaren Auswirkungen auf die herrschenden Marktpreise, das alles wirkt auf ihr individuelles Auslandsgeschäft zurück, und zwar in ganz unterschiedlichem Sinn. Eine relativ vergrößerte Zugriffsmacht des eigenen Geldes ist gut fürs Importgeschäft, setzt dafür Zahlungsfähigkeit frei; der entsprechend verringerte Wert des ausländischen Geldes mindert den Wert der Erlöse aus dem Warenexport, die im eigenen Land wieder in Kreditbedienung und Wachstum fließen sollen. Dabei lassen relativ gestiegene Preise im Ausland für Exporteure Preiserhöhungen zu, also den Erwerb einer größeren Menge des wertgeminderten Geldes; Importeure haben mit ihrer vergrößerten Kaufkraft höhere Preise zu bezahlen. Das alles gilt umgekehrt in umgekehrter Richtung. Fest steht auf alle Fälle, dass die Unternehmer sowohl im Ausland als auch auf dem für ausländische Kaufleute offenen heimischen Markt mit dauernd wechselnden Konkurrenzbedingungen zu rechnen haben.

Die Staaten, die ihre Währungen konvertibel machen, lassen sich damit auf eine Relativierung der Eigentumsgarantie ein, auf die sich eigene wie fremde Kapitalisten verlassen und für die sie den anderen Souveränen gegenüber haften und diese haftbar machen. Sie beschränken sich nicht mehr darauf, einander die Einlösung eigener Zahlungsmittel in einem supranational gültigen Weltgeld zuzusagen und bei fälligem Ausgleich der Außenhandelsbilanzen auch vorzunehmen bzw. einzufordern. Mit ihrer Notenbank sind sie permanent ins Geldwechselgeschäft eingemischt. Die gibt je nach Bedarf und geltender Rechtslage eigenes Geld heraus und nimmt zum gegebenen Wechselkurs – den sie damit natürlich beeinflusst – fremde Kreditgelder entgegen, die damit zum Bestandteil ihrer Guthaben, also des staatlichen Geldvermögens werden; Mittel aus diesem Schatz gibt sie gegebenenfalls für Einkäufe im Ausland ab. So sorgt der Staat dafür, dass für den durch Kredit ausgeweiteten grenzüberschreitenden Handel die benötigten ausländischen Kreditgelder verfügbar sind und das eigene brauchbar bleibt. Er nimmt dafür in Kauf, dass seine Währung bei auswärtigen Notenbanken landet, die einen Umtausch in andere Devisen verlangen können, die sein gesetzliches Geld also wie offene Forderungen, als Schulden behandeln, zu begleichen in Devisen zum jeweils gültigen Wechselkurs; umgekehrt füllt sich das entsprechende Guthaben seiner Notenbank mit Geldern, die keinen festen Wert besitzen, so dass der Wert seines Schatzes nicht bloß mit seinem Umfang schwankt, sondern auch mit dem Kurs der darin angesammelten Devisen, die für ihn internationale Zahlungsfähigkeit und zugleich, je nachdem, doch bloß fremde Schulden darstellen.

Die Konsequenzen der Relativierung der Eigentumsgarantie, die die Staaten um eines expandierenden Außenhandels willen in Kauf nehmen, managen sie natürlich nach Kräften. Sobald der bei ihrer Notenbank verbuchte Devisenschatz Wertverluste zu erleiden droht, verlangen sie die Einlösung der Eigentumsgarantie des Souveräns mit dem tendenziell minderwertigen Kreditgeld per Rückkauf seiner Währung in besseren Devisen – oder doch wieder gegen Weltgeld in seiner barbarischen Warenform, in Gold oder Silber zum dafür geltenden Kurs. Die Ansammlung von auswärtigem Reichtum in Form des Geldes, das den dort akkumulierenden Reichtum repräsentiert, aber eben auch die dort herrschende Inflationsrate, schlägt dann um in tatsächliche Zahlung, die der Nation mit dem schlechteren Geld internationale Zahlungsfähigkeit entzieht und den Staatsschatz der anderen um verlässliches Weltgeld wachsen lässt.

3. Die staatliche Zweckbestimmung des grenzüberschreitenden Handels: Masse und Qualität des nationalen Kreditgeldes

Im Interesse seines Staatsschatzes – und damit seiner Unternehmer, die für ihre Bereicherung im internationalen Handel eine Garantie für die volle Brauchbarkeit des auswärts verdienten Geldes im eigenen Land wie des heimischen Kreditgeldes für Importe benötigen – stellt der Staat neue Anforderungen an das nationale Geschäftsleben. Zum einen bekommt die Forderung nach einer positiven Handelsbilanz neues Gewicht.[4] Denn mit den verdienten Devisen wächst nicht nur die internationale Zahlungsfähigkeit der Nation in dieser Form: Die Deckung des eigenen Kreditgeldes durch entsprechende Guthaben der Notenbank sichert diesem Geld seine weltweite Akzeptanz als verlässlicher Wertträger, bestätigt es als auswärts unmittelbar verwendbare Zahlungsfähigkeit. Für seine Wertbeständigkeit entscheidend ist freilich das Abschneiden des nationalen Kreditgeldes im Vergleich der in Kaufkraft gemessenen kapitalistischen Macht der verschiedenen Währungen. Daraus folgt der andere Anspruch, den der Staat an die nationale Wirtschaft und vor allem an die eigene Verschuldungspolitik stellt: Um mit dem eigenen Geld dauerhaft weltweit liquide zu sein, muss sich das Wachstum des Kapitals der Nation in Geldsummen darstellen, die erstens groß sind und zweitens reale und nicht bloß nominelle kapitalistische Verfügungsmacht repräsentieren. Ebenso sehr wie um die Quantität des in Geld gemessenen Wachstums der Nation geht es um die Qualität der Einheit, die dieses Wachstum misst.

So klar diese Forderungen sind, so wenig klar ist der Weg zu ihrer Realisierung. Sie betreffen die gesamtwirtschaftlichen Konsequenzen der vielen einzelnen Kapitalumschläge; Wirkungen des Kredits auf das Wachstum des Kapitals der Nation, das zwar aus dem der einzelnen Unternehmen entsteht, aber weder deren Zweck ist noch in deren Hand liegt und überdies durch die Haushaltsschulden des Staates modifiziert wird; Wirkungen, die zwar alle Kapitalisten betreffen, aber in ihren ganz unterschiedlichen Konkurrenzinteressen und in ganz unterschiedlichem Sinn. Die Symbiose der Staatsgewalt mit der herrschenden Klasse wird mit jedem Fortschritt mehr zu einer Daueraufgabe der Politik.

[1] Kapitel I, Die elementaren Bestimmungen des kapitalistischen Geschäfts: Gesellschaftliche Produktion für privaten Gewinn, ist in GegenStandpunkt 3-17 erschienen.

[2] Dieses kritische Verhältnis bleibt durch alle Modifikationen des kapitalistischen Weltgeschäfts durch Kredit und Finanzgeschäft hindurch grundsätzlich erhalten.

[3] Da bewährt sich auch die Kreditvergabe ans breite Publikum, an den ‚Verbraucher‘, als Dienst am Kapitalwachstum.

[4] Gegen positive Handelsbilanzen von Nationen wird aus dem Blickwinkel der Sorge um eine gerechtere Weltwirtschaft gerne geltend gemacht, dass nur mit ausgeglichenen Handelsbilanzen ‚Ungleichgewichten‘ im Hin und Her des weltwirtschaftlichen Verkehrs entgegengewirkt werden kann. Auch der offiziellen Außenhandelspolitik ist das Ideal des Ausgleichs von Handelsbilanzen alles andere als fremd; gerade aus dem Blickwinkel der überlegenen Geltung des eigenen Geldes auf der Welt registrieren sie mit ihren Außenhandelserfolgen immer auch die Folgen für defizitäre Partner, nämlich die Gefahr, dass deren internationale Zahlungsfähigkeit schwindet. Freilich macht kein exportstarker Staat deswegen den Übergang dazu, seine erfolgreichen Exporteure zu bremsen.