Die USA erneuern ihren globalen Führungsanspruch (II)
In seiner Rede „zur Lage der Nation“ im Januar dieses Jahres kommt der US-Präsident am Anfang und am Ende auf Amerikas Außenwelt zu sprechen. Vorne geht es im Zusammenhang mit dem unaufhaltsam bevorstehenden ökonomischen Wiederaufstieg der Nation um eine falsche Politik früherer Regierungen, die den Aufbau von Arbeitsplätzen im Ausland statt in der amerikanischen Heimat begünstigt hätte, sowie um die Politik von Konkurrenten – ausführlich wird China kritisiert, zwischendurch erwähnt Obama auch Deutschland –, die den USA zukunftsträchtige Arbeitsplätze wegnehmen, obwohl ihnen das gar nicht zusteht; denn: „Our workers are the most productive on Earth, and if the playing field is level, I promise you – America will always win.“ Für ‚gleiche Konkurrenzbedingungen‘ jedenfalls wird der Präsident sorgen; er geht bereits unerbittlich gegen unfaire Umtriebe anderer Nationen vor, u.a. mit einer „Trade Enforcement Unit“, die ausdrücklich „unfaire Handelspraktiken in (!) Ländern wie China aufspüren und untersuchen“ soll. Hinten in seiner Rede, vor den abschließenden Lobeshymnen auf Amerikas größten Stolz, die stolze Armee – für Obama das großartigste Vorbild für die alle Rassen und Parteien übergreifende Einheit der Nation, die die USA bekanntlich unschlagbar macht –, erläutert der Präsident dann die strategische Situation der Welt. Die ist vor allem und insgesamt durch die Wiederherstellung der Führerschaft der USA gekennzeichnet.
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Die USA erneuern ihren globalen Führungsanspruch (II)[1]
– Allianz mit dem Konkurrenten Europa
– Neue Fronten im
arabisch-islamischen ‚Krisenbogen‘
In seiner Rede zur Lage der Nation
im Januar
dieses Jahres kommt der US-Präsident am Anfang und am
Ende auf Amerikas Außenwelt zu sprechen. Vorne geht es im
Zusammenhang mit dem unaufhaltsam bevorstehenden
ökonomischen Wiederaufstieg der Nation um eine falsche
Politik früherer Regierungen, die den Aufbau von
Arbeitsplätzen im Ausland statt in der amerikanischen
Heimat begünstigt hätte, sowie um die Politik von
Konkurrenten – ausführlich wird China kritisiert,
zwischendurch erwähnt Obama auch Deutschland –, die
den USA zukunftsträchtige Arbeitsplätze wegnehmen, obwohl
ihnen das gar nicht zusteht; denn: Our workers are the
most productive on Earth, and if the playing field is
level, I promise you – America will always win.
Für
‚gleiche Konkurrenzbedingungen‘ jedenfalls wird der
Präsident sorgen; er geht bereits unerbittlich gegen
unfaire Umtriebe anderer Nationen vor, u.a. mit einer
Trade Enforcement Unit
, die ausdrücklich
„unfaire Handelspraktiken in (!) Ländern wie
China aufspüren und untersuchen“ soll. Hinten in
seiner Rede, vor den abschließenden Lobeshymnen auf
Amerikas größten Stolz, die stolze Armee – für Obama das
großartigste Vorbild für die alle Rassen und Parteien
übergreifende Einheit der Nation, die die USA bekanntlich
unschlagbar macht –, erläutert der Präsident dann
die strategische Situation der Welt. Die ist vor allem
und insgesamt durch die Wiederherstellung der
Führerschaft der USA gekennzeichnet: The renewal of
American leadership can be felt across the globe.
Das
verraten ihm sowohl die Staatenlenker in aller Welt, die
begierig sind, mit uns zusammenzuarbeiten
, als
auch die people from Tokyo to Berlin, from Cape Town
to Rio
, die von Amerika endlich wieder die denkbar
höchste Meinung haben.
In dem Zusammenhang findet nicht bloß Deutschlands
Hauptstadt, sondern Europa Erwähnung, nämlich neben Asien
als Standort unserer ältesten Allianzen
, die nun
wieder stronger than ever
sind – was immerhin die
Frage aufwirft, wie sich das überkommene Bündnis aus den
Zeiten des Kalten Krieges und die neue krisenhaft
verschärfte ökonomische Konkurrenz zwischen den beiden
großen Zentren des globalen Kapitalismus miteinander
vertragen. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass in
Obamas Erfolgsbilanz die leaders
und people
‚von Moskau bis Peking‘ nicht auftauchen; womöglich
liegen da ja ein paar gute Gründe dafür, Amerikas
leadership
durch ein festes, nicht bloß
fallbezogenes Bündnis mit den klassischen Partnern zu
untermauern. Und vielleicht ist es erst recht kein
Zufall, dass Obama gleich im Anschluss an das Lob der
alten Allianzen auf seine neue Verteidigungsstrategie zu
sprechen kommt, die in der Hauptsache gar nicht neu ist,
nämlich sicherstellt, dass wir the finest military in
the world behalten
und one step ahead of our
adversaries bleiben
– Gegner sollen und werden auch
in Zukunft keine Chance haben, sich in militärischer
Machtentfaltung mit Amerika zu messen; Bündnispartner
dürfen an Amerikas überlegener Ordnungsgewalt
partizipieren, wenn sie dazu ihrerseits Beiträge liefern.
Den weit überwiegenden Teil seiner Anmerkungen zu
Amerikas Weltordnungspolitik widmet der Präsident der
Region, die sein Vorgänger mit zwei Kriegen aufgemischt,
aber alles andere als wunschgemäß unter Kontrolle
gebracht hat. Eben das, meint Obama, ist ihm mit der
Beendigung des einen, des Irak-Kriegs gelungen. Der
Truppenabzug dort hat nämlich die nötigen Kräfte für die
Hauptsache freigemacht: für entscheidende Schläge gegen
al-Kaida, decisive blows ... from Pakistan to
Yemen
, womit auch ein erfolgreicher Abschluss des
Afghanistan-Engagements in Reichweite kommt. In einen
zumindest rhetorischen Zusammenhang mit dieser
erfreulichen Entwicklung stellt Obama den Abgang Gaddafis
– a murderer with American blood on his hands is
gone
– sowie den bevorstehenden Triumph der human
dignity
über das Assad-Regime in Syrien. Die
Anwesenheit des amerikanischen Gewaltapparats in der
Region wird damit freilich keineswegs überflüssig. Denn
seit Obama die Gezeitenwende von Krieg zu Frieden
gebracht hat, ist einiges passiert: As the tide of war
recedes, a wave of change has washed across the Middle
East and North Africa, from Tunis to Cairo, from Sana’a
to Tripoli.
Und obwohl der Chef der Weltmacht in
aller Bescheidenheit einräumt: Ja, die Welt ist dabei,
sich zu ändern. Nein, wir können nicht jedes Ereignis
unter Kontrolle halten
, steht doch eines fest: But
America remains the one indispensable nation in world
affairs
, und dabei bleibt es auch unter seiner
Regentschaft. Für die Völker der genannten Region
bedeutet das: Letztlich, ultimately
, ist es zwar
deren Sache, über ihr Schicksal zu entscheiden
;
deswegen sind die USA aber keineswegs außen vor. Denn was
bei alldem ‘rauskommt, ist unsicher, und folglich kommt
Amerika um maßgebliche Einmischung gar nicht herum: We
have a huge stake in the outcome.
Schließlich gilt es
– wie auch immer die Völker selber sich ihre Zukunft
vorstellen –, für die values
einzutreten, die
Amerika groß und stark gemacht haben – that have
served our own country so well
–, nämlich für
strong and stable democracies and open markets
.
Und es gilt – das schließt sich für Obama nahtlos
an –, auf mögliche Feinde im Allgemeinen und auf den
Iran im Besonderen aufzupassen. Dabei gelingt dem
Präsidenten eine sehr prägnante Bemerkung zum
Universalismus des Gewaltbedarfs der Weltmacht: We
will safeguard America’s own security against those who
threaten our citizens, our friends, and our
interests.
Adressat dieser Anmerkung ist natürlich
die nationale Öffentlichkeit, die nicht befürchten muss,
Amerika würde seine bewaffnete Macht in den Dienst der
Belange fremder Staaten stellen: Nein, auch weit weg von
zu Hause geht es um Amerikas eigene Sicherheit.
Damit sagt der Friedensnobelpreisträger seinem Volk aber
nur, wie es ist: Wo auch immer die USA ein Stück der Welt
zum Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit erklären, da haben
sie auch etwas zu sichern, nämlich ihre Hoheit, also in
letzter Instanz sich; folglich müssen sie sich
auch überall dort das Recht herausnehmen, als ihre eigene
Schutzmacht aufzutrumpfen; denn wie könnten sie ihre
Sicherheit irgendwelchen Dritten überantworten! In der
arabisch-islamischen Krisenregion gebietet dieser
Sicherheitsbedarf, den Iran auf jeden Fall, auch mit
kriegerischen Mitteln, an allem zu hindern, was man in
Washington als Griff zur Atombombe wertet. Wenn das Land
klein beigibt, it can rejoin the community of
nations
, als deren Sprecher die Weltmacht hier
auftritt; aber: I will take no options off the
table
– die Zerstörung des Iran bleibt eine jederzeit
realisierbare ‚Option‘. Dies freilich exklusiv für die
Weltmacht, nicht für deren friends
. Deswegen setzt
Obama seine Kriegsdrohung gegen Iran deutlich ab von der
Zusage an Israel, weiterhin und mehr denn je die engste
militärische Kooperation mit dem Bundesgenossen zu
pflegen, dem Amerikas ironclad commitment – and I mean
ironclad –
gilt. In der Region, in der der Vorgänger
zwei Kriege für nötig hielt, um Amerika sicher zu machen
und die Welt in Ordnung zu bringen, bleibt die praktische
Herstellung einer Kriegsfront das entscheidende
Mittel für the renewal of American leadership
.
Denn überhaupt – die Schlussbemerkung ist der
demokratische Präsident sich schuldig – hängt Amerikas
Unbesiegbarkeit nicht bloß davon ab, dass die Nation sich
über alle politischen, Rassen- und sonstigen Fronten
hinweg so einig ist wie ihre Soldaten im Kampfeinsatz;
Amerikas leadership
beruht auch auf dem
erfolgreichen Einsatz der Soldaten, die im gemeinsamen
Kampf alle inneren Zwistigkeiten im Land vergessen
machen. Dafür zeigt Obama die passende Trophäe vor: den
Skalp des Oberterroristen Osama bin Laden in Gestalt der
Flagge, die das nach Pakistan entsandte
Hinrichtungskommando dabei hatte und nach erfolgreicher
Mission seinem Oberkommandierenden verehrt hat. Dieses
Tuch zeugt sinnfällig davon, dass der lange Arm der
Weltmacht jeden Schurken erreicht – they can‘t escape
the reach of the United States of America
– und dass
sich dementsprechend ein jeder hüten sollte, der
Weltmacht in die Quere zu kommen. In diesem Sinne: God
bless America. (Applause.)
[1] Der erste Teil
dieses Artikels ist in der vorigen Nummer 1-12 des
GegenStandpunkt
erschienen. Er behandelt Amerikas ‚pazifisches
Jahrhundert‘
sowie Obamas ‚Reset‘ mit
Russland
.